Fantasy & Horror
BILL HUNTER - Der sohn des Geisterjägers

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"BILL HUNTER - Der sohn des Geisterjägers"
Veröffentlicht am 21. September 2010, 110 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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BILL HUNTER - Der sohn des Geisterjägers

BILL HUNTER - Der sohn des Geisterjägers

Beschreibung

Jack Hunter arbeitet in England erfolgreich als Geisterjäger. Sein Sohn Bill ist jedoch nicht immer begeistert von der Aufmerksamkeit, die ihnen deshalb oft geschenkt wird. Als Bill aufs College kommt, beschließt er, nicht in seiner Heimat zu studieren, sondern nach Irland zu gehen. Dort begegnet er zwei außergewöhnlichen Jungen, dem etwas mysteriös wirkenden Gilian und dem gut aussehenden, superklugen Leo. Doch fernab der Heimat trifft Bill erneut auf seltsame Gestalten und versucht auf sich allein gestellt alten Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Das Wissen seines Vaters und die Hilfe seiner beiden neuen Freunden sind dabei unverzichtbar. Zusammen beginnt für sie ein Abenteuer, welches alles verändern wird.

Von Geistern und anderen Gestalten

Es war später Nachmittag und Leo saß wie immer um diese Zeit in der Bibliothek. Seit dem Vorfall auf dem Friedhof waren bereits ein paar Tage vergangen, doch er war noch immer sehr beunruhigt deswegen. Bill hatte ihm versprochen, bei den Nachforschungen zu helfen, meistens jedoch saß Leo alleine da und stöberte in den vielen, alten, verstaubten Büchern. Jedoch ohne Erfolg, jedenfalls bis jetzt. Langsam glaubte Leo, er würde hier nichts finden. Vielleicht sollte er hinaus gehen, zum Friedhof. Vielleicht lag genau dort die Antwort auf all die vielen Fragen, die er hatte. Bis jetzt hatte er leider noch keine Gelegenheit gehabt, mit seinem Vater zu sprechen. Aber die Neugier war unstillbar in ihm. Zu gerne hätte er gewusst, wer dieser Pfarrer war und ob er wirklich mit ihm verwandt war. Doch hätte ihm sein Vater wirklich verschwiegen, dass ganz in der Nähe seiner Universität ein naher Verwandter gelebt hatte? Leo kannte seinen Vater bis jetzt nur als einen sehr aufrechten und ehrlichen Menschen. Leo warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es dauerte noch ungefähr zwei Stunden, bis es Dunkel werden würde. Genug Zeit eigentlich, für einen kurzen Besuch auf dem Friedhof. Eigentlich hatten die Jungen ausgemacht, nicht alleine dorthin zu gehen. Doch es war taghell und Leo war sich sicher, dass auch Gilian sich nicht daran halten würde. Also stand er auf, nahm seine Jacke und lief nach Draußen. Vor der Bibliothek hatte es nur wenig Studenten. So musste Leo auch nicht besonders umsichtig sein. Ihm würde wohl kaum jemand folgen. Es war ein relativ kurzer Weg. Doch Leo ging ihn langsam und vorsichtig schaute er sich immer wieder um. Ihm war doch ein wenig unwohl. Vielleicht hätte er doch lieber Bill bescheid sagen sollen? Doch nun war er auf dem alten Friedhof angekommen und beschloss sich doch ein wenig umzuschauen. Wenn er bloß wüsste, nach was er suchte? Irgendeinen Beweis, dass dieser Reverend der dort in der Kapelle begraben lag, tatsächlich mit ihm verwandt war. Doch was würde das Bedeuten? Wäre das ein Hinweis auf die vielen  Geister, die sich hier tummelten? Aber schließlich war das hier ja auch ein Friedhof, war es da nicht offensichtlich, dass sich auch Geister da befanden? Langsam schlenderte er zwischen den vielen, alten Grabsteinen hindurch. Immer wieder blieb er stehen und versuchte, die daraufstehenden Namen zu entziffern. Er hatte eigentlich selbst keine Ahnung, was er hier hoffte zu finden, aber vielleicht stand irgendwo auf einem dieser Grabsteine noch ein Name, der zu seiner Familie gehören konnte.


Plötzlich schreckte Leo auf. Er horchte. Es schien ihm, als würde er aus der Kappelle Geräusche vernehmen. Langsam lief er auf die Kappelle zu. Sein ganzer Körper war angespannt, als er vor der Tür stand. Was würde ihn dort drin erwarten? Wieder lauschte er und diesmal vernahm er ganz deutlich Stimmen von drinnen. Er holte noch einmal tief Luft und dann öffnete er vorsichtig die Tür. Was er dann sah, hatte er so nicht erwartet. Gilian stand da, vor dem Gemälde der hübschen, jungen Frau. Lässig lehnte er gegen den Altar. Er hatte seinen Zeichenblock in den Händen und malte ganz vertieft eine Zeichnung. Nebenbei jedoch sprach er. Es schien als würde er eine ganz normale Unterhaltung führen. Er erzählte und lachte, doch niemand antwortete ihm. Leo war kurz irritiert, doch dann begriff er. Gilian schien mit Mary zu sprechen. Und es schien ihm auch überhaupt nichts auszumachen, dass er keine Antwort bekam.  Leo musste grinsen. Noch vor ein paar Tagen hatte er ihn für verrückt erklärt, als er von der Begegnung mit den Geistern erzählte und jetzt unterhielt sich Gilian sogar mit einem. Damit würde er ihn wohl noch Wochenlang aufziehen können. Bei dieser Vorstellung musste Leo erneut grinsen. Eine Weile blieb er noch an der Tür stehen und schaute sich die einseitige Unterhaltung an, dann trat er ganz in die Kappelle und ließ die Tür hinter sich zufallen. Gilian schreckte hoch und sah sich erschrocken um.
„Verzeihung, hab ich dich erschreckt? Das wollte ich nicht.“ Gilian ließ den Zeichenblock sinken und funkelte ihn böse an.
„Du, du…“ Leo lachte. Dies machte Gilian nur noch wütender.
„Lass das, du brauchst gar nicht so zu grinsen!“
„Entschuldige, ich wollte dich nicht bei deiner Unterhaltung stören. Wirklich sehr interessant, was du Mary so alles zu erzählen hast.“
„Das geht dich gar nichts an!“ Gilian richtete sich nun auf und griff nach seinem Rucksack neben ihm, um den Zeichenblock darin zu verstauen. Er versuchte so gelassen wie möglich zu wirken, doch Leo sah ihm an, dass es ihm sichtlich peinlich war. Leo setzte sich auf einen der Bänke.
„Was machst du eigentlich hier?“ Gilian sah ihn fragen an.
„Das könnte ich genauso gut fragen. Wir hatten doch ausgemacht nicht mehr alleine hierher zu kommen.“
„Und der Streber hat sich auch nicht daran gehalten. Du lässt langsam nach.“ Nun grinste Gilian ihn an. Stimmt, er hatte recht, auch Leo war alleine gekommen und hatte sich nicht an die Abmachung gehalten. Leo überlegte kurz und entschloss sich dann zu erzählen, weshalb er gekommen war.
„Stimmt, da hast du recht, ich hab mich wohl auch nicht daran gehalten. Aber ich war vorhin in der Bibliothek und habe nichts gefunden. Ehrlich gesagt hab ich nicht mal gewusst was ich eigentlich suchen soll. Und dann hab ich beschlossen noch einmal kurz hier hin zu kommen und die Gräber anzuschauen. Vielleicht würde hier ja noch ein Verwandter liegen.“
„Und hast du was gefunden?“ Leo schüttelte den Kopf.
„Nein, leider überhaupt nichts. Ich weiß ja nicht mal, ob dieser Reverend wirklich mit mir verwandt war.“ Gilian griff nun zu seinem Mantel, der auf dem Altar neben ihm lag und zog ihn an. Dann lief er zu Leo rüber.
„Ich kann mir denken, dass du im Moment sicher ziemlich viele Fragen hast. Tut mir, dass ich dir nicht vorher davon erzählt hab. Aber glaub mir, auch ich fand es ziemlich seltsam. Fast ein wenig gruslig. Ich denke jedoch, dass dein Vater sicher wissen wird, ob dieser Pfarrer aus eurer Familie stammt. Frag ihn doch mal.“ Leo nickte.
„Vielleicht hast du recht. Nur mein Vater hat mir eigentlich noch nie was verschwiegen. Und wenn er wusste, dass dieser Reverend hier gelebt hat, warum hat er mir das nicht erzählt.“ Leo erhob sich nun und lief Richtung Tür. Gilian folgte ihm und sie traten zusammen nach Draußen.
„Übrigens, Bill muss ja nicht unbedingt wissen, dass wir Beide hier gewesen sind, oder?“ Gilian drehte sich zu Leo und dieser sah, wie sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete.
„Langsam fängst du mir an zu gefallen.“ Leo grinste zurück.
„Gewöhn dich nur nicht daran, das hier war eine Ausnahme.“


Die Beiden waren schon fast wieder zurück auf dem Campus. Nur noch ein kleines Stück Wald trennte sie vom Unigelände. Auf halbem Weg hatte es angefangen zu winden und die beiden Jungen beeilten sich, da sie begannen zu frieren. Alles schien still und ruhig. Zu ruhig? Und dann ging alles wieder relativ schnell, weder Gilian noch Leo hatten die Möglichkeit vorher zu reagieren. Da waren sie plötzlich wieder, diese vielen Schatten und Gestalten flogen erneut um sie herum. Besser gesagt, um Leo. Gilian war ein paar Meter hinter ihm stehen geblieben und beobachtete nun erstaun was geschah. Er hatte keine Ahnung, woher sie gekommen waren, unwillkürlich, wie aus dem Nichts waren sie aufgetaucht. Doch warum ließen sie ihn in Ruhe? Es schien als würden sie sich nur für Leo interessier en. Leo sah sich angestrengt um, vor lauter Schatten um ihn herum konnte er nichts mehr erkennen. Er hatte keine Ahnung ob Gilian überhaupt noch in seiner Nähe war. Doch das war es nicht, was ihn am Meisten interessierte. Auch Leo war aufgefallen, dass er nun schon zum dritten Mal von diesen Geistern besucht wurde? War dies Zufall? Die vielen Stimmen schienen wieder wild durch einander zu ihm zu sprechen. Doch so sehr sich Leo auch versuchte zu konzentrieren, er konnte sie nicht verstehen. Ein paar Minuten blieb er noch so stehen, dann kam es ihm wieder in den Sinn. Sein Kreuz! Er griff unter seinen Pullover und zog das silberne Kreuz hervor. Wieder war es sehr warm geworden. Im selben Moment verschwanden die vielen dunklen Schatten wieder. Als Leo den Kopf hob und sich umsah waren sie verschwunden. Und jetzt entdeckte er auch Gilian, der nur Meter von ihm entfernt stand und ihn kritisch musterte.
„Alles Okay?“ fragte er schließlich.
„Ja alles okay, mir ist nichts geschehen. Komm, gehen wir weiter.“
Sie liefen den Rest des Weges schweigend nebeneinander her. Jeder ging seinen Gedanken nach. Es war ein seltsamer Tag gewesen.


In ihrem Zimmer angekommen war Bill schon dort. Er saß am Tisch und schien zu lesen. Als die Zwei eintraten blickte er kurz von seinem Buch hoch und begrüßte sie. Als jedoch nichts zurückkam ließ er das Buch sinken und sah Gilian und Leo eindringlich an. Er merkte sofort an ihren Gesichtern, dass etwas nicht stimmte. Bill erhob sich, lief rüber zum Fenster und lehnte sich dagegen.
„Also Jungs, was ist los?“
Leo und Gilian warfen sich einen kurzen Blick zu.
„Kommt schon, ich merk doch, dass etwas passiert sein muss.“ Gilian zog seinen Mantel aus und stellte sich neben ihn.
„Okay, du hast ja recht. Wir hatten wieder Besuch. Genauer gesagt, Leo hatte wieder das Vergnügen.“
„Die Geister waren wieder da?“ Bill schien gar nicht verwundert.
„Ja aber keine Angst, uns ist nicht passiert. Sie sind wieder so schnell verschwunden wie bei den letzten beiden Malen.“
„Was wollen die bloß?“ Bill drehte sich um und sah nachdenklich aus dem Fenster.
„Was die wollen? Ich kann dir ganz genau sagen was die wollen! Die wollen Leo!“ Gilian sah rüber zu Bills Bett, auf das sich Leo gesetzt hatte. Bill drehte sich um und sah die Beiden verwundert an.
„Wieso meinst du?“
„Na überleg doch mal, jedes Mal wenn die wo auftauchen ist Leo auch dort. Zufall? Nein das glaub ich nicht. Keine Ahnung weshalb, aber es scheint als haben sie es auf Leo abgesehen.“
„Aber warum? Ich hab ihnen doch nichts getan?“ Leo sah auf und schüttelte den Kopf.
„Was weiß ich. Aber ich habe keinen Bock wegen dir auch von ihnen verfolgt zu werden. Ich werde mich ab jetzt von dir fernhalten.“
Bill lief zu Leo rüber und setzte sich neben ihn aufs Bett.
„Wir sollten lieber überlegen, was sie von Leo wollen. Nur so können wir sie auch wieder loswerden, wenn wir wissen weshalb sie hier sind.“
„Na eben, weil sie Leo wollen. Sollen sie ihn noch holen! Ja wir überlassen ihnen Leo und dann haben wir wieder unsere Ruhe.“
„Gilian!“
Doch dieser hörte Bill nicht mehr, er hatte bereits das Zimmer wieder verlassen und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

Gut oder Böse?

