Fantasy & Horror
Emily

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"Emily"
Veröffentlicht am 12. September 2010, 24 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man ...
Emily

Emily

Beschreibung

Wie so üblich inspiriert durch Musik und durch viele, viele Menschen. (Cover: © Christian Seidel / pixelio.de; www.pixelio.de)

Sie schlug immer genau auf die Finger. Da war sie treffsicher. Anfangs nur mit ihrer eigenen Hand, später benutzte sie ihren Rohrstock, mit dem sie so lange zuschlug, bis die Haut auf meinen Fingern aufplatzte und Blut hervorquoll. »Du kommst aus Deutschland, also wirst du Nichtsnutz doch wohl die Musik deines Landes spielen können«, keifte sie immer wieder, während sie zuschlug. Die Musik meines Landes bedeutete für sie Brahms, Bach und vor allem Beethoven. Ja, ganz besonders Beethoven. Sie ließ mich »Für Elise« spielen, bis meine Finger müde und taub wurden, bis ich mich unweigerlich verspielte, bis sie mich schlagen konnte. Und wenn mein Blut auf die Tasten ihres Flügels tropfte, schlug sie mir ins Gesicht. So ging es über Jahre. Ich wurde älter, größer, kräftiger, doch sie ließ mich weiterspielen und schlug mich. Ließ mich spielen, damit sie mich schlagen konnte. Bis sie eines Tages aufhörte. Später brachte ich sie um.

Als ich fünf Jahre alt war, kam meine Mutter bei einem schlimmen Autounfall ums Leben. Mein Vater, der sich mehr und mehr in sich zurückzog, erzählte mir, Mama sei gegangen. Ich verstand ihn nicht und war lange Zeit wütend auf sie. Ich begriff nicht, warum ich auf eine Beerdigung gehen musste, warum die Leute um meine Mutter weinten, wo sie doch einfach gegangen war, mich verlassen hatte.

Trotz seines Schmerzes ging mein Vater weiterhin arbeiten. Als Berater für eine Softwarefirma war er immer viel unterwegs. Auch im Ausland. Und weil meine Mutter verstorben war, hatten wir immer ein Kindermädchen zu Hause, das sich um mich kümmerte: Susanne, die ich Sanne nennen durfte. Ich hatte sie gern, und sie war es schließlich, die mir behutsam erklärte, dass meine Mutter jetzt bei den Engeln sei und dass sie auf mich herabblicke. Dass sie mich vermisse und dass sie ganz gewiss nie gehen wollte. Ich verstand das irgendwie, stellte mir vor, wie sie auf ihrer Wolke saß, mich beobachtete und stolz auf mich war, wenn ich mich gut benahm. Da hatte ich meine Mutter plötzlich wieder gern. Und obwohl sie mir nun umso mehr fehlte, hatte Sanne die Rolle meiner Mutter übernommen. Sie hatte mich erzogen, hatte sich auf die Art um mich gekümmert, zu der mein Vater nicht in der Lage war, weil er beruflich so viel zu tun hatte. Und weil er überfordert mit mir war.

Drei Jahre nach dem Tod meiner Mutter lernte mein Vater Emily kennen. Seine Firma hatte ihn für zwei Wochen nach Wien geschickt, wo er sie traf und sich schnell in sie verliebte. Die beiden telefonierten oft, sprachen davon, dass er zu ihr gehen würde, dass sie in ihrem großen Haus bei Wien leben würden. Das ging einige Monate so, doch für mich fühlte es sich damals so an, als hätte mein Vater nur wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Wien begonnen, die Koffer endgültig zu packen.

Der Abschied fiel mir schwer. Es war nicht so, dass ich in dem Alter meine Heimatstadt Bonn so sehr vermisst hätte, doch ich wollte Sanne nicht verlieren. Es flossen viele Tränen, und auch Sanne weinte, als wir uns das letzte Mal sahen. Sie sagte, manchmal sei es gut zu weinen, und Mama, sei dort oben gerade deswegen besonders stolz auf mich. Ich habe diese Worte nie vergessen und dachte oft an sie, denn in den nächsten Jahren weinte ich immer seltener. Bis die Tränen ganz versiegten. Weil ich es nicht durfte. Und weil mich niemand hörte.

