Zur Geschichte selbst: Der Sanitäter Zach stürzt während der Schlacht um den Baum der Seelen über dem Wald ab. Er weiß nicht, ob seine Freunde, Will und Lee, noch leben, oder ob die Na'vi schon ganz in der Nähe sind. Und auch nicht, was er noch alles erleben wird. Dies ist eine Geschichte, die von meinem Freund "FuguFish" von FanFiktion.de, geschrieben wurde. Ich verbinde später seine Figur, Zach, mit meiner Geschichte "Jaan - vom Reiter-Clan der Steppe".
Es war schon seltsam. Eben noch hatte der Lärm der Schlacht in seinen Ohren gedröhnt, die Explosionen, das Rattern der Schüsse, das Kreischen der fliegenden Dinger- er hatte das Buch dieses Doktors gelesen, auch das Kapitel über die Tiere, aber er konnte sich ihren Namen nie merken- und die Schreie der Anderen. Und nun lag er hier, auf dem Boden, im Gras, zwischen den Trümmern des Samsons und exotischen Pflanzen, und starrte nach oben, und es war plötzlich ganz still.
Zwischen den Wipfeln der Bäume konnte er den Himmel sehen. Zumindest ein Stück, und dort konnte er weit und breit nichts entdecken.
War es vorbei?
Natürlich nicht.
Versuchsweise drehte er den Kopf nach rechts. Das klappte prima, und das Wrack des Samsons kam in sein Sichtfeld. Die Scheibe war zertrümmert worden, als das Flugtier den Piloten herausgerissen und in die Ferne geschleudert hatte. Zwei andere Körper lagen auf dem Boden.
Er konnte nicht erkennen, ob sie noch lebten.
Jedenfalls waren sie alle drei kurz vor dem Aufprall abgesprungen.
Wie in einem Film.
Die Explosion des Samsons war dann aber ausgeblieben, was sich kaum ein Regisseur angetan hätte, stattdessen hatte er seine Einzelteile auf der kleinen Lichtung verstreut.
Langsam wurde ihm bewusst, das er ziemliches Glück gehabt hatte.
Ob die anderen beiden das auch hatten, würde sich noch zeigen.
Um sein Glück vollends auf die Probe zu stellen drehte er den Kopf nun nach links.
Das klappte ebenfalls, anscheinend war sein Genick oder seine Wirbelsäule oder was auch immer noch in Ordnung.
Immerhin.
Weniger gut war das riesige grüne Ding, das ein paar Meter von ihm entfernt lag.
Jedenfalls im ersten Augenblick.
Dann war er sich fast sicher, dass das das gleiche grüne Ding war, dem Will in die Fresse geschossen hatte, kurz nachdem ihr Pilot auf nimmerwiedersehen verschwunden war.
Und ob das grüne Ding das überlebt hatte, wagte er zu bezweifeln.
Damit seine Arme ein wenig in Schwung kamen, stemmte Zach sich hoch.
Seine Arme zitterten ein wenig, aber sonst war alles gut.
Langsam setzte er sich auf.
Erstmal Pause machen.
Wäre ja noch schöner.
Er schaute wieder nach rechts, versuchte irgendworan zu erkennen, ob Will oder Lee oder beide noch lebten.
Schlecht wäre es nicht, denn Zach hatte wenig Lust, alleine im Dschungel herumzurennen und am Ende noch von irgendwas verschluckt zu werden.
Quaritchs Ansprache kam ihm in den Sinn, und das, was er mit den Augen gesagt hatte.
Unwillkürlich grinste er.
Das war so lächerlich, dass es ihm mehr die Angst nahm als ihm welche zu machen.
Augen auffressen.
Er war hier doch nicht im Kindergarten.
Er war auf Pandora.
Langsam stand er auf, hiefte seinen Körper hoch, bis seine wackligen Beine ihn schließlich trugen. Er schaute sich wieder um. Weder Will noch Lee hatten bisher einen Laut von sich gegeben. Wirklich ermutigend war das nicht.
Stattdessen wandte er sich wieder dem grünen Vieh zu.
Es hatte ein ziemlich blutiges Loch im Kopf, als er genauer hinsah. DAS hier würde ihn also nicht fressen.
Zach staunte, wie groß es war, und zugleich elegant.
Nicht dass es ihn kümmern würde, wie das, wogegen er kämpfen sollte, aussah.
Beeindruckend war es trotzdem.
Und er war ziemlich froh, dass es nicht mehr lebte.
Er wandte sich wieder dem Wrack des Samsons zu. Das Ding würde sie keine zwei Meter mehr fliegen. Trotzdem könnte immerhin das Funkgerät noch intakt sein.
Er setzte sich in Bewegung, langsam, wankend, wie ein Betrunkener (Zach war noch nie wirklich besoffen gewesen, und hatte es auch nicht vor, hatte aber eine ungefähre Vorstellung davon, wie er sich dann fühlen würde) und schwankte auf den Trümmerhaufen zu.
Wieder wunderte er sich, dass das Teil nicht explodiert war.
Das Cockpit war ziemlich eingebeult worden, und auch der hintere Teil sah nicht sehr gut aus.
Mit unsicherem Schritt wich Zach einem Haufen Einzelteile aus, die sich in der Gegend verteilt hatten, und erreichte den Samson.
Er kletterte in das, was mal der Innenraum gewesen war, und suchte nach dem Funkgerät.
Zu spät fiel ihm ein, dass sie sich immer noch in diesem Elektro-Magenetfeld-Wirbel befanden, und dass ihm wahrscheinlich weder das Finden noch das Intaktsein des Funkgeräts helfen würde.
Einen Moment lang verfluchte er sich selbst, bevor er das kleine Ding fand und beschloss, es einfach zu versuchen.
Dann stand er eben allein im Wald und sprach in ein kaputtes Funkgerät. Na und?
Es sah ihn doch eh keiner.
Was natürlich auch falsch sein könnte.
Vermutlich zielte gerade jetzt irgendwo einer der blauen Eingeborenen mit seinem Bogen auf ihn. Warum auch nicht?
Zach hob das Sprechteil des Funkgerätes an den Mund. Das Ding war mit einem Kabel in der Wand des Samsons verankert und leitete das Signal irgendwo in die verwinkelten Ecken der Technik des Samsons weiter, was wohl irgendwas mit der Leistungsstärke der Antennen zu tun hatte. Zach hatte sich nie sonderlich für Technik interessiert.
Hauptsache es funktionierte.
Er drückte probeweise auf den kleinen Knopf an der Seite des Gerätes.
Aus dem runden Lautsprecher in der Wand des Samsons kam ein Rauschen.
"Hallo?"
Klar, so meldete man sich nicht, wenn man Marine auf einem fremden Planeten war und Funksprüche über den Absturz der eigenen Maschine abgab.
Was Zach jedoch im Moment egal war.
"Kann mich irgendjemand hier hören?"
Anscheinend nicht, denn außer Rauschen blieb alles ruhig.
Er wartete noch ein paar Sekunden, dann verließ er das Wrack wieder, und trat wieder nach draußen in die Schussbahn des Na'vi- Kriegers, der da irgendwo ausserhalb seiner Sichtweite auf einem Baum hockte und auf ihn zielte.
Vermutlich.
Immer noch schwankend ging Zach auf Will und Lee zu. Es konnte ja nicht schaden sich die beiden mal von Nahen anzuschauen.
Auf dem Weg zu den Beiden starrte er versuchsweise in den Dschungel, konnte aber- natürlich- keinen auf ihn gerichteten Bogen inklusive giftgetränkten Pfeil entdecken.
Trotzdem war er sich ziemlich sicher, beobachtet zu werden. Oder er wurde langsam paranoid.
Als sein Blick- schon wieder- über das tote grüne Ding glitt, viel ihm etwas auf, was er bislang nicht bemerkt hatte. Das geflügelte Etwas war vermutlich noch in der Luft hoch über ihnen gestorben, hatte sich aber irgendwie- Zach fiel auf, dass die Dinger keine Beine hatten- im Samson verkrallt und mit ihm in die tiefe gestürzt. Kurz vor dem Boden hatte es sich dann von der Maschine gelöst und war gegen einen Baum geschmettert worden.
Dort lag es jetzt.
Und zwischen seinem Rücken und dem Baum eingeklemmt lag ein Na'vi.
Zach hatte sie bislang nur auf Fotos oder von weitem gesehen. Neugierig trat er näher.
Er wollte immerhin wissen, wie sein Feind aussah.
Erst auf den zweiten Blick fiel ihm auf, dass der Na'vi, der da vor ihm lag, weiblich war, und erst auf den dritten, dass sie noch ziemlich jung war (gut, er hatte eigentlich kaum eine Möglichkeit, das zu beurteilen, da er sie ja bisher noch nie von so nah gesehen hatte. Währe sie ein Mensch gewesen, währe sie aber vermutlich ziemlich jung gewesen).
Sie saß mit dem Rücken am Baum, Hals und Oberkörper des Viechs lagen auf ihren Beinen und ihrem Bauch. Es war ihm ein Rätsel, wie sie es geschafft hatte, DAS hinzubekommen, aber naja. Er war ja auch aus einem abstürzenden Samson gesprungen und hatte es geschafft.
Sie waren also sozusagen Leidensgenossen.
Er trat noch ein wenig näher und versuchte, wenigstens bei ihr zu erkennen, ob sie noch lebte. Langsam wurde ihm bewusst, wie groß sie war. Am seinem ersten Tag auf Pandora hatte er sich mit einem anderen Marine über die Na'vi unterhalten. Der Kerl hatte von "3 Meter großen blauen Tigermenschen" geredet. Zach hatte es nie gelglaubt, und aus der Ferne waren sie ihm auch nie sonderlich groß vorgekommen.
Die hier aber war locker über zwei Meter groß, wenn auch nicht sooo riesig, wie es sich aus dem Mund des Marines angehört hatte (welcher übrigens am nächsten Tag während einer Patroullie von einem Pfeil durchbohrt worden war, weil er auf eines ihrer Kinder geschossen hatte.Idiot).
Er kam noch näher.
Das Na'vi- Mädchen (gut, sie war schon etwas älter vielleicht 20, was Zach gerade aber ziemlich egal war) hatte geflochtene Haare und ein in den Farben des auf ihr liegenden Riesenspatzes bemaltes Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen.
Auf der Stirn hatte sie eine Platzwunde (Zach hatte den Spaß übrigens bisher ohne einen Kratzer überstanden- Schutzengel sei dank), das Blut war ihr über die katzenähnliche Nase und am Mund vorbei zum Kinn gelaufen, und tropfte auf den Griff des imposanten Messers, das quer über ihrer Brust hing.
Zach hätte sie wohl noch den halben Tag angestarrt, hätte Will hinter ihm nicht gerade in diesem Moment endlich ein Lebenszeichen von sich gegeben, sich aufgesetzt und "Scheiße" gesagt.
Bevor er nach Pandora gekommen war, war Zach Militärarzt gewesen, und davor Internist in einem ziemlich großen Krankenhaus. Es viel ihm also leicht, Will durchzuchecken, und festzustellen, dass ihm bis auf ein paar angeknackste Rippen nichts fehlte.
Als er ihm aufhalf, war er erleichtert, wenigstens jemanden zum reden zu haben.
"Schöne Scheiße, in der wir da gelandet sind", sagte Will in seiner gewohnt feinfühligen Art. "Wie gehts Lee?"
"Keine Ahnung. Ich hatte noch keine Zeit ihn mir anzusehen", antwortete Zach und blickte zu dem Bewusstlosen hinüber.
"Wir drei haben jedenfalls ganz schön was abbekommen", meinte Will.
"Nicht nur wir." Zach deutete auf das Flügelvieh und das Na'vi- Mädchen.
"Wow!"
Will machte ein paar taumelnde Schritte.
"Das Ding hat ordentlich eins auf's Maul bekommen, was?"
"Ziemlich."
"Wir eins, Pandora null!" Will machte ein paar albernde Freudensprünge.
"Freu dich nicht zu früh. Der Samson ist im Eimer. Außerdem ist der Funk tot, und unserer Pilot auch. Und zusätzlich sind wir warscheinlich nicht alleine." Zach war wirklich nicht zum feiern zumute.
"Versuchst du mir Angst einzujagen? Das Vieh ist tot, und die da..." Will deutete auf die Bewusstlose "... sollte uns auch nicht gefährlich werden. Im Notfall können wir sie immer noch abknallen."
"Du glaubst doch nicht hier den einzigen Na'vi von ganz Pandora vor dir zu haben?", fragte Zach.
"Ist ja gut." Will sah genervt aus. "Schau dir erstmal Lee an."
Lee wachte nach ein paar Ohrfeigen auf. Er hatte sich den Arm verstaucht, und Zach legte ihm eine Provisorische Schiene aus einem Ast und ein paar Stoffstreifen von seiner Hose an. Nicht dass es nötig gewesen wäre, wie Lee betonte. Anscheinend wollte er liebend gerne den verletzten Kriegshelden spielen.
Als Zach ihm das Na'vi- Mädchen zeigte, reagierte Lee sichtlich beeindruckt.
"Die ist wunderschön, oder?"
"Klar", sagte Will, "wirklich wunderschön. Fast so schön wie die Zähne von dem Ding da."
"Lass ihn doch. Er hat sogar recht.", meinte Zach. Die Eleganz der Ureinwohnerin beeindruckte auch ihn. Obwohl das schon wieder albernd war.
Da Will für Schönheit und Ähnliches unempfindlich war, ließ er Zach und Lee stehen und versuchte am Wrack des Samsons erneut, einen Funkspruch abzusetzen. Zach konnte hören, wie er irgendwelche Koordinaten ins Funkgerät brabbelte, und dann fluchte und gegen das Wrack trat. Da er dies als Zeichen des nicht- Funktionieren des Funkgeräts deutete, ließ sich Zach erstmal ins Gras sinken, nahe der Stelle, wo er vorhin aufgewacht war. Lee setzte sich zu ihm.
"Das ist doch alles scheiße!"
Im Gegensatz zu Will konnte Zach aus Lees Stimme deutlich die Angst herraushören.
"Beruhig dich. Es wird alles gut."
"Das sagen sie doch immer. Und am Ende sind wir alle nur noch Futter für das ganze Viehzeug hier!". Lee musste sich anscheinend beherrschen, um nicht zu weinen. Zach war schon früher aufgefallen, dass der junge Mann ziemlich emotional war, und er hatte sich immer gewundert, warum er Marine geworden war.
"Wir werden kein Futter. Ich versprechs dir." Zach legte Lee die Hand auf die Schulter.
Will unterbrach sie.
"Bevor ihr zwei Hübschen jetzt auch noch die Hochzeitsglocken klingeln lasst, solltet ihr vielleicht mal hier drüben hinsehen. Eure kleine Freundin ist nähmlich gerade aufgewacht."
Zach saß in der Kantine des Hell’s Gate und stocherte in einer Art Bohneneintopf herum, als sich ein Mann zu ihm setzte. Zach schaute auf. Der Mann war nicht viel älter als er selbst, hatte kurze braune Haare und einen Drei- Tage- Bart. Er lächelte freundlich.