An diesem Tag war alles anders als sonst. Schon bereits seit der ersten Unterrichtsstunde hatte sich das Gerücht verbreitet, dass zwei Studenten spurlos vom Campus verschwunden waren. Und es schien sich zu bewahrheiten. Auch Bill war dies zu Ohren gekommen und er war nun doch ein wenig beunruhigt. Leo hatte ihn bereits nach der zweiten Stunde darauf angesprochen und auch er wirkte ein wenig besorgt. Bill hatte sich mit ihm nach dem Mittag in der Bibliothek verabredet. Leo saß bereits vor dem Computer und schien schwer beschäftigt zu sein, als Bill eintraf. Mit Erstaunen stellte er fest, dass auch Gilian gekommen war. Bis jetzt hatte er nicht mehr als ein müdes Lächeln für die Geistergeschichten seines Vaters übrig gehabt. Anscheinend musste ihn das Verschwinden zweier Studenten jedoch genauso seltsam vorkommen wie Leo und ihm. Still hockte er neben Leo und war ganz vertieft in eines der dicken Bücher, das vor ihm lag. Bill schnappte sich einen Stuhl und setzte sich auf die andere Seite neben Leo. Dieser schien ihn nun bemerkt zu haben und hob kurz den Kopf.
„Hi Bill, gut das du auch da bist. Ich hab schon mal das Archiv nach alten Zeitungsartikel durchsucht und du wirst nicht glauben, was ich entdeckt habe.“ Gilian drehte sich nun neugierig zu den Beiden um.
„Also, schiess los. Ich habe auch ein paar spannende Dinge gelesen, in diesem Buch hier. Ich glaube allerdings, dass sie vor allem für dich von Bedeutung sein könnten.“ Jetzt hatte auch Gilian Leos Neugier erweckt, doch zuerst begann Leo von seiner Entdeckung zu erzählen.
„Also, laut den Zeitungsartikeln der letzten fünfzig Jahre, hat sich das hier alles in regelmäßigen Abständen wiederholt.“
„Was meinst du genau? Was hat sich wiederholt?“ Bill sah nun auf den Bildschirm und las die Überschrift laut vor.
„Junges Mädchen spurlos verschwunden.“
„Hier sind also schon vorher Leute einfach so spurlos verschwunden?“ Gilian war nun aufgestanden und lugte Bill neugierig über die Schultern.
„Es wird noch interessanter“, fuhr Leo weiter und blätterte ein paar Seiten um.
„Schaut mal hier. Immer wieder berichteten Leute, dass sie seltsame Dinge auf dem Friedhof gesehen hätten. Aber man hat ihnen nicht geglaubt, sondern sich in der Zeitung eher darüber lustig gemacht. Als sich die Aussagen der Leute und das Verschwinden der Studenten jedoch in regelmäßigen Abständen wiederholten, beschloss der Bürgermeister den alten Friedhof zu schließen. Das war 1960.“
„Und dann ist nichts mehr geschehen?“ wollte Bill wissen.
„Ja, genau fünfzehn Jahre lang war es ruhig, doch dann begann alles wieder von vorne. Leute verschwanden spurlos und Geister wurden sogar auf dem Campus gesichtet.“ Leo erhob sich und lief hinüber, zu einem der Tische, die ganz in der Nähe standen. Er griff nach ein paar Blättern, die dort lagen und kam zurück.
„Hier, ich hab schon mal ein paar sehr interessante Berichte ausgedruckt. Ich dachte die könnten uns vielleicht noch nützlich sein. Es sind Interviews mit Personen, die behaupten Geister gesehen zu haben. Ihr werdet sehen, es hören sich alle Berichte fast gleich an, bis auf ein paar kleine Details, aber die sind nicht von Bedeutung. Alle erzählen von dutzenden Schatten, die unwillkürlich, aus dem Nichts auftauchten und um sie herumgeflogen sind. Genauso wie wir es erlebt haben. Und was auch auffällig ist, nie wurde jemand von ihnen angegriffen, es war jedes Mal wie ich es erlebt habe. Sie kommen und gehen wieder, ganz plötzlich, ohne böse Absicht.“
„Das ist seltsam.“ Bill nahm ein paar der Blätter, die Leo nun neben den Computer gelegt hatte und begann zu lesen. Er war etwas verwirt, denn mit Geistern ohne jegliche verständliche Absicht hatte es selbst sein Vater noch nicht zu tun gehabt. Friedliche Geister? Das war mal was Neues! Und doch waren immer wieder Menschen verschwunden, plötzlich, einfach so, spurlos.


„Was hast du eigentlich entdeckt? Du hast doch vorher erwähnt, dass du im Buch auf etwas Interessantes gestoßen bist.“ Leo deutete auf das alte, dicke Buch, welches nun geschlossen vor Gilian lag. Fragend sah er ihn an.
„Ja genau, in diesem Buch befinden sich Erzählungen von verschiedenen Leuten aus der Kriegszeit.  Ich bin auf einen Bericht gestoßen, aus dem Jahre 1931. Darin erzählt ein junger Priester von seinen Erlebnissen während des ersten Weltkrieges. Er hatte hier in der Umgebung Gottesdienste abgehalten.“
„Und was ist an dieser Geschichte nun so spannend? Sind das außergewöhnliche Gottesdienste gewesen? Oder sind außergewöhnliche Dinge passiert?“
Leo verstand nicht worauf Gilian hinaus wollte. Er sah die Zusammenhänge nicht, noch nicht.
„Du hast recht, es sind im Grunde ganz normale Erzählungen aus der Kriegszeit, keinerlei Besonderheiten, bis auf die, wer sie geschrieben hat.“
Leo sah ihn immer noch fragend an.
„Reverend Leo Meyer war das.“
Nun wurde auch Bill hellhörig und blickte neugierig zu ihnen beiden rüber. Leo begann nun zu verstehen, wie wichtig diese Aufzeichnungen vielleicht für ihn sein konnten. Er hatte zwar noch immer keine Ahnung, wer dieser Reverend war und in welcher Verbindung er zu ihm stand, doch vielleicht befanden sich ein paar Antworten darauf in diesem Buch. Voll Neugier gepackt stand Leo nun auf, langte über den Tisch und schnappte sich das Buch.

Nächtlicher Ausflug mit Folgen

Es war ein stürmischer Abend. Die drei Jungs gingen schon früh zu Bett. Als Bill gegen Mitternacht aufwachte war es kühl im Zimmer. Er zog die Decke höher, damit nun auch seine Schultern bedeckt wurden. Doch er fror noch immer. Der Mond erhellte das ganze Zimmer, es schien Vollmond zu sein. Daher konnte Bill alles gut erkennen, auch, dass Leos Bett leer war. Er war doch nicht etwa wieder alleine unterwegs zum Friedhof? Sie hatten es doch ein paar Mal besprochen, das es zu gefährlich war, alleine zu gehen. Vor allem für Leo! Eigentlich war es doch Gilian, der nicht auf ihn hören wollte, doch dieser lag, wie er unschwer erkennen konnte, friedlich schlafend in seinem Bett. Bill überkam ein ungutes Gefühl. Was wenn Leo etwas zustoßen würde? Es war mitten in der Nacht. Er sah auf die Uhr, schon nach Mitternacht. Bill beschloss sich auf die Suche nach ihm zu machen. So geräuschlos wie möglich stieg er aus seinem Bett und nahm seine Kleider vom Stuhl. Schnell zog er sich an und schlüpfte in seine Turnschuhe, dann öffnete er lautlos die Tür und huschte hinaus. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er Gilian geweckt hätte, dann wären sie zu zweit gewesen. Doch Bill wusste zu gut, dass es eigentlich nicht erlaubt war, sich um diese Zeit noch auf dem Gelände aufzuhalten. Geschweige den außerhalb! Seit dem Verschwinden der beiden Studenten waren die Regeln nochmals verschärft worden.


Als Bill auf das Campusgelände hinaus trat war alles ruhig. Der Mond stand in seiner vollen Pracht am Himmel und erhellte die gesamte Umgebung. Und doch bereute Bill nun, dass er keine Taschenlampe mitgenommen hatte. In seinem Eifer, eilig nach Draußen zu gelangen, hatte er es total vergessen. Wäre nicht Vollmond gewesen, er hätte wohl kaum die Hand vor den Augen erkennen können. Da der längere Weg zu Wald breiter und besser zu erkennen war, beschloss er, den kleinen Umweg in kauf zu nehmen. Er führte an der Bibliothek und an dem Wohnhaus der Studentinnen vorbei. Obwohl er es für sehr unwahrscheinlich hielt, warf Bill noch kurz einen Blick durchs Fenster der Bibliothek. Doch drinnen war alles dunkel. Dann lief er weiter. Das Wohnhaus der Studentinnen hatte er gerade hinter sich gelassen und er lief nun direkt auf den Wald zu. Kurz bevor er ihn erreicht hatte blieb er stehen. Bill horchte angestrengt in die Nacht hinein. Er hatte da doch ein Geräusch wahrgenommen. Wie Schritte, die ihn zu verfolgen schienen. Ruhig stand er da und lauschte. Da war es wieder. Und jetzt nahm er aus dem Augenwinkel einen großen, dunklen Schatten wahr, der bedrohlich näher kam. Bills Herz begann schneller zu schlagen. Normalerweise war er überhaupt nicht ängstlich, doch es war Nacht und er ganz alleine unterwegs. Außerdem waren hier auf diesem Gelände vor ein paar Tagen zwei Studenten verschwunden, spurlos, einfach so! Bill stand noch immer wie angewurzelt da. Vielleicht sollte er weglaufen, schnell zurück ins sichere Wohnhaus? Doch was war mit Leo? Er war genauso in Gefahr, wenn nicht noch ein wenig mehr. Nein, er würde ihn nicht im Stich lassen, egal was kommen würde. Sie waren zu Freunden geworden und er würde ihm zu Hilfe kommen, egal wo er war! Noch einmal atmete Bill tief ein, dann drehte er sich langsam um. Er war entschlossen sich der Gefahr zu stellen, wie groß auch immer sie sein mochte. Dann wurde er vom Licht einer Taschenlampe geblendet, mitten ins Gesicht. Zuerst konnte er gar nichts erkennen, das Licht brannte ihm in den Augen. Beinahe blind wich er ein paar Schritte zurück. Er kniff die Augen zusammen, als er sie wieder öffnete nahm er den Umriss einer Gestalt wahr. Es war Gilian.


Erleichtert atmete er auf.
„Gilian, Mensch bist du bescheuert mich so zu erschrecken? Und  nimm bitte endlich die Taschenlampe runter, du leuchtest mir damit mitten ins Gesicht. Ich bin schon fast blind!“
„Entschuldigung“, Gilian ließ die Taschenlampe sinken.
„Wo ist Leo? Und wieso seit ihr Beide einfach ohne mich abgehauen?“ Er klang ein wenig beleidigt, doch Bill bereute nicht, ihm nichts gesagt zu haben. Es wäre besser gewesen, er hätte gar nichts mitgekriegt. Immerhin hatte er sich noch die Zeit genommen eine Taschenlampe mitzunehmen, so würde der Weg durch den Wald nicht ganz so unheimlich sein.
„Tut mit leid, aber ich wollte dich nicht wecken. Wenn wir erwischt werden könnten wir richtig Ärger kriegen, das ist dir doch klar. Also hab ich beschlossen Leo alleine zu suchen.“
„Warum, was ist mit Leo?“ Gilian sah ihn immer noch ein wenig misstrauisch an.
„Keine Ahnung, als ich aufwachte war er verschwunden. Ich denke er ist wieder zu Friedhof gegangen, alleine, obwohl das doch für ihn zu gefährlich ist!“
„Ach so, ja dann such mal schön weiter.“ Gilian drehte sich um und es schien als wollte er zurück gehen.
„Gilian, wo willst du hin?“
„Na zurück, weiterschlafen, schließlich muss ich morgen früh raus.“ Bill schaute ihn ungläubig an.
„Du kannst doch jetzt nicht einfach zurückgehen. Wir müssen Leo finden. Du hast dir doch bestimmt auch Sorgen gemacht oder warum bist du hier?“
„Ich dachte ihr zwei seid einfach ohne mich losgezogen und ich weiß ja noch vom letzten Mal, wie unvorsichtig ihr euch verhaltet.“ Gilian stand nun mit verschränkten Armen vor ihm und machte keine Anstalt mit ihm weiterzugehen, um nach Leo zu suchen.
„Okay, dann lass es bleiben. Geh doch zurück, ich werde Leo schon finden und außerdem hast du uns nicht gerettet, wir wären auch ohne dich klar gekommen!“
„Na also, dann kannst du auch alleine nach Leo suchen. Es ist doch nicht mein Problem wenn er sich nachts da Draußen herumtreiben will!“ Gilian drehte sich erneut um und Bill gab es auf, ihn zurückhalten zu wollen.
„Gilian?“
„Was ist denn noch?“
„Kann ich wenigstens die Taschenlampe haben? Der Weg durch den Wald ist verdammt dunkel und ich habe meine vergessen mitzunehmen.“
Gilian drehte sich genervt um und sah Bill missmutig an. Er schien kurz zu überlegen, entschied sich dann aber nicht noch länger weiterdiskutieren zu wollen.
„Okay, aber pass auf. Nicht nur auf die Taschenlampe hörst du? Sei vorsichtig und lass dich hier Draußen nicht erwischen, sonst kriegst du echt richtig Ärger, das weißt du.“ Gilian überreichte ihm die Taschenlampe.
„Klar doch, ich werde mich so unauffällig wie möglich verhalten.“ Bill lauschte. Er vernahm erneut Geräusche, es hörte sich wieder an wie Schritte, die leise, aber zügig näher kamen. Auch Gilian schien sie wahrgenommen zu haben, denn auch er blickte sich nun konzentriert um, doch schien auch er nichts zu entdecken. Leise huschten die zwei Jungen rüber Richtung Wald. Dort im Schutz der vielen Bäume würde sie niemand entdecken. Doch noch bevor sie den schützenden Wald erreicht hatten wurden sie von den Schritten eingeholt und eine Person stellte sich ihnen in den Weg. Es war Mr. Edwards.