»Lukas, das ist die Emily«, sagte mein Vater als wir nach einer ewig dauernden Fahrt beim Haus seiner Freundin angekommen waren. Und ich weiß noch heute, wie sehr seine Augen strahlten, als er mir diese Frau vorstellte. Ich war acht, und ich verstand nicht viel von Liebe, doch dieses Leuchten in seinem Blick verstand ich irgendwie. Es erinnerte mich daran, wie Sanne mich oft angesehen hatte, wenn ich etwas besonders gut gemacht hatte. Doch in den Augen dieser Frau gab es kein Leuchten. Sie war groß, schlank und zugleich kräftig, und hatte einen riesigen Busen, der auf mich sehr bedrohlich wirkte. Das blonde Haar hatte sie an diesem Tag, so wie sie es auch später fast immer tun sollte, streng nach hinten gebunden. Diese Frau war die personifizierte Strenge für mich. Sie rümpfte die Nase, sah mich streng und zugleich angewidert an, als wäre ich ein ekliges Insekt, das es auszumerzen galt. Emily mochte mich nicht, sie akzeptierte mich nicht und wollte mich Schmarotzer eigentlich auch nicht in ihrem riesigen Haus haben. Im Gegensatz zu meinem Vater, den sie zumindest in den ersten Jahren noch gut behandelte und vermutlich sogar liebte, hasste sie mich von Anfang an.

Und auch ich fühlte mich sofort unwohl. Sowohl in ihrer Gegenwart als auch in ihrem riesigen, kalten Haus mit den gigantischen Zimmern und den hohen Decken. Als sie uns durch die vielen Zimmer ihres Hauses führte, hatte ich das Gefühl, ich würde mich in diesen Wänden vollkommen verlieren. Der einzige Gegenstand, der mich auf Anhieb beeindruckte, war der große weiße Konzertflügel in ihrem Musikzimmer. Emilys Haus besaß so viele Räume, dass sie ein ganzes Zimmer eigens für ihr Klavier hergerichtet hatte.

Wie hypnotisiert stand ich vor diesem großen, erhabenen Instrument, dessen Lack das Licht der einfallenden Sonnenstrahlen reflektierte. Noch nie in meinem jungen Leben hatte ich einen so wunderbaren und faszinierenden Gegenstand gesehen. Und wie von einer unsichtbaren Hand geführt, wanderten meine Finger automatisch zu den Tasten. Doch noch bevor ich auch nur eine einzige Taste herunterdrücken konnte, erschrak ich vor Emily, die plötzlich hinter mir stand.

»Schau es dir gut an, Kind. Schau es dir gut an. Du wirst lernen, wie man darauf spielt. Am Wochenende fangen wir an«, sagte sie. Das war alles, dann verließ sie das Zimmer wieder. Emily wollte also, dass ich lernte, Klavier zu spielen. Und zuerst freute ich mich irgendwie, weil ich diesem wunderschönen Instrument nur zu gern wohlklingende Töne entlocken wollte, weil das etwas völlig Neues für mich war. Doch was so schön hätte werden können, wurde schnell zur Hölle für mich.

»Dein Vater und du, ihr seid aus Bonn. Weißt du auch, wer in Bonn geboren wurde?«, fragte Emily mich, als ich am Samstag Vormittag am Flügel neben ihr saß.

»Nein, weiß ich nicht«, antwortete ich und zuckte mit den Schultern. Darauf versetzte sie mir einen Klaps auf den Hinterkopf. Nur einen leichten, doch ich war schockiert. Nie zuvor hatte mich jemand geschlagen. Nicht mein Vater, nicht meine Mutter und auch Sanne nicht. Doch diese Frau, die meinen Vater und mich aus Deutschland zu sich geholt hatte, die mir meine Sanne weggenommen hatte, wagte es nun, mich zu schlagen. Noch am Abend erzählte ich meinem Vater davon. Ich weiß noch, dass er mich mitleidig ansah, mir seine Hände auf die Schultern legte und sagte: »Hier herrschen eben ein wenig andere Sitten. Aber glaub mir, Lukas, die Emily meint das nicht so.« Ich glaubte ihm nicht. Und noch schlimmer war, dass er mit ihr darüber redete. Emily schlug mich deswegen bei der nächsten Klavierstunde, und ich ging fortan nie wieder zu meinem Vater, wenn sie mir wehgetan hatte.

