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5. Kapitel: Familie von Urslingen
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Die Familie von Urslingen lebt am Rande der Vogesen, nähe der Stadt Ribeauvillè im Elsass. Frau Agatha von Urslingen und ihre beiden Kinder, der junge Frederik von Urslingen dreiundzwanzig und seine Schwester Bernadette zwanzig Jahre alt sind die letzten Nachfahren der jüngeren Linie des Hauses der Rappoltsteiner, eines verarmten Adels aus dem Mittelalter.
Die Ahnen der Urslingen waren Herzöge aus Spoleto, die aus dem römischen Ursinergeschlecht stammten und später über die Alpen zogen. Gleichzeitig war die Familie Urslingen eine Nebenlinie des Hauses Rappoltstein, den ehemaligen Herren von Rappoltsweiler und dem heutigen Ribeauvillè im Elsass. Der letzte männliche Erbe, Rainardus von Rappoltstein, hatte keine Nachkommen, da er als Geistlicher in Straßburg lebte und als Pope, der dem Zölibat unterworfen war Kinderlos verstarb. Einzige Erbin war Emma, die Tochter von Adalbert II. zu Rappoltstein.
Durch ein altes kaiserliches Privileg war es den Rappoltsteinern gestattet, ihren Titel auch an weibliche Nachkommen weiterzugeben, sollten keine männlichen Nachkommen das Erbe antreten können.
Es begann damit, dass Konrad von Schwaben, dessen Stammsitz Urslingen war und der von 1177 bis 1198 als Herzog von Spoleto dort lebte, nach Urslingen zurückkehrte, weil er durch Papst Innozenz III. zum Verzicht auf sein Herzogtum gezwungen worden war.
Einige Jahre zuvor zog Egenolf, der Bruder von Konrad II. von Schwaben, von Urslingen ins Elsass.. Dieser Egenolf heiratete Emma, die Erbin der Rappoltsteiner Herrschaft, und wurde somit Stammvater der jüngeren Linie zu Rappoltstein.
Egenolf von Urslingen war eine hoch angesehene Persönlichkeit im alten Heiligen Römischen Reich. 1162 wurde er zum Schultheißen von Piazenza ernannt und in Schriften aus den Jahren 1162 bis 1185 mehrfach als Zeuge von Entscheidungen und Beurkundungen Kaiser Friedrichs I. genannt.
Aus dem Jahr 1219 ist eine Schrift überliefert, in der Anselm I. und Egenolf II., die Söhne von Ulrich I. von Urslingen, erstmals „von Rappoltstein“ genannt werden.
Besagter Anselm I. verpflichtete sich im Jahr 1219 gegenüber Herzog Theobald von Lothringen diesem mit seinen Burgen und Leuten beizustehen.
Falls aber sein Bruder Egenolf, der sich zu dieser Zeit auf einem Kreuzzug befand, dem nicht zustimmen sollte, versprach Anselm, die Besitztümer mit Egenolf zu teilen und das Versprechen für seinen Teil einzulösen.
Somit war die Herrschaft Rappoltstein bis 1293 den Rappoltsteinern Herren gemeinsam zum Lehen.
1293 konfiszierte König Adolf die Burg, in Folge der Gefangennahme Anselm II. , der in Jerusalem gefangen gehalten war. Danach wurde das Territorium gedrittelt. Die Drittelung geschah so, dass ein Drittel Anselm II. der Bruder Heinrichs IV. erhielt, eine Drittel fiel an Heinrich V. dem Sohn des 1283 verstorbenen Bruders Ulrich IV., das letzte Drittel behielt König Adolf für sich.
Im Jahr 1296 wurde Anselm II. schließlich aus der Gefangenschaft entlassen und König Adolf gab sein Drittel an die Rappoltsteiner wieder zurück, mit der Folge, dass im Jahr 1298 die Herrschaft Rappoltstein zwischen Anselm II. seinem Bruder Heinrich IV. und seinem Neffen Heinrich V. neu aufgeteilt wurde. Der Anselm II. zufallende Teil umfasste die Ulrichsburg, und die „Neue Stadt“ Oberstadt, der Heinrich zugesprochene Teil umfasste Hohrappoltstein und die „Alte Stadt“ Unterstadt. Der Dritte, an den Neffen Heinrich V. fallende Teil, bestand hauptsächlich aus Burg Hohnack.
Ab 1298 und in den Folgejahren wurde die Burg Hohen-Rappoltstein zusammen mit der Unterstadt Rappoltsweiler als einheitliches Lehen angesehen, parallel dazu galt die Ulrichsburg mit der Oberstadt als anderes einheitliches Lehen.
