Beschreibung
Es ist die Nacht aller Nächte, die Nacht aller Geister
HALLOWEEN
Es ist die Nacht aller Nächte, die Nacht aller Geister.
Peter hatte Spätschicht und ist nun auf dem Weg nach Hause. Zuerst begegnen ihm noch ein paar Kinder, die Süßigkeiten bettelnd von Tür zu Tür ziehen. Dann aber ist alles still. Es gibt kaum noch Straßenlaternen, die ihr mattes Licht über den Gehsteig gießen. Dann muss er an der hohen Mauer des Parks vorbei, der das kleine Schloss umgibt.
Tanzen da nicht Lichter über die Mauerkrone? Wieder und wieder flackern sie auf, scheinen hin und her zu hüpfen, ehe sie wieder verschwinden. Als Peter näher koommt, bemerkt er die schrecklichen Fratzen, die ihn über die Mauer hinweg anglotzen. Dann ist es wieder dunkel. Auf der Mauerkrone keine Spur von irgendwelchen Köpfen. Peter ist irritiert. Das letzte Sternenlicht ist auch erloschen. Dicke Wolken haben sich am Himmel aufgetürmt.
Am Parkeingang wieder das Aufleuchten von Lichtern. Peter läuft Gänsehaut über den Rücken und so wechselt er lieber auf die andere Straßenseite. Da wird es im Park lebendig. Er drückt sich in eine Mauernische, um nicht bemerkt zu werden, kann aber selbst alles überschauen. Im flackernden Licht einzelner Fackeln bewegt sich etwas. Peter hält den Atem an. Ganz in Schwarz gekleidete Herren wandeln auf und ab, Ladies in langen Kleidern mit weiten Röcken und großen Hüten sind auch dabei. Seltsam weiß leuchten die Gesichter, wenn der Fackelschein sie trifft.
Peter, ganz im Bann des Geschehens, schleicht näher und hört dann auch schon die Tanzmusik durch den Park dringen. Sie kommt wohl aus dem Schlösschen, denn dort schimmern einige Fenster in gespenstischem Rot.
Die Gestalten sind inzwischen im Gebäude verschwunden. Peter folgt ihnen wie betäubt. Vor dem riesigen Fenster des Ballsaales bleibt er stehen. Ein Blick ins Innere lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren. Überall riesige Spinnennetze, überdimensionale Insekten, leuchtende Augen, aufgerissene Mäuler mit weiß leuchtenden Fangzähnen. Aus manchen Ecken stieren ihn sogar die leeren Augenhöhlen von Totenköpfen an.
In diesem Moment wird er von hinten gepackt. Dann geht alles ganz schnell. Die Musik ist laut und schrill geworden, er spürt einen heißen Atem im Nacken, dann fühlt er zwei lange Zähne, die sich in seine Nackenmuskeln graben. Heiß fließt etwas in seinen Hemdkragen. Ist es Speichel….oder ist es gar sein Blut? Peter taumelt und wird in den Saal mit geschleppt. Im Nacken brennen die beiden Bissstellen. Sein kalter Schweiß mischt sich mit dem heißen Saft. Dann stürzen sich einige weibliche Wesenauf ihn, packen ihn an Armen und Beinen und schleifen ihn die Treppe hinauf in den ersten Stock. Aus dem Augenwinkel sieht Peter hier langschwänzige Figuren mit nackten Hintern, die mit Totenköpfen Kegel schieben. Das blanke Entsetzen lähmt Peter, als man ihn auf eine in einem dämmrigen Raum aufgestellte, riesige Liegestatt wirft. Er wird an Armen und Beinen an das Bett gefesselt. Während er sich noch kräftig zu wehren versucht, fällt sein Blick auf die Skelette, die grün phosphoreszieren und überall von der Decke baumeln und an den Wänden hängen. Als er vor Grausen losschreien will, bekommt er eine süßlich-klebrige Kugel in den Mund gestopft. Der ekelige Geschmack, seine Fesseln, die seltsamen Wesen und seine Erregung, die sich längst mit Angst gepaart hat, lassen ihn alles noch schrecklicher empfinden. Plötzlich breitet sich in dem schummrigen Raum zusätzlich ein süßlich duftender, grauer Nebel aus, der Peter fast den Atem nimmt. Dann wird es stockdunkel. Mehrere Paare grün leuchtender Augen tanzen um ihn herum. Dann strecken sich eben solche Hände nach ihm aus. Sie tasten ihn ab, suchen seine Kleiderverschlüsse und beginnen ihn unter lautem Geheule zu entkleiden, bis nichts mehr seine Blöße bedeckt. Eine nur annähernd zu ahnende Gestalt setzt sich schwer auf seine Beine, die andere lässt sich auf seinem Bauch nieder, während ein dritte Gestalt damit beschäftigt ist, seinen Körper rhythmisch zu streicheln. So erhält er eine Höllenmassage, die er nie vergessen wird.
Als Peter wieder zu Atem kommt und sie beginnen, seine Fesseln zu lockern, nimmt er plötzlich im wieder dämmrigen Lichtschein aus den Augenwinkeln vermutlich ein Teufelsweib wahr, auf das sich eine andere dunkle Gestalt stürzt. Ein schriller Schrei, lauter werdende Musik, noch ein Schrei, dann stürzt ein schwarzes Bündel aus dem Fenster. Oder ist es gestürzt worden? Peter rüttelt wieder kräftig an seinen Fesseln.
Da werfen sich erneut zwei Gestalten auf ihn. Ein zweiter Biss in den Hals, Peter stöhnt auf. Einer Ohnmacht nahe, bekommt er nur noch mit, wie man ihn endgültig los bindet und ebenfalls zum Fenster schleppt. Ein Schrei entringt sich seiner Brust, dann stürzt auch er aus dem Fenster. Die Landung ist verhältnismäßig weich. Aber davon bekommt Peter nun doch nichts mehr mit.
Am späten Vormittag des neuen Tages erwacht er in seinem gewohnten Bett mit dröhnenden Kopfschmerzen und mit einem von Blut verschmierten Hemd. Seine Frau begrüßt ihn lachend und meint, es sei sehr schön gewesen auf der Halloween-Party. Schade, dass er Spätschicht gehabt habe.
© HeiO 10-2010