Gilian reagierte schnell und noch bevor der Direktor ihn entdecken konnte schlich er weiter. Bill stand da und schaute den Direktor verdutzt an. Mit ihm hatte er um diese Uhrzeit hier draußen überhaupt nicht gerechnet. Er wusste zwar, dass seit den verschärften Sicherheitsvorkehrungen und Regel auch nachts gewisse Lehrer nach den Rechten sahen, doch er dachte nicht, dass auch der Direktor selbst die Aufsicht übernahm.
„Mr. Hunter, was tun sie so späht noch hier Draußen? Sie wissen doch sicherlich, dass es nicht mehr erlaubt ist sich so spät auf dem Campusgelände aufzuhalten. Dies ist vor allem zu ihrer eigenen Sicherheit so bestimmt worden.“
Bill überlegte sich, was er am besten erzählen könnte. Es musste überzeugend klingen, nahe an der Wahrheit, aber er durfte auf keinen Fall den wahren Grund nennen, sonst würde er Leo ebenfalls in Schwierigkeiten bringen.
„Mr. Edwards, mit ihnen habe ich hier nicht gerechnet.“ Das war die Wahrheit.
„Ich konnte nicht schlafen und da dachte ich, ein wenig frische Luft würde mir vielleicht ganz gut tun, damits mit dem Einschlafen nachher besser klappt.“ Das war ungefähr wahr, denn Bill konnte tatsächlich nicht mehr einschlafen, als er sah, dass Leo nicht im Zimmer war. Mr. Edwards schaltete nun die Taschenlampe ein, die er in seiner rechten Hand hielt und leuchtete den Weg entlang. Das Licht war sehr grell und Gilian einige Sekunden unvorsichtig, schon hatte der Direktor auch ihn entdeckt.
„Interessant. Guten Abend Mr. Gilman. Sie machen wohl auch gerade einen Abendspaziergang, nehme ich an?“ Gilian trat nun hinter den Bäumen hervor und stellte sich neben Bill.
„Guten Abend Herr Edwards. Ja genau, sie wissen ja, dass es ziemlich gefährlich ist, so späht alleine raus zu gehen. Deshalb habe ich Bill angeboten, ihn zu begleiten, zu seinem Schutz.“
Mr. Edwards schien Gilians Antwort keinesfalls witzig zu finden. Mit finsterer Mine sah er die beiden Jungen an. Er wusste genau, dass sie nicht die Wahrheit erzählten. Jedoch hatte er keine Ahnung, weshalb sie hier draußen rumschlichen. Der Direktor wollte gerade weiter tadeln, da waren erneut Schritte zu hören. Bill und Gilian schauten sich fragend an. Mr. Edwards hob seine Hand, in der er immer noch die Taschenlampe hielt etwas höher und leuchtete in die Dunkelheit. Es war jedoch nichts zu sehen.
„Ihr zwei bleibt hier stehen, ich werde mich kurz umsehen“, gab Mr. Edwards die Anweisung. Dann lief er den Weg Richtung Hauptgebäude hinunter.


Die beiden Jungen gehorchten und blieben vor dem Waldrand stehen. Alles war still, bis erneut Geräusche zu hören waren, jetzt ganz nah. Bill lief ein wenig geradeaus, blieb dann mitten auf dem Weg stehen und blickte kurz zu Gilian. Als er sich wieder umdrehte zuckte er kurz zusammen. Plötzlich stand Leo vor ihm. Er grinste, als er bemerkte, dass sich Bill erschreckt hatte. Dann entdeckte er ein wenig weiter hinten auch Gilian. Dieser zündete nun mit seiner Taschenlampe direkt auf sie zwei.
„Leo, wo kommst du denn her? Und was um alles in der Welt machst du so spät noch hier draußen, alleine?" Bill sah ihn eindringlich an und Leo konnte den Vorwurf in seiner Stimme hören. Er überlegte kurz, beschloss dann aber ihn einzuweihen und ihm die Wahrheit zu erzählen.
„Ich komme gerade von dort“, und er zeigte auf das Mädchenwohnhaus. Bill verstand nicht, was ihm Leo damit genau mitteilen wollte.
„Das ist das Wohnhaus der Mädchen“, mischte sich nun auch Gilian in das Gespräch mit ein. Bill sah Leo verdutzt an.
„Du warst bei den Mädchen? So spät noch? Du weißt aber schon, dass dies nicht erlaubt ist?" Leo nickte und lächelte verlegen.
„Ich weiß es ist eigentlich untersagt aber ihr wisst doch, dass Tom immer Stress macht. So konnten Melinda und ich mal einige Zeit ungestört sein."
Gilian grinste.
„Schau an, hätte ich dir gar nicht zugetraut. Aber wenn du das nächste Mal auf Besuch gehst, dann sagst du bescheid, ich komme gerne mit."
Bill jedoch fand dies überhaupt nicht witzig, er hatte sich Sorgen gemacht, währen Leo bei den Mädchen war! Was war nur mit ihm los, sonst kannte man keinerlei solcher unbedachten Aktionen von Ihm. Er handelte immer sehr reif und überlegt.
„Okay, wir können später noch darüber reden, ich denke es wäre besser für dich wenn du hier schnell abhaust. Mr. Edwards ist nämlich auch hier draußen und wenn der dich erwischt..." Bill unterbrach den Satz, da er von einem Lichtstrahl geblendet wurde. Er wollte schon Gilian anfahren, als er bemerkte, dass es Mr.Edwards war, der die Taschenlampe auf sie gerichtet hatte.
„Ah Mr. Mayer, guten Abend, sie sind also auch nachtaktiv wie ich sehe?" Leo drehte sich ein wenig überrascht zu ihm um. Er hatte nicht gedacht, dass der Direktor nachts hier draußen sein könnte, sonst wäre er sicher vorsichtiger gewesen. Leo suchte krampfhaft nach einer überzeugenden Ausrede, doch ihm wollte einfach nichts einfallen. Außerdem hatte er keine Ahnung wie viel Mr. Edwards mitbekommen hatte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu deuten hatte er alles mitangehört.
„Ich würde vorschlagen, ihr geht jetzt erst mal alle wieder auf euer Zimmer. Wir werden uns dann morgen nochmals darüber unterhalten. Vorerst seit ihr bis auf weiteres vom Unterricht ausgeschlossen, alle! Ihr habt gegen jegliche Regeln verstoßen, dies kann und will ich nicht einfach so durchgehen lassen!“
Mr. Edward schaute die Jungs streng an und keiner von ihnen traute sich ihm zu widersprechen. Widerwillig drehten sie sich um und liefen hinter ihrem Direktor zurück ins Wohnhaus.


Als sie wieder auf ihrem Zimmer waren konnte Leo sich nicht mehr zurückhalten.
„Ich glaub es einfach nicht! Wir sind vom Unterricht freigestellt worden. Ich bin vom Unterricht freigestellt worden. So was ist mir noch nie passiert! Das darf nicht passieren, ich wollte doch nachher nach Harvard wechseln, da machen sich Fehlstunden gar nicht gut.“
Bill streifte sich ein neues T-Shirt über und legte sich dann schweigend in sein Bett. Gilian drehte sich zu Leo um und sah ihn wütend an.
„Du musst dich gar nicht beschweren, Mr. Edward hat allen Grund dich vom Unterricht auszuschließen. Du warst im Wohnhaus der Mädchen! Also hör auf zu jammern!“
„Tut mir leid, ich wollte euch nicht in Schwierigkeiten bringen. Ich hätte echt nie gedacht, dass ihr euch Sorgen um mich macht und mich suchen kommt.“ Leo schien allmählich zu begreifen, in was für eine Lage er seine Freunde gebracht hatte und es tat ihm wirklich leid. Nie hatte er so unüberlegt gehandelt wie heute, was hatte er sich bloß dabei gedacht?

Mary

Gilian hatte heute einen freien Nachmittag und beschloss diesen auf dem Friedhof zu verbringen. Er packte ein paar Bücher ein und seinen Zeichenblock und machte sich dann gut gelaunt auf den Weg. Als er den Campus überquerte bemerkte er Tom und Nick, die unweit von ihm auf einer Bank saßen. Gilian schenkte ihnen jedoch keine große Beachtung. In Gedanken versunken beschritt er rasch den Weg zum Friedhof. Schon nach kurzer Zeit erreichte er ihn und betrat die kleine Kapelle. Heute war schönes Wetter und die Sonne schien hinein, darum war es zur Abwechslung mal angenehm hell. Gilian kam dies gelegen, so konnte er genug sehen und würde bestimmt nicht vor dem Abend zurückkehren. Wie immer setzte er sich auf die hinterste Bank, zog seinen Zeichenblock aus dem Rucksack und begann zu malen. Er war wieder in seiner eigenen Welt versunken und blendete alles um sich herum aus. Doch auf einmal riss ihn ein lautes, klirrendes Geräusch jäh aus allen Träumen. Zuerst wusste er nicht was geschehen war, woher das Geräusch gekommen war. Gilian erhob sich und sah sich angestrengt um. Als er sie Scherben auf den Boden entdeckte war ihm klar, dass eine Fensterscheibe zu Bruch gegangen war. Was war geschehen? Gilian konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemand eingeschlagen hat. Er war hier doch der einzige Besucher, glaubte er zumindest. Vielleicht war doch noch jemand anders hier? Er schnappte sich seinen Rucksack, stopfte den Zeichenblock hinein und trat zur Tür. Als er sie öffnete und hinaustrat stellten sich ihm zwei Jungen in den Weg. Gilian erkannte sie sofort, es waren Tom und Nick. Sie mussten ihm unbemerkt gefolgt sein.
„Na, hast du angst gekriegt?“ Tom stand mit verschränkten Armen vor ihm und grinste frech.
„Dieser Ort passt ja perfekt zu einem Freak wie dir. Wo sind den deine beiden Freunde, hatten sie angst mitzukommen?“ Gilian spürte wie er wütend wurde. Das hier war sein Platz und niemand würde ihn ihm wegnehmen!
Nick stand bereits an der Tür der Kapelle und öffnete sie.
„Tom, das musst du dir ansehen, ist fast wie in einer Gruft hier drin. Sogar einen Altar gibt es hier.“ Nick verschwand nun ganz in der Kapelle. 
„Lasst das, ihr habt dort drin nichts verloren! Es wäre für euch sowieso besser, wenn ihr euch auf  den Rückweg macht.“ Gilians Blick war noch immer voller Wut und Tom wich respektvoll einen Schritt zurück. Er blieb kurz stehen und schien zu überlegen, doch dann betrat auch er die Kapelle.
„ Da bist du ja endlich. Schade übrigens, dass wir keine Farbe dabei haben, das würde die Bude ein wenig aufpeppen.“ Tom drehte sich lachend zu Nick um und nickte bestätigend. Dann lief er zum Altar und begutachtete die alten Kerzen.
„Wir können ja beim nächsten Besuch hier welche mitnehmen. Ein Feuerzeug wäre auch nicht schlecht, bei den vielen Kerzen.“ Und wieder grinste er.
„Ihr werdet es nicht wagen, ein weiteres Mal hierher zu kommen!“ Gilian schrie nun vor Wut.


Peng! Mit einem dumpfen Schlag fiel die schwere Eingangstür zu. Gilian stand verwundert davor, als er von drinnen einen lauten Schrei vernahm. Er versuchte die Tür zu öffnen, doch es gelang ihm nicht. Gilian hatte keine Ahnung, doch etwas Seltsames musste dort drinnen vor sich gehen. Es rumpelte und hörte sich an, als würden Gegenstände herumgeschoben. Jetzt versuchte jemand die Tür von innen zu öffnen, doch auch dies schien nicht zu funktionieren. Die Tür war fest verschlossen. Man hörte wie Gegenstände an die Wand geschleudert wurden und nun begannen die beiden Jungen um Hilfe zu rufen. Doch auch dies blieb erfolglos. Gilian hätte, selbst wenn er gewollte hätte, nicht helfen können.


Nach ein paar Minuten war auf einmal alles wieder still. Aus der Kapelle waren weder Laute noch andere Geräusche zu hören. Nun probierte Gilian erneut die Tür zu öffnen, was ihm dieses Mal sofort gelang. Die Tür ging auf. Es hatte bereits zu Dämmern begonnen, so dass er im ersten Moment gar nichts erkennen konnte. Dann entdeckte er Nick, der ganz still auf einer Bank hockte und erschrocken zu ihm hochsah. Tom, der hinter dem Altar kauerte, erhob sich nun langsam. Er war blass und auch er sah verängstigt aus. Dann sah sich Gilian um und bemerkte, dass sämtliche Kerzen auf dem Boden verstreut lagen. Auch die Bänke standen nicht mehr gerade da. Es sah aus, als hätte hier drin ein Sturm gewütet. Nur das Bild hängte noch immer gerade und unbeschädigt an der Wand. Genauso lieblich und sanft wie immer lächelte sie ihn an.
„Mary.“ Flüsterte er. Schnell verließen Tom und Nick die Kapelle. Draußen und im sichern Abstand zu Gilian blieben sie stehen und schauten ihn eindringlich an. Er merkte, dass es ihnen nun doch etwas peinlich war, doch sie wollten es sich nicht anmerken lassen. Nick war der erste, der das Wort ergriff.
„Du wirst doch niemandem was davon erzählen, oder?“
„Das kommt ganz auf euch an.“ Nun stand Gilian mit verschränkten Armen vor den beiden Jungs.
„Was willst du?“ fragte Tom.
„Ich will, dass ihr zwei nie wieder hierher kommt. Und auch niemandem von dem Friedhof erzählt. Dann bleibt was heute hier passiert ist unter uns.“
Tom biss sich auf die Lippen. Gilian sah ihm an, dass es ihm nicht leicht fiel, nichts zu erwidern. Tom nickte.
„Okay, abgemacht.“ Lenkte er schließlich ein.  Dann verließen die beiden Jungs den Friedhof. Ohne sich noch einmal umzudrehen liefen sie in den Wald hinein zurück zum College. Gilian blieb eine Weile Draußen stehen und sah ihnen nach. Dann ging er nochmals zurück in die Kapelle. Er stellte sich vor das Bild der unbekannten, schönen Frau. Noch immer konnte er nicht glauben was hier eben geschehen war. Wenn ihm das jemand erzählt hätte, er hätte es wohl kaum geglaubt. Doch hier war er hautnah dabei gewesen. Ein Lächeln huschte Gilian übers Gesicht.
„Danke Mary“, sprach er leise, bevor er den Raum verließ.

