Kurzgeschichte
Ziegen, Zoff und Kaffee - in Adelboden, Schweiz

„Ziegen sind toll!“ sage ich mit einem breiten Grinsen.

„Schön für Dich Mama!“

„Das sind keine Ziegen das sind Schafe!“ entgegnet mir mein Sohn mit Zornesfalte auf der Stirn.

„Hinter dem Schaf sind die Ziegen!“ blöke ich.

„Nein das ist ein Bock Mama!“

„Ein Bock im Schlafrock! Laach…“ Ach bin ich witzig!

„Das ist nicht lustig Mama!“ Das war mein kleiner Dreikäsehoch.

„Wieso musst du uns immer in die Alpen schleppen?“ Mein Grosser runzelt die Stirn noch bedenklicher als vorher.

„Naja, die Höhenluft soll hier ganz gut sein!“

„Mama das Schaf da hat Druckluft!“ sagt klein Dario und deutet mit dem Zeigefinger nach links.

„Was?“

„Es pupst ganz fürchterlich!“

„Die Luft hier ist zum kotzen Mama!“ meldet sich wieder Herr Stirnfaltenkönig.

„Dann gehen wir eben wandern!“

„Wieso müssen die hier überhaupt so blöd auf dem Parkplatz herumstehen Mum?“

„Na, vielleicht warten die auf einen Frisörtermin die Schafe!“ fantasiere ich und werfe meinen glückseligen Jungs Zwinkerblicke zu.

„Wer will schon diese Stinkwolle kaufen?“ schimpft mein Jüngster kopfschüttelnd.

„Hm, vielleicht braucht jemand dringend einen Kaschmirpullover!“

„Kaschmichmal!“ motzt David und glättet für Sekunden seine Stirn.

„Okay jetzt wandern wir noch etwas durch das wunderschöne, lichtdurchflutete Bergdorf und tun was für unsere Gesundheit!“

„Ich will in den Mc Donalds, ich hab Hunger und meine Füsse tun weeeeh!!“ Armes, armes Kind!

„Hier hats aber kein Mc Donalds und du willst doch gross und stark werden, also beweg deine Muskeln Schatz!“

„Es ist mir scheissegal ob das Dorf hier gichtdurchflutet ist und meine Gesundheit ist auf dem höchsten Level!“

Auf dem höchsten Level, du meine Güte ich muss dem Kind mal die Playstation wegnehmen, bevor uns gleich ein Yeti Ritter angreift und die Schafe hier in Level 5 um ihre drei Leben fürchten, wenn nicht die Ziegenkrieger noch schnell punkten und ein paar Alphörner rammen können, wenn möglich ohne in die Ziegenbohnen zu stehen die einem wiederum ein Leben kosten! Schnauf…ist das alles anstrengend!

Schweissgebadet schleppe ich meine Jungs über die Dorfstrasse. Es riecht nach gehobeltem Käse, Kuhmist, frisch gebackenen Broten, Ziegenfell, verschwitzten Flanellhemden, Dreitagesocken, Schnee, Hanf oder Heu, keine Ahnung und Kaffee! Mhm einen Kaffee gönne ich mir nach getaner Arbeit, sowas ist sicher!

„Wo ist die nächste Bank, ich kann nicht mehr!“ Mein Stirnrunzelkönig schleppt sich mit gebücktem Rücken im sterbendem-schwane-gang und rollenden Augen an den Zaunpflock am Strassenrand. Ein Pferd wiehert schrill, vielleicht hat es Zahnschmerzen.

Ein junger Bauerbursche läuft mit geblümtem Edelweisshemd des Weges, links und rechts ne Ziege an der Leine führend. Fast wie bei uns in der Stadt, nur dass die Ziegen dann Zimtzicken sind und sich ganz bestimmt nicht an die Leine nehmen lassen von so einem Bürschchen.

„Ich verklage dich auf Schadenersatz Mama!“ Von wo hat er das schon wieder?

„Ich will dich auch verklagen!“ echot Dario und blickt mich spitzbübisch an.

„Wenn ihr jetzt ganz brav noch etwas mit wandert, gibt’s gleich Kaffee und Kuchen bei der Confiserie Melkkuhglück! Indianerehrenwort!“

„Das gilt nicht!“ sagt David.

„Wieso nicht?“

„Die sind doch ausgestorben! Die können ihr Wort gar nicht mehr halten!“

„Die sind nicht ausgestorben, die wurden nur in Reservate verdrängt!“

„Du verdrängst uns auch gleich ins Private, das nächste Mal bleibe ich in meinem Zimmer sitzen und mache einen Sitzstrick!“ Strenger Blick und Grimasse von meinem Jungen.

„Du kannst gleich in der Confiserie deinen Sitzstreik machen, versprochen!“

Ach du holde Bergesluft, Felsen überall, puderzuckermässig beschneite Bergspitzen, holde Jünglinge mit lockigem Haar und Ziegen und Böcke mit Glocken.  Wiesen in tiefgrünem, unberührtem Gras, Bauernhütten von Wind und Wetter gezeichnet, Wälder und Herbstblätter, Kuhfladen am Wegesrand und äääätsch, bin nicht rein getreten, aber die Engländerin vor mir, mit Dolce und Gabbana Köfferchen und Highheels die Frau den Atem rauben, Wort wörtlich nun!!

„Mama die ist voll rein getreten!“

„Wie blöd muss man denn sein, hat die „Alpenpizza“ kalt erwischt!“

„Ne die dampft noch!“

„Die Alte oder der Mist?“

„Beide!!“

„Hahahahaha!“ „Hihihihihi!“

„Psstt Jungs, ich hab genug, wir kehren jetzt um!“

Jetzt habe ich die Stirnrunzeln, tiefe Krater wie der Grat des Berges links vor mir und ein hysterischer Blick drauf wie das Schaf das vorhin nicht aus dem Anhänger auf den Parkplatz geschleppt werden wollte! Ich brauche ganz dringend einen Kaffee und Schweizer Schoki!!

„Du bist so lieb Mama!“ flötet plötzlich mein Grimassenmonster neben mir und strahlt mich an.

„Der Ausflug war toll! Die ganzen Ziegen, die Schafe, ja sogar der Mist auf der Strasse!“

„Jungs?“ ungläubig blicke ich auf die Engelsgesichter nieder die kein Wässerchen trüben können. „Wollt ihr mich etwa irgendwie bestechen?“

Beide grinsen.

„Kriegen wir nachher bitte die doppelte Portion Kuchen?“

„Seuufz, … ja klar, ich habt es euch ja auch schwer verdient!“

Lachend wandern wir zurück ins Dorf, die Jungs mit geradem Rücken und plötzlich sehr leichtfüssig.

Es lebe das Wandern, die Alpen, die Frische hier oben und vor allem gleich der leckere Kaffee mit Sahnehäubchen oben drauf!

Conny B.