Journalismus & Glosse
Sankt Angela - Die Dienstagskolumne aus dem Hause Hagenbäumer

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"Sankt Angela - Die Dienstagskolumne aus dem Hause Hagenbäumer"
Veröffentlicht am 19. September 2010, 14 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Sankt Angela - Die Dienstagskolumne aus dem Hause Hagenbäumer

Sankt Angela - Die Dienstagskolumne aus dem Hause Hagenbäumer

Beschreibung

Der deutschen Bundeskanzlerin einen offenen Liebesbrief zu schreiben, mag vielleicht für den einen oder anderen Leser, womöglich auch für die eine oder andere Leserin, als ein allzu gewagtes Unterfangen erscheinen - fällig ist es aber so oder so längst.

Um es gleich zu Anfang klar zu stellen, hier geht es nicht um die Heilige Angela Merici (ca.1470 - 1540) , die Begründerin des Nonnenordens der "Ursulinen", sondern um die deutsche Bundeskanzlerin, deren späterer Heiligsprechung eigentlich nur noch die hierfür grundsätzlich erforderliche Konvertierung zum Katholizismus entgegen steht, aber was noch ist, kann ja immer noch werden.

Angela Merkel ist wohl immer noch die am meisten unterschätzteste Politikerin Deutschlands und wird es vermutlich für lange Zeit bleiben. Ihre politische Karriere, acht Jahre als Ministerin der Kohlregierung und daran anschliessend eine ebenso unauffällige wie atemberaubende Laufbahn in der CDU, offenbart sowohl ein überragendes taktisches Geschick als auch meisterliche strategische Fähigkeiten.

Es soll hier nicht im Einzelnen dargelegt werden, wie die Hamburger Pastorentochter zu einer der mächtigsten Frauen der Welt aufstieg. Vielmehr interessiert die politische Handschrift der Kanzlerin, ihre ganz persönliche Art der Machtausübung.

Der kommende Parteitag der CDU wird ausser der sicheren Wiederwahl der Vorsitzenden einen personell erfrischten Parteivorstand und eine weitere Öffnung der Partei zur Mitte der Gesellschaft ergeben und gleichzeitig das zur Zeit umgehende Gespenst einer "Partei rechts von der Union" nachhaltig verscheuchen.

Zielstrebig und mit unendlich erscheinender Geduld hat es Angela Merkel geschafft,die innerparteiliche Konkurenz ins Abseits zu manövrieren, ohne auch nur ein einziges Mal beim Strippenziehen erwischt zu werden. Zuletzt durfte der sich dauerhaft bedeckt haltenden Ministerpräsident Wulf den Weg in den politischen Vorruhestand antreten und seither gibt es Niemand in der CDU mehr, der die Position der Kanzlerin gefährden könnte, ausser der Vorsitzenden selber.

Erstaunlicherweise geschieht derlei nicht im Verborgenen, sondern in aller Öffentlichkeit und doch völlig unbemerkt. So wurde sehr oft ein "Machtwort" von der Kanzlerin gefordert, welches nie kam; Angela Merkel handelt lieber, anstatt zu schwätzen.

Wenn sie allerdings dann doch mit aller Macht Position bezieht, so wird das von der breiten Öffentlichkeit nicht als solches bemerkt. Als gutes Beispiel soll hier ihr Auftritt vor dem Deutschen Bundestag in der Haushaltsdebatte genannt werden. Dort erklärte die Kanzlerin, unter amüsiertem Beifall der grünen Opposition, die kommende Landtagswahl in Baden-Württemberg zur "Befragung der Bürger über die Zukunft Baden-Württembergs,über Stuttgart 21 und viele andere Projekte (...) die für die Zukunft dieses Landes wichtig sind. "

Diese erstaunlich kämpferische Aussage zeigt in schöner Eindeutigkeit den politischen Realismus der Kanzlerin. Natürlich weiss Angela Merkel ganz genau, dass die Landtagswahl in Baden-Württemberg nur einer Partei einen massiven Stimmzuwachs bringen wird, nämlich den Grünen. Ob aber die tradionell konservativ eingestellte Wählerschaft tatsächlich einer bestenfalls durch Wankelmütigkeit aufgefallenen SPD eine tragfähige Mehrheit verpassen wird, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden; bestenfalls könnten die rosaroten den Juniorpartner in der ersten grünen Landesregierung Deutschland spielen. Ein schwarz-grünes Bündnis hätte zwar eine deutliche Mehrheit, erscheint aber vorerst äusserst unwahrscheinlich.