Jack Hunter greift ein

Es war ein verregneter Freitagmorgen und kaum jemand hielt sich freiwillig draußen auf. Der Campus war menschenleer. Bill war früh aufgestanden, obwohl er erst später am Morgen Unterricht hatte. Heute würde sein Vater zu Besuch kommen. Er freute sich, obwohl er wusste, dass sein Besuch nicht unbedingt nur ihm galt sondern einen ernsten Hintergrund hatte. Vor ein paar Tagen hatte Bill ihn angerufen und ihn über die jüngsten Ereignisse an seinem College informiert. Er hätte es nicht getan, hätte er einen anderen Ausweg gesehen, aber die Situation schien so ausweglos zu sein. Also hatte er mit Gilian und Leo gesprochen und sie entschlossen sich, Jack Hunter um Hilfe zu bitten. Und jetzt war er unterwegs zu ihnen, um sie zu Unterstützen. Noch nie war Bill so dankbar gewesen, dass sein Vater so viel Erfahrung in seinem Job gesammelt hatte. Dies würde ihnen allen nun sehr hilfreich sein, um die Geister vom Campus zu vertreiben. Hoffentlich kehrte so bald wieder Ruhe ein. Die paar Schulstunden gingen schnell vorbei und um vier Uhr nachmittags, als die letzte Stunde zu ende war, beeilte sich Bill um auf sein Zimmer zu kommen. Er wollte sich noch schnell umziehen und dann wollte er noch kurz zu Leo in die Bibliothek. Langsam spürte er die Freude in sich aufsteigen, endlich seinen Vater wiederzusehen. So lange waren sie noch nie voneinander getrennt gewesen. Bill hatte sich zwar hier gut eingelebt und fühlte sich auch wohl, doch ab und zu vermisste er doch noch seine Heimat, seine alten Freunde und auch seinen geliebten Vater.
Als das Taxi vorfuhr stand Bill schon an Eingangstor und wartete auf ihn. Leo stand neben ihm. Er wollte es sich auf keinen Fall nehmen lassen, den berühmten Jack Hunter persönlich kennenzulernen. Als Jack ausstieg eilte Bill auch schon auf ihn zu und umarmte ihn.
„Schön so begrüßt zu werden.“ Sagte Jack lachend. Leo kam nun auch angelaufen und stellte sich neben Bill.
„Dad, das ist Leo, ich hab dir ja von ihm erzählt.“ Leo streckte ihm freundlich die Hand entgegen. Jack ergriff diese und lächelte ihn freundlich an.
„Hallo Leo. Du bist also der kluge Bursche von dem mir mein Sohn so viel erzählt hat?“
Leo wurde fast ein wenig verlegen.
„Ach Bill übertreibt.“ Meinte er bescheiden.
„Aber mir ist es eine große Ehre sie kennenzulernen, ich habe schon viel über sie und ihre Arbeit gelesen.“
„Ich hoffe nur Gutes?“ Jack lachte.


Nachdem Jack auch Gilian begrüßt hatte, wollte er sich erst mal in aller Ruhe auf dem Gelände umsehen. Da er Bills Angebot, ihn zu begleiten, dankbar abgelehnt hatte, beschloss Bill mit Leo in die Bibliothek zu gehen. Vielleicht nützte es seinem Vater etwas, wenn sie beide in der Zwischenzeit alle alten Zeitungsartikel raussuchen würden, die etwas mit dem Verschwinden von Studenten zu tun hatte.
Jack war inzwischen auf dem Weg zum Friedhof. Ein wenig ein seltsames Gefühl überkam ihn, je näher er ihm kam. Lange war es her, seit er diesen Weg das letzte Mal gegangen war. Ungern dachte er daran, doch als er aus dem Wald hinaus trat und inmitten des alten Friedhofs stand überkamen ihn die Erinnerungen. Ein paar Minuten lang stand er einfach nur da und starrte auf die kleine Kapelle, die nun vor ihm lag. Gerne hätte er es vermieden, jemals wieder ein Fuß auf dieses Gelände zu setzen. Nur allzu gut konnte er sich daran erinnern, an das letzte Mal, das er hier war. Er hatte sich geschworen, nie wieder hierher zu kommen. Sie hatten sich es alle Versprochen. Und nun war er es, der dieses Versprechen brechen musste, für seinen Sohn. Um ihn und seine Freunde zu beschützen nahm er diese erneute Konfrontation auf sich. Er sah sich um. Es sah noch fast alles genauso aus wie damals. Nur das Gras war höher und die Grabsteine abgenutzter. Der Friedhof sah verwildert aus, man merkte sofort, dass er nicht mehr benutzt wurde und man ihn seit Jahren seinem Schicksal überlassen hatte. Langsam lief Jack zwischen den zahllosen Grabsteinen hindurch, auf die Kapelle zu. Früher hatte sie ihnen oft als Versteck gedient, einmal war sie sogar ihr Zufluchtsort gewesen. Als er vor der Kappelle stand zögerte er einen kurzen Moment. Er atmete noch einmal tief ein, dann öffnete er die Tür. Drinnen sah alles noch genauso aus, wie er es in Erinnerung hatte. Alles stand noch an demselben Platz, selbst das Bild von dieser unbekannten, schönen Frau hing noch an seinem Platz. Jack stand nur da und sah sich um. Ihm wurde schwindelig und er musste sich kurz auf einen der Bänke setzen. Nun brachen die Erinnerungen, die er so viele Jahre erfolgreich verdrängt hatte, alle auf ihn ein. In seinem Kopf fügten sich die Bilder von vergangner Zeit zu einem Film zusammen, der sich vor seinen Augen abzuspielen begann. Er konnte sich nicht dagegen wehren, nicht mehr.

Geister der Vergangenheit

Es war fast zwanzig Jahre her. Damals besuchte Jack Hunter als junger Student diese Universität. Er hatte sich sehr darauf gefreut, hier selbständig Leben und Studieren zu können. Natürlich war es eine etwas andere Zeit. Es waren die 80er Jahre, da war alles noch ein wenig anders als heute. Doch diese Universität gehörte schon damals zu den besten in ganz Irland und auch seine Eltern waren ganz schön stolz, dass ihr einziger Sohn hier studieren konnte. Die erste Zeit war sehr angenehm gewesen. Jack lebte sich gut ein und fand schnell Freunde. Alles schien gut zu laufen und er konzentrierte sich voll und ganz auf sein Studium. Er wollte Anwalt werden und er hatte gute Chancen dies auch zu erreichen. Bis zu diesem einen Tag im Herbst, als er mit seinen drei Freunden diesen Friedhof hier entdeckte. Zu diesem Zeitpunkt war er noch nie im Berührung mit Geistern oder anderen Gestalten gekommen, er hatte bis dahin noch nicht mal geglaubt, dass sie existieren. Doch an jenem besagten Tag wurde er eines Besseren belehrt.


Als er die Kapelle wieder verliess, bemerkte Jack, dass er in knöcheltiefem Nebel stand. Wie versteinert blieb er stehen. Auch wenn es schon etliche Jahre her war, seit er das letzte Mal hier war, vergessen hatte er nichts. Er wusste genau, was gleich geschehen würde und es war ihm mulmig zumute. Obwohl er es in den vielen Jahren danach mit viel unberechenbareren Geistern zu tun hatte, fühlte er sich jetzt hier ziemlich unwohl. Diese hier waren eigentlich nicht halb so schlimm und gefährlich wie viele andere, die er im Laufe seines beruflichen Werdegangs hatte vertreiben müssen. Doch er wusste genau, weswegen sie hier waren. Ob sie ihn wieder erkannten? Was spielte das schlussendlich für eine Rolle? Jack Hunter stand noch immer da, mitten auf dem Friedhof, zwischen all den unzähligen, alten Grabsteinen, und wartete.


Dann kamen sie. Lautlos und urplötzlich, wie aus dem Nichts. Genauso wie schon Jahre zuvor. Deshalb sollte er daran gewöhnt sein, und doch zuckte er kurz erschrocken zusammen. Die Stimmen waren laut und wirr. So sehr er sich auch versuchte darauf zu konzentrieren, er verstand kein Wort. Seltsam, dieses wirre Durcheinander, das war er sich nicht von ihnen gewohnt. Warum konnte er sie nicht verstehen?


Zur selben Zeit sassen Bill und seine beiden Freunde in der Bibliothek zusammen und stöberten in alten Büchern. Gilian tat dies jedoch nur mit mässigem Interesse. Er war kein grosser Fan von Büchern und schon garnicht von so alten, dicken Wälzern. Wenn er mal freiwillig etwas las, waren es höchstens Comics gewesen. Nun sass er vor einem Berg Bücher, die lange vor seiner Zeit geschrieben wurden. Diese Tatsache machten sie für ihn noch weniger attraktiv. Gelangweilt drehte er seinen Kopf zur Seite und beobachtete Leo, der vor dem Schulcomputer sass und ganz interessiert in alten Artikeln der Schülerzeitung las. Seit Tagen tat er in seiner freien Zeit fast nichts Anderes mehr und dennoch war er bis jetzt auf nichts wirklich Hilfreiches gestossen. Dies schien ihn jedoch keineswegs zu entmutigen, im Gegenteil. Gilian musste gestehen, dass er Leos positive Einstellung bewunderte. Gerne wäre auch er so optimistisch gewesen.

Gilian schlug das dicke, alte Buch, welches vor ihm lag zu und schnappte sich seinen Laptop, der neben ihm auf dem Tisch lag. Wer weiss, vielleicht liessen sich ja in den unendlichen Weiten des Internets Informationen finden, welche ihnen weiterhelfen würden. Bill sass ihm gegenüber und blätterte in Gedanken versunken in einem der unzähligen Bücher. Doch er konnte sich nicht recht darauf konzentrieren, was er da las. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab, zum Friedhof, zu den verschwundenen Studenten und zu seinem Vater, der gerade irgendwo da Draussen war und versuchte alles in Ordnung zu bringen. Bill kannte seinen Vater und er wusste, dass er sich nie unnötig Gefahren aussetzte. Er handelte immer sehr vorsichtig und überlegt. Und doch beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Irgendetwas war diesmal anders als sonst. Er wusste nur nicht was es war. Genau dies beunruhigte ihn jedoch umsomehr. Ausserdem hatte er die Vermutung, dass sein Vater mehr wusste, als er ihm erzählt hatte.


Kurze Zeit blieb Jack einfach bewegungslos an Ort und Stelle stehen. Wie versteinert stand er da. Dann entspannte sich sein Körper langsam wieder und er löste sich aus seiner Starre. Die Geister waren weg verschwunden! Genauso wie sie gekommen waren, plötzlich und vollkommen lautlos. Er musste sich erst wieder sammeln. Was war nur geschehen? Und warum hatten die Geister heute nicht mit ihm kommuniziert? Konnten oder wollten sie sich ihm nicht mitteilen? Er hatte das Gefühl, als hätte er ihre Angst spüren können. Doch wovor fürchtetetn sie sich? Jack stützte sich an einem der zahlreichen Grabsteinen ab. Als er sich nach ein paar Minuten wieder aufrichtete und sich konzentriert umsah und lauschte, war alles still. Sein Blick schweifte dennach prüfend über den Friedhof und blieb auf dem Grabstein haften, an dem er sich eben noch festgehalten hatte. Sein Gesticht erstarrte. Er spürte, wie sein Herzschlag einen Moment auszusetzten schien. Langsam beugte er sich hinunter, doch er hatte sich nicht getäuscht. Dort stand in grossen, altenglischen Buchstaben ein Name in Stein gemeisselt. Sein Name!
Jack Hunter, der furchtlose Geisterjäger, ging schnellen Schrittes über den Friedhof. Ohne sich noch einmal umzudrehen verliess er diesen ihm unheimlichen Ort.

Retter in Not

Langsam breitete sich die Dunkelheit über dem Campus aus und es hatte gerade angefangen zu schneien.  Bill machte sich gegen acht Uhr nochmals auf den Weg zur Bibliothek. Er wusste, dass Leo noch dort sein musste und er wollte ihm  noch ein wenig Gesellschaft leisten. Wer weiß, vielleicht hatte er schon etwas mehr in Erfahrung bringen können, etwas, dass ihnen helfen könnte? Es war unangenehm kalt draußen und Bill stülpte den Kragen seiner Jacke hoch. Eilig lief er den Weg hinunter zur Bibliothek. Zum Glück war alles gut beleuchtet, denn es lag bereits recht viel Schnee, so dass der Weg immer schwerer zu erkennen war.  Bill war froh, als er das Gebäude endlich erreicht hatte. In der Bibliothek hatte es fast keine Studenten mehr, vielleicht vier, fünf Stück saßen noch verloren an einem der vielen großen Tische. Leo jedoch war nirgends zu sehen.  Bill glaubte schon, dass er sich doch schon auf den Nachhauseweg gemacht hatte, als er auf einmal ein lautes Poltern vernahm. Bücher stürzten zu Boden und er hörte Leo laute Worte von sich geben, in einer ihm fremden Sprache. Sehrwahrscheinlich war es Deutsch.


Bill lief in die Richtung, aus der er die Geräusche vernommen hatte und wenig später lugte er hinter ein Gestell, hinter dem Leo am Boden kauerte und einen Haufen Bücher aufhob. Bill bückte sich ebenfalls nach ein paar Büchern und begann Leo zu helfen.
„Hi, was machst den du so spät noch hier?“ Leo sah erstaunt auf.
„Ich hatte gerade das Gefühl, du bräuchtest wieder mal Hilfe bei Bücherzusammenlesen.“ Leo grinste.
„So wie bei unserer ersten Begegnung, außer das diesmal ich alles umgeworfen habe.“ Bill musste ebenfalls grinsen.
„Lass dies nicht Gilian hören, er ist immer noch davon überzeugt, dass du im Weg gestanden hast.“ Bill nahm das letzte Buch und legte es auf den Stapel vor ihm, auf dem großen Tisch.
„Was hast du hier eigentlich für alte Staubfänger gefunden?“ Vorsichtig wischte er den Rest Staub vom Buch.