Erst im Jahre 1431 wurde den Herren von Rappoltstein das gesamte Reichslehen und gleichzeitig damit verbunden, das Lehensrecht über die sogenannten Pfeifer, also als Schutzherr der fahrenden Sänger und Flötenspieler, die bis dahin seitens des Staates und der Kirche entrechtet waren, übertragen.
Der letzte männliche Erbe aus dem Geschlecht und der Linie von Emma von Rappoltstein-Urslingen war Johann Jacob. Er war der letzte Rappoltsteiner der noch den Grafentitel trug, der ihm von Kaiser Ferdinand III. verliehen worden war.
Die heutigen Nachfahren dieses Herrn Grafen sind die Familie von Urslingen, die in der Nähe von Ribeauvillè vom Weinanbau lebt. Zu ihnen gehört die oben erwähnte Agatha von Urslingen, sowie ihr Sohn Frederik und dessen Schwester Bernadette.
Obwohl die Familie von adliger Herkunft ist war sie inzwischen ebenso veramt, wie der Rest der Bevölkerung.
Von den einstigen Reichtümern, wie die Burg Hohenack, der Ulrichsburg und den umliegenden Ländereien, war ihnen nur das Weingut am Fuße der Vogesen als Erbe übrig geblieben. Dieses Weingut liegt außerhalb von Ribeauvillè und wurde leider in den Wirren des zweiten Weltkriegs von durchmarschierenden Soldaten und Attellerie erheblich verwüstet. In den letzten Jahren nach dem Krieg hatte die Familie jedoch ihr Weingut mit viel Mühe und Arbeit soweit wieder hergestellt, dass heuer ihre ersten Weine wieder auf dem Markt zu haben sind.
Seit Jahren kam der fahrende Händler und Messerschleifer Ludolf Wittich an ihrem Weingut vorüber, bei welcher Gelegenheit er ihnen ihre Winzermesser und Scheren für billiges Geld schliff. Bei seinen jährlichen Besuchen kauft Agatha von Urslingen ihm stets auch Körbe, Besen, Bürsten, Töpfe und Pfannen ab. Die anderen Mitglieder seiner Sippe waren anderweitig mit dem Verkauf beschäftigt, so dass ihre jüngste Tochter Emma die Urslingen nie kennen lernte. Für das Schleifen zahlte Agatha an Ludolf ein paar alte und inzwischen fast wertlos gewordene französischen France und Centimes, was sie nicht ärmer machte. Sie entlohnte dafür Ludolf Wittich zusätzlich mit Wein und Champagner aus ihrem eigenem Anbau. Hier zeigte sich ihre adlige Herkunft und die großzügige Haltung der Agatha von Urslingen.
Agatha hatte wirklich ein liebendes Herz für fahrenden Leute, und aus den Analen ihrer Familiengeschichte wusste sie, dass ihre Vorfahren einst das Reichslehen über die diese Leute inne hatten. Sie fühlte sich damit der Tradition der Rappoltstein verpflichtet.
Die Urslingen hatte trotz ihrer jetzigen Armut das große Glück eines der wenigen und seltenen Einzellagen des Weinanbaus ihr Eigen zu nennen. Ihr Weingut liegt 6 Kilometer von Ribeauvillè und wird; „Vigneron le Urslingen du Muehlbach – Weingärtnerei der Urslingen am Mühlenbauch.“, genannt.
Das Weingut der Urslingen ist, trotz dass das Gehöft es aus dem Mittelalter entstammte, sehr gut erhalten und besteht aus einem großen Innenhof, einem großzügigem Haupthaus, umliegenden Werkstätten, Schuppen und der Kelterei. Der Weinkeller befindet sich in einem Gewölbe mit zig Holzfässern verschiedener Größe und Fuderangaben. Einige ihrer Holzfässer stammen aus der Zeit der Herren zu Rappoltsteiner, um das 14. Jahrhundert. Hinter der Umfassungsmauer dehnten sich ihre Weinfelder bis zum Fuße der Vogesen.
Dort waren, um diese Jahreszeit, viele Saisonarbeiter beschäftigt.
Seit einigen Jahren ging es langsam mit ihrem Betrieb wieder aufwärts. Die Weinernte der letzten Jahre brachte ihnen einen hervorragenden Jahrgang hervor, der jetzt die richtige Reife besaß und verkauft werden konnte.
Agatha kommt eben aus dem Haus und sieht Frederik einen der Spindelkelter reparieren.