„Jason Lance. Sie sind Zach Kane, oder?“
„Ja. Was gibt’s?“
Zach hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Er sah irgendwie nicht wie ein Marine aus.
„Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten. Ungestört.“
Die Kantine war wirklich nicht der Ort, sich ungestört zu unterhalten.
„Um was geht es denn?“
„Das würde ich Ihnen lieber unter vier Augen sagen.“
„Warum? Geht es um etwas Geheimes?“ Langsam begann der Typ zu nerven.
„Geheim… es geht um eine… sehr wichtige Angelegenheit. Keine Sorge, es liegt nichts gegen Sie vor, wenn Sie das denken.“, sagte der Mann. Dabei lächelte er nach wie vor freundlich.
„Das hoffe ich doch. Wenn es so wichtig ist, werde ich mein köstliches Mahl wohl ein paar Minuten alleine lassen.“
Die beiden erhoben sich und verließen die Kantine. Zach ging hinter dem Mann, der sich als Jason Lance vorgestellt hatte, her, und musste sich anstrengen, um Schritt zu halten, da er ein beachtliches Tempo vorlegte.
Schließlich betraten sie einen kleinen Raum, der ein Büro hätte sein können, wenn das Mobiliar nicht nur aus einem schlichten Tisch und zwei Stühlen bestanden hätte. Es sah aus wie ein Raum, in dem man Menschen verhören oder foltern konnte. Oder beides.
Zach war wenig begeistert.
„Was ist das hier? Ein Verhörraum?“ Kurz suchte er eine Lampe, ein Tonbandgerät und eine verspiegelte Fensterscheibe, fand aber nichts von all dem.
„Nein.“ Jason Lance setzte sich und wies höflich auf den zweiten Stuhl. Zach setzte sich ebenfalls. Die Tür schloss sich zischend von alleine.
„Leider konnte man mir kein Büro zu Verfügung stellen, darum muss ich mit diesem kleinen Räumchen auskommen. Naja.“ Er lachte. „Besser als gar nichts. Wollen wir anfangen?“
„Von mir aus.“
„Gut. Also.“ Lance holte ein Tonbandgerät aus der Hosentasche und legte es auf den Tisch. Also doch, dachte Zach.
„Ich hoffe, das Ding stört Sie nicht.“
„Nicht im geringsten“, sagte Zach und hoffte, der Kerl verstand Sarkasmus. Anscheinend ja.
„Es tut mir echt leid, aber es muss sein. Vielleicht können wir uns dafür von dieser höflich- schleimigen Umgangsform trennen.“
Ein wenig überrascht das Zach. Aber nur ein wenig.
„Na gut.“
„Gott sei dank.“ Jason schien sich zu verwandeln, er atmete auf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Eben noch ein todernster Anwalt, war er nun zum netten Kumpel von nebenan geworden. Es erinnerte Zach ein wenig an die berühmt- berüchtigte Guter Cop- Böser Cop- Nummer, was er auch schon immer albern gefunden hatte.
„Ich darf dich doch Zach nennen?“
„Gerne.“ Ja, ja, versuch du nur, dir mein Vertrauen zu erschleichen.
„Gut. Ich bin Jason.“ Er schaltete das Tonbandgerät ein. „Wie ich hörte schläfst du in Zimmer 408“
Bitte was?
„Das stimmt.“
„Gut. Ich würde gerne mit dir über jemanden reden, der ebenfalls in diesem Zimmer schläft und den du vielleicht näher kennst.“
„Wenn es um Will geht: er ist okay, manchmal etwas aufbrausend, aber okay…“
„Jake Sully.“
„Jake Sully?“
„Jake Sully. Du kennst ihn doch, oder?“
„Schon, aber nicht besonders gut. Wir haben zwei, drei Mal geredet, bevor er dann in die Berge geflogen ist.“ Zach wunderte sich. Sully war Avatar- Operator, eigentlich hatte er mit diesen Leuten nicht viel zu tun. Er hatte auf Zach immer einen recht freundlichen Eindruck gemacht.
„Hat er irgendwas gemacht?“
Jason blickte ein wenig unbehaglich drein. „Hmmmm… gemacht… es ist so: er scheint zu den Na’vi übergelaufen zu sein.“
„Cool.“
Praktisch, wenn man einen eigenen Avatar hatte.
„Geht so. Quaritch und Selfridge sind ziemlich… angepisst. Sie wollen, dass ich untersuche, wie es dazu kommen konnte.“
„Da haben Sie den Falschen. Ich kann Ihnen das nicht verraten.“
„Bleiben wir bei Du. Ich möchte, dass du mir trotzdem alle Eindrücke erzählst, die du von ihm hast.“
Zach tat es.
Ab und zu unterbrach ihn Jason mit einer Frage, schwieg sonst aber. Nach einer guten Stunde stand er auf.
„Danke, Zach. Ich fürchte, dein Essen ist kalt geworden, aber ich werde dir gerne ein neues spendieren.“
„Dass muss nicht sein.“ Zach war der Appetit vergangen. Sie hatten über Sully geredet wie über einen Verbrecher. Jason hatte erzählt, dass er sie alle verraten hatte. Dass er zwischendurch sogar im Gefängnis gewesen war, hatte Zach überhaupt nicht gewusst. Er war bei dem Angriff auf den Heimatbaum oder wie das Ding hieß nicht dabei gewesen. Warum auch? Er war Arzt. Was sollte er schon machen, Pflaster an die eben heimatlos gewordenen Ureinwohner verteilen?
Zach saß am Tisch und dachte nach, als Jason die Tür öffnete und mit einem „Man sieht sich“ verschwand.
Sie trafen sich nie wieder.
Lee hielt ihn auf dem Flur an. „Zach! Wo warst du heute Mittag?“
„Hast du mich vermisst?“
„Ha, ha. Nein, ich habe mich nur gewundert, wo du warst.“
Zach beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen. Warum auch nicht? „So ein Kerl wollte mit mir reden. Er hat mich in eine Art Verhörraum geschleppt und sich etwa ‚ne Stunde mit mir unterhalten.“
Lee schien erstaunt. „Unterhalten? Worüber? Über Sully?“
Woher…
„Ja, über Sully. Woher zum Teufel weißt du das?“
„Gestern hat mich ein Typ nach dem Abendessen zur Seite genommen. Er wollte mich ein paar Sachen über Sully fragen.“, sagte Lee.
„Jetzt sag nicht er Typ hieß Jason.“ Was wollte der Kerl eigentlich?
„Nee, der hatte ’nen anderen Namen.“
Na also.
„Er meinte, er heiß Lance oder so. Keine Ahnung, ob das sein Vor- oder Nachname ist.“
Toll.
„Sein Nachname. Das sind die gleichen.“, sagte Zach. Es war seltsam. Irgendjemand suchte nach Informationen über einen Marine, der angeblich zu den Na’vi übergelaufen war.
„Er hat mir erzählt, Sully währe zu den Na’vi übergelaufen?“, fragte er.
„Mir auch. Er meinte sogar irgendwas, dass er zwischendurch hier im Gefängnis saß und dann abgehauen sein soll. Wusstest du das?“
„Nein.“ Zach hatte wirklich nur wenige Male mit Sully zu tun gehabt. Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte er ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. „Ich hab mich aber gefragt, wo der sich immer rumtreibt.“
„Naja, jetzt wissen wir’s.“
„Eigentlich nicht. Wir wissen, dass er im Gefängnis war, aber nicht, wo er jetzt ist.“
Lee seufzte. „Weißt du was? Eigentlich ist es mir auch egal. Er kann meinetwegen auch zu diesen Natternwölfen übergelaufen sein. Wobei es ja wirklich praktisch ist, so einen Avatar zu haben.“
„Meine Rede. Aber gut, so was passiert. Mich interessiert nur, was dieser Lance von uns will.“
„Zu mir sagte er, er will herausfinden, wie so etwas passieren konnte. Das wird’s schon sein.“
„Vermutlich.“ Zach wandte sich zum gehen. „ich muss gleich noch mal raus, ‚ne Runde Wache schieben. Kommst du mit oder hast du was zu tun?“
Lee zuckte mit den Schultern. „Ich soll irgendwelchen Neulingen ein paar Regeln erklären, weil unser vernarbter Freund irgendwelche Lagebesprechungen anliegen hat. Aber… diese Neulinge kommen sicher auch so zurecht. Wenn du willst, können wir ein bisschen draußen abhängen.“
„Klasse!“, sagte Zach.
Die drei Marines standen im Halbkreis um das Na’vi- Mädchen herum, welches sie mit großen Augen anstarrte. Hätte sie gestanden, hätte sie sie alle überragt, so aber, eingeklemmt unter ihrem grünen Freund, war sie etwas kleiner als die drei Menschen.
Ihr Blick war eine Mischung aus Furcht und Feindseligkeit. Wobei Zach den Eindruck hatte, dass die Angst überwog. Wäre ihm wohl auch so gegangen.
Lee war der erste, der den Mund aufmachte.
„Sprichst du unsere Sprache?“
Anscheinend nein, denn sie sah ihn nur verständnislos an.
Was Lee nicht daran hinderte, ein zweites Mal zu fragen.
„Verstehst du, was ich sage?“
Nein.
Als Lee ein drittes Mal ansetzte, unterbrach Will ihn.
„Verstehst du…“ „Nein, verdammt, tut sie nicht!“
„Hätte ja sein können.“, sagte Lee beleidigt.
Das Na’vi- Mädchen starrte sie weiterhin einfach nur an. Nacheinander wanderte ihr Blick über die zerkratzten Gesichter der drei Menschen. Zach fragte sich, was sie gerade dachte. Vermutlich etwas in der Richtung „Glotzt ihr nur, ihr dämlichen Menschen, wenn ich dieses Vieh erst mal von mir runter hab, reiß ich euch die Köpfe ab“, oder so was in der Art.
Oder konnte das wirklich sein, dass die Na’vi die Menschen so sehr verachteten? Im Buch des Doktors hatte er gelesen, dass die Na’vi ein friedliebendes Volk waren, die eigentlich keinem Lebewesen wirklich feindselig gegenüberstanden.
Wie sie allerdings darüber dachten, dass man sie ausbeutete und ihre Heimat zerstörte, war eine andere Frage.
Zach beschloss, der Na’vi zu zeigen, dass nicht alle Menschen schlecht waren.
„Wir wollen dir nichts tun“, sagte er und hob beide Hände, „ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Wenn du willst, können wir dir helfen, da raus zukommen.“
Will war wenig begeistert.
„Hast du einen an der Waffel? Wir werden ihr doch nicht helfen. Die wird uns den Arsch aufreißen.“, zischte er.
„Sie wird uns schon nichts tun, wenn wir ihr zeigen, dass wir ihr nichts Böses wollen.“
„Das glaube ich allerdings auch.“, meldete sich Lee zurück. „Ich meine, sie wird doch merken, dass wir ihr nichts tun wollen?“
Sie unterbrachen ihre kleine Konversation, als die Na’vi etwas in ihrer Sprache murmelte.
Es klang ein wenig nach einem Fluch.
„Was hat sie gesagt?“, fragte Lee verwirrt.
„Woher soll ich das wissen? Sehe ich aus wie ein Professor?“, fragte Zach.
„Immerhin bist du Doktor“, erwiderte Lee schnippisch.
Zach wollte gerade etwas höchst Geistreiches erwidern, als das Na’vi- Mädchen wieder etwas sagte.
Dann fing sie an zu versuchen, sich von ihrem Gefährten zu befreien, was ihr allerdings nicht so ganz gelang.
„Wir sollten ihr helfen.“, meinte Lee. „Glaubst du, du kriegst das Vieh von ihr runter?“, fragte Zach. „Wenn wir alle drei…“ „Ihr könnt machen, was ihr wollt, ich werde euch nicht helfen.“, sagte Will. Zach hatte es fast geahnt.
Anderen zu helfen, außer sie waren Soldaten, war nicht gerade Wills Hobby. Zach war sicher, Will mochte ihn nur, weil er Armeearzt war. Will schien nur fürs Militär zu leben.
„Komm schon.“, sagte er. Er hatte das Gefühl, wenn überhaupt würde Will auf ihn hören. Tat er aber nicht.
„Ich werde ihr nicht helfen. Sie gehört zum Feind, und seinen Feinden hilft man nicht.“, sagte Will, und dabei klang wie ein trotziges Kleinkind.
Zach verdrehte die Augen.
Das Na’vi- Mädchen hörte mit ihren erfolglosen Befreiungsversuchen auf, und begann wieder, Sachen in ihrer Sprache zu murmeln. Zach begann, Mitleid mit ihr zu haben. Sie war verletzt, mehr oder weniger gefangen und allein bis auf drei Soldaten, die ihr wahrscheinlich ans Leder wollten (falls sie sie wirklich nicht verstand, dachte Zach, würde sie das wohl annehmen). Er würde nicht mit ihr tauschen wollen.
Zach nahm Will zur Seite. „Will, ich weiß, dass du nicht gerade scharf darauf bist, ihr zu helfen, aber was willst du machen? Sie hier lassen? Sie erschießen?“
„Vielleicht.“, sagte Will. Welche Antwort er meinte sagte er nicht. Aber Zach konnte es sich zu gut denken.
„Will! Du kannst sie nicht einfach erschießen. Das geht nicht.“
„Natürlich.“ Will deutete auf seine Pistole, die in dem Halfter an seinem Gürtel steckte. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hab meine Knarre noch.“
Zach hatte zwar, obwohl er Arzt war, auch eine Pistole gehabt (falls der Patient eh keine Überlebenschancen mehr hatte, ha ha), hatte sie aber anscheinend beim Absturz des Samsons verloren. Verdammt.
„Im Gegensatz zu Lee habe ich mir keinen Arm gebrochen.“ („Verstaucht“, hätte Zach fast gesagt, aber das war ja natürlich Ärztekram). Ich sehe also keinen Grund, ihr nicht einfach den Kopf wegzupusten.“ Will klang entschlossen, und Zach hatte keinen Zweifel, dass er es tun würde.
„Bitte. Lass es.“, sagte er, flehend. In Gedanken ohrfeigte er sich selbst. Was sollte das? Wenn Will nicht auf ihn hören wollte, hatte Zach keine Chance, das zu ändern. Will war stur genug, vor allem, was lebensentscheidene Sachen anging.
„Hast du ihr Messer gesehen? Das wird sie uns wohl kaum als Dankeschön überreichen.“
Die beiden verstummten, als Lee anfing, irgendwas auf Na’vi zu brabbeln. Dann verstummten sie noch mehr (Zach dachte das wirklich. Hatte er irgendwelche Schäden erlitten?), als das Na’vi- Mädchen antwortete.
Als sie offensichtlich fertig war, legten die beiden los.
„VERDAMMT, LEE!“, rief Zach.
„Was gibt’s?“, fragte Lee gaaaaaaaanz unschuldig.
„Was gibt’s? WAS GIBT’S?“, brauste Will auf, und wurde dabei ganz rot im Gesicht, „seit wann redest du Na’vi?“
„Seit etwa einem Jahr?“
Zach war froh, dass Lee das sagte. So mussten er und Will sich nicht mehr um das Leben des Na’vi- Mädchens streiten, sondern konnten Lee zur Sau machen.
