Kurzgeschichte
DIE GESICHTER IM SEE

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"DIE GESICHTER IM SEE"
Veröffentlicht am 19. Oktober 2010, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich wurde in einem kleinen Dorf bei Nürnberg geboren. Studium und Beruf brachten mich nach Baden Württemberg. Die etwa 35 Jahre im Dreiländereck waren genug. 1999 zog es mich in meine alte Heimat zurück und seither lebe ich in Fürth.
DIE GESICHTER IM SEE

DIE GESICHTER IM SEE

Beschreibung

Erkenntnisse eines jungen Mädchens

DIE  GESICHTER  IM  SEE 

 

Der Pfad hinunter zum Fuß des Wasserfalles ist steil und steinig. Manchmal ist er so schmal, dass man kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann, ohne in die Tiefe zu stürzen. Dann wieder ist der Pfad so breit, dass leicht zwei Menschen an einander vorbei gehen könnten.

Es ist eine Vollmondnacht im Spätsommer und viele Mädchen haben diesen Weg bereits zurück legen müssen, ohne ihr genaues Ziel zu kennen. Ob sie zurück gekehrt sind? Keine wusste es von der anderen. Keine durfte je fragen oder sich weigern, diesen Weg zu gehen. So auch N’Tekara, die jetzt vorsichtig den Pfad hinab steigt, sorgfältig darauf bedacht, keine Geräusche zu verursachen und keine Spuren zu hinterlassen. Sie hat sich fest vorgenommen, das Geheimnis dieses Weges zu lüften. Verbotener weise trägt sie in den Falten ihres Gewandes verborgen, eine aus dünnen Sehnen geflochtene Schnur bei sich. Diese ist so zäh, elastisch und reißfest, dass sie sich leicht daran hängen kann.  Dann hat sie sich einen Feuerstein und etwas Schwamm eingesteckt, gut gegen Feuchtigkeit geschützt. Vielleicht kann sie das alles einmal brauchen.

Da sie ein Kind der Natur ist, hat sie oft die Tiere beobachtet, die im großen See geschwommen sind. Oder sie hat den Fröschen bei ihren Paddeleien zugeschaut. Als das Wasser fast noch eisig war, brachte sie sich schon das Schwimmen bei und zum Glück bekam keiner von ihren Leuten davon etwas mit. Jetzt am Ende des Sommers ist sie eine gute Schwimmerin. Auch Fischen und Jagen schaute sie sich von den Burschen und Männern ab und übte es heimlich. Sie ist gut auf ein selbständiges Leben vorbereitet.

Immer tiefer steigt sie hinab, bis sie schließlich an dem See ankommt, in den der Wasserfall stürzt. Fast schwarz liegt er vor ihr. Das silberne Gesicht des Mondes liegt wie ein Spiegelbild mitten im See und lächelt sie an, als ob er ihr Vertrauen einflößen wollte. Dann entdeckt sie die Brücke, die hinter den Wasserfall zu führen scheint. Mutig wagt sie den ersten Schritt. Ihr Fuß versinkt in den Pflanzen. Vorsichtig tastet sie sich weiter. Auch für den zweiten Schritt trägt die Brücke noch. Mutiger geworden setzt N‘Tekara einen Fuß vor den anderen. Was sie nicht weiß, die Brücke besteht aus versinterten Pflanzen. Das Wasser des Sees ist so kalkhaltig, dass nach längerer Zeit die Pflanzen von stetig wachsenden Kalkkrusten bedeckt werden, irgendwann versteinern und dann diese Scheinbrücken bilden. Manchmal entstehen sogar Wälle daraus, die dann die Wasser stauen. In größeren Lücken fließen diese dann in den darunter liegenden See .

Plötzlich bricht die Brücke ein und N‘Tekara stürzt ins Wasser. Als sie heftig prustend wieder auftaucht, sucht sie sofort den Wasserfall und beginnt, darauf zu zu schwimmen. Der Spiegel des Mondes gaukelt ihr Festland vor, aber sie schwimmt kräftig paddelnd an der Sinterbrücke entlang. Plötzlich spürt sie die heftige Strömung weg von der Sinterbrücke und weiß alles. Weil sie recht gut schwimmen kann und auch das sehr kalte Wasser sie kaum stört, kämpft sie sich weiter und weiter. Zu ihrem Glück wird sie an einen ins Wasser gestürzten Baum getrieben. Nach einer Verschnaufpause kann sie im klaren Wasser erkennen, dass der Baum einen guten Halt bietet und sie mit seiner Hilfe wieder näher an die Sinterbrücke kommt. Langsam arbeitet sich das Mädchen voran. Dann spürt sie, wie das Wasser flacher wird. Fische beginnen, um ihre Beine zu spielen. Weiter folgt sie dem gestürzten Baum und entfernt sich dadurch von dem Wasserfall. Endlich ist sie an dem großen Wurzelstock des erst kürzlich umgestürzten Baumes angekommen. Sie zieht sich vollends aus dem Wasser und hat dann plötzlich festen Felsen unter den nackten Füßen. Hinter dem Wurzelwerk findet sie ein trockenes Plätzchen, macht sich rasch noch ein Lager aus Gras und schläft dann dort vor  Erschöpfung  sofort ein.