„Die müssen bald wieder voll funktionsfähig sein!“, erklärt er.
„Wo ist Bernadette?“, fragt sie ihren Sohn.
„Je ne sais pas, Maman! Ich weiß es nicht, Mutter!“, antwortet Frederik.
Erinnere Bernadette bitte daran, dass wir in den nächsten Tagen noch Wein nach Ribeauvillè liefern müssen!“
„Ich werde meiner Schwester Bescheid sagen!“
Eine Stunde später kommt Bernadette mit ihrem Velo auf den Hof gefahren.
„Hast Du Mutter gesehen, Frederik?“
„Ja, sie ist im Haus. Ich soll dir ausrichten, dass wir in den nächsten Tagen noch einige Lieferungen in die Stadt zu bringen haben!“
„Ich weiß, dass Pfifferfest ist ja bald, und wir sind dort Hoflieferant im Schloss!“, antwortet Bernadette nicht ohne Stolz. „Wir haben sogar einen Extra Weinstand im Schlosspark!“
„Wo warst du denn, als Mutter dich suchte?“
„Ich habe in Guèmar Besorgungen gemacht und was meinst du, was ich dort gesehen habe?“
„Nun sag schon!“
„Ich habe die Zigeuner mit ihren Fuhrwerken beobachtet. Richtig toll solche alten Holzfuhrwerke mit ihren Aufbauten und selbst bemalten Fenstern. Es war sogar ein Doppelgespann darunter, so eins aus den 20er Jahren. Dieses Fuhrwerk war im letzten Jahr auch in Ribeauvillè, soweit ich mich erinnere!“, sagte Bernadette und beobachtete gespannt, wie Frederik darauf reagieren würde. Doch dieser beschäftige sich weiter mit der Kelter und spannte die Presse mit der Spindel.
Frederik wusste, dass seine Schwester einen Faible für das Nostalgisches hegte, darum achtete er auch nicht besonders auf ihre Betonung, dass es da auch ein Doppelgespann unter den fahrenden Leuten gab.
Einige Tage vor dem Pfifferfest besorgte Frederik mit seiner Schwester Bernadette die Lieferung mehrerer Kisten Weins und Champagner ins Schloss von Ribeauvillè und ins nahegelegene Pfifferhus. Hierzu benutzten sie erstmalig ihren neu bestellten, wellblechverkleideten Lieferwagen Citroën H, den sie bis unters Dach voll beladen hatten.
Sie fuhren zuerst entgegengesetzt nach Marckolsheim und lieferten dort einige Kisten Wein aus. Als sie weiter in Richtung Rhein fahren erblickten sie für einen kurzen Augenblick die Rauchsäulen eines Lagerfeuers zwischen den Rheinauen.
„Schau, dort werden sie lagern!“, ruft Bernadette mit dem Finger vorausdeutend.
„Wer?“
„Die Zigeuner, ich meine natürlich die fahrenden Händler!“, verbesserte sich Bernadette.
Frederik ahnte nicht, dass sich dort Emma befand, die ihm seit letztem Jahr nicht mehr aus dem Sinn gekommen war. Emma wusste wiederum nicht welcher Herkunft Frederik in Wirklichkeit war. Sie hielt ihn für einen einfachen Bauernburschen und Winzer.
Immer wenn Ludolf bei den Urslingen die Scheren schliff, verkaufte der Rest seiner Sippe Töpfe und Pfannen, Körbe oder Bürsten in den umliegenden Dörfern. Darum ahnte Emma nicht, dass jener Frederik, den sie im letzten Jahr kennen gelernt hatte, ein Spross jener Familie von Urslingen war, bei der ihr Vater die Messer schliff.
Während Frederik mit seiner Schwester wieder auf dem Weg zurück nach Ribeauvillè waren, fragte Bernadette ihren Bruder:
„Meinst du, die fahrenden Händler kommen in diesem Jahr nur wegen des Pfifferfests nach Ribeauvillè?“
„Warum fragst du?“
„War da im letzten Jahr nicht eine hübsche Zigeunerin dabei?“ blinzelte Bernadette ihren Bruder verschmitzt von der Seite her an.
„Wen meinst du“ fragte Frederik nun aufmerksam geworden, dass Bernadette ihn offenbar aushorchen wollte. Wusste sie vielleicht von seinem heimlichen Stelldichein mit Emma in der
Grand Rue?
Inzwischen waren sie beim Schlosspark von Ribeauvillè angekommen und hielten vor dem Portal.
