Biografien & Erinnerungen
Ist jetzt Krieg? - Meine Heimat Papua New Guinea

Ich sitze unter dem Küchentisch und weine. Draussen heult die Sirene und meine Ohren tun mir weh, hoffentlich fallen sie nicht ab! Bima, unsere einheimische Haushälterin sieht mich hier unten und bittet mich in ihrer Sprache hoch zu kommen. Ich beisse meine Lippen sehr fest zusammen, trotzdem fallen mir die Tränen über meine Wangen auf mein violettes Sommerröckchen und meine nackten Beine.

„Komm hoch Conny, es ist alles gut!“

„Ist jetzt Krieg, Bima?“

„Gefahr ja, ich weiss nicht wer angreift, aber wir müssen gleich raus!“

„Ich will nicht raus, ich will mich hier verstecken!“

„Wir müssen raus kleine Conny, denn die Krieger brennen die Hütten nieder nachdem sie geraubt haben!“

Ich muss ganz schwer schlucken.

„Sie brennen die Hütten nieder? Und was ist mit den Menschen darin?“

„Die sterben.“

„Das tut doch weh, sterben? Oder?“

„Matthew, Simon, Conny, kommt jetzt!“ Meine Brüder tapsen Bima hinterher und ich als grosse Schwester probiere ihnen tapfer zu zulächeln. Mein Lächeln sieht aber so gequält aus wie wenn ich eine von diesen blöden Malariatabletten schlucken muss, oder wenn sich eine Schlange oder ein riesiger Tausendfüsser in mein Blickfeld schleicht.

Naomi, meine Freundin hat mir erzählt, dass die Krieger den Toten die Bäuche aushöhlen, sie dann mit Reis und Thon füllen und essen. Ich glaube was Naomi sagt, denn sie ist ein Jahr älter als ich! Gestern noch als ich barfuss durch die Felder lief und die Gräser kitzelnd meine Beine streiften, da sah ich einen Krieger der einen Vogel vom Himmel holte. Ich hab mich so erschrocken, als der spitzige Pfeil das Tier durchbohrte und der Vogel wie ein Stein vom Himmel fiel. Ich blieb wie angewurzelt stehen und habe den braunen Mann entsetzt gemustert. Vom Bananenblatt das seinen Po bedeckte, über die sehnige Haut bis zu seinem Bogen in der Hand. Meine Mutter hat diese Szene beobachtet und mich sofort gerufen.

„Du darfst sie nicht so anstarren Conny, der wird sonst böse!“

„Aber der arme Vogel! Was macht er jetzt mit dem?“

„Essen.“

Jetzt sind wir alle draussen. Ich zittere als würde mir die Angst persönlich die Hand geben. Kalt und böse ist die Angst und sie hat Augen wie Feuer, wie ein Drache, ja genau! Und ihre Finger sind wie die tödlichen Pfeile des Kriegers den ich gesehen habe. Es ist gefährlich, was wenn sie uns jetzt alle töten? Ich sollte dringend ins Haus auf die Toilette, aber ich kann nicht! Sie zünden ja das Haus an hat Bima gesagt, und ich will nicht verbrennen! Ich halte es gleich nicht mehr aus!

Die Sonne brennt unbarmherzig auf uns nieder. Die braunen Kinder sind verschwunden. Auch Bima ist nachhause gegangen und Mama und Dad sind wieder im Haus. Sie haben Mut! Die Sirene ist jetzt still. Doch die Angst krallt sich immer noch wie ein böser Löwe an meinem Nacken fest. Meine Brüder spielen auch wieder, sie schaukeln auf einem Brett das über ein Fass gelegt worden ist. Und ich…. oh weh, jetzt ist es passiert! Ich schäme mich so!! Mit dem Handrücken wische ich mir eine Träne aus den Augen, mein Kleid ist ganz nass. Blöde Krieger!

ConnyB.