Spät am nächsten Morgen wacht N‘Tekara auf. Die Sonne steht schon hoch, aber ihre Strahlen haben Mühe, auf den Grund der Schlucht zu dringen. Das Mädchen sieht sich erstaunt um. Sie ist an einem Höhleneingang gestrandet. Sofort macht sie sich auf, ihre Umgebung zu erkunden. Hinter dem Wurzelwerk des Baumes führt ein Gang in das Felsgestein. Den will sie erst später untersuchen. Dann geht sie weiter. Hinter dem riesigen Wasserfall öffnet sich eine gewaltige Höhle. Niemand würde sie hier jemals entdecken können, weil der Wasservorhang zu dicht ist. Ihr Schreien würde auch vom Tosen des Wassers übertönt werden. Dann entdeckt sie den schmalen Pfad, von Wildtieren getrampelt, die hier vermutlich ebenfalls Schutz suchen, an den Steinen lecken oder einfach bei ganz schlechtem Wetter ruhen. Nachdem sie ihre Füße mit Gras umwickelt hat, folgt sie dem Wildwechsel. Er führt auf der anderen Seite des Sees am Hang entlang, zwischen hohen Gräsern und vielerlei Dornbüschen hindurch. Dann entdeckt sie die zweite Sintermauer und dahinter einen neuen, fast ebenso hohen Wasserfall wie den, hinter dem sich die Höhle befindet. Einen Stecken hat sie sich mittlerweile gesucht, der ihr zum Schutz vor Tieren dient und der ihr das Vorankommen leichter macht. Sie ist noch ein großes Stück hinunter gestiegen. Schließlich kann sie in das untere Wasserbecken hinein schauen, weil ein paar Sonnenstrahlen das Wasser durchsichtig werden lassen.

Was sie jetzt sieht, lässt ihr das Blut in den Adern gefrieren. Auf dem Grund des Wasserbeckens liegen menschliche Gestalten, Mädchen wie sie, mehr oder weniger von Kalkschichten bedeckt. Die Kleidung und die Haare, selbst die Gesichter einiger sind noch deutlich zu erkennen. Sie hat diese Mädchen auch gekannt. Und jetzt versteht sie!

Ein tiefer Schrei entringt sich ihrer Brust. Ein Schrei der Trauer, der Verzweiflung, der Wut. Sie sollte genauso wie die anderen geopfert werden, damit ihre Leute den Winter gut überstehen.

N‘Tekara  dreht sich um und steigt wieder zur Höhle hinauf. Sie sammelt sich noch ein paar Pilze und andere Waldfrüchte, fängt einen Fisch und hält dann Rast. Anschließend erkundet sie den Felsengang. Dieser führt in eine weitere Höhle, ehe er sich im Zickzack und mehr und mehr ansteigend irgendwo ans Tageslicht windet.

Nun erst ist N‘Tekara wirklich in Sicherheit.

© HeiO 09-2010

 

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Hörbuch

Über den Autor

NORIS
Ich wurde in einem kleinen Dorf bei Nürnberg geboren. Studium und Beruf brachten mich nach Baden Württemberg. Die etwa 35 Jahre im Dreiländereck waren genug. 1999 zog es mich in meine alte Heimat zurück und seither lebe ich in Fürth.

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NORIS Re: -
Zitat: (Original von Gast am 17.12.2010 - 17:56 Uhr) Hallo Heide,
das ist eine sehr spannende Geschichte, ich sehe direkt alles vor mir.
Haben Dich die versteinerten Wurzeln der Plitvitzer Seen animiert?
Lieben Gruß
Dorrit


ja, liebe Dorrit, ganz genau
lg heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Hallo Heide,
das ist eine sehr spannende Geschichte, ich sehe direkt alles vor mir.
Haben Dich die versteinerten Wurzeln der Plitvitzer Seen animiert?
Lieben Gruß
Dorrit
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: O nein Heidemarie, so einfach geht das nicht, -
Zitat: (Original von UteSchuster am 22.10.2010 - 10:30 Uhr) du kannst doch jetzt nicht aufhören. Also den letzen Satz ändern:

Ist N'Tekara wirklich in Sicherheit.

Bitte, alles andere lass ich nicht gelten.