„Und damit rückst du jetzt raus? Warum hast du das nicht gleich gesagt? Ich hab ihr was vorgebrabbelt und bescheuerte Handzeichen gemacht, obwohl DU ihr einfach hättest sagen können, was wir von ihr wollen?“ Hoffentlich vergaß Will, dass er „sie“ gerne tot sehen wollte.
„Naja, ihr habt mich….“, setzte Lee an, wurde aber sofort von Will unterbrochen.
„Wenn du jetzt Ihr habt mich nie danach gefragt sagst reiß ich dir den Kopf ab!“
„Ja, stimmt schon. Tut mir leid.“
Okay, die Show war vorbei. Zeit für wichtige Dinge.
„Na gut“, sagte Zach, und bemühte sich, versöhnlich zu klingen. „Kannst du uns wenigstens verraten, was sie dir gesagt hat?“
Lee schaute verunsichert zu Will, und sagte dann: „Klar. Sie meinte, sie heißt Lu’taya oder so ähnlich.“
„Und?“
„Nichts und. Da habt ihr losgebrüllt.“
Zach verdrehte die Augen. „Lee. Bitte rück nächstes Mal etwas früher mit so was raus. Und jetzt verklicker ihr, dass wir ihr gerne helfen würden und sie vor dem großen bösen Mann hier keine Angst zu haben braucht.“ Er deutete auf Will. Dieser knurrte, schien seine Mordlust aber unterdrücken zu können. Zach fühlte, dass er die Situation langsam in den Griff bekam.
Lee drehte sich um und begann wieder mit Lu’taya zu reden.
Die Lautsprecherstimme lotste sie in den Besprechungsraum, in dem sich augenscheinlich die gesamte Belegschaft des Hell’s Gate versammelt hatte. Während sie ein paar Frischlinge von ihren wackligen Stühlen in der ersten Reihe verscheuchten, um selber Platz zu nehmen, versuchten Zach und Lee herauszufinden, worum es überhaupt ging. Da sie jedoch außer „Jetzt treten wir den Na’vi in den Arsch“ und ähnlichen Sprüchen keine verwertbaren Informationen bekamen, setzten sie sich hin und warteten, dass etwas geschah.
Etwa eine Viertelstundelang geschah gar nichts.
Dann betrat Quaritch den Raum
Er marschierte mit seinem typisch grimmig- entschlossenem Blick nach vorne, wandte sich um und sagte: „Guten Morgen, Männer.“
Wie in der Schule antworteten seine „Männer“ im Chor. Zach hielt den Mund. Er mochte den Mann nicht besonders.
„Ich würde euch gerne etwas zeigen.“
Es wurde dunkel im Raum. Dann erhellte das blaue Leuchten einer Projektion eines Satellitenfotos, das offensichtlich mit einer Wärmebildkamera aufgenommen worden war, die Gesichter der Männer und Frauen.
Quaritch begann zu labern. Zach hörte nur halb zu. Irgendwas von einem Baum, einer Gottheit, dem finalen Schlag gegen die Na’vi. Er wusste, dass das alles in einem riesigen Gemetzel ausarten würde und er dann wieder die Ehre hatte, die Verletzten einzusammeln.
Quaritch schloss seine (hetzerische) Rede, und die Marines brachen in Jubel aus. Sie hätten auch „Wir wollen morden“ rufen können.
„Was soll das?“, fragte Zach Lee, als sie den Besprechungsraum verließen. „Quaritch scheint ganz verrückt danach zu sein, die Na’vi zu vernichten.“
„Immerhin haben sie ihm seinen Liebling ausgespannt“, erwiderte Lee, und als Zach in fragend ansah, fügte er „Sully“ hinzu.
„Na und? Das wird nur wieder eine gigantische Schlacht und ich bin am Ende wieder der Doofe, der die Wehwehchen wegküssen muss.“
„Dann hast du den falschen Beruf. Ernsthaft, das ist besser, als wenn du dabei sein müsstest. Ich bin nur Soldat, ich könnte das Pech haben, in der ersten Reihe stehen zu müssen.“
Zach lachte. „Hoffen wir, du wirst mir als Begleitschutz zugeteilt, wie letztes Mal. Das wäre besser.“
„Allerdings.“
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Sie begegneten verschiedenen Leuten, Soldaten, Forschern, ein paar von ihnen grüßten sie, ein paar gingen ohne etwas zu sagen an ihnen vorbei.
Sie kamen an der Krankenstation vorbei, und Zach verabschiedete sich. Er verbrachte ein paar Stunden damit, verschiedene mehr oder weniger schwere Verletzungen zu behandeln. Dann kam ein junger Sergeant und teilte ihm mit, dass er am nächsten Tag mit James Hitch, Lee Baker und Will Jordan ausrücken würde, um sich um Verwundete am Boden und eventuelle Überlebende von Abstürzen zu kümmern.
Während Lee redete, standen Zach und Will etwas abseits. Will schien sich weitestgehend beruhigt zu haben.
Irgendwann sagte Lee: „Sie sagt, wir könnten ihr helfen, indem wir von hier verschwinden.“. Das war nicht ganz das, was Zach hatte hören wollen.
„Sag ihr, wir könnten das Ding von ihr runter schieben.“
Bla bla bla.
„Sie sagt, das Ding war ihr Gefährte, und sein Tod trifft sie tief, und es ist unsere Schuld.“
„Das gibt’s doch nicht.“, stöhnte Zach. Langsam wurde ihm alles zu viel. Er fühlte, dass er Kopfschmerzen bekam, und verlor die Lust, dem Na’vi- Mädchen helfen zu wollen. Sie mochten ja eine schöne und edle Rasse sein, aber sie waren auch verdammt stur.
Will stand schweigend neben ihm und starrte auf den Boden.
Lee redete wieder. Zach vermutete, dass er sich für den Tod des Tieres entschuldigte, und ihr sein Beileid aussprach. Er hätte ihr auch Blumen schicken können.
Er wandte sich stattdessen Will zu, der anscheinend tief in Gedanken zu sein schien.
„Wie geht’s?“, fragte Zach ihn vorsichtig.
„Wie soll’s mir schon gehen? Du hast mich untersucht und gesagt, mir fehlt nichts, und da ich dir vertraue, nehme ich an, dass das stimmt.“
„Das will ich hoffen, sonst wäre ich ein verdammt schlechter Arzt.“ Zach lachte kurz, wurde aber schnell wieder ernst.
„Was ist mit dem Na’vi- Mädchen? Hast du wirklich Angst, sie könnte uns…“
„Töten? Nicht, wenn ich es verhindern kann. Ich bin nicht wie du und Lee. Ich sehe nicht nur das gute in allem und jedem. Manchmal ist es schwer.“ Will starrte nach wie vor auf den Boden.
Lee meldete sich erneut. „Sie bleibt dabei. Wir sollen von hier verschwinden. Sie benötigt die Hilfe von Himmelsmenschen nicht.“
„Schön. Komm.“ Demonstrativ ging Zach ein paar Schritte. „Sicher findet uns jemand im Wald, und bringt uns zurück. Wer brauch schon Funkgeräte?“
„Sagtest du nicht, das Ding würde eh nicht funktionieren? Warum sollten wir dann hier bleiben?“, fragte Lee trotzig. Zach verstand, dass er sich längst auf Lu’tayas Seite geschlagen hatte.
„Möchtest du alleine gehen?“
Lee schwieg.
„Ob du alleine gehen möchtest.“, sagte Zach und wurde lauter, als er es beabsichtigt hatte.
„Nein.“
„Gut. Also bleiben wir hier. Sag ihr das.“
Bla bla.
Die Na’vi antwortete nicht sofort. Zach ging auf sie zu, blieb nah vor ihr stehen und sah ihr direkt in die Augen.
„Hör zu, ich habe kein Interesse daran, dich zu töten, aber auch kein Interesse daran, von hier zu verschwinden. Mein Vorschlag bleibt: wir helfen dir, und du verschwindest von hier. Ich nehme an, ihr Na’vi kennt euch hier im Wald wesentlich besser aus als wir… Himmelsmenschen. Wenn du hier alleine rumirren würdest hättest du eine wesentlich höhere Überlebenschance als wir. Wenn wir hier bleiben, haben wir eine kleine Chance, dass uns jemand findet und abholt. Wir können natürlich auch gemeinsam hier warten, aber WENN uns jemand findet, wird derjenige nicht so tolerant sein wie wir und dich höchst wahrscheinlich umbringen. Und wenn deine kleinen Freunde hier auftauchen… naja, vielleicht seid ihr ja wirklich ein so edles Volk und lasst uns laufen. Die meisten Himmelsmenschen, die ich kenne, würden das jedenfalls nicht mit dir tun.“
Lee beeilte sich, mit der Übersetzung hinterherzukommen.
Dann war kurz Pause.
Dann antwortete sie.
„Was sagt sie?“
Lee holte Luft.
„Sie sagt, sie hofft, dass ihre Brüder vor unseren hier auftauchen und ihr helfen werde. Sie sagt auch, dass sie den Tod durch unsere Hand oder die eines anderen Himmelsmenschen nicht fürchtet, und dass wir es nicht verdient hätten, gerettet zu werden.“
„Jetzt reicht’s.“
Will zog seine Pistole, ging mit schnellen Schritten an Lee und Zach vorbei und richtete den Lauf auf Lu’tayas Stirn. „WILL!“, schrieen Zach und Lee gleichzeitig.
Will drehte sich nicht zu ihnen um, sondern sah der Na’vi in die Augen.
„Wir verdienen es nicht, gerettet zu werden? Verdienen Himmelsmenschen nicht das Leben?“
Zach rief: „Will, mach keinen Scheiß! Natürlich verdienen wir das Leben. Sie ist nur…“
„HALT DIE FRESSE!“, schrie Will. Zach war sofort Ruhig. Er entdeckte Tränen in Wills Augen. Er begriff, dass es hier um mehr als sie drei und Lu’taya ging.
„Soll ich euch eine Geschichte erzählen? Sie handelt von den EDLEN Na’vi und den Menschen, die das Leben nicht verdienen. Einer von ihnen war Neil Jordan, ein Avatar- Operator. Und mein Bruder.“
Zach fühlte sich plötzlich schrecklich. Will hatte seinen Bruder noch nie erwähnt, und er vermutete, dass seine Geschichte nicht gerade ein Märchen werden würde.
„Er arbeitete mit sechs anderen Forschern in einer Schule. Dort haben sie den edlen Wilden die Sprache der Menschen beigebracht. Eine grausame Tat, ich weiß.“ Wills lächeln war wie aus Eis.
„Sie studierten die Na’vi. Neil erzählte mir jeden Tag, dass sie ein wunderbares Volk waren. Er wäre nie auf die Idee gekommen, ihre Heimat zu zerstören. Leider war das nicht seine Entscheidung.
Am Tag, nachdem wir Himmelsmenschen eure Heimat zerstört hatten“, sagte er zu Lu’taya, „wollte ich Neil besuchen, um mit ihm darüber zu reden, was wir getan hatten. Sie lebten in ihrer Forschungsstation im Wald, und hatten kaum Kontakt zu uns Anderen. Mit einem Freund fuhr ich zu ihm. Der Wagen hatte eine Platten, also kamen wir 20 Minuten zu spät. Als wir ankamen, waren nur noch drei Forscher in der Station, und keiner von ihnen lebte noch.
Sie waren mit mehreren Stichen in die Brust getötet worden.“
Er schaute auf, zu Zach, zu Lee.
Zach war der erste, der sprach.
„Könnten es Tiere gewesen sein?“
„Das fragten wir uns auch erst. Nein, sagte man uns schließlich, es waren Klingen. Solche Klingen.“ Er deutete mit versteinerter Miene auf Lu’tayas Messer.
„Gott. War dein Bruder…“
„Einer der drei? Nein.“
„Was ist mit ihm…“
Man fand ihn und die anderen fünf Tage später. Sie hingen an Seilen von einem Baum, und waren anscheinend verdurstet. Ihre Avatare lagen zu ihren Füßen.“
Er brach ab. Zach konnte sehen dass er unter seiner Maske weinte. Er ging einen Schritt auf ihn zu.
„Will. Es tut mir so furchtbar Leid…“
„Dass muss es nicht. Du bist ebenso wenig Schuld an seinem Tod wie er an der Zerstörung des Baumes, wofür sich die Na’vi anscheinend gerächt haben. Verstehst du? Es trifft immer die Unschuldigen.
Und sie“, er deutete auf Lu’taya, „ist auch nicht Schuld an seinem Tod. Oder doch? Ich weiß es nicht. Verstehst du, dass ich ihnen nicht trauen kann? Er hat immer so von ihnen geschwärmt, und dann wurde er von ihnen ermordet. Ich kann das nicht begreifen.“
Er wandte sich wieder Lu’taya zu.
„Ich kann sie nicht am Leben lassen. Die Na’vi haben mir jemanden genommen, und ich muss ihnen jemanden nehmen. Vielleicht finde ich dann Frieden.“
Lee zog seine Waffe. Anscheinend hatte er sie auch nicht verloren.
„Lass sie in Ruhe!“, rief er mit zitternder Stimme. „Sie hat nichts getan!“
„Vielleicht.“
„Lass sie! Ich werde auf dich schießen!“
„Lee!“, rief Zach.
Es war zu spät.
„Wenn das dein letztes Wort ist…“, sagte Will traurig.
Er drehte sich zu Lee und schoss.
Die Kugel traf Lee in die rechte Schulter und schleuderte ihn zu Boden. Er schrie auf, während Will erneut auf ihn zielte, diesmal auf seinen Kopf.
Zach war mit nur einem Schritt neben ihm und packte die Hand mit der Waffe mit seiner linken Hand. Er schaffte es, sie leicht zu drehen, und der zweite Schuss verfehlte knapp Lees Kopf. Wills Augen waren aufgerissen vor Erstaunen.
Ehe er erneut schießen konnte, packte Zach mit seiner rechten Hand seinen Ellbogen von unten und riss ihn hoch. Es knackte, Will schrie auf und ließ die Pistole los. Zachs linke Hand entwand sie ihm, während seine rechte ausholte, zuschlug und ihn an der Schläfe traf. Will taumelte, fing sich und wollte gerade zurückschlagen, als Zach ihm den Lauf der Pistole gegen die Stirn donnerte.
Will fiel bewusstlos zu Boden.
Einige Sekunden starrte Zach ihn schwer atmend an. Dann schleuderte er die Pistole in den Wald.
„SCHEISSE!!!“
Er konnte nicht fassen, was er getan hatte. Er hatte es getan, um Lee zu rette, aber war es das wert gewesen?
„SO EIN VERDAMMTER MIST!!!“
Er konnte sich nicht erinnern, das letzte Mal so gefühlt zu haben. Sein Herz raste.
Schließlich beruhigte er sich. Er beugte sich zu Will runter. Es ging ihm den Umständen entsprechend gut, er würde es überleben.
Lees Schulter blutete stark, und nun konnte er seinen anderen Arm auch nicht mehr bewegen. Zach half ihm sich aufzusetzen. Auch unter seiner Atemmaske konnte er nun Tränen entdecken. Er stammelte: „Das wollte ich nicht… das wollte ich doch nicht…“
„Halt den Mund!“, sagte Zach. „Ohne dich wäre das nicht passiert.“
Er zog Lee hoch. Sie gingen zu Lu’taya.