„Hilf mir gleich beim Ausladen der Weinkisten“, forderte Frederik seine Schwester auf. Dann fuhr er durch das Tor bis vor das Schloss, wo sie die Kisten anliefern sollten.
„Hieß sie nicht Emma?“
„Wer?“
„Die Zigeunerin vom letzten Jahr?“
„Emma“, fragte Frederik und legte seine Stirn in Falten. „Es waren im letzten Jahr viele fahrende Händler im Ort, doch waren da keine Zigeuner darunter!“
„Das meinte ich natürlich auch nicht, ich meinte das Mädchen, die mit den schwarzen Lockenhaaren und den blendend weißen Zähnen. Hatte sie nicht so nette Grübchen um die Wangen und einen schön geschwungenen Mund? Ihr Vater rief immer Emma nach ihr, daher ist mir der Name in Erinnerung!“
„Was du dir so alles merkst! Aber ja, jetzt wo du es sagst, erinnere mich schwach, da war eine solche! Was ist mit ihr?“
Frederik konnte sich natürlich genau an Emma erinnern und wurde daher leicht rot im Gesicht. Was wusste Bernadette von Emma und ihm, frage er sich? Hatte sie ihn etwa zusammen mit ihr gesehen? Nein, das konnte nicht möglich sein.
„Warum wirst du denn auf einmal so rot im Gesicht, mein lieber Bruder Frederik?“ flötete Bernadette kess.
„Hilf mir lieber beim Tragen der Weinkästen, dann werde ich auch nicht rot im Gesicht! Ich schleppe mich hier alleine ab, während du nur die einzelnen Weinflaschen im Auto hin und her sortierst und an alte Fuhrwerke denkst!“
„Ach so“, lachte Bernadette.
„Vielleicht kommen die fahrenden Leute ja in diesem Jahr wieder, dann zeige ich dir wen ich meinte“, sagte sie und machte sich daran, gemeinsam mit ihrem Bruder die hölzernen Wein- und Champagnerkisten ins Schloss zu tragen.
Dieser Frederik, dachte sie sich. Ich habe ihn doch im letzten Jahr mit dieser Emma zusammen gesehen. Er kennt dieses Mädchen ganz bestimmt. Warum sagt er mir das nicht einfach offen? Oder sollte er etwa...?
Sie dachte diesen Gedanken nicht zuende. Na warte, wenn die fahrenden Leute erst wieder da sind, dann werden wir ja sehen! Bernadette vermutete vollkommen richtig, dass das Lagerfeuer, dass sie am anderen Rheinufer gesehen hatten, von jenem fahrende Volk her stammte.
Frederik indes war froh, dass seine Schwester nicht weiter in ihn drang. Er dachte in den letzten Tagen natürlich häufig an Emma und hoffte, dass sie in diesem Jahr wieder nach Ribeauvillè kommen würde.
„So, du Träumer“ hört er seine Schwester neben sich sagen. „Wir sind mit dem Ausladen fertig und können nach hause fahren!“ dabei gab sie Frederik einen leichten Schups in die Rippen.
Ja, lass uns nach hause fahren, morgen haben wir noch drei weitere Lieferungen für das kommende Fest auszuführen!“
„Freust du dich schon auf das Pfeiferfest“, will Bernadette wissen? Dabei beobachtete sie erneut die Reaktion ihres Bruders. Sie kannte ihn zu gut, als dass dieser sich verstellen könnte. Doch er ließ sich nichts anmerken.
„Ja! Du doch sicherlich auch“ gibt Frederik ruhig zur Antwort, tunlichst darauf bedacht seine Gefühle zu verbergen.
„Na, da freuen wir uns ja beide auf das Fest! Es soll ja das Erste dieser Art nach dem Kriege sein!“
„Ja, das ist schon lange her!“ gibt Frederik zur Antwort und startete den Wagen.
„Der neue Citroën fährt sich wirklich sehr gut!“, sagte er während der Fahrt. „Es passen hier auch weit mehr Weinkästen hinein, als auf unseren alten Leiterwagen!“
„Diesen werden wir aber dennoch benötigen. Wir brauchen ihn beim Pfifferfest als Verkaufsstand!“, gibt Bernadette zur Antwort.
Gemeinsam fahren sie zu ihrem Weingut zurück, ohne ein weiteres Wort über die „Zigeuner“ und das kommenden Pfeiferfest zu wechseln.
Bernadette wusste inzwischen genau woran sie mit ihrem Bruder war. Sie ahnte es bereits im letzten Jahr. Ihr Bruder Frederik hatte sich in dieses Mädchen verliebt, das sagte ihr der weibliche Instinkt. Und schließlich hatte sie beide ja ziemlich vertraut miteinander in der Unterstadt gesehen.
