Falsches Kind.
Falsches Kind.
Falsches Kind.
Aah, ich fasse es nicht! Warum müssen heutzutage alle sechsjährigen Mädchen gleich aussehen? Da weiß man ja überhaupt nicht, welchen Gnom man mit nach Hause nimmt. Haben ja alle den gleichen Bye Bye Kitty Cat Rucksack oder wie auch immer diese Marke heißt. Außerdem hatte ich noch eine Besprechung um halb drei, zu der ich auf keinen Fall zu spät kommen durfte.
DIE IST ES!! – Ein Geistesblitz! Ich liebte Geistesblitze! Klein, blond, rosa. Das ist sie, definitiv! Meine kleine Halbschwester! Obwohl.. Moment mal. Brille? Verdammt. Weitersuchen.
Falsches Kind.
Falsches Kind.
"Buuh!" hörte ich ein zartes Stimmchen hinter mir. Ich drehte mich um - eine Sechsjährige hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt und sah aus, als wollte sie gerade wen aus "Die Monster AG" nachmachen.
Irgendwie kam mir der Zwerg bekannt vor. „Richtiges Kind“, seufzte ich erleichtert und machte mich mit Viky – ihr Name war mir eingefallen; ich war so stolz auf mich – auf den Weg zu unserem Vater.
„Daaaaavid, ich bin so froh, dass du mich abholst! Habe ich dich erschreckt? Was gibt es heute zu essen? Ich habe schon soooo Hunger! Sooo viel, so groß wie die ganze Welt und noch drei Planeten! Aah, mit ist so heiß, kannst du der Sonne sagen, dass sie weggehen soll? Warum gibt es eigentlich die Sonne? Ich hasse die Sonne, denn Sonne heißt Sommer und Sommer heißt keine neuen Spongebob Folgen! Verbrennt die Sonne eigentlich nicht, wenn sie so nah an sich selber ist? Und was machen eigentlich die Sterne am Himmel? Die sind ja die Kinder der Sonne und der Papa ist der Mond. Und sie haben alle ganz viele Freunde, die anderen Planeten und die Sterne die keine Kinder sind, die sind vielleicht Cousins oder so, aber es sind doch Freunde! Weißt du, heute habe ich mit meinen Freundinnen gespielt, wir wären Sterne und zusammen sind wir der Planet VENUS. Hihi, verstehst du? Veeenus. Viky, Elli, Niki, Ulla und Sabrina. Und das ist alles so ein bisschen wie in Sailor Moon, wo wir die bösen Kräfte bekämpfen müssen, sonst geht die Welt unter, und unsere stärkste Waffe ist unsere Freundschaft, weil wenn wir alle total gute Freundinnen sind, dann haben wir die doppelte Kraft und damit können wir alles besiegen! Der ganzen Welt müssen wir zeigen, dass Freundschaft das Wahre ist und dass man alles schaffen kann, nur wenn man echt Freunde hat, die zu einem halten und dich trösten, wenn du traurig bist, oder dir in der Schule helfen, wenn du etwas nicht verstehst und dir Anziehsachen borgen und die Zahnbürste, wenn du deine vergessen hast, oder den Lieblingsstift, sogar den von Hello Kitty. Heute war Sarah böse zu mir und hat meinen Stift weggenommen, nicht den Hello Kitty-Stift, aber trotzdem, und dann sind Elli und Sabrina gekommen und haben mich verteidigt und haben der blöden Kuh gesagt, dass das MEIN Stift ist und dass sie die Finger gefälligst davon fern halten soll. Ich bin so froh, dass ich meine Freundinnen habe! So lieb habe ich sie und außerdem wäre die Schule ohne sie so langweilig! Aber was ist eigentlich mit dir? Tut mir leid, ich rede immer so viel und kann nicht Stopp machen. Hast du Freunde, David?“
Ich war perplex. Viky hatte mir gerade die Kinderform von Freundschaft definiert.
Der kleine Zwerg fing an, mir sympathisch zu werden.
„Ich – Ja. Sicher habe ich Freunde… Die besten, die man sich wünschen kann!“, antwortete ich lächelnd.
„Das ist schön! Ich freue mich für dich, dass du auch so gute Freunde hast wie ich!“
„Ja.. ich mich auch.“, sagte ich und bekam Schuldgefühle. Erstens wegen meinen Freunden – ich hatte sie in letzter Zeit mehr als vernachlässigt und die Karriere war an erste Stelle gerückt; und zweitens wegen der Kleinen – ich hatte sie unterschätzt.
„Ahja, Papa hat gesagt es gibt Spaghetti zu Mittag.“, erzählte ich ihr.
„JAAA! Ich LIEBE Spaghetti! Kann Mara auch zum Essen kommen? Ich glaube schon, Papa hat gesagt sie darf immer zum Essen kommen, wenn ihre Mama es erlaubt. Sie ist eine Freundin von mir. Immer wenn wir Planeten spielen, ist sie die Einzige vom Mars, die überlebt hat und wir helfen ihr, die anderen von ihrem Planeten zu finden und irgendwann werden wir alle Freunde von allen Planeten finden und dann sind wir alle Freunde und es gibt keinen Krieg mehr.“, erzählte mir die Kleine aufgeregt.
„Ein kleiner Hippie“, dachte ich mir, lächelte sie an und schloss die Tür zur Wohnung unseres Vaters auf, während uns der Geruch von frisch gemachter Bolognese-Sauce in die Nasen stieg.