Für ein solches Bündnis müsste die CDU sowohl das umstrittene Projekt "S21" als auch die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke beerdigen, tönt es selbstbewusst aus dem Bundesvorstand der Ököpartei. 

Nun ist ja noch einige Zeit bis zum kommenden März und gerade die Laufzeitverlängerung verweist auf einen anderen, bislang verborgenen Aspekt der Merkelschen Agenda hin, die tatsächliche Haltung der promovierten Physikerin zur Atomkraft.

Doch dazu später mehr.

Selbstverständlich weiss die Kanzlerin auch, wer auch immer die kommende Landesregierung im Ländle stellen wird, das umstrittene Projekt ist durch niemand mehr aufzuhalten. So stünde eine Landesregierung mit grüner Beteiligung vor einem unauflösbaren Dilemma und der Entscheidung zwischen dem totalen Verlust der Glaubwürdigkeit bei den Wählern oder dem ebenso kostenspieligen wie absolut aussichtslosen Versuch, das längst besiegelte Vorhaben noch "irgendwie" aufzuhalten. Und das wissen natürlich auch die Grünen. So wird es wahrscheinlich auf eine CDU/SPD Koalition hinauslaufen, die - angesichts der zu erwartenden Stimmverluste der beiden Parteien - kaum noch als "grosse Koalition" bezeichnet werden könnte.

So kann die Kanzlerin die Wahl bereits jetzt mit einiger Sicherheit als "Volksbefragung" verkaufen, der höhnische Beifall der grünen Fraktionäre darf in diesem Zusammhang als "Pfeifen im dunklen Wald" verbucht werden. Da auch von den ebenfalls im kommenden März anstehenden Wahlen in Sachsen-Anhalt und in Rheinland-Pfalz keine wesentlichen Änderungen zu erwarten sind, kann die Regierung tatsächlich ungefährdet den Richtlinien der Kanzlerin folgen.

Was uns zu der oben erwähnten Atomfrage bringt, denn schliesslich hat ja auch Angela Merkel, damals Bundesumweltministerin, 1998 die Castortransporte aus den deutschen Atomkraftwerke verboten. Die spätere Aufhebung dieser Entscheidung ausgerechnte durch den grünen Umweltminister Jürgen Trittin machte diesen zwar für einige Zeit zum Buhmann der Nation, stellte aber gleichzeitig klar, wie flexibel grüne "Realpolitiker" tatsächlich sind.

Leider ist es um das Regierungshandwerk der Grünen nicht gleichmassen gut bestellt, gelang es ihnen doch nicht wirklich, den  Atomausstieg gründlich genug festzuzurren, wie es jetzt die Schwarz-Gelben, mit freundlicher Unterstützung der Atomwirtschaft, aller Welt vorführen.

Aber ist das auch das, was Angela Merkel wirklich will ?

Wenn dem tatsächlich so wäre, wieso hat sie dann mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten Regelung zur Laufzeitverlängerung in aller Ruhe abgewartet, bis die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit durch die Wahlen in NRW abhanden kam ? Zeit genug hätte sie ja gehabt.

Warum wurde diese wichtige Entscheidung dann doch im Hauruckverfahren in einer nächtlichen Sitzung im Kanzleramt durchgeboxt ? Und aus welchem Grund hat die Kanzlerin zugelassen, dass im Nachlauf dieser Entscheidung der Eindruck entstehen konnte, die Regierungsparteien hätten einen schmutzigen Deal mit der Atomlobby abgeschlossen ?

Sollte sie tatsächlich mit dem Job der Regierungschefin überfordert sein ?

Möglich und denkbar ist das.

Denkbar ist aber auch folgendes:

Angela Merkel war bereits nach den Bundestagswahlen im letzten Jahr klar, was auf sie zukommen wird. Die Deutschen würden ganz sicher nicht erbaut sein, wenn die Regierung lieb gewonnene Besitzstände beschneiden muss und beispielsweise so unsinnige Regelungen wie die Zahlung von Rentenbeiträgen und Elterngeld für Hartz IV-Empfänger einfach streicht.

Auch die Neuregelung der Sozialgeldsätze für Kinder kam ja nicht völlig überraschend. So hatte die Kanzlerin auf jeden Fall mit einem "heissen Herbst 2010" zu rechnen und musste befürchten, es könne der Opposition gelingen, die Leistungsempfänger massenhaft zu mobilisieren, um in ganz grossem Stil gegen die Politik der Koalition zu demonstrieren. Eine solche Massenbewegung, wäre sie erst einmal losgetreten, hätte ganz sicher nicht mehr kontrolliert werden können und was dann passiert wäre, mag sich der geneigte Leser selbst ausmalen.

