Wie hätte es auch anders sein sollen? Es schüttet wie aus Eimern und ich habe mein Sonntagsausgehblüschen an. Typisch! Mein nagelneuer Schirm liegt sauber und akkurat zusammengeklappt in der Kommode im Flur und ich plansche mit meinen Sandalettchen durch die glitschigen Pfützen im Park. Toller Tag!
Dabei hatte ich mich so gefreut. Gestern haben wir noch telefoniert. Er freue sich auch so sehr mich wieder zu sehen und könne es kaum erwarten, mich in die Arme zu nehmen; wohl eher auf dem Arm- dieser verdammte Idiot! „Dann um drei bei Valentino.“, säuselte er und „ Ich beeile mich auch.“
Jetzt ist es schon sechs. Nach geschätzten 10 Latte Macchiato und ebenso vielen Herzkekschen vom Untertassenrand konnte ich die mitleidigen Blicke der Kellnerin und ihre Frage „Noch einen Wunsch?“ nicht mehr ertragen. „Ja, die Rechnung bitte.“, erwiderte ich traurig.
Wie oft habe ich Menschen neidisch beobachtet, die alleine Im Cafe sitzen und während sie seelenruhig ihren Kaffee schlürfen, in der Zeitung blättern. Entspannung? Pah! Ich kam mir richtig gedemütigt vor.
Schnell versuchte ich weiterzugehen oder eher zu hopsen, denn alle 2 Meter gab es eine neue Pfütze und das bei angesagtem Sonnenschein. Kein Verlass mehr auf die Herren Meteorologen; ach was sag ich; auf die Männer überhaupt.
Was ist denn so schwierig daran, einen tollen Mann zu finden, einen erfolgreichen Job zu haben, eine nette gemütliche Wohnung? Das Haus im Grünen habe ich mir ja schon abgeschminkt und die Karriere als Dr. Prof. Wundertoll auch.
Männer, ja Hampelmänner, habe ich auch viele kennen gelernt.
Früher war alles viel einfacher. Da gab es einen verknautschten Zettel mit den berühmten Ankreuzfragen „Ja“, „Nein“, „Vielleicht“, ein verlegenes Lächeln beim Öffnen der Botschaft. Wenn dann der kleine blonde Jakob mit den ach so süßen Löckchen „Nein“ ankreuzte, war da ja noch der große dunkle Tim, der so tolle Papierfalter bauen konnte. Irgendeinen gab es immer, der dir die Schultasche trug und mit dem du feierlich dein Pausenbrot teilen konntest. War das schön!
Jetzt ärgere ich mich mit Antonios rum, die dir erst die Sterne vom Himmel versprechen und dann zu dämlich sind, eine Leiter aufzubauen. Oder Thomas von nebenan. Ich fand es so entzückend, dass er jeden Sonntag seine Mami zum Kaffee einlud, bis ich sie irgendwann im Wäschekeller beim Aufhängen von gestreiften Boxershorts traf.
Ich koche innerlich und so merke ich auch nicht, dass meine Wimperntusche mir über das Gesicht läuft, gemischt mit den bitteren Tränen der Enttäuschung. Ich zittere am ganzen Körper und bin schon völlig durchnäßt. Noch ungefähr fünfhundert Meter bis zur Haltestelle. Voller Vorfreude bin ich heute natürlich mit dem Bus gefahren, damit er mich abends nach Hause bringen kann. Pustekuchen.
Als ich endlich ankomme, sehe ich rechts von mir noch die Rücklichter von Bus 123 und verfluche diesen Kerl mit dem roten Sportflitzer. Laut Fahrplan fährt in einer halben Stunde der nächste Bus in meine Richtung. Was soll's? Ich setze mich auf eine dieser mit Vogelscheiße und alten Kaugummis verseuchten, kalten metallenen Bänke und lasse meinen heißen Tränen freien Lauf.
„Taschentuch?“, höre ich eine tiefe Stimme. Schon sehe ich eine Hand mit einem grün karierten Stofftaschentuch vor meiner Nase fuchtelnd. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas noch gibt. „Danke“, sage ich mit weinender Stimme und wische über meine Wangen.
Dann will ich in das Gesicht schauen, das zu der Hand gehört aber vorher schweift mein Blick über schwarze Schuhe, eine engsitzende Jeans und eine braune Lederjacke. Bevor ich noch etwas sagen kann, höre ich ein herzhaftes Lachen und blicke in ein spitzbübisches Gesicht mit strahlenden blauen Augen. Verwundert fauche ich ihn an: „Hab ich was verpasst?“ Er prustet weiter und sagt fast heulend vor Lachen:„In welche Vorstellung wolltest du denn?“ Ich muss aussehen wie ein Fragezeichen, denn er redet schon grinsend weiter:„Du siehst aus als ob du geteert und gefedert worden bist.“
Super, ich kann mich nicht halten vor Lachen! Erst gibt der mir ein uraltes Taschentuch, dann duzt der mich auch noch und zu guter letzt werde ich beleidigt. Klasse! „Sehr charmant“, zische ich und werfe ihm sein mit Wimperntusche und Tränen beschmutztes Taschentuch entgegen. Als ich den erstaunten und zugleich betroffenen Blick sehe, bereue ich auch schon wieder, dass ich so biestig bin. Dabei sieht er wirklich zum Anbeißen aus, selbst mit erschrockenem Gesicht.
Plötzlich muss ich grinsen und dann kommt es aus mir heraus. Ich fange schallend an zu lachen und kann nicht mehr aufhören bis mir wieder die Tränen aus den Augen laufen. Ich bin mittlerweile aufgestanden und als ich mein verwackeltes Spiegelbild auf der Reklame entdecke, beginnt mein zweiter Lachanfall. Er schaut mich ganz ernst an und fragt sich wahrscheinlich, ob er es mit einer Irren zu tun hat, die erst vor Verzweiflung und dann vor Lachen heult. Ich zeige auf die Reklame, von der Heidi Klum runterstrahlt und auf der ich mich spiegele.
Meine Haare hängen wie Spaghetti an mir herunter, in meinem Gesicht sammeln sich Farben, von deren Zusammenstellung selbst der schönste Regenbogen träumt und meine durchnäßte Kleidung ist voll geklebt mit bunten Blättern aus dem Park. An meinen Schuhen hängen diverse kleine Zweige gemischt mit Matsch, den ich als Kind so geliebt habe. Ein Anblick für die Götter.
Nachdem wir uns beruhigt haben, sagt er grinsend:" Ich kenne da ein nettes Cafe, wo es den besten Latte Macchiato der Welt gibt. Die haben sicher auch ein bißchen Wasser und Handtücher. Darf ich Sie einladen, holde Blätterfee?"
Na dann, denke ich mir, auf ein Neues.