Auch sie sah schockiert aus.
Sie murmelte etwas. Widerwillig übersetzte Lee.
„Es ist ihre Schuld, und es tut ihr sehr Leid…“
„Das sollte es verdammt noch mal auch!“, sagte Zach kalt. Dann wandte er sich der Na’vi zu. „Wir werden jetzt endlich dieses Vieh von dir runterwälzen. Dann verschwindest du. Sofort.“
Lee übersetzte. Sie nickte.
Mit vereinten Kräften gelang es den beiden Marines, Hals und Oberkörper des riesigen Tieres soweit von Lu’taya herunter zu schieben, dass sie ihre Beine darunter hervorziehen und aufstehen konnte. Sie hatte verdammtes Glück, dass sie nicht gebrochen waren. Als sie aufstand, schwankte sie. Zach sank vor Erschöpfung zu Boden.
Immer noch konnte er nicht fassen, was er getan hatte. Er hatte Will niedergeschlagen, nachdem er auf Lee geschossen hatte, weil er ihn bedroht hatte.
Zach hatte die beiden bislang als seine besten Freunde auf diesem Planeten angesehen, auch wenn er wusste, dass sie sich gegenseitig nicht so sehr mochten. Aber was war er für ein Freund, wenn er zuließ, dass sie sich so was antaten?
Jemand legte ihm die Hand auf die Schulter. Es war nicht Lee, sondern Lu’taya.
Sie redete mit ihm, ohne dass er sie verstand. Vermutlich waren es beruhigende Worte, es war ihm egal.
Schließlich stand er auf.
„Ich glaube es wäre das Beste wenn du jetzt gehst.“
Sie sah ihn von oben mit ihren gelben Augen an. Sie sagte noch etwas.
Lee hatte sich hinter Zach gestellt, ohne dass dieser es gemerkt hatte.
Er übersetzte wieder: „Sie dankt dir. Du hast ihr Leben und mein Leben gerettet.“
„Ich habe kein Leben gerettet.“
„Doch, das hast du.“
„Sie soll gehen.“
Lee sagte es ihr, und sie schien traurig zu werden.
Wieder sagte sie etwas zu ihnen.
„Es tut ihr leid was passiert ist. Und was sie gesagt hat. Sie wusste, dass du Recht hattest. Sie hat dir nur widersprochen, weil sie keine Schwäche zeigen wollte. Und dass wir es natürlich verdienen, gerettet zu werden.“
Zach sagte eine Weile gar nichts.
Dann…
„Und warum war es dir so wichtig, keine Schwäche zu zeigen?“
Lu’taya erklärte es Lee.
Er schien erstaunt zu sein.
Dann sagte er:
„Sie meint, sie hat einen Himmelsmenschen getroffen, der mutiger sei als alle Na’vi, die sie kennt. Er sei von Eywa gesandt. Sie wünschte, sie wäre so mutig wie er, aber sie weiß, dass sie es nie sein wird. Das wollte sie anscheinend überspielen“
„Wie heißt er? Der Mensch?“
Doch er kannte die antwort schon.
„Sully, nicht wahr?“
Er verstand ihre Antwort, ohne das Lee sie hätte übersetzen müssen.
„Jasonlance“
Sie berührte ihre Stirn mit den Fingerspitzen der rechten Hand, murmelte eine letzten Satz auf Na’vi, drehte sich um und verschwand im Wald.
Lee ließ es sich nicht nehmen, diesen einen letzten Satz zu übersetzen.
„Ich sehe dich.“
Die beiden sahen ihr nach.
Nach ein paar Minuten sagte Lee: „Was zum Teufel hat die mit Lance zu tun?“
Zach antwortete nicht. Es war ihm auch egal.
Stattdessen sagte er: „Wusstest du das mit Wills Bruder?“
Lee seufzte.
„Nein. Und jetzt hör auf darüber nachzudenken. Jeder von uns ist verantwortlich dafür, was passiert ist.“
„Du hast ja Recht.“
Dann standen sie schweigend da.
Plötzlich hörten sie ein Rauschen, wie aus weiter Ferne. Lee erkannte es als erster.
„Ist das nicht… das Funkgerät?“
Eine quäckige Stimme drang unter all dem Rauschen an ihr Ohr.
„Zach! Das Ding geht ja noch!“
Lee schien alles andere vergessen zu haben. Ehe Zach etwas sagen konnte, rannte der Marine zum Wrack des Hubschraubers. Zach stöhnte und folgte ihm, lief ihm ein paar Schritte nach, dann raschelte etwas hinter ihm. Er war schon im Begriff sich umzudrehen, um zu sehen was es war, als ihn ein Schlag in den Rücken traf und ihn zu Boden schleuderte. Eine Sekunde dachte er daran, das es der Pfeil eines Na’vis hätte sein können. Ein zweiter Schlag traf ihn, dann noch einer und noch einer. Zach schrie auf. Er schaffte es, sich auf den Rücken zu wälzen.
Will stand über ihm, das Eisenteil von einem der Rotoren des Samsons in der Hand des unverletzten Arms. Wie von Sinnen schlug er auf Zach ein, der nur versuchte, seine Maske zu schützen.
Lee hatte Zachs Schrei gehört und kam aus dem Wrack gestürzt. Er sah Will über Zach stehen und erstarrte. Will schlug noch ein paar Mal auf Zach ein, dem mittlerweile alles wehtat.
Irgendwann ließ Will von ihm ab und ging dann zu Lee rüber. Zach konnte Lees Schreie hören, aber er konnte vor Schmerzen den Kopf nicht drehen. Irgendwann verstummte Lee.
Es dauerte eine Weile, dann erschien Will wieder in seinem Blickfeld. Er hatte das Metallteil weggeworfen und stattdessen Lees Pistole aufgehoben. Wenigstens zielte er nicht auf ihn, sondern hielt sie nur locker in der Hand.
„Zach.“
Zach konnte ihn nur verschwommen erkennen. Vermutlich hatte er eindeutig mehr abgekriegt als für seinen Kopf gut war.
„Es tut mir leid.“, sagte Will. „Aber du verstehst doch, dass ich dir nicht mehr trauen kann? Dir oder Lee? Ihr habt mich angegriffen. Er wollte das Na’vi- Mädchen verteidigen, und du wolltest ihn verteidigen. War es nicht so?“
War Will verrückt geworden? Zach beschloss mitzuspielen.
„Genau so war es“, röchelte er, „und es tut mir auch leid, dass es so weit kommen musste. Ich…“, er spuckte Blut. Auch wenn er kein Arzt gewesen wäre hätte er gewusst, dass das kein sehr gutes Zeichen war, „wollte nur nicht, dass du Lee etwas tust. Er ist nicht klargekommen mit der ganzen Situation. Verstehst du das?“
Langsam nickte Will. „Ja.“
Dann streckte er die Hand aus, um Zach hoch zu helfen.
Ächzend und wankend kam Zach auf die Beine.
Ihm war furchtbar schwindelig.
„Eins muss ich dir lassen.“, brachte er hervor. „Wenn du wütend bist, könntest du auch mit bloßen Händen einen Na’vi umnieten.“
„So gefällst du mir besser. Obwohl, was du mit meinem Arm gemacht hast…“, sagte Will und versuchte sich an einem Lächeln.
Zach erinnerte sich, und Schuldgefühle überkamen ihn.
„Lass mich…“
Halb erwartete er, dass Will ihn zurückwies, aber er ließ ihn.
Zach renkte den Arm wieder ein. Will verzog zwar das Gesicht, sagte aber nichts.
Sie stützten sich gegenseitig, als sie zum Wrack des Samsons humpelten. Sie kamen an Lee vorbei, der regungslos auf dem Boden lag. Zach versuchte, ihn nicht anzusehen, und redete sich ein, dass es für ihn zu spät war.
Will versuchte erneut, einen Funkspruch abzusetzen, und diesmal gelang es. Irgendjemand von einem kleinen Außenposten meldete sich meldete sich. Will gab ihre Position durch und bat um Abholung. Dann setzten sich die beiden nebeneinander auf den Boden
Sie redeten nicht. Jeder von ihnen dachte über das Vergangene nach.
Nach etwa einer Stund landete ein Scorpion auf der Lichtung.
Den Namen Außenposten hatte die kleine umzäunte Ansammlung von Blechhütten eigentlich nicht verdient. Außer drei Wohnhütten gab es eigentlich nur einen Wachturm und eine Art Besprechungsraum. Der Landeplatz für die zwei Scorpions war einige Meter weiter weg und ebenfalls umzäunt.
Während des Fluges waren Zach, Will und Lee von einem Arzt untersucht worden, der noch jünger als Zach und unglaublich nervös war. Er hatte ihre Wunden desinfiziert, verbunden und was man sonst noch so machte.
Lee war während des Fluges wieder aufgewacht. Er hatte kein Wort gesagt, nur abwechselnd Zach und Will vorwurfsvoll angestarrt. Nach einer halben Stunde Flug waren sie im Außenposten gelandet. Die drei hatten den Scorpion zu Fuß verlassen, obwohl Zach darüber nachgedacht hatte, sich auf einer Trage herauschauffieren zu lassen. Vermutlich war aber nicht die richtige Zeit, den schwerverletzten Kriegshelden zu spielen.
Ein kräftiger Mann mit einem Schnauzbart und einem roten Gesicht, also ein total kitschiger Colonel, hatte sie in einer der Blechhütten hinter der Luftschleuse erwartet und jedem von ihnen die Hand geschüttelt. Besonders Lee war wenig erfreut darüber. Der Herr hatte sich als Costello vorgestellt und ihnen gratuliert. Da er nicht erklärte, warum, ignorierte Zach das erstmal und fragte stattdessen nach der Lage.
„Tja,“, schnaubte Costello, „es sieht gar nicht gut aus. Das Shuttel und der Dragon sind abgestürzt. Zum Hell’s Gate hatten wir schon lange keinen Kontakt mehr. Ich fürchte, wir werden uns geschlagen geben müssen.“
„Aha.“, sagte Zach. Er konnte sich nichts vorstellen, was ihm in diesem Moment egaler sein könnte. Die Hauptsache war, dass sie wieder hier wegkamen.
„Und meinen Sie, die lassen uns so einfach gehen?“, fragte er.
„Gehen lassen? Die werden uns alle umbringen. Aber so leicht kriegen die mich nicht!“
Zach ließ den Kerl stehen und ließ sich von dem jungen Arzt, der Josh hieß, in ein winziges Kämmerchen führen, das gerade Platz für vier eng aneinander gequetschte Betten hatte.
„Sorry, aber mehr haben wir nicht. Ihr habt Glück, dass wir hier eh unterbesetzt sind, sonst hätten wir gar keinen Platz mehr für euch.“, sagte Josh entschuldigend.
„Schon gut“, sagte Will und drängte sich an ihm vorbei, „besser als nichts.“ Er ließ sich auf das Bett ganz rechts fallen. Während Zach sich über das fehlen von Etagenbetten ärgerte setzte er sich auf das Bett links von Will und sah Josh an.
„Das ist in Ordnung, ehrlich. Besser als tagelang allein im Wald zu pennen.“
„Kann ich mir denken. Da schlaf ich normaler weise“, fügte er hinzu und deutete auf das Bett ganz links.
Lee setzte sich auf das neben Zach.
Dann schwiegen sie.
„Schließlich fragte Josh zögernd: „Muss ich… euch noch irgendwie untersuchen oder so?“
Zach ignorierte die Tatsache, dass diese Frage Josh als verdammt schlechten Arzt dastehen ließ, und schüttelte freundlich lächelnd den Kopf. „Nein, nicht nötig.“
„Gut“, sagte Josh und ließ sie alleine.
Keiner der drei hatte das Bedürfnis zu reden. Schließlich ließ Zach sich nach hinten sinken und schloss die Augen. Er schlief erstaunlich schnell ein.
Als er aufwachte, schliefen Lee und Will ebenfalls. Josh saß neben dem Bett neben Lees und weinte anscheinend.
„Hey“, flüsterte Zach.
Josh wandte sich ihm zu.
„Was ist“, sagte er und versuchte sein schluchzen zu unterdrücken.
„Das sollte ich dich fragen.“
„Naja, Costello redet die ganze Zeit davon, dass die Na’vi kommen und uns alle töten werden. Ich will nicht sterben, nicht hier, und nicht so!“
„Das wirst du nicht. Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass sie dich nur töten wenn du sie wirklich hasst. Schau mal, wir sind auch einem Na’vi begegnet. Er hat uns in Ruhe gelassen“ Dass sie besagten Na’vi gerettet hatten, und dass Will ihn töten wollte verschwieg er.
„Es wird, wenn sie ankommen, vollkommen ausreichen, die Waffen von sich zu werfen und einen auf zur- Einsicht- Gekommener oder so was zu machen. Laber sie voll von wegen du erkennst das das Zerstören der Natur schlecht ist und dass du von ihnen lernen willst, deine Heimat zu retten…“
Josh unterbrach ihn. „Das klingt lächerlich. Du verarschst mich doch!“ Er musste lachen.
„Vielleicht. Denk trotzdem dran, dich wie ein Hippie zu verhalten, wenn einer von denen auftaucht. Es könnte dein Leben retten.“, sagte Zach und lachte ebenfalls.
„Danke.“ Josh stand auf. „Ich gehe und schieb noch ein bisschen Wache.“
„Viel Spaß.“
Kaum war er raus war Zach wieder eingeschlafen.
Als er wieder aufwachte, war er allein. Er fühlte sich zum ersten Mal seit langem richtig ausgeschlafen. Mit halb geschlossenen Augen blieb er noch eine Weile liegen, bis er sich erhob und zur Tür hinausging. Auf dem schmalen Flur begegnete er niemandem. Er betrat die Luftschleuse und setzte sich ein Exopack auf.
Ihm viel auf, dass er kaum noch Schmerzen hatte.
Entweder war Schlaf doch die beste Medizin, oder Josh hatte ihm Schmerzmittel gegeben.
Er verließ die Hütte und schlenderte über das Gelände des Außenpostens.
Lee saß in einer Ecke im Gras. Zach ließ ihn in Ruhe.
Costello kam auf ihn zu.
„Na Junge, bist du wieder fit?“
„Einigermaßen, Sir.“ Es regte ihn auf, dass der Mann ihn Junge nannte.
„Sehr gut, wir können jeden Mann gebrauchen. Dein einer Kumpel drückt sich noch, aber der andere hat sich gleich auf den Wachturm gesetzt.“, sagte Costello zufrieden und versuchte, Zach auf die Schulter zu klopfen.
Zach wich aus und ging mit einem „Danke, Sir.“ auf den Wachturm zu.
Will stand ganz oben und starrte über den Wald hinaus. In der Ferne sah man Rauch.
„Hey Will!“, begrüßte Zach ihn. Will antwortete nicht. Zach stellte sich neben ihn und lehnte sich auf das Geländer.
„An was denkst du?“
Will antwortete wieder nicht.
„Komm schon. Willst du jetzt die ganze Zeit schweigen?“
Anscheinend ja.
Zach seufzte und verließ den Turm wieder.