Die Nacht war bereits angebrochen als Bill und Leo die Bibliothek verließen. Eine eisige Kälte schlug ihnen entgegen. Es schien als wären sie noch die einzigen Personen, die sich um diese Zeit noch draußen befanden, doch dies machte ihnen nichts aus. Sie fühlten sich weder beobachtet noch bedroht, alles war wie immer. Und plötzlich hatte Bill die Idee gleich nach dem alten Friedhof zu suchen und schlug vor, einen anderen Weg, als gewöhnlich, zu nehmen. Dieser führte direkt in einen kleinen Wald. Leo, der eigentlich immer sehr vorsichtig und bedacht war wurde nun auch von der Abenteuerlust gepackt. Ohne einen Einwand zu äußern lief er hinter Bill her, in den dunklen Wald hinein. „Warte, hier kann man ja gar nichts sehen.“ Leo blieb stehen und kramte in seiner Tasche. Kurze Zeit später hielt er eine Taschenlampe hoch. Bill wunderte sich nicht, Leo hatte alle möglichen und unmöglichen Sachen dabei, immer auf alles vorbereitet. Leo schaltete die Taschenlampe an und ein heller Lichtstrahl führte sie nun zielsicher durch den Wald. Nach kurzer Zeit betraten sie eine große Lichtung. Als Leo die Taschenlampe ein wenig hob und das Licht auf die ersten Grabsteine fiel, wussten sie, dass sie den Friedhof gefunden hatten.


Es sah genauso aus wie auf dem Foto. Die vielen alten Grabsteine standen noch immer an ihrem Platz, in Reih und Glied. Nur ein wenig mehr Moos hatte sie befallen. Das Gras rundherum war ziemlich hoch und voller Unkraut, zu lange schien sich hier niemand mehr drum gekümmert zu haben. Dann entdeckte Leo den Pfad, das Gras schien flacher zu sein, es schien als würde er regelmäßig benutzt. Die beiden Jungen folgten ihm bis zur Kapelle. Die Tür war noch immer unverschlossen, so das Leo und Bill eintreten konnten. Leo hielt die Taschenlampe hoch und das Licht erhellte den gesamten Raum. Bill blieb erstmal am Eingang stehen und sah sich um. Leo war schon nach vorne, bis zum Altar, gelaufen und begutachtete ihn Neugierig. Dann drehte er sich nach links und entdeckte das Gemälde.
„Schau mal Bill, was für ein schickes Bild, kommt mir irgendwie bekannt vor.“ Er ging ein wenig Näher und da entdeckte er auch die Gräber. Leo hob die Taschenlampe ein wenig höher, um die Schilder lesen zu können. Das Erste konnte auch er nicht entziffern, zu alt und rostig war es. Nun kam auch Bill nach vorne gelaufen und stellte sich neben Leo.
„Gräber von verstorbenen Pfarrern, jedenfalls das zweite ganz sicher. Könntest du mal kurz die Lampe halten, vielleicht kann ich da noch was lesen.“  Leo bückte sich um die letzte Platte genauer zu Betrachten. Das Schild war auch in keinem guten Zustand mehr. Als er die Grabplatte genauer begutachtete entdeckte er, dass darin etwas eingemeißelt worden war.  Er ging noch näher heran und jetzt konnte er den Namen darauf lesen. Reverend Leo Meyer. Einige Sekunden wirkte er wie erstarrt. Er stand nur da und sagte nichts.
„Leo, alles in Ordnung mit dir?“ Bill kauerte sich neben ihn und zündete mit der Taschenlampe auf die eingemeißelte Schrift. Nun konnte auch er es sehen.


Als sie wieder nach draußen traten bemerkten sie, dass dichter Nebel aufgestiegen war. Die herumstehenden Grabsteine waren nur noch schwach zu erkennen. Leo stolperte über den letzten Treppentritt vor der Kapelle und die Taschenlampe fiel ihm aus der Hand. Gerade als er sich danach bückte, um sie aufzuheben, kamen sie. Genau wie beim letzten Mal, waren sie plötzlich, wie aus dem Nichts da. Fliegende Schatten, viele, überall. Dazu die wirren Stimmen, laut und unverständlich. Bill konnte nicht weiter als einen Meter von Leo entfernt sein, doch er konnte ihn nicht sehen. Still stand Bill da und beobachtete sie. Sie kamen ihm nicht zu nah, weshalb konnte er jedoch nicht verstehen. Es schien als würden sie keinerlei Interesse an ihnen haben. Trotzdem entschied er sich vorsichtig zu bleiben und bewegte sich nicht vom Fleck. Auf einmal waren Schritte zu hören, die immer näher zu kommen schienen. Leo suchte noch immer, am Boden kauernd, nach seiner Taschenlampe. Endlich fühlte er sie. Er nahm sie auf und schaltete sie wieder an. Der fahle Lichtstrahl fiel direkt auf den Weg, der in den Wald führte. Leo hörte erneut Schritte und plötzlich tauchte eine große, schwarze Gestalt auf, die schnell näher kam. Auch die Geister schienen sie bemerkt zu haben, sie wurden unruhiger, die Stimmen lauter. Auch Bill hatte die unheimlich wirkende, dunkle Gestalt entdeckt. Langsam wurde auch er unruhig und er begann sich langsam zu bewegen um zu Leo zu gelangen. Dann hörten sie einen Schrei. Sehr laut und lang. Dann war es ruhig und so schnell und lautlos wie sie gekommen waren, waren sie wieder verschwunden. Die dunkle Gestalt jedoch war noch da. Und als Leo nun seine Taschenlampe hob erkannte er ihn.
„Gilian!“ Gilian stand da, mit versteinerter Mine. Seine Finger umklammerten einen spitzen Pflock. Bill kam herbeigelaufen, er hatte wirklich sehr nahe bei Leo gestanden.
„Gilian, was machst du denn hier? Wie hast du uns gefunden?“ Gilian ließ die Hand mit dem Pflock darin langsam sinken. Aufmerksam sah er sich um.
„Ich bin gekommen um euch zu retten.“
„Vor was? Vampiren?“ Leo erhob sich nun. Bill wandte sich erneut an Gilian ihm schien gerade so einiges klar zu werden.
„Du warst schon mal hier, nicht wahr? Das Mädchen, welches du gezeichnet hast, es ist auf dem Bild in der Kapelle abgebildet.“
„Was, du warst schon mal hier in der Kapelle? Du hast sicher auch die Gräber gesehen. Auch das eine, oder? Und du hast mir einfach nichts davon erzählt! Was ist bloß mit dir los?“
„Ich hab dich ja nach deinen Verwandten gefragt. Und natürlich hätte ich euch mal mitgenommen, irgendwann. Ich wollte hier einfach mal eine Zeit  lang ungestört sein. Hier fühlte ich mich wohl, hier konnte ich mich zurückziehen. Hier auf dem Friedhof, in der Kapelle bei Mary. Könnt ihr das den nicht verstehen?“ „ Leo schüttelte nur den Kopf.
„Du bist doch echt nicht mehr ganz beieinander! Du hast dich in ein totes Mädchen verliebt, so sieht’s nämlich aus!“ Gilian spürte wie auch er langsam wütend wurde.
„Immerhin vertrau ich nicht darauf, dass mich ein Silberkreuz vor bösen Geistern beschützen kann! Ich kann mich auch selbst verteidigen.“
„Sagt der Typ mit dem Pflock in der Hand. Wie cool ist das denn!“ Leo hängte sich seine Tasche wieder um und machte sich auf den Rückweg. Bill und Gilian folgten ihm schweigend.

Die Anderen

Bill verließ die letzte Vorlesung. Er war froh, dass für heute Schluss war. Eine leichte Müdigkeit überkam ihn und er beschloss auf sein Zimmer zu gehen und sich eine Weile hinzulegen. Leo war sicher in der Bibliothek und später fand noch das wöchentliche Treffen für die Unizeitung statt. Gilian hatte noch zwei Stunden Unterricht vor sich. Er würde also ein Wenig zur Ruhe kommen können, bevor das Abendessen anstand. Völlig in Gedanken versunken lief Bill über den Campus, er hatte schon fast das Wohnhaus erreicht, als er ganz in der Nähe Tom und Nick erblickte. Nicks Lachen hörte man manchmal fast über den gesamten Campus, Bill mochte es überhaupt nicht. Aus reiner Intuition drehte er sich zu ihnen um und da sah er, dass sie gerade Leo umzingelt hatten. Er wusste, dass es Tom gar nicht passte, dass Leo sich so gut mit seiner Schwester verstand. Seit dem ersten Tag waren Bill und seine beiden neuen Freunde ihm ein Dorn im Auge und dies zeigte er auch so oft es ging. Bill beschloss zu ihnen rüber zu gehen, Leo konnte sicher ein wenig Unterstützung gebrauchen. Er lief auf die drei Jungen zu, da hatte ihn Nick auch schon entdeckt. Schelmisch grinsend stieß er Tom an um ihn ebenfalls auf Bill aufmerksam zu machen. Dieser  sich auch sogleich zu ihm um und schaute ihn böse an.
„Ach schau an, dein Freund kommt dich beschützen, wie süß ist das den!“ Tom konnte einfach keine Gelegenheit auslassen um sich über Andere lustig zu machen. Mit breitem Grinsen stand er nun vor Leo und versperrte ihm so den Weg zur möglichen Flucht. Doch Leo schien sichtlich unbeeindruckt von Tom und auch von Nick zu sein. Ruhig und gelassen stand er da und nickte nun Bill freundlich zur Begrüßung zu.
„Hallo Bill. Keine Angst, die Jungs wollten sich nur mal kurz mit mir unterhalten. Aber ich glaube ich muss diese nun beenden, sonst komm ich noch zu spät, die Unizeitung schreibt sich ja nicht von alleine, nicht wahr, Jungs?“
Nick und Tom blickten sich verdutzt an. Sie schienen wie Bill erwartet zu haben, dass Leo eingeschüchtert war. Doch der wusste nur allzu gut, aus Melindas Erzählungen, dass Tom bei weitem nicht so cool war, wie er sich gab. Er hatte noch nie eine Schlägerei oder sonst eine ernsthafte Auseinandersetzung mit jemandem gehabt. Sein Glück war, dass er als Kapitän der Footballmannschaft großen Respekt genoss.


„Tut mir leid, wie sich mein Bruder heute dir gegenüber verhalten hat.“ Leo drehte den Kopf leicht zur Seite und sah, dass sich Melinda neben ihn gesetzt hatte.
„Bill hat mir von eurer Begegnung heute Nachmittag erzählt“, erklärte sie. Leo zuckte nur leicht mit den Schultern.
„Ist nur halb so wild gewesen. Ich weiß doch, dass er sich ab und zu gerne ein wenig aufspielt. Er hat mir ja nichts getan, wie du siehst, ich lebe noch.“ Leo zwinkerte ihr lächeln zu.
„Das ist nicht witzig, Leo.“ Doch au Melinda konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Weißt du, er ist eigentlich gar nicht so ein Ekel, wie er sich manchmal gibt. Er ist halt einfach unser großer Bruder und möchte uns beschützen.“ Leo nickte.
„Klar doch, ich verstehe ihn sehr gut. Und vor so einem verrückten Kerl wie mir solltest du dich allemal in Achtnehmen.“  Leo schaute sie an und grinste. Melinda erhob sich wieder.
„Klar doch, mein Bruder erkennt halt jede Gefahr. Er hat gleich bemerkt, dass du nicht gut für mich bist.“ Ein wenig irritiert saß Leo nun da und sah Melinda mit seinen schönen, blauen Augen eindringlich an. Sie lächelte kurz entschuldigend und warf ihm einen Luftkuss zu. Dann entschwand sie durch die Tür der Bibliothek.

Reverend Leo Meyer

Draußen  wurde es Zusehends immer ungemütlicher, der Winter stand nun unweigerlich vor der Tür. Nur noch wenige Studenten sah man während der freien Zeit auf dem Gelände, die meisten zogen sich in die warmen, gemütlichen Räume zurück.  Gilian hatte an diesem Tag früher Schluss, als sonst. Als er nach draußen trat spürte er, wie gut ihm die frische Luft tat. Er atmete die kühle Luft tief ein und beschloss spontan noch ein wenig spazieren zu gehen, bevor er sich an seine Hausaufgaben setzten würde. Instinktiv schlug er am Ende des Schulgeländes einen Weg ein, den er noch nie zuvor beschritten hatte. Es war Nachmittag und noch hell, so dass es ihm auch nichts ausmachte, dass der Weg direkt durch einen dichten Wald führte.  Am Ende dieses Waldes befand sich eine große Lichtung, Gilian trat neugierig heraus und sah sich um.


Er staunte nicht schlecht, als er bemerkte, dass er sich inmitten eines alten Friedhofs befand. Dutzende alte Grabsteine standen da, in Reih und Glied, von wucherndem Unkraut umgeben.  Ein schmaler Pfad führte zwischen den vielen Grabsteinen hindurch. Gilian folgte ihm bis zu einer kleine Kapelle. Die Türe war nicht verschlossen, deshalb konnte er mühelos eintreten. Als er drinnen war sah er sich neugierig um. Die Kapelle war sehr klein, nur sechs Bänke standen darin. Eine der schönen, farbigen Fensterscheiben war eingeschlagen und durch diese drang ein kalter Luftzug von Draußen rein. Ganz vorne befand sich ein kleiner Altar, worauf viele niedergebrannte Kerzen standen. Sie waren von einer Dicken Staubschicht überzogen. Auf der linken Seite waren Gräber. Gilian trat näher heran, um die Schilder mit den Namen zu lesen. Viel konnte er jedoch nicht mehr erkennen, die Schilder waren alt und rostig. Dem Anschein nach waren hier drei Menschen begraben worden. Gilian kam zu der Vermutung, da es drei Grabplatten gab. Zwei davon mussten ehemalige Pfarrer sein, Reverend Peter Green war noch gut sichtbar zu lesen. Als Gilian sich bückte um das dritte Schild genauer anzusehen stutzte er kurz. Er war sehr überrascht, was er hier las. Reverend Leo Meyer war dort gut lesbar in Stein gemeißelt. Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn.