»Ludwig van Beethoven kommt aus deiner Heimatstadt«, sagte Emily in dieser ersten Klavierstunde zu mir. »Du wirst noch viel über ihn lernen. Und du wirst lernen, wie man seine wunderbaren Klavierstücke erklingen lässt.« Dann legte sie die Hände auf die Tasten und spielte etwas, von dem sie sagte, es nenne sich »Rondo in C-Dur«. Anschließend zeigte sie mir einige einfache Melodiefolgen. Sie ließ mich ein paar Töne spielen und schlug mir leicht auf die Finger, wenn sie der Meinung war, dass ich mich besonders schlecht anstellte. »Du tust dem Instrument weh, du Dummkopf!«, keifte sie mich an. Immer sagte sie, ich würde ihr geliebtes Instrument verletzen, worauf sie selbst die Finger auf die Tasten legte und etwas Wohlklingendes spielte. So als müsste sie ihren geliebten weißen Flügel besänftigen, den ich so sehr beleidigt hatte.

Weil Emily mich so sehr antrieb, lernte ich tatsächlich schnell das Klavierspiel. Ich hatte immer wenige Freunde in Wien, weil ich erstens aus Deutschland kam und zweitens  nur selten weg durfte. Nach Hause durfte ich sogar niemals jemanden mitbringen. Emily verbot mir vieles, nur nicht das Klavierspiel. Ich durfte an den Flügel, wann immer ich wollte, und später spielte ich wirklich oft. Ich konnte so aus dem tristen Alltag fliehen, und außerdem wollte ich gut werden, damit Emily mich nicht mehr für meine Fehler schlagen konnte.

Doch das war vergebens. Sie schlug weiter, und über die Jahre begriff ich, dass sie mich nicht schlug, weil ich mich verspielte. Viel mehr ließ sie mich spielen, damit sie mich schlagen konnte. Ganz schlimm wurde es, als sie es eines Tages zur Routine werden ließ, nach meinen Fehlern beim Spielen nur noch den Kopf zu schütteln, um wortlos aufzustehen und den Rohrstock zu holen, den sie neben das große Regal mit ihren Noten gestellt hatte. Die Schmerzen waren anfangs unerträglich, doch ich wusste, dass es nur schlimmer werden würde, wenn ich schrie. Also erduldete ich, was sie tat. Ich erduldete, dass meine Haut aufplatzte, dass meine Finger fast immer wund waren, und irgendwann hatte ich gelernt, den körperlichen Schmerz auszublenden. Doch die Schande über die Demütigung brannte wie ein ewiges Feuer in mir.

Abgesehen von den Klavierstunden, schlug Emily mich jedoch nie. Die Schläge, die Schmerzen und all die Schmach blieben in diesem Klavierzimmer eingesperrt. Außerhalb redete ich nie darüber. Emily schikanierte mich zwar auch außerhalb, tat zu viel Salz in mein Essen, gab den Katzen die letzte Milch, wenn ich morgens aufstand und meine Cornflakes essen wollte und ließ auch sonst keine Gelegenheit aus, mir zu zeigen, wie unerwünscht ich für sie war, doch immerhin schlug sie mich nicht. Und wenn sie sich allein in ihr Klavierzimmer zurückgezogen hatte und ihre Sonaten spielte, dann hatte ich sogar einmal Zeit für mich. Dann konnte ich Bücher lesen oder auch fernsehen, während sie Mozart spielte und Brahms und immer wieder Beethovens »Für Elise« - ihr liebstes Stück. So lebten wir nebeneinander her. Wir sprachen außerhalb des Musikzimmers fast nie miteinander, und wenn mein Vater wieder einmal verreist war, dann redeten wir überhaupt nicht.

Irgendwo zwischen meinem fünfzehnten und sechzehnten Geburtstag hörte Emily auf, mich zu schlagen. Ich war inzwischen fast einen ganzen Kopf größer als sie und kräftig geworden. Ich musste ganz plötzlich nicht mehr in ihre Klavierstunden, und sie begann, mich fast völlig zu ignorieren. Nur manchmal sah ich dieses böse Funkeln in ihren Augen, diese Lust, den Kopf zu schütteln, den Rohrstock zu holen und mich zu verprügeln, bis meine Finger aufplatzten.

An meinem achtzehnten Geburtstag waren Emily und ich allein im Haus. Mein Vater war drei Wochen zuvor beruflich für zwei Monate nach Brasilien geflogen. Ich stand auf und ging in die Küche. Während ich Kaffee aufsetzte, hatte Emily sich angeschlichen, ohne dass ich sie bemerkt hätte. Ich erschrak vor ihrer Stimme, die ich inzwischen so selten hörte. »Im Kalender steht, dass du jetzt achtzehn bist. Pack deine Koffer und verschwinde aus meinem Haus!«, blaffte sie mich an und ging. Ich stand allein in der Küche und zitterte, während ihre wenigen Worte in mir nachhallten. Ich bebte aus Unverständnis, aus Wut. Ich schaute auf den Kalender, doch da stand nicht, dass ich Geburtstag hatte. Und dann kam mir ein widerwärtiger Gedanke. Ich ging zum Schrank, hinter dem die Mülleimer standen. Und ich musste den Müll nicht lange durchwühlen, um das zerdrückte Geschenk zu finden, das mein Vater mir aus Brasilien geschickt hatte. Ich zog die zerknüllte Karte heraus und las:


Lieber Lukas,
alles, alles Liebe zu deinem achtzehnten Geburtstag! Emily und du, ihr fehlt mir hier. Du ganz besonders! ;-) Ich trinke auf dein Wohl! Viel Spaß mit deinem Geschenk!
Ich hab dich lieb,
Papa


Eine ganze Weile stand ich noch so da, die zerknüllte Karte in der Hand. Ich wollte gar nicht wissen, was er mir geschenkt hatte. Was Emily zertreten und in den Müll geworfen hatte. Dann hörte ich »Für Elise«. Emily saß am Flügel. Wutschnaubend ging ich zu ihr. Im Türrahmen blieb ich stehen und schaute dabei zu, wie sie auf ihrem abgöttisch geliebten Instrument spielte. Wie sich sich selbst in Trance spielte, als würde sie ihren Körper verlassen und auf den Noten davonziehen. Meine Lippen bebten, weil ich doch endlich reden wollte und zugleich noch nie zuvor das Wort gegen sie erhoben hatte. Doch dann brach es einfach aus mir hervor, als wäre dieser Damm der Unterdrückung, den sie in mir errichtet hatte, plötzlich gerissen.

»Hat es dich eigentlich geil gemacht, mich zu schlagen?«, fragte ich laut und deutlich. Wie Steine fielen ihre Hände auf die Klaviertasten und erzeugten eine grässliche Dissonanz.

»Was hast du gesagt?«, flüsterte sie fast. Ihre Stimme klang brüchig. Dann drehte sie sich zu mir herum. Zum ersten Mal überhaupt sah ich die Falten in ihrem Gesicht, die sie über die Jahre gezeichnet hatten. Sie war nicht mehr so kräftig wie früher, doch noch immer genauso streng. Und doch war sie ein Mensch. Nichts weiter als ein böser, böser Mensch.

»Ich habe gefragt, ob es dich geil gemacht hat, mich zu schlagen. Hast du Orgasmen bekommen, wenn du draufgehauen hast?«, fragte ich. Ich wollte sie verletzen, wollte sie mit Worten zur Weißglut treiben, sie dafür bestrafen, dass sie so gemein zu mir war.

»Verlass sofort mein Haus, du undankbares Schwein«, kreischte sie mich an.

»Nein, ich bin hier nicht das Schwein«, sagte ich. »Du bist es. Du ganz allein.« Wie angeschoben ging ich einige Schritte auf sie zu, und dann tat sie etwas, das das Fass zum Überlaufen brachte. Ich sah, wie ihre Augen automatisch zu ihrem Rohrstock wanderten. Das Ding stand noch immer neben dem Regal. Da saß diese alternde Frau und starrte auf den Stock, mit dem sie mir so viele Male wehgetan hatte. Und in dem Moment platzte in mir der Knoten.

Ich weiß nicht, was in den Sekunden darauf passierte. als ich zu mir kam, lagen meine Hände fest um Emilys Hals. Ich drückte so fest zu, wie ich nur konnte. Ihre Finger hatten sich wie Krallen noch fest in meine gebohrt, während sie sich jedoch kaum mehr bewegte. Ihre Augen quollen grotesk hervor, die Zunge hatte sie in die Wange geschoben, und es war diese Fratze, die mich zurück ins Bewusstsein holte. Emily war kein Dämon, sie war eine alte, widerwärtige Frau, und jetzt stand ich zum ersten Mal über ihr, bemerkte, dass sie schwach war. Es war, als wären all die Demütigungen der vielen Jahre jetzt in meine Finger geflossen, um das Leben aus diesem grausamen Menschen zu pressen.

Ihre Hände wurden schwächer, dann ließ sie von mir ab. Noch eine ganze Weile drückte ich zu. Ich wollte, dass es endete, dass es endlich vorbei war. Keine Emily mehr, niemals wieder! Und diesmal siegte ich. Sie war tot. Ich hatte gewonnen. Zumindest glaubte ich das.