Er schaute sich kurz um, Lee war anscheinend wieder rein gegangen. Zach beschloss sich was zum essen zu besorgen. Nachdem er einen herumstehenden Marine gefragt hatte fand er den kleinen Essraum. Es war zwar nur ein Zimmer mit einem Tisch in der Mitte und zwei Kühlschränken an der Seite, aber Zach setzte sich trotzdem und genoss für einen Augenblick die ihm vertraut vorkommende Atmosphäre.
Er aß irgendein Dosengericht, stellte den leeren Teller auf die kleine Spüle und setzte sich dann wieder an den Tisch.
Eine Weile starrte er aus dem Fenster. Schließlich kam Lee rein und setzte sich zu ihm.
„Wie geht’s?“
„Klasse. Ich kann meine Arme fast schon wieder bewegen.“, murmelte Lee.
„Hör mal, was Will getan hat… er war völlig fertig wegen seinem Bruder, und dann hast du ihn bedroht und ich habe ihn niedergeschlagen und so… verstehst du, dass er sich nicht wirklich im Griff hatte?“
„Warum verteidigst du immer jeden?“, fragte Lee. „Wirklich, immer wenn zwei sich in den Haaren liegen kommst du und musst dazwischen gehen. Ich hoffe, du weißt, dass nicht alle immer glücklich darüber sind.“
„Schon gut.“
Zach starrte weiter nach draußen.
Irgendwann sagte Lee: „Ja, ich verstehe, wie Will sich gefühlt haben muss. Wahrscheinlich hätte ich die Na’vi nicht die ganze Zeit verteidigen sollen. Irgendwo war das schon albern.“
„Das war nicht albern. Du warst nur der einzige von uns, der sich das getraut hat.“
„Das stimmt nicht. Du hast ihr auch geholfen.“
„Ich wollte nur, dass sie verschwinden, nachdem das alles außer Kontrolle geraten ist.“
Die beiden schwiegen.
Ein Marine kam rein, nahm sich was zu Essen und setzte sich. Ein zweiter kam hinzu, und sie begannen, von der Schlacht gegen die Na’vi zu reden und davon, dass Quaritch anscheinend tot und der Hell’s Gate verloren war.
Zu deprimierende Themen, fand Zach, und verließ den Raum wieder. Er schlenderte noch etwas auf dem Gelände herum, was eigentlich sehr langweilig war, und ging dann doch wieder in „seine“ Schlafhütte.
Das Zimmer war wieder leer. Zach legte sich auf das Bett.
Nichts zu tun zu haben war schlimmer, als er bislang gedacht hatte.
Ihm war schrecklich langweilig.
Er schloss die Augen.
Vielleicht war er eingeschlafen, als er die Augen öffnete, den Kopf drehte und zum Fenster hinaussah konnte er jedenfalls mehrere blaue Gestalten entdecken, die sich über den Zaun des Außenpostens schwangen und anfingen, ihre Pfeile zu verschießen.
„Oh nein.“
Das war echt das letzte, was er jetzt gebrauchen konnte.
Er schwang sich aus dem Bett, gerade in dem Moment, als draußen Leute zu schreien anfingen. Kaum eine Sekunde später schrillte eine Alarmklingel.
Zach blickte sich rasch nach einer Waffe um. Natürlich war keine da, wer ließ schon gerne seine Waffe unbeaufsichtigt herumliegen.
Er wog gerade ab, ob es besser war, in dem Zimmer zu bleiben oder raus zulaufen, als die Tür aufging. Einen Moment lang dachte Zach, es könnte ein Na’vi sein (obwohl der vermutlich die Tür gleich aus der Wand gerissen hätte). Stattdessen kam Will ins Zimmer, in der Hand, die er vor sich ausstreckte, hielt er eine Pistole. Als er sah, dass der Raum bis auf Zach leer war, ließ er die Waffe sinken und schloss die Tür hinter sich.
Dann sah er kurz aus dem Fenster. Zach folgte seinem Blick. Zwei Marines liefen rückwärts über das Gras und feuerten dabei mit ihren Maschinengewehren auf Ziele, die Zach nicht erkennen konnte. Einer der beiden brach, von einem Pfeil getroffen, zusammen, der andere verschwand aus Zachs Blickfeld.
Er wandte sich Will zu.
„Das ist doch bescheuert. Sind die jetzt dabei, jeden einzelnen Menschen auf Pandora umzubringen?“
„Hoffentlich nicht, würde nicht zu ihrem ach- so- edlem Image passen. Übrigens, wo ist Lee?“
Insgeheim freute Zach sich, dass Will gefragt hatte. Anscheinend war er einigermaßen über die Ereignisse hinweggekommen.
„Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe hat er gerade gegessen.“
„Super. Der Essraum ist schräg gegenüber. Wir müssten einmal quer durch deren Schussbahn.“
Er dachte sogar schon daran, Lee zu retten.
„Wenn er noch da ist.“, sagte Zach.
„Wo soll er sonst sein?“, fragte Will ihn.
„Ich weiß es nicht. Ich bin eingepennt…“, sagte Zach etwas schuldbewusst.
„Egal. Er wird sich ihnen sowieso ergeben.“, murmelte Will.
Hinter ihnen auf dem Gang schrie jemand und verstummte dann etwas zu plötzlich.
„Oh Scheiße! War das Lee?“, fragte Will, wirbelte herum und zielte auf die Tür.
Nein. Das war er nicht.“, sagte Zach, war sich aber selbst nicht so sicher.
Dann waren sie still, und starrten auf die Tür.
Kurz glaubte Zach, Stimmen hinter der Tür zu hören, die aber sofort wieder verstummten.
Die beiden sahen sich kurz an.
Die Tür wurde aufgetreten, und eine Na’vi- Frau sprang mit gespanntem Bogen herein. Sie entdeckte die beiden Menschen, fauchte und hob den Bogen.
Hinter ihr kam ein zweiter Na’vi, diesmal ein männlicher, in den Raum. In der Hand hielt er ein blutverschmiertes Messer.
Er sah Zach und Will kurz an und sagte dann: „Werft eure Waffen weg.“
Unsicher schaute Will zwischen den beiden Na’vi hin und her.
„Werft eure Waffen weg.“, wiederholte der Na’vi (mit schwerem Akzent)
Schließlich legte Will seine Waffe auf den Boden und kickte sie in die Mitte des Raumes, außerhalb seiner Reichweite.
„Gut. Und was nun?“, fragte er dann.
„Ich und meine Gefährtin werden überlegen, ob wir euch töten.“
„Klasse. Viel Spaß dabei!“, sagte Will wütend.
Die beiden Na’vi redeten leise in ihrer Sprache miteinander. Die Frau schien aufgebracht zu sein, sie zischte immer wieder und hielt unverwandt den Bogen auf die beiden gerichtet. Irgendwann sagte der Mann: „Wir haben entschieden. Ich war erst dagegen, aber sie überzeugte mich davon.“
„Toll.“, sagte Will patzig, „Wovon?“
„Dass Himmelsmenschen den Tod verdienen, nach allem, was sie uns angetan haben.“
Damit machte er einen Schritt auf Will zu und hob sein, immer noch bluttriefendes, Messer.
Die Frau zielte auf Zachs Kopf.
„Ganz ruhig.“, sagte Zach und hob die Hände. Das würden die ja wohl verstehen.
Der Na’vi blieb stehen und starrte Will und Zach an.
Die Frau flüsterte etwas auf Na’vi.
Zach schaute kurz zu Will. Dieser schien furchtbar nervös zu sein. Zach bemerkte, dass er immer wieder zur Waffe auf dem Boden sah.
„Lass das.“, murmelte er. „Die werden uns nichts tun.“
Will schnaubte nur verächtlich.
Bevor irgendwer irgendetwas tun konnte, schleuderte ein Schuss die Na’vi- Frau gegen die Wand. Ihre Hand ließ dabei den Pfeil los, welche in eine Ecke über Zach schnellte, dort abprallte und aufs Bett fiel.
Der andere Na’vi schrie auf, drehte sich um und machte einen Satz auf die Tür zu.
Costello kam in den Raum.
Er trug ein Exopack, hatte einen üblen Riss in der Brust und hielt in den Händen eine Art Pumpgun, die er nun auf den Na’vi richtete. Dieser erstarrte.
Costello warf einen Blick auf Zach und Will.
„Na, Jungs, hab’ ich euch wohl euren Arsch gerettet.“
In diesem Moment hasste Zach ihn, wie er da selbstgefällig stand, die Pumpgun locker auf Hüfthöhe, mit einem Grinsen und ein paar Blutspritzern im Gesicht.
Die Na’vi- Frau rührte sich nicht. An der Wand über ihr war Blut.
Der Andere starrte sie nur an. Er hatte Zach den Rücken zugewandt, sodass er sein Gesicht nicht sehen konnte. Costello ging langsam auf den Na’vi zu.
Plötzlich machte Will einen schnellen Schritt nach vorne und hob die Pistole auf.
Zach zuckte zusammen und sah, wie der Na’vi einen verzweifelten Blick über die Schulter warf und wie Will die Waffe hob. Costello lachte.
„Jetzt haben wir dich, du blauer Affe!“, rief er.
Der blaue Affe blickte gehetzt zwischen Will und Costello hin und her.
Zach beschloss, sich mal wieder zu Wort zu melden.
„Ich finde“, sagte er, „dass wir uns alle mal beruhigen sollten. Es wäre doch schade wenn jetzt jemand unüberlegt handeln würde und…“
„Wieso unüberlegt handeln? Wir knallen ihn ab und Ende. Da muss man nicht groß überlegen.“, unterbrach ihn Costello.
„Schon, aber… wäre es nicht auch eine Option, ihn leben zu lassen?“
Zachs Blick und der des Na’vis trafen sich. Da war nichts mehr von Hass oder Stolz, nur noch Angst. Zum zweiten Mal in seinem Leben tat Zach ein Na’vi leid. Wobei er erst drei persönlich getroffen hatte. Er musste sich wirklich Gedanken machen, ob er nicht gleich überlaufen sollte. Wie Sully.
„Nein!“, bellte Costello überraschend laut und riss Zach aus seinen Gedanken. „Dieses Gesinde verdient den Tod!“
Schon wieder so ein Na’vi- Hasser. Das erinnerte ihn an Will und Lee und daran, was passiert war, als das letzte Mal ein Na’vi kurz vorm Sterben gestanden hatte.
Costello hob die Pumpgun.
Zitternd sank der Na’vi auf die Knie. Etwas, was vermutlich ein flehendes „Bitte!“ auf Na’vi war, kam kaum hörbar aus seinem Mund
Der Colonel zielte mit seiner Waffe auf den Kopf des Na’vi, der, obwohl er auf die Knie gesunken war, immer noch so groß war wie er selbst.
Diesmal war es Will, der handelte, indem er Costello dreimal schnell hintereinander in die Brust schoss.
Dieser kippte mit einem Ausdruck unglaublichen Erstaunens nach hinten über und knallte auf den Boden. Der Na’vi drehte sich zu Will um. Er starrte ihn mit nicht weniger Erstaunen an als Costello es gerade noch getan hatte. Seine Lippen bewegten sich, aber es war kein Ton zu hören.
Auch Zach tat vorsichtshalber erstmal nichts, außer Will anzusehen. Er sah, mit welcher Verachtung der Marine den toten Colonel anstarrte.
Von draußen drangen immer noch Schüsse und Schreie an ihr Ohr, die sie daran erinnerten, dass das hier eigentlich ein Krieg war. Zach gab sich deshalb einen Ruck, ging um den knienden Na’vi herum und beugte sich kurz über Costello. Dieser war definitiv tot, also hob Zach dessen Pumpgun auf, hielt sie aber mit dem Lauf nach unten. Dann sagte er: „Wir sollten gehen.“
Will starrte noch eine Weile vor sich hin, dann antwortete er: „Vermutlich hast du Recht. Wir sollten nach Lee suchen.“
Auch er ging um den Na’vi herum, der ihm mit den Blicken folgte. Die beiden Marines verließen den Schlafraum, ohne sich noch einmal umzusehen. Nach kurzem zögern schloss Will die Tür hinter sich.
Draußen auf dem Gang lag eine Gestalt in einer Blutlache. Für eine Sekunde dachte Zach, dass es Lee wäre, aber dann erkannte er den jungen Arzt Josh. Den Einstichen in seiner Brust zufolge war auch er tot. Und Zach war sich ziemlich sicher, dass sein Mörder in dem Zimmer hinter ihnen hockte.
Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, zurückzugehen und den Na’vi doch noch zu erschießen.
Will brachte ihn von der Idee ab, indem er sich an ihm vorbei drängte und auf die Luftschleuse zuging. Zach folgte ihm rasch, und versuchte dabei, nicht auf die Leiche zu schauen. Es gelang ihm nur teilweise.
Die Sonne blendete ihn. Die Schreie waren verstummt. Die Maske vor seinem Gesicht schien unglaublich schwer zu sein, als er mit Will auf die Rasenfläche vor der Wohnhütte trat. Als er sich umsah, zählte er vier tote Marines und sechs tote Na’vi.
Vor der Hütte, wo er gegessen hatte, standen drei Na’vi. Einer von ihnen beugte sich über einen Marine, der reglos am Boden lag.
Etwas weiter links kniete Lee mit hinter dem Kopf verschränkten Händen auf dem Boden. Er schaute kurz auf, schien Zach und Will zu erkennen, und sah dann weiter auf den Boden. Zach machte ein paar Schritte, dann stürzten zwei weitere Na’vi hinter einer Ecke hervor und richteten ihre Bögen auf die beiden. Sie schrieen irgendwas auf Na’vi. Zach hob die Pumpgun und sah aus den Augenwinkeln, wie Will ebenfalls seine Waffe hob.
Schüsse ratterten, und beide Na’vi sackten zusammen. Eine kleine Gruppe von Marines kam auf sie zu gerannt. Die restlichen drei Na’vi hoben erschrocken ihre Bögen, waren aber tot, ehe sie auch nur einen Schuss abgefeuert hatten.
Welch ein Glück.
Die Neuankömmlinge, sechs an der Zahl, kamen außer Atem bei Zach und Will an. Zach erkannte den Pilot, der sie hierher geflogen hatte, und einen der Marines, den er beim Essen getroffen hatte. Sie keuchten alle ganz fürchterlich und bluteten bis auf den Piloten aus mehreren mehr oder minder schlimmen Wunden.
Einer von ihnen, der nur im T-Shirt dastand und offensichtlich an einem ruhigen Ort geschlafen hatte, als die Na’vi das Lager angegriffen hatten, brachte ein „Wo… ist… Costello…“ heraus.
„Tot“, antworteten Zach und Will fast zeitgleich.
„Na wunderbar!“, sagte ein anderer, „und jetzt?“
„Wir werden sterben…“, stammelte ein dritter.
„Von wegen! Die verfluchten Blauhäute sind allesamt tot! Wir haben’s geschafft!“, rief ein vierter, klang allerdings wenig überzeugend.
Sie redeten alle durcheinander. Zach hörte ihnen eine Weile zu. Als er merkte, dass nichts Schlaues dabei rauskommen würde, schoss er einmal mit der Pumpgun in die Luft. Sofort war es still.