Gilian setzte sich auf einen der Bänke. Sein Blick fiel auf ein Gemälde, das neben dem ersten Grab hing. Darauf war eine hübsche, junge Frau abgebildet. Ihr langes, rotes Haar schien im Wind zu flattern und ihr langer, heller Umhang schmieg sich sanft um ihren schlanken Körper. Sie lächelte besonders sanftmütig. Gilian war sofort von ihrem Anblick fasziniert. Er beschloss noch eine Weile in der Kapelle zu bleiben.  Irgendwie fühlte er sich darin richtig wohl. Gilian nahm seinen Rucksack von den Schultern und öffnete ihn. Er griff nach einem Zeichenblock und einem Bleistift, dann begann er zu zeichnen. Alles um ihn herum schien vergessen, er war ganz in Gedanken versunken. Als er wieder aufblickte begann es draußen bereits dunkel zu werden. Dem zu folge musste er bereits seit ein paar Stunden hier sein, was ihm überhaupt nicht so vorkam. Gilian erhob sich und verstaute Block und Stift wieder in seinem Rucksack. Es war Zeit zum College zurück zu gehen, doch er war sich sicher, dass er bald wiederkommen würde.


Am Abend trafen sich die drei Jungs zum Essen in der Cafetteria. Gilian setzte sich als letzter dazu. Er war richtig hungrig. Noch in Gedanken versunken stopfte er Gabel für Gabel in sich rein. Bill wunderte sich ein wenig, da Gilian eigentlich nicht so viel aß und am Tisch sonst derjenige war, der am Meisten zu erzählen hatte.
„Geht es dir nicht gut?“ Gilian hob den Kopf und sah Bill an. 
„Doch, doch, danke, alles in Ordnung. Habe nur ein wenig über etwas nachgedacht. Habt ihr eigentlich irgendwelche Verwandte hier?“
„Also ich nicht. Meine ganze Familie lebt in England, und meine Grosseltern, die Eltern meiner Mutter, leben in Schottland.“ Bill legte seine Gabel neben den Teller und sah zu Leo.
„Du hast sicher Verwandte hier, oder? Du hast ja auch mal hier gelebt?“
„Ja stimmt, allerdings nur die ersten fünf Jahre meines Lebens. Dann sind wir in die Heimat meiner Mutter, nach Deutschland gezogen. Aber ja natürlich habe ich Verwandte hier. Meine Grosseltern. Also besser gesagt nur noch meine Großmutter ist am Leben. Mein Großvater starb als ich noch klein war. Aber auch die Schwester meines Vaters lebt noch hier, mit ihrem Sohn. Ich werde sie bestimmt einmal besuchen gehen.“
„Was hat den dein Großvater gearbeitet?“ Leo fand es ein wenig merkwürdig, dass sich Gilian auf einmal für sich zu Interessieren schien, aber er antwortete ihm ausführlich.
„Soviel ich weiß war er Viehzüchter, er hatte ganz viele Schafe. Ja von denen gibt es auch heute noch sehr viele auf der Insel, wie ich gesehen hab. Jedenfalls mein Großvater hatte eine Menge davon und er liebte sie alle, wie meine Großmutter immer wieder gerne erzählt. Als er starb hat sie den größten Teil verkauft, weil sie den Betrieb alleine nicht mehr bewältigen konnte. Schade eigentlich, doch sie schein zufrieden zu sein, mit ihrem kleinen Haus, das sie jetzt besitzt.“ Gilian nickte schon wieder in Gedanken versunken. Es musste also ein Zufall sein. Ein sehr seltsamer Zufall!

Der erste Tag

Der nächste Tag begann früh. Bereites um sechs Uhr morgens klingelte Bills Wecker. Es war ein älteres Modell, vor ein paar Jahren hatte er ihn von seinem Vater geschenkt bekommen und konnte sich einfach nicht von ihm trennen. Er hatte sich schon so daran gewöhnt. Für Gilian hingegen war das Klingeln viel zu laut und zu schrill und zu unerwartet. Verwirrt fuhr er, noch vom Schlaf benommen, erschrocken hoch und stieß sich zu allem Übel noch den Kopf an der Decke, da er sich ein Hochbett ebenfalls nicht gewohnt war. Das dumpfe Geräusch ließ nun auch Bill ganz wach werden. Ein wenig verschlafen richtete er sich auf und rieb sich die Augen. Dann blickte er hoch zu Gilian, der sich nun mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Kopf rieb.  Jetzt entdeckte er auch Leo, der bereits angezogen im Schrank wühlte. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und auch Bill musste das Lachen unterdrücken. Gilian hatte dies bereits bemerkt und war überhaupt nicht in der Stimmung, über sich selbst zu lachen. Verärgert schaute er zu Leo runter, der nun endlich gefunden zu haben schien, was er suchte.
„Brauchst gar nicht so zu grinsen. Was bist du überhaupt schon so früh wach?“
„Ich war joggen. Das mach ich eigentlich fast jeden Morgen, das hält fit. Ihr könnt ja mal mitkommen?“ Gilian ließ sich zurück ins Kissen sinken.
„Nein danke, bei meiner athletischen Figur hab ich das nicht nötig. Außerdem brauch ich meinen Schlaf.“ Bill war inzwischen aufgestanden und griff sich ein paar Klamotten aus dem Schrank.
„Komm Gilian, beeil dich. Wir müssen auch noch unsere Bücher abholen. Du willst doch nicht bereits am ersten Tag zu spät kommen?“ Gilian kletterte nun widerwillig vom Hochbett und schnappte sich sein Duschzeug. Leo war bereits daran, seine Schultasche zu packen.
„Kommst du nachher mit, die Bücher abholen?“ fragte Bill, bevor er aus dem Zimmer, Richtung Toilette lief.
„Nein, wir treffen uns im Unterricht. Ich habe gestern alles gekriegt. Ich wusste, dass es sich auszahlt, wenn ich als einer der Ersten vorbeigehe.“
„Streber!“ raunte ihm Gilian kurz beim Vorbeigehen zu, dann verließ auch er das Zimmer.


Bill und Gilian liefen zusammen über den Campus um zur ersten Stunde zu gelangen. Die Beiden hatten die ersten zwei Stunden gemeinsam Englisch. Auch Leo hatte sich für dieses Fach eingeschrieben. Er war jedoch schon früher los gegangen. Als die zwei Jungs eintrafen hatte er bereits platz genommen.


„Entschuldige, ist hier noch frei?“ Leo schaute hoch und sah direkt in das Gesicht eines hübschen, dunkelhaarigen Mädchens. Sie lächelte ihn freundlich an.
„Ja klar, setz dich doch.“ Leo griff nach seiner Tasche, die er auf dem Sitz neben sich platziert hatte, und stellte sie auf den Boden. Das Mädchen nahm ihren Rucksack ab und setzte sich neben ihn.
„Ich bin Melinda, “ stellte sie sich vor. Noch immer lächelte sie ihn an. Leo blickte ein wenig verlegen zu ihr rüber.
„Hallo Melinda, ich bin Leo.“ Jetzt lächelte auch er. Bill und Gilian staunten nicht schlecht, als sie Leo neben einem hübschen Mädchen sitzen sahen.
„Hätte ich dem Streber ja gar nicht zugetraut, dass er gleich am ersten Tag ein Mädchen findet, das sich freiwillig neben ihn setzt.“ Es sollte sarkastisch klingen, doch Bill entging nicht, dass Gilian eifersüchtig war.


Als der Unterricht zu Ende war, erhoben sich Leo und Melinda und liefen gemeinsam zum Ausgang. Ein großes, blondes Mädchen stand dort und schien auf sie zu warten. Leo blieb kurz stehen und schaute sich um, Bill und Gilian waren jedoch nirgends zu sehen.  Das blonde Mädchen stand nun neben Melinda und unterhielt sich angeregt mit ihr. Als es Leo entdeckte begann es zu kichern und flüsterte Melinda etwas zu. Diese drehte sich daraufhin zu ihm um.
„Das ist Leo, er hatte mit mir Englisch. Leo, das hier ist Helen, meine Schwester.“ Leo sah die beiden an und jetzt fiel ihm auf, dass sie eine große Ähnlichkeit hatten.
„Hi Helen, du bist die ältere oder jüngere Schwester?“
„Melinda ist ein wenig älter als ich.“ Die Schwestern lachten.
„Ja, ich bin die große Schwester, ganze vier Minuten älter.“
„Ihr seit Zwillinge“, bemerkte Leo überrascht.
„Ja, allerdings keine eineiigen, deshalb fällt es nicht gleich jedem auf“, fügte Helen hinzu. Jetzt entdeckte Leo Bill und Gilian, die gerade raus laufen wollten. Er winkte ihnen zu und sie gesellten sich zu ihm.


Nachdem sich alle einander vorgestellt hatten, verließen sie zusammen das Gebäude und schlenderten schwatzend über den Campus. Als Bill kurz unaufmerksam war stolperte er und sein Rucksack rutschte von seinen Schultern. Da er ihn nicht richtig geschlossen hatte, rutschten ein paar Schulbücher heraus und lagen nun zerstreut am Boden.
„Lauft ruhig schon mal vor“, sagte er zu den Anderen, während er sich bückte um die Bücher wieder im Rucksack zu verstauen.


Als er sich wieder erhob standen zwei dunkelhaarige Jungen vor ihm. Bill hatte sofort ein ungutes Gefühl, darum wollte er auch schnell weitergehen, doch der eine Junge stellte sich ihm in den Weg.
„Hallo Jungs.“ Bill versuchte freundlich zu wirken obwohl er eine große Abneigung empfand.
„Spricht der mit uns Mark?“ Der kleinere und  zierlichere der Beiden stand nun mit verschränkten Armen vor ihm und sah ihn angriffslustig an.
„Was wollt ihr?“ Bill trat vorsichtig einen Schritt zurück.
„Nichts, nur was klarstellen.“ Der andere Junge sprach nun zu Bill. Er war groß und muskulös. Sein etwas längeres, dunkelbraunes Haar hatte er lässig nach hinten gekämmt.
„Lass die Finger von den beiden Mädchen“, sagte er eindringlich und schaute Bill böse an. Bill wich erneut einen Schritt zurück. Er erwiderte nichts. Der kleinere Junge kam näher auf ihn zu und auch er sah ihn wütend an.
„Lass gut sein Nick, für heute reicht es!“ rief Mark dem Jungen nun zu. Ein paar Sekunden blieb der noch bedrohend vor Bill stehen, dann drehte er sich um und lief mit Mark davon. Bill schaute ihnen verwundert nach. Er hatte keine Ahnung, was das eben sollte. Doch er ahnte, dass es mit diesen Beiden noch eine Menge Ärger geben würde.

Es Beginnt

Es begann bereits zu Dämmern, als Leo seine Bücher schloss, nach seiner Tasche griff, und sich von der Bibliothek auf den Weg zu seinem Zimmer machte. Seit seinem ersten Schultag ging er diesen Weg fast jeden Abend, er kannte sich bereits gut aus, deshalb machte es ihm auch nichts aus, ihn beim Eindunkeln zu gehen.  Diesmal jedoch beschlich ihn mitten auf dem Weg ein seltsames Gefühl. Irgendwie fühlte er sich beobachtet. Doch anstatt eilig weiterzugehen blieb er stehen und sah sich um. Niemand außer ihm war momentan auf dem Gelände unterwegs. Dies war jedoch nicht das Seltsamste, das Leo auffiel. Was ihn am allermeisten erstaunte war die plötzliche Stille. Kein Vogel hörte man, kein rauschen der Blätter im Wind, nichts, es herrschte komplette Stille. Leo stand da und wartete, er spürte, dass gleich etwas geschehen würde.


Dann kamen sie. Schatten tauchten unwillkürlich, wie aus dem Nichts auf, sie waren auf einmal überall, tanzten um Leo herum. Und sie schienen zu flüstern, alle gleichzeitig und unverständlich. Er hatte keine Angst, Leo war nur erstaunt, wie überraschend und schnell die Gestalten aufgetaucht waren. Sie kamen ihm auch nicht zu nah. Sie schienen ihm nichts tun zu wollen, im Gegenteil, sie bildeten so etwas wie einen schützenden Kreis um ihn herum. Nach ein paar Sekunden waren sie so schnell wie sie aufgetaucht waren auch wieder verschwunden. Alles war wieder ruhig. Leo stand noch immer mitten auf dem Weg, ihm war tatsächlich nichts geschehen. Nun ging auch die Beleuchtung auf dem ganzen Campus an, alles war, als wäre nichts gewesen. Leo sah sich erstaunt um. Etwas brannte auf seiner Brust. Er knöpfte sein Hemd auf und berührte seine Kette. Das silberne Kreuz war ganz heiß, doch noch begriff Leo nicht, was dies zu bedeuten hatte. Ganz in Gedanken versunken knöpfte er sein Hemd wieder zu und setzte seinen Weg fort. Er war ein wenig durcheinander und wollte so schnell wie möglich auf sein Zimmer. Hoffentlich waren Bill und Gilian schon dort.