Vielleicht hätte ich die Polizei anrufen sollen. Und ich weiß, dass ich das wollte. Dass ich es wirklich wollte, denn ich hatte trotz allem etwas Falsches getan. Doch irgendetwas hielt mich davon ab. Stattdessen räumte ich mein Zimmer auf oder besser gesagt, um: Ich wütete wie ein Tornado, und als ich fertig war, stand nichts mehr da, wo es noch zuvor gestanden hatte. Inzwischen war es dunkel geworden, und ich beschloss, am nächsten Morgen die Polizei anzurufen. Schlaf würde mir gut tun. Schlaf würde helfen, würde heilen. Schlaf würde mir helfen zu vergessen, dass Emily tot im Musikzimmer lag.

Um fünf wurde ich geweckt. »Für Elise« drang an mein Ohr, und innerlich wollte ich Emily verfluchen, als mir einfiel, dass sie tot war. Das war kein Traum gewesen, nein, ich hatte sie umgebracht. Wer also spielte da unten Klavier?

Mit noch verklebten Augen schlich ich die Treppe hinunter und ging auf Zehenspitzen zum Musikzimmer hinüber. Der Raum war dunkel, doch ich sah, dass jemand am Klavier saß und spielte. Zitternd wanderte meine Hand zum Lichtschalter. Der Kronleuchter ging an, und dann erkannte ich sie: Emily.

Sie hörte auf zu spielen. Dann drehte sie sich langsam um und sah mich mit ihren toten, herausgequollenen Augen an. »Setz dich, du Nichtsnutz!«, krächzte sie. Ihre Zunge hing ihr über die Lippen, als wäre sie ein Hund. »Setz dich und lerne!«

Ich stürzte auf sie zu, ohne nachzudenken, packte sie am Hals, umschloss ihre kalte Haut, die sich wie ein Fisch anfühlte und drückte zu. Widerwärtiger Gestank drang aus ihrem Rachen, als sie nach Luft röchelte und machte mir bewusst, dass das, was hier passierte, nicht sein konnte. Ich- ich hatte sie doch erwürgt! Ich hatte diesem Gräuel ein Ende bereitet. Hatte das Scheusal getötet. Und als sie aufhörte, sich zu regen, wurde mir klar, dass sie sich niemals bewegt hatte. Ich war verrückt geworden! Ja, völlig verrückt!

Es wurde Zeit, die Polizei zu rufen. Mit meiner Tasse Kaffee saß ich am Küchentisch, während es draußen allmählich hell wurde. Ich zögerte den Moment hinaus, hatte vielleicht auch ein wenig Angst, schließlich hatte ich einen Mord gegangen und würde ins Gefängnis müssen. Doch ich redete mir ein, dass ich nur zu mir kommen wollte, dass ich meine Gedanken klar bekomme wollte. Ich zitterte am ganzen Körper, und als aus dem Musikzimmer »Für Elise« ertönte, ließ ich die Tasse fallen. »Das wischst du auf!«, hörte ich Emily schreien.


Ich- ich rief nicht nicht Polizei. Seit fast zwei Wochen töte ich Emily. Wenn die Musik ertönt, sehe ich dieses Ding am Flügel sitzen, das nur noch vage wie ein Mensch aussieht. Sie verfault, ihre Kleidung ist vom Leichenwasser schmutzig, und das halbe Haus stinkt inzwischen nach Tod. Doch immer und immer und immer spielt sie weiter. Und wenn ich komme, dann beschimpft sie mich. Ich sei ein Nichtsnutz, ein Parasit, ein dümmlicher Schmarotzer. Sie schaut mich durch ihre eingefallenen Augenhöhlen an, grinst durch dieses Loch, das ihr Mund war, das nun jedoch schwarz geworden ist und aus dem die Zähne ausfallen, die am Boden liegen wie kleine Klaviertasten. Und wenn meine Hände sich abermals um ihren Hals legen, dann bohren meine Finger sich ohne Mühe tief ins faulige Fleisch. Ihre Haut reißt und erzeugt widerliche Geräusche wie nasses, reißendes Papier. Sie stinkt, sie vergammelt, sie ist tot. Und doch stirbt sie wieder und wieder, und doch hört sie nicht auf zu spielen. Immer wieder höre ich die Töne. Die sauber gespielten Noten. Immer wieder, und es hört nicht auf. Ich höre Musik, wo keine mehr ist. Wo keine mehr sein kann!