Darüber hinaus hat die Koalition noch einige andere höchst unpopuläre Massnahmen durch zu setzen, von denen einige durchaus geeignet sind, massenhafte Proteste auszulösen.

Gleichzeitig stand und steht die Kanzlerin ständig unter dem Druck der Grosskonzerne, allen voran die vier Energieriesen, deren wirtschaftliche Macht ein erheblicher politische Faktor ist. Sich mit denen ganz frontal und direkt anzulegen, ist für jeden Menschen ein gefährliches Unterfangen, sei man nun Stromkunde in Delmenhorst oder Kanzlerin in Berlin.

Wäre also die Kanzlerin in Wahrheit für den Ausstieg aus der Atomkraftnutzung, so hätte sie nur einen Weg, dieses Ziel zu erreichen. Die Ausrede mit dem vertragstreuen Koalitionspartner SPD war ja durch die Wahlen abhanden gekommen, also musste die Kanzlerin das Volk und Opposition gleichermassen aufwiegeln, ohne selbst in der Schusslinie zu stehen.

Es musste also der Verlust der Bundesratsmehrheit abgewartet und dann eine äusserst wackelige Konstruktion gefunden werden, die einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich nicht standhalten wird. Und gleichzeitig konnte so der Volkszorn in eine kontrollierbare Richtung gelenkt werden. Die Ablehnung der Atomkraft geht quer durch alle Schichten und hat längst die militanten Anfänge der Protestbewegung hinter sich gelassen. Es ist also nicht mehr damit zu rechnen, dass die Regierung unter direkten Druck der Strasse gerät, vielmehr werden alle Kräfte darauf konzentriert sein, eine längst beschlossene gesetzliche Regelung beizubehalten und so einen vermeindlichen Sieg gegen die achso böse Bundesregierung zu erringen.

Am Ende wird also der jetzt geschlossene Vertrag mit der Atomwirtschaft "leider, leider" keinen Bestand mehr haben, die Atomkraftwerke würden, wie unter Rot/Grün vereinbart nach und nach abgeschaltet und bei der Suche nach dem dringend benötigten Endlager wäre die Bevölkerung wohl kaum noch zu Grossdemonstrationen bereit, sofern es sich dabei nicht gerade um den symbolbeladenen Standort Gorleben handelt.

Deutschland hätte den Atomausstieg endgültig festgelegt und die Kanzlerin hätte sich scheinbar dem Volkswillen fügen müssen, könnte sich sogar die Option aufhalten, sich in etwaigen Koalitionsverhandlungen mit einer erstarkten Grünen Partei unter zähem WIderstand den Ausstieg abhandeln zu lassen, dann würden die siegreichen Umweltschützer wohl auch so manchen faulen Kompromiss mittragen, angefangen mit "Stuttgart 21" und den von der Kanzlerin erwähnten "weiteren Zukunftsprojekten."

Selbstverständlich sind dies alles Spekulationen, für die es keine wirklichen Belegen gibt, aber derlei ist bei der cleveren Angela auch nicht zu erwarten. Doch würde es tatsächlich so kommen, wie hier fabuliert wurde, dann wäre Frau Merkel der künftigen Heiligsprechung, vermutlich durch eine in zweiter Ehe verheiratete Päpstin mit brasilianischen Wurzeln, tatsächlich ein gutes Stück näher gekommen.

 

 

 

 

 

 

 

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Hagenbaeumer Wer hätte das gedacht ? - Da hat doch die Kanzlerin noch einen anderen Weg gefunden, die strittigen Atomreaktoren abzuschalten, noch bevor das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung treffen konnte. Geistesgegenwärtig wie stets nutzte sie unter dem Vorwand der Dringlichkeit die Gelegenheit, den von mir vor einem halben vorher gesagten Atomausstieg einzuleiten.

Nur mal so erwähnt !
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Hagenbaeumer Re: *** -
Zitat: (Original von Seelenblume am 21.09.2010 - 15:35 Uhr) jeder darf ja seine Meinung sagen...so auch du.... Grüße von Seelenblume


In der Tat, und das ist auch sehr gut so, das Recht der freien Meinungsäusserung ist wirklich wichtig !

Vielen Dank für Deine freundliche Wertung !
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