Leo hatte Glück, beide Jungs waren bereits in ihrem Zimmer, als er ankam.  „Gut, dass ihr beide hier seit, ich muss euch unbedingt was erzählen!“ Leo legte seine Tasche auf sein Bett und begann aufgeregt zu Erzählen. Nachdem er den ganzen Vorfall bis ins Detail geschildert hatte hielt er inne und schaute die beiden anderen Jungen gespannt an. Gilian sah ihn ein wenig kritisch an. Bill jedoch schien diese Geschichte nicht sonderlich zu beunruhigen.
„Dir ist ja nichts passiert, das sind harmlose Geister, die scheinen niemandem was tun zu wollen.“ Gilian konnte sich das Lachen nun nicht mehr verkneifen.
„Geister? Und dann noch nette Geister? Du scheinst ja Erfahrungen damit gemacht zu haben, haben sie dich auch schon besucht?“ Bill ging nicht weiter auf Gilians Sticheleien ein. Er erhob sich und lief zum Fenster. Er sah runter auf den Campus, doch dort schien alles ruhig und in bester Ordnung  zu sein. 
„Mein Vater kennt sich damit aus.“ Begann Bill zu erzählen. „Er ist sozusagen Spezialist auf diesem Gebiet.“
Leo stellte sich nun neben Bill ans Fenster.
„Ja klar doch, jetzt weiß ich warum mir dein Name so bekannt vorkam. Jack Hunter ist dein Vater! Der bekannteste und erfolgreichste Geisterjäger unserer Zeit. Wie aufregend, warum hast du uns das den nicht erzählt?“  Gilian verstand nun gar nichts mehr. Vor allem nicht warum Leo auf einmal so aufgeregt war.
„Geisterjäger? Das ist nicht dein Ernst, ist das überhaupt ein Beruf?  Also ich verstehe gut warum Bill nichts gesagt hat, man hätte ihn glatt für verrückt erklärt.“ Gilian schüttelte den Kopf, er hielt das alles noch immer für einen Scherz.
„Bitte hängt das nicht an die große Glocke, ich möchte nicht, dass die anderen davon erfahren. Ich bin hierher gekommen um endlich mal Abstand davon zu bekommen. Natürlich ist es aufregend und spannend, aber mit der Zeit nervt es gewaltig. Dauernd muss ich meinen Vater verteidigen, wenn ihn die Leute wieder für verrückt erklären. Ja Gilian hat recht, viele halten ihn  für verrückt.“
„Aber er kann uns helfen, dein Vater kennt sich doch bestens mit Geistern und so aus.“ Leo setzte sich nun an den großen Tisch und begann seine Tasche auszupacken.
„Bei was soll er uns den helfen? Es ist doch eigentlich nichts passiert. Und solange das so bleibt möchte ich ihn nicht unnötig beunruhigen. Wir können doch selbst ein wenig nachforschen, ob so was hier überhaupt schon mal passiert ist. Ich helfe dir auch. Aber glaub mir Leo solange du dich innerhalb des Geländes aufhältst wird dir sicher nichts passieren. Außerdem hast du ja dein Kreuz. Es ist aus echtem Silber nehme ich an? Dann können die dir sowieso nicht zu nahe kommen.“  Bill hoffte Leo damit etwas zu beruhigen und es schien zu funktionieren.
„Gut, ich gehe morgen Nachmittag gleich in die Bibliothek, vielleicht find ich etwas heraus.“

Gilian erhob sich und schnappte sich sein Badetuch.
„Ich geh dann mal duschen, ihr könnt euch ja noch ein wenig Geistergeschichten erzählen. Und keine Angst, sollte mir unterwegs einer begegnen zeig ich ihm den Weg zu unserem Zimmer, damit ihr euch unterhalten könnt. Ihr hättet sicher eine Menge zu bereden.“ Gilian grinste und schloss die Tür hinter sich.

In Zeichen des Kreuzes

Der nächste Tag begann früh. Alle drei Jungs hatten viel zu wenig Schlaf gefunden in der letzten Nacht. Seit sie gestern Nacht in ihr Zimmer zurückgekehrt waren, hatten sie sich nicht weiter darüber unterhalten, was geschehen war. Auch am frühen Morgen sprach keiner das Thema an. Bill war nun doch ein wenig beunruhigt und überlegte sich, ob er nicht doch seinen Vater anrufen und ihm davon erzählen sollte? Doch eigentlich war ja nichts Schlimmes passiert und Gilian und Leo schienen ja auch nicht sonderlich viel Angst zu haben. Er entschied sich erstmal nichts zu unternehmen, im Gegenteil zu Leo.  Der war nun richtig in Alarmbereitschaft und wollte nun alle nur möglichen Gefahren vorbeugen. Nach den ersten beiden Nachmittagsstunden hatte er frei. Er entschied sich, die Zeit dafür zu nutzen, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Leo fuhr mit dem Bus in die nahegelegene Stadt zum Einkaufen. Bevor er sich auf den Rückweg machte besuchte er noch die nahegelegene Kirche. Als Leo gegen Abend zurückkehrte war er froh alles erhalten zu haben. Nun fühlte er sich etwas sicherer und Gilian und Bill hoffentlich bald auch.


Nach dem Abendessen ging Leo nicht wie üblich rüber in die Bibliothek, sondern er ging direkt in sein Zimmer. Bill und Gilian waren noch nicht da, also beschloss er, für einmal heute hier zu lernen und auf die Jungs zu warten. Als erstes kam Bill. Er sah müde aus und war nicht sehr gesprächig. Nur kurz nickte er ihm zur Begrüßung zu und legte sich dann auf sein Bett. Leo beschloss ihn ausruhen zu lassen bis Gilian kommen würde. Dies dauerte tatsächlich noch eine ganze Weile. Als er eintrat fielen Leo sofort die dreckigen Schuhe auf. Gilian musste wieder auf dem Friedhof gewesen sein. Alleine, im Dunkeln, wie konnte er nur! Als wäre gestern Nacht überhaupt nichts geschehen. Gilian streifte seinen Rucksack ab und sah Leo fragend an.
„Seit wann arbeitest du denn hier?“ Leo schloss sein Buch und erhob sich. Er sah seine beiden Freunde eindringlich an. „Hört zu, ich wollte mit euch reden. Über das was gest
ern Abend vorgefallen ist. Ich mache mir ehrlich gesagt ein wenig Sorgen.“ Bill sah ihn verständnisvoll an. Er konnte verstehen, dass es für normale Leute beängstigend sein musste, sich mit Geistern auseinanderzusetzen.
„Ich weiß es muss für euch echt seltsam gewesen sein, aber glaubt mir, es ist halb so wild. Die Geister haben uns nicht angegriffen, glaubt mir, hätten sie es gewollte, so hätten sie es auch getan. Es muss einen bestimmten Grund geben, weshalb sie dort waren, aber ich denke nicht, dass es unsertwegen war. Also macht euch nicht zu viel Gedanken darüber.“
„Ich sehe das genauso.“ Gilian hatte sich auf Leos Bett gesetzt. Er wirkte sehr gelassen und erstaunlicher weise hatte er dieses Mal keine Widerworte sondern ließ Bill weitersprechen.
„Ich werde mich auf jeden Fall mal ein wenig erkundigen, was hier in den letzten Jahren so seltsames vorgefallen ist. Vielleicht werden wir ja schlauer und finden heraus was sie hier wollen. Aber wie gesagt Leo, ist bestimmt alles halb so wild.“ Wieder nickte Gilian bestätigend.
„Ich jedenfalls mach mir keine großen Gedanken darüber. Ist ja nichts passiert.“
„Und deshalb bist du so lebensmüde und gehst gleich wieder alleine auf den Friedhof? Das war sicherlich auf keinen Fall eine gute Idee von dir gewesen.“
„Keine Angst, Mary beschützt mich. Und außerdem, ich hab euch gestern gerettet, also wovor soll ich mich bitte fürchten?“
„Gilian, Leo hat recht, du solltest vorerst nicht alleine dorthin gehen. Jedenfalls nicht solange wir nicht wissen, was genau hier los ist.“ Mahnte ihn Bill.
„Genau und damit uns solange nichts geschehen wird habe ich euch diese hier besorgt.“ Leo zog zwei Halsketten mit silbernen Kreuzen dran aus seiner Hosentasche. Sie sahen fast genauso aus wie der Anhänger, den er selbst trug. Gilian begann zu lachen.
„Ach wie niedlich, sind die für uns? So eine Art Freundschaftsbändchen? Das Symbol unserer Freundschaft oder was? Tolle Idee Leo, wirklich, aber weißt du, das ist nichts für mich. Ich stehe eher auf richtigen, echten  Schmuck. Das hier ist halt irgendwie nicht mein Stil.“
„Zu deiner Information, das hier ist aus echtem Silber! Und außerdem soll die Kette nicht bloß cool aussehen, sondern vor allem dein Leben schützen.“ Bill lief zu Leo rüber und griff sich eine der Ketten.
„Ich glaube die kann uns nicht schaden, wer weiß was noch kommt. Danke Leo.“ Gilian musste feststellen, dass er hier wohl nicht mit Widersprüchen weiterkam. Also stand er auf und nahm sich die andere Kette. Begeistert schien er jedoch nach wie vor zu sein. Kaum hatte er das Zimmer verlassen verstaute Gilian die Kette in seiner Manteltasche. Auf keinen Fall würde er dieses Kreuz tragen! Sollten doch Bill und Leo an diesen Unsinn glauben. Er hatte keine Angst, schließlich hatte er ja letzte Nacht die Geister vertrieben, ohne Kreuz!


Am nächsten Tag liefen die drei Jungs zusammen über den Campus um zur Englischstunde zu gelangen. Vor dem Zimmer trafen sie auf Helen und Melinda.
„Du hast aber eine schöne neue Kette. Das Kreuz sieht richtig cool aus.“ Melinda stand neben Bill und bewunderte seine Halskette, die er gestern von Leo erhalten hatte. Gilian sah sie überrascht an. Hatte sie gerade gesagt, dass dieses Kreuz cool aussah? Das konnte doch nicht sein. Die vier anderen waren bereits ins Zimmer gelaufen und setzten sich auf ihre Plätze. Gilian stand noch immer draußen und kramte in seiner Manteltasche nach der Kette. Endlich fühlte er sie in seinen Händen. Er zog sie heraus und streifte sie sich über. Wenn Bill damit cool aussah, dann er erst recht!

Zimmer 66(6)

Leo warf immer wieder einen kurzen Blick auf den Plan in seinen Händen und führte die Beiden zielsicher durch etliche Stockwerke und Gänge.  Bill staunte, wie sicher er sich in der auch für ihn fremden Umgebung bewegte. Und auch Gilian musste sich eingestehen, dass sie sich ohne Leo wohl nicht so schnell in diesem Labyrinth zurechtgefunden hätten. Es dauerte keine fünf Minuten und sie standen vor einer Tür. 66, das musste ihr Zimmer sein. Bill begutachtete das Schild. Irgendein Witzbold hatte darauf mit schwarzer Farbe eine weitere Sechs gemalt. Zimmer 666, das fing ja schon mal gut an!


Gilian trat als erster ein und sah sich neugierig um. Viel gab es jedoch nicht zu entdecken. Direkt hinter der Tür war ein großer Schrank. In der rechten Ecke stand ein einzelnes Bett und auf der linken Seite stand ein Kajütenbett. Geradeaus war ein Fenster, von welchem aus man direkt runter auf den Campus schauen konnte. Vor dem Fenster stand ein eckiger Tisch, mit drei Stühlen. Bill, der hinter Gilian das Zimmer betreten hatte stellte sich nun neben ihn ans Fenster.
„Na dann, hier werden wir wohl nun wohnen. Macht es euch etwas aus, wenn ich das einzelne Bett hier nehme?“ 
„Nein, nimm es ruhig, ich nehme das Hochbett, das ist wie für mich gemacht.“ Antwortete Gilian und warf sogleich den Rucksack auf das obere Bett. Bill drehte sich kurz zu Leo um, der nun ebenfalls ins Zimmer gekommen war.
„Kein Problem. Du kannst das Bett ruhig haben.“ Bill nickte Leo dankend zu, nahm seine Koffer und stellte sie neben sein Bett.
Leo blickte zu Gilian und lächelte verschmitzt :„Und du Gilian kannst natürlich auch das obere Bett nehmen, ich bleib lieber am Boden.“


Nachdem Leo all seine Klamotten fein säuberlich im Schrank verstaut hatte, setzte er sich an den Tisch. Er griff nach seiner Tasche und zog ein paar lose Blätter heraus. Bill, der nun auch begonnen hatte, seine Kleider in den Schrank einzuräumen drehte sich nun zu ihm um.
„Willst du schon anfangen Hausaufgaben zu machen? Kannst es wohl kaum erwarten bis es los geht?“
„Nein, ich geh nur noch mal kurz meinen Stundenplan durch.“
„Woher hast du schon einen Stundenplan?“ Bill staunte, wie gut Leo doch auf alles vorbereitet war. Gilian, der es sich in der Zwischenzeit auf seinem Hochbett bequem gemacht hatte begann zu lachen.
„Sehr wahrscheinlich war er vor den Ferien hier und hat ihn sich abgeholt. Streber machen so was, lass dich bloß nicht davon anstecken Bill.“ Leo drehte sich kurz um und sah zu Gilian hoch. Doch auch dieses Mal unterließ er es, etwas darauf zu erwidern. Stattdessen wandte er sich wieder Bill zu.
„Ich habe den Stundenplan aus dem Internet. Wusstet ihr nicht, dass die Universität ihre eigene Website hat? Nicht nur die Stundenpläne findet man dort, sondern auch viele andere nützliche Sachen. Zum Beispiel den Plan vom gesamten Schulgelände.“ Leo hörte wie Gilian sich räusperte. Bill kam ihm jedoch zuvor.
„Das ist super, ich werde mir die Seite nachher sicher mal noch kurz ansehen, kann ja nicht schaden.“ Gilian hatte sich in der Zwischenzeit umgedreht und starrte nun die kahle Wand an. Bill beeilte sich, die restlichen Kleider noch im Schrank zu verstauen. Er wollte sich nachher unbedingt noch ein wenig  die neue Umgebung ansehen.