No komment ;-)


liebste Grüße aus der Sonne,

deine Ute



Keine Angst, die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende......obwohl der letzte Satz so bleibt......er muss.......die Sicherheit ist trügerisch...du wirst schon sehen!

Ganz liebes Bussi

Heidemarie

Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster O nein Heidemarie, so einfach geht das nicht, - du kannst doch jetzt nicht aufhören. Also den letzen Satz ändern:

Ist N'Tekara wirklich in Sicherheit.

Bitte, alles andere lass ich nicht gelten.

No komment ;-)


liebste Grüße aus der Sonne,

deine Ute

Vor langer Zeit - Antworten
baesta Re: Re: Re: Re: Re: Re: Bitte weiter erzählen!!!! -
Zitat: (Original von NORIS am 20.10.2010 - 18:01 Uhr)
Zitat: (Original von baesta am 20.10.2010 - 16:36 Uhr)
Zitat: (Original von NORIS am 20.10.2010 - 16:18 Uhr)
Zitat: (Original von baesta am 20.10.2010 - 14:54 Uhr)
Zitat: (Original von NORIS am 20.10.2010 - 14:49 Uhr)
Zitat: (Original von baesta am 20.10.2010 - 14:46 Uhr) Ich nehme mal an, dass es eine Geschichte aus der Steinzeit ist? Hier steckt noch mehr Potenzial drin.
Liebe GRüße
Bärbel


....danke......du liegst richtig.......ich habe auch schon ideen, aber gerade nicht die ruhe zum schreiben.....es liegt so viel anderes an......

gaaaaaaaaanz liebe grüße
heidemarie



So geht es mir auch. Obwohl ich jetzt Zeit habe, habe ich doch keine. Es ist zum Verzweifeln.
liiiiiieeeebe Grüße zurück
Bärbel


....danke....aber bitte überfordere dich nicht......
liebe grüße und ein drückerchen
heidemarie



Wie könnte ich das. Faulheit treibt Blüten......>lach< Ich hab einfach das Zeitgefühl verloren, jetzt, wo ich zu Hause bin. Naja ab und zu gehe ich ins Tierheim und z.Zt. gehe ich zur Akkupunktur - wegen meiner Arthrose - aber jetzt geniese ich erst mal...........
drück Dich auch ganz lieb
Bärbel


.....naja, ich muss auch täglich den Schweinehund schlachten....aber seit myStorys und 2 Websites und... und... und ....wird es nicht langweilig.....
glg heidemarie



Hab ich auch schon versucht, krieg das aber nicht hin.
glg Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: -
Zitat: (Original von Luap am 20.10.2010 - 20:40 Uhr) Auch hier wünscht man sich, dass die Geschichte weiter geht...und ein Roman daraus wird...

Lieben Gruss
Paul


......im Kopf schon in Arbeit......das Papier leider noch leer.....bitte Geduld.....

Lieben Gruß
Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Auch hier wünscht man sich, dass die Geschichte weiter geht...und ein Roman daraus wird...

Lieben Gruss
Paul
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: Re: Re: Hey, die Geschichte macht mir Spaß -
Zitat: (Original von Windflieger am 20.10.2010 - 19:08 Uhr)
Zitat: (Original von NORIS am 20.10.2010 - 19:00 Uhr)
Zitat: (Original von Windflieger am 20.10.2010 - 18:52 Uhr) Ich würde unheimlich gerne mehr davon lesen!!!!
GLG Ivonne


....danke....im kopf schon weiter gesponnen......das papier noch weiss......ich muss noch so viel nach arbeiten.......bitte geduld....
glg heidemarie

Ich kann warten, keine Sorge, gespannt bin ich dennoch.
GLG Ivonne


...ist ok....lg heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
Windflieger Re: Re: Hey, die Geschichte macht mir Spaß -
Zitat: (Original von NORIS am 20.10.2010 - 19:00 Uhr)
Zitat: (Original von Windflieger am 20.10.2010 - 18:52 Uhr) Ich würde unheimlich gerne mehr davon lesen!!!!
GLG Ivonne


....danke....im kopf schon weiter gesponnen......das papier noch weiss......ich muss noch so viel nach arbeiten.......bitte geduld....
glg heidemarie

Ich kann warten, keine Sorge, gespannt bin ich dennoch.
GLG Ivonne
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: Hey, die Geschichte macht mir Spaß -
Zitat: (Original von Windflieger am 20.10.2010 - 18:52 Uhr) Ich würde unheimlich gerne mehr davon lesen!!!!
GLG Ivonne


....danke....im kopf schon weiter gesponnen......das papier noch weiss......ich muss noch so viel nach arbeiten.......bitte geduld....
glg heidemarie
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