Und wenn es alles ist, was ich noch tun kann, um endlich zur Ruhe zu kommen, um sie nicht mehr spielen hören zu müssen, dann werde ich das verdammte Haus jetzt anzünden und alles zu Asche verwandeln. Ich hätte es viel früher tun sollen, hätte das verfluchte Musikzimmer längst in Brand stecken sollen. Das Benzin aus dem Keller hat gerade gereicht, um den weißen Flügel, die Holzdielen drum herum und die Regale mit den Noten zu übergießen. Und jetzt werde ich alles brennen lassen, den Schmerz des Musikzimmers dem Feuer überlassen. Ich werde zusehen und warten, bis nichts mehr übrig ist. Nicht von Emily, nicht von ihrem teuflischen Flügel und nichts von ihrem Spiel.


Es hat gedauert, bis aus den kleinen Feuern richtige Flammen wurden. Doch jetzt brennt es. Jetzt brennt das ganze, verdammte Haus. Ich höre Feuerwehrsirenen, die sich nähern. Sie werden alles löschen wollen, doch sie werden nichts mehr retten können. Ich habe es geschafft, ich habe sie endlich ruhig gestellt! Ich habe- was- was ist das? Leise dringt Beethoven an mein Ohr. Dann lauter, immer lauter. Sie spielt wieder. Emily spielt wieder, spielt inmitten der Flammen ihre verfluchte Musik. Ich ertrage das nicht mehr! Ich halte das nicht aus, mir bluten die Ohren, und meine Finger schmerzen! Ich- ich- muss sie töten. Ein letztes Mal! Alles brennt, doch sei es drum! Ich gehe hinein und werde sie töten. Ich bringe dieses Miststück um!!!

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Über den Autor

PhanThomas
Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man trifft mich stets mit einem lachenden und einem weinenden Auge an. Das scheint auf manche Menschen dermaßen gruselig zu wirken, dass die Plätze in der Bahn neben mir grundsätzlich frei bleiben. Und nein, ich stinke nicht, sondern bin ganz bestimmt sehr wohlriechend. Wer herausfinden will, ob er mich riechen kann, der darf sich gern mit mir anlegen. ich beiße nur sporadisch, bin hin und wieder sogar freundlich, und ganz selten entwischt mir doch mal so etwas ähnliches wie ein Lob. Nun denn, genug zu mir. Oder etwa nicht? Dann wühlt noch etwas in meinen Texten hier. Die sind, äh, toll. Und so.

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PhanThomas Re: Das Ende -
Zitat: (Original von Luzifer am 07.07.2012 - 17:31 Uhr) ist klasse.
Aber wenn man das Ende mit dem Anfang verbindet, so finde ich, dass der Anfang irgendwie zu viele Infos hat. Man hätte ihn auch irgendwie in das Zwischenspiel einbauen können.
Irgendwie hatte ich erwartet, dass hier das Klavier zerstört werden müsste, dass der Spuk ein Ende findet, aber die psychologische Schiene finde ich viel besser. =)

Beste Grüße
L.

Hallo L.,

besten Dank! :-) Ich glaub, hier war's irgendwie so, dass die Geschichte eingangs noch viel länger hätte werden sollen. Aber dann sah ich irgendwie nicht mehr so viel Sinn darin, sie unnötig aufzublähen. Deswegen ist der Anfang vielleicht detaillierter geraten.

Viele Grüße
T.
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Das Ende - ist klasse.
Aber wenn man das Ende mit dem Anfang verbindet, so finde ich, dass der Anfang irgendwie zu viele Infos hat. Man hätte ihn auch irgendwie in das Zwischenspiel einbauen können.
Irgendwie hatte ich erwartet, dass hier das Klavier zerstört werden müsste, dass der Spuk ein Ende findet, aber die psychologische Schiene finde ich viel besser. =)