„Ich werde mich draußen mal ein wenig umsehen, kommt ihr mit?“ Bill griff nach seiner Jacke und öffnete die Tür.
„Danke, ich werde mir das Ganze morgen ansehen, ich muss ja nichts überstürzen.“ Gilian war vom Hochbett hinabgestiegen und hatte nun auch beschlossen, seine wenigen, meist schwarzen Klamotten auszupacken. Leo erhob sich und schnappte sich ebenfalls seine Jacke.
„Ich komme mit Bill, ich bin gespannt was es hier alles gibt. Außerdem wollte ich noch kurz beim Empfang vorbeischauen, vielleicht krieg ich noch heute meine Schulbücher, dann muss ich morgen früh nicht Schlangestehen.“


Als die beiden Jungs auf den Campus traten begann es bereits zu Dämmern. Dennoch waren viele Studenten unterwegs, wahrscheinlich auch viele Neulinge, die sich wie Bill und Leo neugierig umschauten. „Was hat dich eigentlich dazu bewegt hier in Irland zu studieren?" fragte Leo neugierig. Bill überlegte kurz und entschied sich dann dafür, nicht die ganze Wahrheit preis zu geben. Leo musste ja nicht gleich alles von ihm wissen. „Weisst du, ich wollte einfach mal ein wenig raus aus England. Ein wenig Abstand gewinnen, von zu Hause. Und natürlich auch mal was Anderes kennenlernen, ein neues Land entdecken." Leo nickte. Er konnte dies gut nachvollziehen. „Und weswegen hast du dich für diese Universität entschieden?"
„Weisst du, obwohl ich nun schon seit ein paar Jahren in Deutschland lebe ist Irland meine Heimat. Mein Vater hat vor Jahren selbst hier studiert und immer davon geschwärmt. Ausserdem wollte ich für einige Zeit zurück nach Hause. Weisst du, ich habe wundervolle Erinnerungen an meine Kindheit hier." Leo lächelte ganz in Gedanken versunken.

Auf dem Campus gingen nun die Lichter, es war schon fast Dunkel. Die beiden Jungen kamen an der Bibliothek vorbei und Leo warf einen neugierigen Blick, durch eines der Fenster, hinein. Die Bibliothek, das war sein Reich, dort fühlte er sich einfach wohl.
Dann machten sie sich auf den Rückweg. Als sie wieder beim Hauptgebäude angekommen waren, trennten sich ihre Wege. Leo ging noch beim Empfang vorbei und Bill begab sich wieder auf sein Zimmer. Unterwags fiel ihm ein, dass er seinem Vater noch gar nicht Bescheid gegeben hatte, dass er gut angekommen war. Er hatte es ihm ja heute Morgen versprochen. Bill griff in seine Jackentasche und suchte nach seinem Handy. Als er es gefunden hatte zog er es heraus und wählte die Nummer seines Vaters. Doch auch nach unendlich langem Klingeln ging niemand ran. Sehr wahrscheinlich war er noch immer am Arbeiten. Oft dauerte es bis spät in die Nacht, daran hatte sich Bill schon gewöhnt.
Er wartete, bis sich der Anrufbeantworter meldete und sprach Jack eine kurze Nachricht aufs Band. So wäre sein Vater beruhigt und würde sich keine Sorgen um ihn machen müssen.

Bill Hunter

„Bill beeile dich, das Taxi wartet, du kommst sonst noch zu spät zum Flughafen!“
Jack Hunter, Bills Vater, stand ungeduldig unten an der Treppe und wartete auf seinen Sohn. Schweren Herzens musste er ihn seine Reise nach Irland alleine antreten lassen, da ihm kurzfristig ein neuer, wichtiger Auftrag dazwischenkam. Bill hingegen freute sich sehr darauf, dieses Abenteuer ohne seinen Vater zu beginnen. Endlich weg aus England! Dort drüben, in Irland, würde ihn niemand kennen, vor allem würden sie seinen Vater nicht kennen. Natürlich mochte er ihn. Doch war er es leid, sich immer rechtfertigen zu müssen, für den, für die meisten Menschen etwas seltsame Beruf seines Vaters. Auch er hatte sich nie wirklich groß damit auseinandergesetzt, doch er wusste, dass dieser seine Arbeit sehr erfolgreich ausführte. Für sie beide war es nie leicht gewesen, doch von nun an würde er einfach nur Bill Hunter sein können und nicht mehr der Sohn des Geisterjägers. Bill kam eilig die Treppe hinuntergelaufen. Seine beiden vollgepackten Koffer standen bereits am Eingang. Jack half seinem Sohn sie raus zu tragen, wo der Taxifahrer schon darauf wartete, sie im Kofferraum zu verstauen. Die Verabschiedung zwischen Vater und  Sohn fiel herzlich aus. Bill versprach sich so bald er angekommen wäre zu melden.
„Tut mir Leid  dass ich dich nicht begleiten kann, aber ich komme dich bald mal besuchen. Ich möchte ja schließlich wissen, wo mein Junge untergekommen ist.“ Jack drückte ihn nochmals und dann stieg Bill auch schon in das wartende Taxi und fuhr davon. Seine Vorfreude war riesengroß, endlich, das war der Beginn seines selbständigen Lebens auf einem College fernab der Heimat.

Gilian Gilman

Der Wald lichtete sich allmählich und das Taxi fuhr jetzt langsamer. Gespannt schaute Bill aus dem Fenster. Und da sah er es, ein großes, englisches Backsteinhaus und ein wenig dahinter liegend drei kleinere, die alle identisch aussahen. Der Wagen fuhr durch das große, schwarze Eisentor und hielt auf dem Hof vor dem Haus. Bill stieg aus und sah sich um. Irgendwie erinnerte ihn das Haus eher an ein altes Spukschloss als an ein College. Rundherum war nichts als Wiese und Wald, die kleine Stadt, an der sie vorbeigefahren sind, schien meilenweit entfernt zu sein.
„Vielen Dank.“ Der Fahrer hatte Bill die Koffer vor die Füße gestellt. Er nickte ihm kurz zu, stieg wieder ins Auto und fuhr weg.


Bill hielt kurz inne und schaute dem Wagen nach. Erst als dieser gar nicht mehr zu sehen war bückte er sich nach seinen beiden Koffern. Er nahm sie auf und lief über den großen Hof auf die Eingangstür zu. Kurz bevor er die Tür erreicht hatte wurde er unsanft von hinten angerempelt.
„Oh tut mir leid, pardon, ich bin wohl gestolpert.“ Bill drehte sich ein wenig genervt um und blickte direkt in das Gesicht eines großen, schlanken Jungens. Sein langes, dunkles Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er bückte sich und versuchte seinen langen, schwarzen Mantel, der nun leicht zerknittert war, wieder glatt zu streichen. Bill musterte ihn ein wenig kritisch, dann meinte er: „ Schon okay. Ist ja auch kein wunder bei dem Teil würde ich auch über meine eigenen Füße stolpern,“ und er zeigte auf den langen Mantel, der noch immer ein wenig zerknittert aussah. Der andere Junge grinste.
„Ist ein Erbstück, darauf  muss ich besonders acht geben, weißt du. Wie ist dein Name? Ich bin Gilian, “ freundlich streckte er die Hand aus. „Schlag ein Kumpel.“ Bill beäugte ihn kritisch, erwiderte dann aber den Handschlag.
„Ich bin Bill, “ antwortete er knapp und lief durch die große Eingangstür hinein ins Haus.


Drinnen, in der großen Eingangshalle standen schon viele andere Schüler und sahen sich interessiert um. Mit den großen, farbigen Fenstern hatte der Saal eher den Charme einer Kirche. Und die robusten, alten Holzmöbel, die sich dahinter im Essbereich befanden machte die Atmosphäre auch nicht gerade viel freundlicher.

 
Bill stellte seinen Koffer zu den Gepäckstücken der anderen Schüler, in eine Ecke. Dann setzte er sich auf eine der Holzbänke vor den Tischen.

Leo Meyer

„Ist hier noch frei?“ Bill drehte den Kopf zu Seite und sah, dass sich der Junge von vorhin zu ihm gesellt hatte. Er nickte nur kurz, rutschte ein Stück zur Seite und wandte sich dann wieder seiner Broschüre zu. Er versuchte so interessiert wie möglich zu wirken, damit er Gilian keine weitere Aufmerksamkeit schenken musste.
„Oh nein, jetzt habe ich meinen Rucksack vergessen! Halte mir den Platz frei, ja?“ Gilian erhob sich wieder und wollte zum Eingang eilen. Doch kaum ein paar Meter weiter stieß er mit einem Jungen zusammen. Dieser hatte einen Stapel Bücher in der Hand, von denen die Hälfte nun zu Boden fiel.
„Verdammt! Kannst du nicht aufpassen?“ Gilian begutachtete erneut seinen Mantel, der mittlerweile unübersehbar zerknittert war. Diesmal unterließ er sogar den Versuch, ihn wieder glattzustreichen. Genervt hob er den Kopf, um den anderen Jungen eingehend zu mustern. Groß war er, fast so groß wie er selbst, und schlank. Sein blondes Haar  hatte er mit ordentlich  viel Gel bearbeitet und seine tiefblauen Augen schauten ihn freundlich an. Er lächelte kurz entschuldigend und sogar seine Zähne schienen makellos zu sein. Einfach alles an ihm war nahezu perfekt. Dies trug jedoch nicht sonderlich dazu bei, ihn Gilian sympathischer zu machen.
„Tut mir leid, ich war wohl etwas in Gedanken“, entschuldigte sich der Junge freundlich.
„Ja ist ja gut.“ Gilian drehte sich einfach um und lief weiter.


Bill, der alles beobachtet hatte, erhob sich nun und zwängte sich an den vielen Schülern vorbei zu dem Jungen. Er bückte sich und half ihm, die Bücher wieder aufzuheben.
„Vielen Dank, sehr freundlich von dir.“ 
„Keine Ursache. Ich habe mit diesem langhaarigen Typen auch schon Bekanntschaft gemacht, er ist wohl einfach ein wenig seltsam. Übrigens ich bin Bill."
„Leo, deine Koffer stehen noch draußen!“  Leo drehte sich zu dem jüngeren Jungen um, der ihn gerufen hatte und nickte ihm kurz zu.
„Nochmals danke, wir werden uns hier sicher wieder begegnen. Bis bald.“ Leo erhob sich und lief dann nach Draußen. Bill ging zurück und setzte sich wieder, um auf Gilian zu warten. Er hatte gerade die Listen mit den Zimmereinteilungen entdeckt, da musste er nachher unbedingt einen Blick drauf werfen.


Als Gilian wiederkam erhob sich Bill und sie liefen zusammen Richtung Ausgang, wo die Listen für die Zimmereinteilungen hingen. Gilian drängte sich sofort zwischen all den Leuten durch, bis er vor den Listen stand. Nach ein paar Minuten hatte sich Bill dann auch endlich durchgekämpft, da zog ihn Gilian auch schon am Ärmel wieder aus der Menge heraus.
„Was soll das?“ fragt Bill ein bisschen genervt. Doch Gilian grinste ihn unentwegt an.
„Wir sind zusammen auf einem Zimmer Kumpel. Das wird bestimmt ein Spaß!“
Bill stand ein wenig unbeholfen zwischen den anderen Jugendlichen. Na super das hatte ihm gerade noch gefehlt, mit diesem überdrehten Typen auf einem Zimmer.
„Bill, wo bleibst du denn? Komm wir gehen unser Zimmer suchen.“
Erst jetzt bemerkte Bill, das Gilian schon ein ganzes Stück vorausgelaufen war. Schnell packte er seine beiden Koffer und folgte Gilian. Nun war er doch froh, dass er seinen Zimmergenossen schon kennengelernt hatte, denn bei diesen vielen verschiedenen Gebäuden  und Gängen blickte er absolut nicht mehr durch. Auch hatte er überhaupt keine Ahnung wo sie hin mussten. Er vertraute einfach auf Gilian und lief hinter ihm her. Dass dies ein Fehler war bemerkte er erst, als selbst Gilian zugeben musste, dass sie nur noch ziellos umherirrten.
„Hast du den nicht mal kurz auf den Geländeplan geschaut, bevor wir losgelaufen sind?“ fragte Bill jetzt leicht gereizt. Gilian drehte sich zu ihm um: „Nein du Schlaumeier, aber ich hab die Zimmernummer aufgeschrieben.“ Stolz hielt er ihm einen voll gekritzelten, leicht zerknitterten Zettel hin. Bill versuchte gar nicht erst etwas zu entziffern.
„Okay“, meinte er, „dann geh ich jetzt kurz zurück und schau mir den Geländeplan genau an. Sonst laufen wir zwei hier noch ewig durch die vielen Gänge.“
 

Bill drehte sich um und stieß beinahe mit Leo  zusammen.
„Tut mir leid, ich hab dich gar nicht  kommen sehen.“
„Ach nicht, der schon wieder.“ Gilian stand direkt hinter Bill und verdrehte genervt die Augen. Er bückte sich nach seiner Tasche und lief den Gang runter.
„Komm Bill, wir gehen weiter!“ rief er ihm über die Schulter zu.
„Warte mal, Gilian, wir wissen doch gar nicht wo wir hin sollen.“
„Vielleicht kann ich euch weiterhelfen?“ Leo zog  einen Zettel aus seiner Hemdtasche, faltete ihn auseinander und strich ihn vorsichtig glatt. Bill erkannte darauf den gesamten Plan des Schulgeländes.  
„Du hast wenigstens den richtigen Zettel dabei.“ Bill betonte diesen Satz besonders und blickte dabei vorwurfsvoll zu Gilian.
„Streber“, zischte der nur verächtlich und blieb weiter auf Abstand. Bill konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. 
„Wisst ihr denn wo ihr hin müsst?“ fragte Leo immer noch freundlich. Er  ignorierte Gilians ablehnendes Verhalten einfach.
„Ja, Gilian hat die Zimmernummer aufgeschrieben, ich konnte sie allerdings nicht entziffern“, gab Bill ehrlich zu.
„Ich hab eine exzellente Handschrift, darüber hat sich noch nie jemand beschwert!“ nun sah Gilian Bill vorwurfsvoll an. Dann kramte er erneut seinen zerknitterten Zettel aus der Manteltasche.
„Hier, Zimmer 66.“ „Was? 66 sagtest du?“ Leo streckte neugierig seinen Kopf über Gilians Schulter und versuchte sein Gekritzel zu entziffern.
„Ja, steht hier doch!“ genervt steckte Gilian den Zettel wieder ein.
„Das ist ja super, dann können wir gleich zusammen suchen, ich bin auf demselben Zimmer.“ Leo lachte und lief mit dem Plan in der Hand voran.
„Gilian, kommst du?“ Bill drehte sich nach ihm um. Dieser stand immer noch an derselben Stelle und schaute Leo hinterher. Jetzt ließ er ein unüberhörbares Seufzen hören, schloss sich dann aber widerwillig den beiden Jungen an.

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