Der Balkon
Der Balkon, um den es hier geht, dürfte eigentlich gar nicht so genannt werden, denn es ist gar keiner.
Es ist nur ein kleiner Schritt nach draußen durch die weiße Flügeltür mit den meist verstaubten Fensterscheiben. Steht man darauf, dann schwebt man über der Hauptstraße eines verwinkelten katalanischen Dorfes im äußersten Südwesten Frankreichs. Zwischen dem Zitronenbäumchen, dem Basilikumstrauch, der rankenden Rose und den Pepperonitöpchen gibt es keinen Platz mehr, um sich umzudrehen. Vorwärts raus, rückwärts rein. Doch kann man hier so herrlich dem lebhaften Treiben unten zuschauen. Dazu kommen wir aber später. Jetzt schauen wir einfach einmal hinunter auf die Straße, deren Name “rue du Pla” ist. Ãœbersetzt man das aus dem Katalanischen, dann heißt es in etwa “Straße zur Ebene” oder so ähnlich.
Früher war die Welt noch viel gerechter, denn Autos durften zu beiden Seiten der Fahrbahn parken. Nicht etwa gleichzeitig, sondern immer schön abwechselnd, eine Woche parkte man rechts, in der nächsten Woche benutze man die andere Straßenseite. Hört sich gut an, bedeutete aber eine immer wiederkehrende Herausforderung für den Autofahrer. Da haben wir nämlich einerseits die zahlreichen Touristen, die mangels französischer Sprachkenntnisse die Verkehrsschilder falsch interpretiert haben. Auf der anderen Seite gab es die katalanischen Bewohner des Dorfes, die aus purer Sturheit nur auf der Seite parken wollten, die ihnen gerade recht war, weil sie dort wohnten, weil sich der Friseur, der Bäcker oder der Weinkeller gerade dort befand. Der Katalane parkt nicht, er stellt seinen Wagen ab, dort, wo er gerade hin will. Das Chaos auf der rue du Pla kann man sich nun gut vorstellen. Ein Zickzack-Parkplatz, der keine Durchfahrt mehr erlaubte. Hupen, Schimpfen, Gestikulieren oder einfaches Schulterzucken inklusive. Unsere kleine Straße war damals eine regelrechte Herausforderung für Busfahrer, Postboten und Weinlieferanten, die diese einfach als Durchfahrtsweg nutzen wollten oder mussten. Ganz zu schweigen von Feuerwehrfahrzeugen und Krankenwagen. Heute hat man dieses Problem anders geregelt. Die Straße ist zweigeteilt, ein Parkstreifen befindet sich gegenüber von unserem Balkon auf der anderen Seite, direkt unter uns liegt die einspurige Fahrbahn. Mehr Platz gibt es nicht. Nun hat man aber ein wichtiges Detail nicht berücksichtigt. Jedes katalanische Haus verfügt über eine große Garage, die entweder als Unterstellplatz für Traktoren oder andere landwirtschaftlichen Fahrzeuge genutzt wird. Manche Einwohner stellen jedoch auch ihren PKW darin unter. Jedoch ist genau aus diesen Gründen das Parken vor diesen Garagen unmöglich, versperrt man damit nämlich die Zufahrtswege. Deshalb befinden sich genau an diesen bunten Garagentoren auch blau-rote Schilder “Parken verboten”. Angebracht von den Anwohnern des jeweiligen Hauses. Maurice von schräg links gegenüber hat vor einigen Tagen sogar ein großes weißes Kreuz mit wasserfester Farbe vor seinem Garagentor auf die Straße gemalt.  Geparkt werden darf laut eigener Gesetzte nur zwischen den Toren, dort, wo die Regenrinnen entlang laufen. Hier ist Platz für genau einen PKW oder weniger.  Mittlerweile kann man sich, so denke ich, den Ausblick von oben gut vorstellen und alle anderen Umstände, die damit verbunden sind auch.