Gedichte
Die Kugel

Die Kugel

Die Kugel

Von Geburt an fehlt ihm das Augenlicht

Grund für den Meister, der zu ihm spricht:

„Nimm dieses Ding, das Kugel genannt,

betaste es gleich mit deiner Hand.“

Wie ihm befohlen, ergreift der Blinde das Ding

„Kugel nennt man es, nicht Vieleck, nicht Ring!“

und er befühlt es mit geübtem Geschick,

macht sich sein Bild von dünn oder dick.

Das Ding prägt sich ein, es braucht nicht viel Zeit,

in des Blinden Gedanken liegt die Antwort bereit.

„Ich weiß nun!“, tönt es aus seinem Mund

„Ja, ja“, spricht der Meister, „eine Kugel ist rund.“

Wie durch ein Wunder ist es unlängst geschehen,

die Augen des Blinden können ungetrübt sehen.

Noch geblendet geht er dies dem Meister sagen,

der unbeirrt spricht: „Du sollst noch einmal wagen

unter vielerlei Dingen die Kugel erkennen,

sie anzusehen und sogleich dann benennen.“

„Man sagt, sie sei rund“, gibt der Erste nun preis

und betrachtet die Formen mit ehrlichem Fleiß.

Mal starrt er, mal blickt er, kann die Kugel nicht finden,

ist nun nicht mehr sicher, kann fünf nicht verbinden.

„Deine vier Sinne haben dich einst schon belogen!“,

brüllt wütend der Meister, um die eigenen Sinne betrogen.