„Super.“, murmelte er. Dann wandte er sich dem Piloten zu. „Du da. Wie heißt du?“
„Ich? Ähm, Vincent.“
„Gut, Vincent. Du bist Pilot, nicht wahr?“ Ehe Vincent antworten konnte, sagte Zach: „Ja, bist du. Also kannst du uns hier raus bringen.“
„Schon“, sagte Vincent unsicher, „aber ich glaube nicht, dass wir alle in den Samson passen…“
„Das müssen wir auch nicht. Es reicht, wenn du, ich, mein Freund hier…“, er drehte sich zur Seite und bemerkte, dass Will verschwunden war. Nach ein paar Sekunden entdeckte Zach ihn, wie er Lee auf die Beine half. Die kleinen Streitigkeiten waren wohl endgültig beigelegt.
„… und Lee Platz haben.“
„Moment“, meldete sich der T-Shirt- träger zu Wort. „Und wir bleiben alle hier?“
Zach seufzte. „Nein. Aber ihr kommt erst später nach.“
„Und warum?“
Will stellte sich hinter ihn und drückte ihm die Pistole an die Schläfe. „Darum“, knurrte er.
Die vier anderen Marines richteten Augenblicklich ihre Waffen auf ihn.
Das war zwar nicht ganz das, was Zach sich vorgestellt hatte, aber er beschloss mitzuspielen.
Also richtete er seine Waffe auf Vincent.
„Freunde!“, rief er. „Ganz ruhig. Ich werde unseren kleinen Fliegerfreund gleich abknallen und dann kommt hier keiner weg. Du kommst mit uns. Ihr bleibt hier.“ Er begann rückwärts zu gehen, in Richtung des Tores im Zaun, und hoffte, dass die Marines ihm nicht folgen würden.
Will und Lee gingen im Halbkreis um die Gruppe herum und näherten sich Zach, wobei Will immer noch auf den Marine im T- Shirt zielte.
Der Pilot folgte ihnen glücklicherweise.
Sie waren schon beachtliche zehn Meter weit gekommen, und Zach bekam gerade Hoffnung, dass sie es vielleicht wirklich schaffen könnten, als Lee aufschrie und auf den Zaun hinter den zurückgebliebenen Marines zeigte.
Etwa ein dutzend Na’vi war gerade hinübergeklettert und hatte angefangen, sich an die Menschen heranzuschleichen. Als Lee schrei, sprangen sie auf und begannen, sie mit einem Pfeilregen einzudecken.
Die Marines feuerten zurück und versuchten, Deckung zu suchen, während Will das ausrief, was Zach gerade durch den Kopf geschossen war:
„LAUFT!“
Zach rannte los, so schnell er konnte. Pfeile zischten gefühlte 10 Zentimeter an ihm vorbei. Er hörte wieder Schüsse und Schreie, hörte Will fluchen, hörte Vincent erschrocken aufschreien. Noch mehr Pfeile sausten an ihm vorbei und blieben im Boden stecken. Er lief im Zickzack, wie ein aufgescheuchtes Kaninchen, das von einem Fuchs gejagt wurde. Und der Fuchs war schnell, zu schnell. Zach wusste, wenn ein Pfeil ihn traf, war es aus. Für ihn. Will und Lee konnten natürlich weiterlaufen, aber würden sie es tun? Vermutlich würden sie schreiend neben ihm zusammen brechen, versuchen, ihm zu helfen, und am Ende selber sterben.
Und wenn Vincent getroffen wurde, war eh alles aus. Er konnte jedenfalls nicht fliegen.
Er griff weiter mit den Armen aus, wobei das Gewehr ihn erheblich störte, aber er wagte nicht, es fallen zu lasen. Die Na’vi hinter ihm versuchten nun das erste Mal wirklich, ihn zu töten. Diesmal würde er sich wehren. Nicht nur mit Worten.
Weiterhin Haken schlagend hetzte er über den Rasen, auf das Tor zu. Der Landeplatz für den Heli war zwar etwas weiter weg, aber wenn sie schnell waren und die anderen Marines die Na’vi eine gewisse Zeit lang aufhielten konnten sie es schaffen.
Er versuchte, noch etwas schneller zu werden, aber es gelang ihm nicht. Es kam ihm sogar vor, als würde er langsamer. Er versuchte, dagegen anzukämpfen. Aber die Strapazen der letzen Stunden waren wohl etwas viel gewesen.
Kurz blickte er nach hinten. Will war sehr dicht hinter ihm, Vincent fast neben Will. Lee allerdings hing weiter zurück, er humpelte stak und Zach sah, wie ihm Schmerz und Verzweifelung ins Gesicht geschrieben standen.
Nach kurzem Überlegen drehte er sich im Lauf um und hob seine Waffe.
Will überholte ihn fast sofort, kurz darauf Vincent. Zach wartete, bis Lee zu ihm aufgeschlossen hatte, und fing dann an zu schießen.
Es waren ihnen etwa fünf Na’vi gefolgt, die anderen lieferten sich anscheinend noch immer einen Kampf mit den Marines. Costellos Waffe hatte eine verhältnismäßig geringe Reichweite, wenn man sie mit den Sturmgewehren, die die Marines normalerweise trugen, verglich. Da seine Verfolger aber in diesem Moment erschreckend nah bei ihm waren traf er auch so.
Zwei Na’vi stolperten, fielen zu Boden und blieben liegen. Die restlichen duckten sich und wurden langsamer.
Zach drehte sich wieder um und sah, wie Will und Vincent das Tor erreicht hatten. Vincent hantierte an der kleinen Schalttafel herum, um das Teil zu öffnen, währen Will sich nun auch umdrehte und fast sein ganzes Magazin in Richtung der Na’vi verschoss.
Das Tor ging auf.
Der Anblick gab Zach die Kraft, noch etwas schneller zu werden. Er holte Lee wieder ein und rannte mit ihm gemeinsam durch das Tor. Jetzt kamen wieder Pfeile angeflogen, denen er so gut wie möglich auszuweichen versuchte.
Sie waren nun auf einem schmalen Feldweg, der zum Landeplatz führte. Bescheuerter weise gab es vor diesem ein weiteres Tor, dass Will nun fast erreicht hatte. Die Na’vi hinter ihm riefen immer noch irgendwelche Sachen, als er weiter rannte. Nun flogen keine Pfeile mehr, ihre Verfolger hatten sie anscheinend alle aufgebraucht. Immerhin etwas.
Das Tor zum Landeplatz öffnete sich ebenfalls, quälend langsam. Kaum war der spalt groß genug quetschte Vincent sich hindurch und lief zu einem der Scorpions. Will blieb vor dem Tor stehen und schoss auf die Na’vi, was mit Lee und Zach vor der Nase allerdings nicht sehr einfach erschien. Endlich hatten es die beiden auch geschafft, durchquerten das Tor und liefen zu dem Scorpion, den Vincent bereits gestartet hatte.
Während sie nacheinander hinein kletterten schaute Zach noch einmal zurück.
Die Na’vi waren wieder näher gekommen. Zach schoss noch ein paar Mal in ihre Richtung, bevor er die Waffe wegwarf und sich als letzter in den schon langsam abhebenden Scorpion schwang.
Sie schwebten mittlerweile einen Meter über dem Boden, und es wurde mehr.
Leider zu langsam.
Ein besonders schneller Na’vi sprang mit einem Satz auf den zweiten Scorpion und von da aus in Richtung der Flüchtigen. Er krallte sich mit einer Hand an der Maschine fest, schaffte es, sich halb in den Innenraum zu ziehen, und stach mit der anderen Hand, in der er sein Messer hielt, zu, ehe Will ihm in den Kopf schießen konnte.
Es war blanke, bittere Ironie, dass es gerade Lee, der sich so für die erste Na’vi, die er je getroffen hatte, eingesetzt, ja sogar sein Leben riskiert hatte, ihn, der bereit gewesen war, Will zu töten, um das Leben einer Kreatur, die er eigentlich bekämpfen sollte, zu retten, traf.
Das Messer bohrte sich in seine Brust.
Lee zuckte zurück und knalle seinen Hinterkopf in Zachs Gesicht.
Der Na’vi ließ den Griff seines Messers los und umklammerte, Sekunden bevor Will aufschrie und ihm in die Stirn schoss, Lees Hals.
Die Schüsse schleuderten ihn wieder aus dem Scorpion raus, doch er riss Lee mit sich. Dieser fuchtelte sogar noch wild mit den Armen und versuchte, sich festzuklammern. Zach griff noch nach seiner Hand, doch sie entglitt ihm.
Eine Sekunde lang schien Lee zwischen dem Scorpion und dem Boden zu schweben.
Dann fiel er in die Tiefe.
„LEE!“
Lee schlug auf dem Boden auf. Zach konnte grade noch erkennen, wie sich die Meute der Na’vi um ihn scharte. Wenn der Stich oder der Sturz ihn nicht getötet hatten, dann würden sie es ganz gewiss tun.
„Lee!“, schrie er wieder. Er widerstand der Versuchung, sich noch weiter aus dem Scorpion herauszulehnen. „Vincent! Lande, sofort!“
Der Pilot sagte gar nichts, machte aber auch keine Anstalten, zu landen.
„Du sollst verdammt noch mal landen!“, brüllte Zach ihn an.
„Lass es.“, sagte Will.
Zach schaute ihn an. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten, ebenso wie seine Stimme. Sie hörte sich fremd an. „Wir können nichts mehr für ihn tun.“
„Das ist nicht wahr!“, schrie Zach ihn an.
Was sollte das? Sie konnten doch einfach landen und Lee mitnehmen.
„Er ist tot. Das bringt doch nichts.“, sagte Will traurig.
„Verdammt, aber wie können seinen Körper mitnehmen. Das sind wir ihm schuldig!“
„Wenn wir das tun, werden sie uns auch töten. Willst du das?“
Natürlich wollte er das nicht, aber das würde er niemals zugeben.
„Willst du das?!“
Wortlos ließ Zach sich gegen die kalte Stahlwand des Scorpions sinken.
„Siehst du.“, murmelte Will.
Zach sah ihn nicht an, sondern starrte irgendwo an die Decke. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Warum gerade Lee?
Er spürte, dass ihm Tränen in die Augen stiegen, und blinzelte sie schnell weg. Sie kamen wieder, er blinzelte erneut. Zach schloss die Augen und zwang sich, nicht an Lee zu denken. Das klappte allerdings nicht.
Lee war einer seiner wenigen Freunde in dieser Hölle gewesen. Die anderen, mit Ausnahme von Will, waren ebenfalls nach und nach gestorben, von Na’vi oder irgendwelchem Viehzeugs getötet worden.
Irgendwann hatte er aufgehört, ihnen hinterher zu trauern und sich gesagt, dass er es nicht hätte ändern können und dass für jeden von ihnen irgendwann mal die Zeit kommen würde.
Lees Zeit war gekommen. Auch das konnte er nicht ändern.
Er öffnete seine Augen wieder.
Will starrte ins Leere.
„Meinst du, wir können es schaffen?“, sagte Zach mit einer Stimme, die ihn selbst erschreckte.
„Was?“ Wills Stimme war genauso tonlos.
„Zum Hell’s Gate zu kommen.“
„Ist das denn so wichtig?“
Zach zuckte mit den Schultern. „Es ist das einzige was wir machen können. Du hast selbst gesagt, für Lee können wir nichts mehr tun. Oder willst DU es mit den ganzen Na’vi aufnehmen? Siehst du. Falls wir es zum Hell’s Gate schaffen sollten wir auf jeden Fall zurück zur Venture Star und von dort aus zur Erde fliegen. Hier auf dem Planeten haben wir nichts mehr verloren.“
Will seufzte. „Du hast Recht. Nur habe ich Angst vor dem, was uns auf der Erde erwartet.“
„Du meinst…“
„Den Alten, ja. Er wird verdammt wütend auf uns sein wenn wir…“
„Er muss es doch nicht erfahren. Wir könnten sofort nach der Landung verschwinden, irgendwohin, wo er uns nicht finden kann. Hier will ich aber nicht mehr bleiben.“
„Du hast recht“, wiederholte Will. „Hier haben wir nichts mehr verloren. Schlimmer kann es dort auch nicht sein.“
Sie schwiegen ein paar Minuten, bis sich Vincent meldete. „Wir sind jetzt noch etwa siebzig Kilometer vom Hell’s Gate entfernt. Dürfte nicht allzu lange dauern bis wir da sind.“
Keiner antwortete ihm.
„Dann eben nicht.“, murmelte Vincent beleidigt und konzentrierte sich wieder aufs fliegen.
Nach einer Weile kam der Hell’s Gate Tower in Sicht. Um ihn herum kreisten mehrere der Flugviehcher der Na’vi.
„Na super.“, sagte Vincent. „Was jetzt? Soll ich das Feuer eröffnen oder was?“
„Nein. Lande einfach.“, antwortete Zach ihm.
„Leichter gesagt als getan.“
Sie kamen näher. Schon von oben konnten sie die zahlreichen Na’vi sehen, die über das Gelände liefen. Plötzlich knackte das Funkgerät.
„Hier spricht Norm Spellman. Was wollen Sie hier?“
Der Name sagte Zach nichts.
Vincent antwortete: „Wir wollen nur landen, sonst nichts.“
Rauschen.
„Nur landen, sehr gut. Wie viele Soldaten habt ihr an Bord? Jedenfalls nicht genug, vergesst es.“
„Aber…“
„Vergesst es, hab ich gesagt. Schwirrt ab!“
Will beugte sich nach vorne.
„Jetzt hör mal zu du Kasper“ rief er in Richtung Funkgerät. „es ist mir egal ob wir genug sind. Wir wollen nur landen und dann schnellstmöglich von hier verschwinden.“
Ein paar Sekunden Stille, dann: „Na gut. Aber wenn auch nur ein einziger Schuss fällt seid ihr tot.“
Will warf seine Pistole aus dem Scorpion.
„Sicher nicht.“, murmelte er.
Der Scorpion landete und sofort wurden die Türen aufgerissen. Ehe einer von ihnen etwas machen konnte, wurden die drei von mehreren Na’vi gepackt und aus dem Scorpion gezerrt. Will und Vincent protestierten, Zach blieb ruhig. Die Na’vi ließen sie nicht los, sondern schleiften sie über den Boden, au das Gebäude des Hell’s Gate zu. Zach konnte Will fluchen hören, er allerdings blickte die ganze Zeit nach oben in den Himmel.
Immer wieder konnte er ein paar der fliegenden Tiere der Na’vi über ihnen am klaren, blauen Himmel kreisen sehen.
Dann kam die hässliche Decke eines der vielen Flure in sein Blickfeld.
Er wurde in einen Raum gezerrt wo man ihn schließlich fallen ließ. Zach rappelte sich auf. Der Raum war voller Menschen. Marines, Wissenschaftler und Mitarbeitern des Hell’s Gate.
Ohne zu wissen, was er hier eigentlich wollte, schlenderte Zach ein wenig durch die Gegend.
Nach einer Weile viel ihm auf, dass immer wieder Na’vi hereinkamen, die Menschen hereinführten oder wegbrachten. Was das sollte, wusste er zwar nicht, er hatte aber die Vermutung, dass das hier so eine Art Kriegsgefangenenlager darstellen sollte.