Frederik wiederum dachte beruhigt; „Zum Glück hat meine Schwester nichts von meiner Verlegenheit bemerkt. Dieses Biest kann manchmal ganz schön neugierig sein!“
Er liebte seine Schwester zwar und „Biest“ nannte er sie nur, wenn sie wieder einmal ihre weibliche Zickigkeit oder Neugierigkeit an den Tag legte.
Gegen Mittag kommen beide bei ihrem Weingut an und sehen einen Fremden Mann auf dem Hof, der dabei ist Messer zu schleifen.
Als sie durch ihr Hoftor hindurchfahren, kommt ihre Mutter Agatha aus dem Hause und sagt:
„Frederik et Bernadette, je vous prèsente Monsieur Ludolf? Darf ich Euch Herrn Ludolf vorstellen?“
„Bon Jour Monsieur Frederik, et Madame!“, sagte Ludolf, dabei machte er eine leichte Verbeugung in Richtung Bernadette.
„Merci Monsieur Ludolf, je m` appelle Bernadette, vielen Dank der Herr Ludolf, ich heiße Bernadette!“
„Ihr könnt ruhig deutsch mit Herrn Ludolf sprechen!“, unterbricht Agatha die kurze französische Konversation.
„Ihr werdet Euch natürlich nicht kennen, da ihr bei im Internat wart, als Herr Ludolf uns besuchte. Er ist ein fahrender Händler und Scherenschleifer und schleift regelmäßig unsere Messer und Scheren wenn er im Lande ist. Auch unsere Weidenkörbe im Schuppen habe ich von ihm gekauft.
Apropos, Weidenkörbe! Da fällt mir ein, wir können in diesem Jahr eine Menge davon gebrauchen!“, wendete Agatha sich an Ludolf.
„Warum, Mama?“, fragt Frederik. „Wir haben doch bestimmt noch 30 oder 40 Stück davon im Schuppen gestapelt liegen!“
„Hört Kinder, ich habe da eine hervorragende Idee. Wir werden in diesem Jahr auf dem Pfifferfest Präsentkörbe verkaufen, jeweils bestückt mit einer Flasche von unserem besten Wein und einer guten Flasche Champagner! Das Ganze dekoriert mit Käse, Brot, Wurst und Kräutern. Der Korb ist dann im Preis als Geschenk mit enthalten!
Wie viele Körbe können Sie uns liefern, Herr Wittich?“, wendete sich Agatha mit dieser Frage erneut an Ludolf, wobei sie ihn in geschäftlicher Manier betont mit seinem Familienname anspricht.
„Mehr als ein Dutzend wohl nicht gnädige Frau!“, antwortete Ludolf nun seinerseits höflich, „da wir selbst auf dem Pfifferfest unsere Körbe verkaufen wollen. Ich mache Ihnen jedoch für das Dutzend einen guten Preis, Madame!“
„Abgemacht!“, sagte Agatha und hielt Ludolf ihre Hand entgegen. Dieser schlug ein und das Geschäft war perfekt.
„Liefern Sie bitte gleich morgen, da wir nur wenig Zeit für die Vorbereitungen haben!“
„Eine Frage noch, Frau von Urslingen? Wir brauchen für unserer Wagen einen Standplatz auf dem Pfifferfest. Können Sie uns da etwas empfehlen oder Fürsprache an entsprechender Stelle für uns halten?“
„Ich kümmere mich darum, Herr Ludolf!“
„Vielen Dank, ich werde Ihnen morgen Früh die Körbe liefern und komme mit meinem Sohn Wilhelm vorbei. Die Messer sind inzwischen auch alle wieder scharf!“ Dabei fährt er mit dem Daumen über eine der Messerklingen, um zu zeigen dass sie wieder scharf waren, und legte es zu den anderen geschliffenen Messern und Scheren hinzu.
Bevor Ludolf seinen fahrbaren Schleifstein zusammen legte, fragte er noch:
„Eine Frage, heißen Sie nicht auch noch mit Familienname; von Rappoltstein?“
„Ja, warum?“
„Ach, nur so!“
Ludolf verabschiedete, küsste Agatha und Bernadette jeweils andeutungsweise ihre Hand und ging zu Fuß, seinen Schleifstein hinter sich herziehend, davon.
Agatha schaute Ludolf verduzt hinterher.
„Wie kommt er zu dieser Frage ob wir Rappoldstein heißen?“ Agatha konnte sich diese Frage nicht erklären.