Kurzgeschichte
Bonbon-Papier

Ich schlendere die Straße entlang, neben mir ein türkisches Geschäft nach dem anderen, Kebab-Stände und Billigläden. Autos mit lauter, schriller Musik rauschen an mir vorbei. Ich stöpsle mir die Ohren mit Parov Stelar zu und genieße den lauen Abend. Spuckeflecken tapezieren den Gehsteig garniert mit Hundekot. Ich seufze in mich hinein und versuche galant auszuweichen, was einem Slalom gleicht. Dann bin ich am Gürtel angelangt, Wien´s Amüsiermeile, sozusagen. Die U-Bahn rauscht über mir hinweg, leicht bekleidete Mädchen räkeln sich in Schaufenstern. The Prodigy spielt mir etwas über andere Dimensionen und ich glaube sie eben zu erforschen, diese Fremdhaftigkeit. Ein Fahrrad saust so knapp an mir vorbei, dass mein Herz mir beinahe in die Hose rutscht. Ich fluche ihm laut hinterher und gehe weiter. Innerhalb des Gürtels war es eine ganz andere Welt. Teure Geschäfte schließen an noblen Altbauten. Ich verstehe den Großteil der Wortfetzen, die durch meine Musik dringt, was ich nicht unbedingt als positiven Effekt sehe. Aus einem Lokal dröhnen laute Stimmen und ich sehe mehrere Menschen auf Tischen tanzen und singen. Ich überlege mir, dass dies vielleicht ein Polterabend sein könnte und freu mich für sie. Dafür, dass sie so Spaß haben und einen schönen Abend genießen. Im nächsten Lokal sitzt eine Freundesgruppe beisammen und singt Karaoke, ich grinse in mich hinein. Erinnere mich an einstige Karaoke-Nachmittage bei Freunden. Schrill läutend schießt die Straßenbahn an mir vorbei. Ich verschlucke mich vor Schreck beinahe an meinem eigenem Speichel während Queens of The Stone Age etwas über Hexenverbrennung singen. Als ich mich beruhigt habe, schreite ich gemächlich weiter. Ich studiere hin und wieder eine Auslage, wundere mich über den enormen Preis für verschiedene Kameraufsätze und kriege langsam Herzklopfen. Ich nähere mich seiner Wohnung. Als ich näher komme, beschleunige ich meine Schritte und schreite eilig an seiner Tür vorbei. Dann lehne ich mich um die Ecke an eine Hausmauer und zünde mir eine Zigarette an. Warum mach ich sowas. Eigentlich muss ich das ja gar nicht. Ich kann sofort die Straße hinuntergehen und die nächste Bim heimnehmen. Aber zuerst musste ich ihm absagen. Hastig tippte ich eine SMS in mein Telefon, dass es mir leidtäte, ich aber nicht mehr rausgehen möchte usw. Als ziemlich schnell die Antwort kommt, stutze ich einen Moment. Er schreibt, dass er schon gedacht hätte, ich stehe schon vor der Tür und dass er es schadefände. Natürlich ändert das meine Meinung. Ich antworte ihm, dass ich gleich dasei. Dann spaziere ich noch eine Runde durch die Gassen und läute bei ihm an. Er öffnet.

Als ich Stunden später wieder daheimbin, sitze ich auf meiner Couch, als mir die Tränen kommen. Ich fühle mich wie der letzte Dreck, wie benutzt und weggeworfen. Ich kuschle mich in meine Decke und schließe die Augen. Die Red Hot Chili Peppers spielen nur für mich das Lied für all jene, die sich manchmal einsam fühlen. Heute bin auch ich mein einziger Freund. Obwohl ich mich so beschissen fühle, weiß ich gleichzeitig eines: Wenn er nächste Woche wieder anruft, werde ich wieder zu ihm gehen. Solange, bis er es beendet.

Und jedesmal wird ein Teil von mir dabei sterben.