Als ein fetter Wissenschaftler, der sich auf einem Stuhl gelümmelt hatte, von zwei Na’vi aus dem Raum geführt wurde, schnappte Zach ihm schnell den Platz weg. Jedoch merkte er schnell, dass ihm nach dem Flug nicht so der Sinn nach sitzen stand, und wanderte stattdessen wieder durch den Raum.
Er hielt kurz Ausschau nach Will, konnte ihn aber nicht entdecken. Wahrscheinlich hatten die Na’vi irgendwo anders noch mehr Menschen untergebracht.
Nach einigen Minuten, die er mit sinnlosem Herumgelaufe verbracht hatten, kam ein weiterer Na’vi- Krieger auf ihn zu. Er sagte „Mitkommen“ und deutete auf ihn.
Zach zuckte mit den Schultern und folgte ihm.
Der Na’vi führte ihn durch ein paar Flure (er musste gebückt laufen) bis zu einer geschlossenen Tür. „Da rein“, sagte er dann und stieß die Tür auf.
Der Raum war eine Art Büro, mit einem Schreibtisch und einem Aktenschrank. Er war etwas gemütlicher als der Rum, in dem Zach mit Lance gesprochen hatte.
Hinter dem Schreibtisch saß ein Mann.
Er hatte kurz geschorene Haare und trug ein einfaches T-Shirt.
Neben ihm an der Wand saß eine Na’vi- Kriegerin, die mit dem Kopf fast an die Decke stieß.
Der andere Na’vi sagte etwas in ihrer Sprache und verließ dann den Raum.
Der Mann hinter dem Schreibtisch deutete auf einen Stuhl.
„Setzen Sie sich bitte.“
Zach setzte sich widerwillig.
„Name?“, fragte sein Gegenüber knapp.
„Zacharias Dent.“
Der Kerl kritzelte irgendwas auf ein Blatt Papier. Dann wandte er sich dem Computerbildschirm zu, der auf dem Tisch stand, und tippte auf der virtuellen Tastatur ebenfalls etwas ein. Durch den Durchsichtigen Bildschirm hindurch konnte Zach erkennen, dass es sein Name war. Kurz darauf erschien seine Akte auf dem Bildschirm. Der Mann las sie aufmerksam.
Zach schaute währenddessen kurz zu der Na’vi- Kriegerin hinüber. Sie erwiderte seinen Blick kurz und sah dann weg. Zach ließ seinen Blick noch kurz durch den Raum schweifen, ehe der Typ weiterredete.
„Sie sind also Arzt.“, stellte er fest.
„Ja.“
„Was haben sie während ihrer Anwesenheit hier auf Pandora gemacht?“
Die Fragen klangen routiniert, als hätte der Mann sie heute schon hunderte Male gestellt.
„Nun, ich nehme an, Verletzte und Kranke versorgt.“
„Aha. Waren sie an Kämpfen gegen die Na’vi beteiligt?“
Das war ja schlimmer als das Gespräch mit Lance.
„Nicht direkt. Während dem letzten Kampf sollte ich Verwundete aufsammeln, wurde aber abgeschossen. Wir wurden zu einem Außenposten gebracht. Dieser wurde dann von Na’vi angegriffen. Dabei kam es LEIDER zum Kampf, ja.“
„Haben sie einen oder mehrere Na’vi getötet?“
Hatte der Kerl ’nen Knall? Wer war er eigentlich?
„Ich habe auf zwei von ihnen geschossen. Ob sie es überlebt haben weiß ich nicht.“
„Okay.“ Der Typ sagte etwas zu der Na’vi. Diese antwortete. Dann sagte er wieder was, und in kurzer Zeit waren die beiden in ein Gespräch vertieft.
Schließlich platzte Zach der Kragen.
„Verdammt, könnt ihr mal aufhören in dieser bescheuerten Sprache zu labern und uns stattdessen mal erzählen was der ganze Zirkus soll? Warum werden wir Menschen hier nacheinander reingeführt und verhört? Könnt ihr uns nicht einfach umbringen oder zur Erde zurückschießen oder was auch immer?!“
Einen Moment war es ruhig. Dann sagte der Mann:
„Genau darum geht es ja. Wir entscheiden gerade, was wir mit euch machen werden. Ohne zu wissen was der einzelnen gemacht hat können wir auch nicht entscheiden, ob…“
„Oh ja, ganz toll. Wofür hältst du dich, Sully? Du bist immer noch ein Mensch! Kein Na’vi. Auch wenn du deinen abgefahrenen Avatar hast, das ist nicht dasselbe. Du gehörst hier her, zu uns. Du solltest lieber mit uns kämpfen anstatt zu entscheiden, was mit uns passieren soll!“, unterbrach Zach ihn. Es hatte etwas gedauert, bis er Jake erkannt hatte, aber jetzt war er sich sicher.
Die Na’vi fauchte.
„Du weißt gar nichts! Jake gehört hier zu uns! Nicht zu euch!“, zischte sie Zach an. Dieser winkte ab und stand auf.
„Ja ja. Wisst ihr was: es ist mir egal, was passiert. Hauptsache, ich muss nicht länger hier bleiben.“
Damit wandte er sich zum gehen. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Jake versuchte, ihn aufzuhalten, es dann aber doch sein ließ. Zach stieß die Tür auf und stürmte auf den Flur.
Er sah nicht, wie eine weitere Na’vi ihn dabei beobachtete.
Als er zurück in den Raum kam, in dem die Menschen versammelt waren, tippte ihm jemand auf die Schulter. Zach zuckte zusammen und fuhr herum, aber es war nur Will.
„Hey“, sagte Zach erleichtert, „Wie geht’s?“
Will schnaubte.
„Beschissen. Wir werden hier eingepfercht, verhört und dann wieder hier eingepfercht. Was soll das verdammt noch mal?“
„Warst du auch schon bei Sully?“
„Sully? Nein. Ist der hier?“
Zach erzählte ihm, was vorhin passiert war.
„Ganz schön mutig von ihm sich hier blicken zu lassen. Immerhin hat er uns sozusagen verraten. Trotzdem, ich war bei einem Typ namens Spellman.“
„Der, der uns angefunkt hatte?“
„Kann schon sein. Jedenfalls hat der allen möglichen Müllgelabert und mich zwischendurch gefragt, was ich auf Pandora gemacht habe, ob ich Na’vi umgelegt habe und so was.“
„Das gleiche wollte Jake wissen. Scheint so als hätten sie jeden hier das gleiche gefragt.“
„Vermutlich entscheiden sie gerade, was sie mit uns machen.“
„Vermutlich. Aber ich sag dir was: die könn’ mich mal. Hauptsache, ich komm hier wieder runter.“, sagte Zach.
„Oder sie bringen uns um.“
„Oder das. Würde aber wieder nicht zu ihrem edlen Image passen.“
Will lachte. „Das ist ihm doch egal. Der ist Glücklich, solange er seine neuen Freunde beschützen kann. Wir werden ja sehen, was kommt.“
„Genau.“, stimmte Zach zu. „Was hast du ihm eigentlich erzählt?“
Will winkte ab.
„Ach, nur dass ich fast eine von ihnen über den Haufen geschossen hätte, mehr nicht. Nichts von dir oder…“ Er verstummte, als er offensichtlich an Lee denken musste. Zach lenkte ihn mit den Worten „Die Kerle müssen ja nicht alles wissen.“ ab. „Ich hab ihnen auch nur gesagt, dass ich abgeschossen wurde und dann beim Angriff auf den Außenposten ein paar mal möglicherweise in die Richtung einiger Na’vi geschossen habe. Ich denke eher nicht dass sie uns für so einen Kinderkram umbringen werden, wenn man bedenkt, was einige Andere hier auf Pandora so getrieben haben.“
„Stimmt wahrscheinlich.“, sagte Will und ließ sich zu Boden gegen die Wand sinken. Zach setzte sich neben ihn. Sie redeten noch ein wenig, bis Zach die Augen zu vielen. Er schlief an die Wand gelehnt ein und wurde erst wieder wach, als wieder ein Na’vi zu ihnen trat.
„Zacharias Dent und Will Jordan?“, fragte er (mit fast schon katastrophaler Aussprache.)
Will, der anscheinend auch eingenickt war, zuckte zusammen und blinzelte.
„Jakesully möchte euch sehen.“
Sie folgen ihm, wieder zu dem Raum, indem Zach heute schon gewesen war. Sully saß immer noch da, allerdings jetzt in seinem Avatar- Körper. Die Na’vi stand auch immer noch (oder wohl eher wieder) hinter ihm an der Wand.
„Setzten Sie sich.“ Sullys Höflichkeit ging Zach mittlerweile etwas auf den Sack.
„Also, ich habe überlegt, was wir mit ihnen machen werden. Mit ihnen allen. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir einigen von euch erlauben werden, hier zu bleiben, andere werden wir zurück zu Erde schicken.“
„Solltest du das nicht eher Selfridge erzählen“, fragte Will, „oder ist der auch tot?“
Jake knurrte. „Nein, er lebt, und ich habe es ihm bereits gesagt. Ich spreche nur mit ihnen beiden, weil Sie sozusagen ein Sonderfall sind.“
„Na großartig, ein Sonderfall. Werden wir jetzt erschossen?“, murmelte Zach.
„Erstmal wird hier niemand erschossen.“, erwiderte Suly. Erfreut bemerkte Zach, dass er leicht gereizt klang. „Ich habe mit jemandem gesprochen, der dafür war, euch hier bleiben zu lassen.“
Was sollte dass denn schon wieder? Wer sollte das sein?
„Ach was.“, sagte Zach. „Hatte ich nicht gesagt, ich wolle so schnell wie möglich hier runter?“
„Das hatten sie beide gesagt. Allerdings wollten wir nur die Menschen von Pandora fortschicken, die eine Gefahr darstellen.“
„Soll ich deiner kleinen Freundin mal eine reinhauen?“, rief Will und sprang auf. „Dann seht ihr mal wer hier die Gefahr darstellt!“
„Versuch’s doch, Himmelsmensch!“, fauchte die Na’vi und griff nach ihrem Messer.
„Ich würd’s wahrscheinlich tun wenn ich dann endlich von diesem gottverdammten Planeten runterkomme!“, brüllte Will und hätte sich faste auf sie gestürzt, wenn Zach ihn nicht festgehalten hätte.
Wutschnaubend setzte sich Will wieder.
Nachdem Sully zu der Na’vi gesprochen hate, fuhr er fort mit Zach und Will zu reden: „Also, jemand hat gesagt, ihr solltet auf diesem Planeten bleiben. Das muss ich natürlich berücksichtigen, genauso wie eure Meinung. Es klingt aber für mich nicht wirklich so als würdet ihr eine Gefahr darstellen, darum könnte ich euch genauso gut hier lassen.“
„Und dann“, fragte Zach.
„Dann… ihr könntet hier im Hell’s Gate bleiben oder zu uns in den Clan kommen, was natürlich etwas schwierig ist, da ihr keine Avatare habt.“
„Zu schade.“, sagte Will.
„Wir würden das Angebot ja wirklich gerne annehmen“, sagte Zach, darauf bedacht, möglichst freundlich zu klingen, „aber am liebsten wäre es uns wirklich, wenn wir einfach zur Erde zurückkönnten. Wir haben ihr ein paar unschöne Sachen erlebt, und länger hier zu bleiben kann ich mir einfach nicht vorstellen.“
Sully schwieg kurz. Dann sagte er: „Ich kann euch natürlich nicht zwingen, hier zu bleiben. Also gut, ihr könnt gehen. Voraussichtlich kommt morgen ein Shuttel. Mit dem kommt ihr zurück zur Venture Star.“
„Danke“, sagte Zach. Will murmelte nur irgendwas.
Als sie aufstanden und sich umdrehten, um das Büro zu verlassen, sah Zach, wer Sully hatte überreden wollen, sie beide hier zu behalten.
Niemand anderes als Lu’taya stand in der Tür und sah sie an.
„Oh.“, sagte Zach. Will sagte gar nichts.
Lu’taya begann auf Na’vi zu reden. Sully übersetzte: „Ich weiß, dass ich euch nicht zwingen kann, hier zu bleiben. Ich möchte nur, dass ihr wisst, dass ich es zulassen würde. Und dass ich euch dankbar bin. Euch beiden.“
„Also…“, begann Zach, aber Will redete für ihn weiter.
„Ich würde auch hier bleiben, wenn ich es könnte. Aber ich kann nicht. Ich weiß nicht, ob du es mitgekriegt hast, aber Lee ist tot. Nicht durch meine Schuld, sondern durch die eines Na’vi. Komisch, ich weiß. Aber ich kann nicht hier bleiben, solange ich weiß, dass einer von euch ihn getötet hat. Vermutlich erwarten uns auf der Erde auch ein paar schlimme Dinge, die aber nichts dagegen sein werden, was ich und Zach hier erlebt haben. Es tut mir wirklich leid, aber ich kann hier nicht bleiben.“
Damit drängte er sich an Lu’taya vorbei und verschwand. Sie schaute ihm traurig nach.
Zach flüsterte: „Ich hätte es nicht besser als Will sagen können. Wir gehören nicht hierher. Ihr wolltet uns doch vertreiben. Indem ihr Lee getötet habt, habt ihr es auch geschafft. Es tut auch mir leid.“
Dann ging er ebenfalls.
Zach trat aus dem Gebäude. Das helle Licht der Sonne blendete ihn, nachdem er die letzten vierundzwanzig Stunden nur in einem spärlich beleuchteten Raum zugebracht hatte. Er blinzelte und spürte, dass er sich unglaublich müde fühlte. Als er sich kurz auf die Zehenspitzen stellte konnte er über die Köpfe der anderen hinweg das Shuttel erkennen, dass mehrere Meter vom Ausgang entfernt stand und sie zurück zur Erde bringen würde.
Die Reihe der Menschen bewegte sich quälend langsam darauf zu. Die meisten von ihnen starrten auf den Boden, einige schauten zu den Na’vi auf, die links und rechts von ihnen standen und auf sie herabblickten, in den Händen Bögen oder Speere, bereit, jeden Flüchtling zu töten.
Einige der Menschen warfen ihnen mehr als nur verachtende Blicke zu, sie riefen ab und zu irgendetwas. Mehr als einmal hörte Zach etwas in der Richtung „Sully, du Verräter!“.
Sully selbst stand etwa zehn Meter vom Shuttle entfernt, neben ihm schon wieder diese Na’vi, die sich diesmal an seinen Arm klammerte. Den beiden schien das Ganze zu gefallen.
Klar, war ja schließlich ihr Planet, der hier gerettet wurde.
Zach warf ihnen nur einen kurzen Blick zu, versuchte, sie möglichst verächtlich anzustarren, und schaute dann weiter auf seine Füße, als er an den beiden vorbeiging.
Die ersten Leute hatten das Shuttle erreicht und gingen, immer noch verdammt langsam, die Laderampe hoch.
Erst kurz bevor auch Zach sie erreicht hatte sah er wieder hoch und erblickte Lu’taya.
Sie stand in der Reihe der Na’vi und schaute ihn an. Sie sah traurig aus.
