Sommertag
Die Sonne scheint; keine Wolke weit und breit. Ich genieße den Ausblick in die Natur, meine Hände hinter den Kopf verschränkt, sitzend am Straßenrand. Plötzlich fällt mir ein junges Mädchen auf. Sie läuft an der Straße entlang. Ihre Haare sind offen und sie scheint gut gelaunt zu sein, denn ein Lächeln umspielt ihren Mund.
Ich kann ja nicht wissen, dass sie auf dem Weg zu einer Freundin ist, die sie lange nicht gesehen hat. Sie sieht mich nicht und so beobachte ich einfach, wie sie die Straße entlang schlendert.
Von weitem höre ich das Brummen eines Autos. Auch sie bemerkt es, denn sie schaut von der Straße auf. Das Auto kommt näher; gleich wird es vorbeifahren und es wird wieder still sein.
Doch das Auto fährt langsamer, bis es direkt neben dem Mädchen hält. Sie lächelt den Fahrer an, weil sie immer lächelt, und auch er lächelt. Doch irgendetwas verändert sich. Ihr Lächeln weicht einem Erstaunen, ihr strahlender Blick wird zu einem ängstlichen Zaudern. Der Mann sagt etwas zu ihr und das Mädchen wirkt noch ängstlicher, fast schon panisch. Sie sieht etwas, das ich von hier nicht sehe. Sie hört etwas, das für mich wie Gemurmel klingt. Sie zittert am ganzen Körper. Sie versucht, wegzulaufen, doch sie bleibt stumm stehen. Auch ich bin starr, traue mich nicht, mich zu rühren.
Ich sehe ein Glitzern in den Augen des Mannes und ein lusterfülltes Grinsen auf seinem Gesicht. Gerade noch versucht er, sie zu berühren, als vom Weiten ein Brummen zu hören ist. Ein Auto... Sie schaut zu dem Mann, dann in die Richtung, aus der das Brummen kommt. Dann löst sich ihr Blick, sie läuft los, rennt geradezu. Der Fahrer schließt hektisch die Tür und rast weg.
Das Mädchen rennt, bleibt stehen, schaut dem Auto hinterher und läuft weiter auf ein Weizenfeld zu. Dort verschwindet sie aus meiner Sicht.
Ich kann nicht sehen, dass sie dort zwischen dem goldenem Weizen liegt; Tränen laufen über ihr Gesicht und sie denkt nach, schickt Stoßgebete an das Leben......
Ein Jahr später
Ich sitze in einem Gerichtssaal. Und auch das Mädchen ist da.
Der Richter fragt sie, ob sie den Angeklagten wieder erkenne. Ich sehe, wie sie mit dem Kopf schüttelt.
Dann wird ihr Blick panisch; sie muss den Saal verlassen. Der Angeklagte wird freigesprochen.
Doch ich weiß, was sie gesehen hat.
Ich habe ihn auch gesehen, den Zeugen des Verteidigers. Und das Glitzern in seinen Augen, es kommt mir bekannt vor.
Und ich schicke dieselben Stoßgebete an das Leben, wie sie damals....