Beste Grüße
L.
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Re: Re: Ich will das Haus! -
Zitat: (Original von hanni86 am 21.09.2010 - 12:56 Uhr)
Zitat: (Original von PhanThomas am 20.09.2010 - 22:17 Uhr)
Zitat: (Original von hanni86 am 20.09.2010 - 21:32 Uhr) Das klingt nämlich wunderschön nach Cottagegasse, dort stehen lauter Villen und sie ist ganz leicht zu erreichen und der Türkenschanzpark ist ganz in der Nähe und der Schafberg auch und überhaupt ist die Gegend toll, weil ein Bus dort entlang direkt zu U6 und U3 fährt. Der 42A glaub ich.
Ich mag Geschichten, die an Orten spielen, die in kenne, das hm, das mag wohl jeder gern. Das ist wie bei "Die 3 Musketiere", diesem Film mit Charlie Sheen und so, den haben sie teilweise hier bei uns im Ort gedreht, eine Schwester vom Lukas ist sogar als Statistin zu sehen - zu der Zeit waren wir allerdings gerade in Amerika. Egal eigentlich.
Hat mir sehr gut gefallen, wobei mir hier auch eine längere Geschichte mehr zugesagt hätte. Es sollte wohl eine Übersprungsreaktion (das Wort hab ich von dir gelernt) des Sohnes sein aber wenn sich eine Entwicklung im wachsenden Hass und Zorn gezeigt hätte, das hätte mir auch gefallen. Auch, wenn am Ende nicht alles so schnell und über einen Haufen abgehandelt worden wäre. Aber den gleichen Inhalt auf mehr Seiten zu verteilen und dabei nichts an Spannung einzubüßen, das ist vermutlich gar nicht so leicht.
Hat mir jedenfalls wie immer sehr gut gefallen (eine solche Dame kenn ich übrigens vom Sehen. Die wohnt hier im Ort in einer kleinen weißen Villa und war die Klavierlehrerin vom Lukas. Eigentlich nur einen Häuserblock entfernt. Jedenfalls hat er sich als Bub oft vor ihr versteckt unter dem Flügel, weil sie so streng war.),
liebe Grüße,
Hanni

Hallo Hanni,

du zauberst mir jedes Mal ein Lächeln aufs Gesicht, wenn du eine weitere Anekdote aus deinem Leben in deine Kommentare einfließen lässt. :-) Danke dafür! Sag, gab's die wirklich, die strenge Klavierlehrerin? Das ist ja ein Ding! Und ich hab das einfach so geschrieben, wie ich's mir am Stadtrand bei euch vorstelle. Hab's ja noch nie gesehen. Als Vorbild mussten einige Rammstein-Lieder langen. Und ich persönlich war dann ja doch sehr stolz drauf, den Bezug Bonn - Wien herstellen zu können, weil, hmm, mich das ja irgendwie auch ein wenig betrifft.
Dass die Geschichte länger sein könnte, weiß ich, ja. Hab ich mir anschließend auch gedacht, aber irgendwie war halt alles gesagt. Und alles andere wäre künstliches In-die-Länge-ziehen gewesen. Das hätt ich ein wenig als Mogelei empfunden. Aber ja, schon, hm, hätte länger sein können. Ist einfach so, japp. :-)

Liebe Grüße und besten Dank!
Thomas

Die Klavierlehrerin gibts wirklich, die unterrichtet sogar noch. Und vor der weißen (kleinen) Villa ist so ne Marmorsäule mit rosa Kletterrosen. Die Geschichte zu lesen und dann auch noch mit "Lukas" als passendem Namen, also jepp, das hat mir gefallen. Wie überhaupt das Ganze. Das hab ich vielleicht nicht genug gesagt, dass ich das richtig gern gelesen hab. Auch der Anfang, ich such mal schnell was, wart...hihi...mist, ist doch nicht so wie ichs in Erinnerung hatte aber ich zitiere mal den Klappentext von "Darum" (Jepp, dem Buch das ich nicht mag, was aber nichts heißen soll, weil es einfach insgesamt nicht gut umgesetzt ist find ich, obwohl die Idee gut ist): "Um Punkt halb zwölf ließ ich meine linke Hand in die innere Jackentasche fallen, nahm den gefüllten schwarzen Wollhandschuh heraus, legte ihn vor mich auf den Tisch, umrahmte ihn mit den Händen wie ein futterneidisches Kind eine Tafel Schokolade und nahm etwa drei Sekunden Abschied von dreiundvierzig Lebensjahren. Zwei Sekunden davon verbrauchte ich allein für Delia. Anscheinend hatte ich sie geliebt."
Also daran hat mich das erinnert. Und oft finde ich solche Anfänge doof, bei denen das Ende verraten wird aber hier bei dir hat es mir richtig gut gefallen. Es ist nämlich weder langweilig geworden noch hats gekünstelt gewirkt, was leider allzu oft der Fall ist.