Dann hob sie die Hand, berührte damit ihre Stirn und formte mit den Lippen ein paar Wörter.
Zach dachte sich schon, dass es wieder dieses „Ich sehe dich“ war, was die Na’vi den ganzen Tag geplappert hatten.
Er ahmte die Geste nach und flüsterte, nur für sich und sie, „Ich sehe dich“.
Dann betrat auch er die Rampe und verlor Lu’taya aus den Augen.
Er fand einen Sitzplatz, nicht weit vom Eingang, und ließ sich nieder.
Kurz darauf kam Will angetrottet und setzte sich neben ihn.
Verächtlich sagte er: „Schau sie dir an, diese ganzen Wissenschaftsärsche. Wie toll sie sich doch fühlen müssen, dass sie hier bleiben können, in ihrer wunderschönen Welt, und wir zurück auf unseren toten Planeten müssen.“
Zach ging nicht darauf ein, sondern fragte stattdessen: „Hast du Lu’taya gesehen?“
„Ja.“
„Und?“
„Was und? Sie hat sich an die Stirn getatscht und irgendwas gesagt. Ich hab nur kurz gewunken.“
„Sie wollte dass wir hier bleiben, obwohl wir sie fast getötet hätten.“, sinnierte Zach.
„Tja, ihr Pech.“
„Pech? findest du das nicht seltsam?“
„Ja, etwas seltsam. Na und? Seit ich hier war finde ich nichts mehr seltsam. Jetzt will ich nur noch nach hause.“
Die Laderampe begann sich zu schließen. Zach schaute noch einmal nach draußen. Das letzte, was er je von Pandora sah, war der wunderschöne, klare, blaue Himmel.
Zumindest ein Stück davon.
Das Shuttel kehrte zur Venture Star zurück, die seit Monaten im All gewartet hatte.
Kurz nach ihrer Ankunft wurde Will wegen dem Mord an Colonel Steve Costello verhaftet. Die ganze Flugzeit über, über sechs Jahre, wurde er in eine Einzelzelle gesperrt.
Zach konnte sich einfrieren lassen.
Traumlos durchlebte er den Rückflug zur Erde.
Nachdem er aufgetaut worden war, fragte er sofort nach Will. Man erlaubte ihm nicht, ihn zu sehen, also flog er zur Erde zurück.
Das Shuttel landete auf dem Militärflugplatz in Jacksonville.
Es regnete, als Zach ausstieg.
Er lief quer über die Landebahn in die nahe gelegene Kaserne.
Dort quittierte er seinen Militärdienst. Er behauptete, er habe ein Trauma erlitten und bekam die Adresse eines Therapeuten.
Im Rahmen einer Zeremonie wurden ihm und ein paar anderen Soldaten später Medaillen verliehen und sie wurden ehrenvoll verabschiedet.
Dann verließ Zach die Kaserne, endlich wieder in Zivilkleidung.
Den Zettel mit der Adresse des Therapeuten warf er in einen Abfluss.
Dann nahm er sich ein Taxi und fuhr in ein billiges Hotel.
Von dort aus telefonierte er mit seinen Eltern und erfuhr von einem schluchzenden Hausmädchen, dass seine Mutter gestorben war.
Als sie fragte, ob er seinen Vater sprechen wollte, legte Zach einfach auf.
Zach lag auf einem Sofa in seinem Appartement in Jacksonville und schlief. Seit seiner Rückkehr von Pandora waren drei Jahre vergangen. Mittlerweile arbeitete er im örtlichen Krankenhaus als Arzt. Zwischendurch war er wirklich einmal bei einem Therapeuten gewesen. Aber nur einmal.
Will hatte er in all der Zeit zweimal im Gefängnis besuchen dürfen. Sie hatten wenig geredet in der Zeit. Gestern hatte er einen Anruf erhalten, dass Will wahrscheinlich heute entlassen werden würde und hatte sich bereiterklärt, ihn abzuholen.
Die Türklingel schrillte.
Zach zuckte zusammen und fiel vom Sofa. Er war sofort wach.
Während er fluchen aufstand überlegte er, wer da klingelte. War es etwa Will? War er schon früher gekommen um ihn zu überraschen?
Oder war es einer der Ärzte, mit denen er sich angefreundet hatte?
Er versuchte in seine Hose zu kommen, während es noch mal klingelte. Zach verzichtete darauf, „Jaja, schon gut“ zu rufen, da er so was irgendwie immer etwas peinlich fand, zog sich stattdessen sein T-Shirt über und torkelte Richtung Hausflur. Er war nicht nur schlaftrunken.
Im Spiegel neben der Tür vergewisserte er sich, dass er einigermaßen gut aussah, dann öffnete er die Tür.
Vor ihm stand ein Mann in einem schwarzen Mantel, mit grauen Haaren und tieftraurigen Augen.
Zach erkannte ihn sofort.
„Oh.“, sagte er.
„Hallo Zach“, sagte der Mann.
Zach hatte gewusst, dass er irgendwann kommen würde. Eigentlich hatte er ihn schon viel früher erwartet.
„Kannst du dir denken, warum ich hier bin?“, fragte der Mann.
„Ja.“, antwortete Zach leise.
„Und? Was hast du dazu zu sagen?“, fragte der Mann ihn.
„Nichts.“
„Nichts?“
„Nur dass es mir unendlich leid tut.“
„Dir tut es also leid. Das hilft mir aber nicht!“, presste der Mann zwischen den Zähnen hervor.
„Es tut mir wirklich leid, was geschehen ist. Ich wollte nicht, dass es so kommt.“
„Hattest du wenigstens vor, es mir irgendwann zu sagen?“, fragte der Mann.
„Natürlich.“, sagte Zach. „Nur…“
Ein verächtliches Schnauben.
„… es hätte auch nichts geändert, oder? Kannst du dir eigentlich im Entferntesten vorstellen was ich durchgemacht habe?!“
„Ja. Ich war selber wirklich fertig. Ich…“
Der Mann hob den Arm, der sich bislang unter einer Falte seines schwarzen Mantels verborgen hatte. In der Hand hielt er einen altmodischen, silbernen Colt, den er jetzt auf Zachs Stirn richtete. Er starrte ihm dabei immer noch tieftraurig in die Augen.
„Ach, komm schon!“ sagte Zach ärgerlich. Ihm war klar, dass der Mann niemals auf ihn schießen würde. Er wollte ihm nur drohen. Ihn würde er nicht töten.
„Du hattest eine einfache Aufgabe.“, sagte der Mann leise, so dass Zach ich fast nicht verstehen konnte.
„Ja, ich weiß. Aber was hätte ich denn machen sollen?“
„Ihn retten.“
„Mr. Baker, er ist aus einem Heli gefallen. Was hätte ich tun sollen?“
„Ihn retten.“
„Das hatten sie schon.“ Langsam wurde Zach wütend. Der alte Mann sollte ihn gefälligst in Ruhe lassen. Die Waffe war vermutlich nicht mal geladen. Geschweige denn echt.
„Ich wollte doch nur, dass er glücklich ist. Er wollte unbedingt dort hin. Ich wusste, dass es gefährlich war. Du solltest ihn beschützen. Mehr wollte ich doch gar nicht…“, murmelte der Kerl vor sich hin. Zach nahm an, dass er jetzt durchgedreht war.
„Hören sie. Es hilft uns wirklich nicht weiter, wenn sie mich hier mit ihrer Plastikwaffe weiterhin bedrohen. Bitte, gehen sie. Das Geld kriegen sie selbstverständlich zurück, aber nicht jetzt. Ich muss arbeiten, verstehen sie?“
Zach hob beschwichtigend beide Arme.
„Und bitte, nehmen sie jetzt das Ding runter. Wir beide wissen dass sie…“
Der Mann schoss Zach in den Kopf.
Die Kugel traf ihn knapp unter dem linken Auge und schleuderte ihn zurück in die Wohnung. Er war sofort tot.
„Er war das Wichtigste in meinem Leben. Du hast ihn mir genommen.“, flüsterte der Mann.
Zach lag im Eingang seines Appartements. Seine Augen waren weit offen, sein leerer Blick an die Decke gerichtet.
Der alte Mann sah ihn noch einmal an.
Dann steckte er den Colt in eine Manteltasche und verließ das Haus.
Ich konnte mich einfach nicht zwischen zwei Enden entscheiden. Also gibt's beide. Hier das weniger fiese. Ich hoffe euch gefällt es trotzdem.
Zach lag auf einem Sofa in seinem Appartement in Jacksonville und schlief. Seit seiner Rückkehr von Pandora waren drei Jahre vergangen. Mittlerweile arbeitete er im örtlichen Krankenhaus als Arzt. Zwischendurch war er wirklich einmal bei einem Therapeuten gewesen. Aber nur einmal.
Will hatte er in all der Zeit zweimal im Gefängnis besuchen dürfen. Sie hatten wenig geredet in der Zeit. Gestern hatte er einen Anruf erhalten, dass Will wahrscheinlich heute entlassen werden würde und hatte sich bereiterklärt, ihn abzuholen.
Die Türklingel schrillte.
Zach zuckte zusammen und fiel vom Sofa. Er war sofort wach.
Während er fluchen aufstand überlegte er, wer da klingelte. War es etwa Will? War er schon früher gekommen um ihn zu überraschen?
Oder war es einer der Ärzte, mit denen er sich angefreundet hatte?
Er versuchte in seine Hose zu kommen, während es noch mal klingelte. Zach verzichtete darauf, „Jaja, schon gut“ zu rufen, da er so was irgendwie immer etwas peinlich fand, zog sich stattdessen sein T-Shirt über und torkelte Richtung Hausflur. Er war nicht nur schlaftrunken.
Im Spiegel neben der Tür vergewisserte er sich, dass er einigermaßen gut aussah, dann öffnete er die Tür.
Vor ihm stand ein Mann in einem schwarzen Mantel, mit grauen Haaren und tieftraurigen Augen.
Zach erkannte ihn sofort.
„Oh.“, sagte er.
„Hallo Zach“, sagte der Mann.
Zach hatte gewusst, dass er irgendwann kommen würde. Eigentlich hatte er ihn schon viel früher erwartet.
„Kannst du dir denken, warum ich hier bin?“, fragte der Mann.
„Ja.“, antwortete Zach leise.
„Und? Was hast du dazu zu sagen?“, fragte der Mann ihn.
„Nichts.“
„Nichts?“
„Nur dass es mir unendlich leid tut.“
„Dir tut es also leid. Das hilft mir aber nicht!“, presste der Mann zwischen den Zähnen hervor.
„Es tut mir wirklich leid, was geschehen ist. Ich wollte nicht, dass es so kommt.“
„Hattest du wenigstens vor, es mir irgendwann zu sagen?“, fragte der Mann.
„Natürlich.“, sagte Zach. „Nur…“
Ein verächtliches Schnauben.
„… es hätte auch nichts geändert, oder? Kannst du dir eigentlich im Entferntesten vorstellen was ich durchgemacht habe?!“
„Ja. Ich war selber wirklich fertig. Ich…“
Der Mann hob den Arm, der sich bislang unter einer Falte seines schwarzen Mantels verborgen hatte. In der Hand hielt er einen altmodischen, silbernen Colt, den er jetzt auf Zachs Stirn richtete. Er starrte ihm dabei immer noch tieftraurig in die Augen.
„Ach, komm schon!“ sagte Zach ärgerlich. Ihm war klar, dass der Mann niemals auf ihn schießen würde. Er wollte ihm nur drohen. Ihn würde er nicht töten.
„Du hattest eine einfache Aufgabe.“, sagte der Mann leise, so dass Zach ich fast nicht verstehen konnte.
„Ja, ich weiß. Aber was hätte ich denn machen sollen?“
„Ihn retten.“
„Mr. Baker, er ist aus einem Heli gefallen. Was hätte ich tun sollen?“
„Ihn retten.“
„Das hatten sie schon.“ Langsam wurde Zach wütend. Der alte Mann sollte ihn gefälligst in Ruhe lassen. Die Waffe war vermutlich nicht mal geladen. Geschweige denn echt.
„Ich wollte doch nur, dass er glücklich ist. Er wollte unbedingt dort hin. Ich wusste, dass es gefährlich war. Du solltest ihn beschützen. Mehr wollte ich doch gar nicht…“, murmelte der Kerl vor sich hin. Zach nahm an, dass er jetzt durchgedreht war.
Er wollte gerade antworten, als er sah, wie Will aus dem Aufzug am anderen Ende des Flures trat.
„Zach?“, rief er unsicher, „bist du da?“
Einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte er nicht treffen können. Der Alte drehte sich um und richtete die Waffe jetzt auf Will.
„Verschwinde von hier, das geht dich nichts an.“
„Wer sind sie denn?“ fragte Will.
„Will!“, rief Zach, „hau ab! Das geht dich wirklich nichts an!“
„Alter, der Kerl hat ’ne Waffe!“
„Ist schon okay. Alles ist gut.“, sagte Zach und bemerkte, dass seine Stimme zitterte.
„Das will ich doch meinen.“, sagte der alte Mann. „Los, hau ab.“
„Nein.“, sagte Will entschlossen. „Sie hauen ab.“
„Will, mach keinen Scheiß!“, rief Zach. Er war sich auf einmal gar nicht mehr so sicher, dass die Waffe nicht echt war. Der Alte schien sich seiner Sache zumindest sehr sicher zu sein.
„Ich werde dich erschießen und danach Zach, wenn du nicht SOFORT abhaust.“
„Dann tu’s doch, Opa.“
Will breitete herausfordernd beide Arme aus.
Der Alte schoss.
Die Kugel verfehlte Will nur um Zentimeter, prallte von der Fahrstuhltür ab und fuhr in die Wand. Will warf sich zur Seite, als der Alte ein zweites mal schoss, und knallte gegen die Mauer. Als Zach aufschrie, drehte er sich um, aber es war zu spät. Zach riss ihn von den Füßen. Sie landeten nebeneinander auf dem Boden. Der Alte versuchte, von Zach weg zu kriechen, aber dieser hielt ihn am Bein fest und angelte nach der Pistole, die unter dem Mann begraben lag. Als er sie in die Hand bekam, löste sich ein letzter Schuss.
Will rappelte sich auf und lief auf Zach zu, der reglos neben dem Mann lag.
Erst nach ein paar Ohrfeigen wachte er auf.
Zach blinzelte. Wills Gesicht verschwamm erst vor seinen Augen, dann wurde es wieder klarer. Der Blick des Ex- Häftling war sehr, sehr besorgt. Zach hatte gar nicht gewusst dass er zu so etwas fähig war.
„Will… was machst du eigentlich hier?“, murmelte er.
Will antwortete nicht, sondern lachte nur.
„Was ist so… verdammt lustig?“
„Nichts. Ich bin nur so froh, dass du noch am Leben bist.“
„Ich auch.“
„Willst du mir sagen wer das war?“
„Nein. Ich denke nicht.“ Das ganze ging Will nun wirklich nichts an.
Will half ihm auf. „Hauptsache, dir geht es gut.“ Er klopfte ihm auf die Schulter.
„Es ging mir nie besser.“, sagte Zach und lächelte.
Die beiden verließen das Gebäude. Die Waffe und John Bakers Leiche ließen sie zurück.