Liebe Grüße, Hanni

Ui, das ist jetzt aber ein schönes Kompliment. Also erst mal den Glattauer zu zitieren und der Hinweis darauf, dass das vorher verratene Ende gar nicht schlimm ist. Ich mag das manchmal auch sehr gern, weil man sich dann eben fragt, wie es wohl so weit gekommen sein mag und was bis dahin so alles passiert, was dazu führt, etc. In diesem Fall war ich echt stolz auf das verratene Ende, zumal ich sowas ja sonst nie mache, glaube ich. Jedenfalls nicht so. Ach, da freut mich, oh ja, oh ja. Hab lieben Dank!!! :-)

Liebe Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
hanni86 Re: Re: Ich will das Haus! -
Zitat: (Original von PhanThomas am 20.09.2010 - 22:17 Uhr)
Zitat: (Original von hanni86 am 20.09.2010 - 21:32 Uhr) Das klingt nämlich wunderschön nach Cottagegasse, dort stehen lauter Villen und sie ist ganz leicht zu erreichen und der Türkenschanzpark ist ganz in der Nähe und der Schafberg auch und überhaupt ist die Gegend toll, weil ein Bus dort entlang direkt zu U6 und U3 fährt. Der 42A glaub ich.
Ich mag Geschichten, die an Orten spielen, die in kenne, das hm, das mag wohl jeder gern. Das ist wie bei "Die 3 Musketiere", diesem Film mit Charlie Sheen und so, den haben sie teilweise hier bei uns im Ort gedreht, eine Schwester vom Lukas ist sogar als Statistin zu sehen - zu der Zeit waren wir allerdings gerade in Amerika. Egal eigentlich.
Hat mir sehr gut gefallen, wobei mir hier auch eine längere Geschichte mehr zugesagt hätte. Es sollte wohl eine Übersprungsreaktion (das Wort hab ich von dir gelernt) des Sohnes sein aber wenn sich eine Entwicklung im wachsenden Hass und Zorn gezeigt hätte, das hätte mir auch gefallen. Auch, wenn am Ende nicht alles so schnell und über einen Haufen abgehandelt worden wäre. Aber den gleichen Inhalt auf mehr Seiten zu verteilen und dabei nichts an Spannung einzubüßen, das ist vermutlich gar nicht so leicht.
Hat mir jedenfalls wie immer sehr gut gefallen (eine solche Dame kenn ich übrigens vom Sehen. Die wohnt hier im Ort in einer kleinen weißen Villa und war die Klavierlehrerin vom Lukas. Eigentlich nur einen Häuserblock entfernt. Jedenfalls hat er sich als Bub oft vor ihr versteckt unter dem Flügel, weil sie so streng war.),
liebe Grüße,
Hanni

Hallo Hanni,

du zauberst mir jedes Mal ein Lächeln aufs Gesicht, wenn du eine weitere Anekdote aus deinem Leben in deine Kommentare einfließen lässt. :-) Danke dafür! Sag, gab's die wirklich, die strenge Klavierlehrerin? Das ist ja ein Ding! Und ich hab das einfach so geschrieben, wie ich's mir am Stadtrand bei euch vorstelle. Hab's ja noch nie gesehen. Als Vorbild mussten einige Rammstein-Lieder langen. Und ich persönlich war dann ja doch sehr stolz drauf, den Bezug Bonn - Wien herstellen zu können, weil, hmm, mich das ja irgendwie auch ein wenig betrifft.
Dass die Geschichte länger sein könnte, weiß ich, ja. Hab ich mir anschließend auch gedacht, aber irgendwie war halt alles gesagt. Und alles andere wäre künstliches In-die-Länge-ziehen gewesen. Das hätt ich ein wenig als Mogelei empfunden. Aber ja, schon, hm, hätte länger sein können. Ist einfach so, japp. :-)

Liebe Grüße und besten Dank!
Thomas

Die Klavierlehrerin gibts wirklich, die unterrichtet sogar noch. Und vor der weißen (kleinen) Villa ist so ne Marmorsäule mit rosa Kletterrosen. Die Geschichte zu lesen und dann auch noch mit "Lukas" als passendem Namen, also jepp, das hat mir gefallen. Wie überhaupt das Ganze. Das hab ich vielleicht nicht genug gesagt, dass ich das richtig gern gelesen hab. Auch der Anfang, ich such mal schnell was, wart...hihi...mist, ist doch nicht so wie ichs in Erinnerung hatte aber ich zitiere mal den Klappentext von "Darum" (Jepp, dem Buch das ich nicht mag, was aber nichts heißen soll, weil es einfach insgesamt nicht gut umgesetzt ist find ich, obwohl die Idee gut ist): "Um Punkt halb zwölf ließ ich meine linke Hand in die innere Jackentasche fallen, nahm den gefüllten schwarzen Wollhandschuh heraus, legte ihn vor mich auf den Tisch, umrahmte ihn mit den Händen wie ein futterneidisches Kind eine Tafel Schokolade und nahm etwa drei Sekunden Abschied von dreiundvierzig Lebensjahren. Zwei Sekunden davon verbrauchte ich allein für Delia. Anscheinend hatte ich sie geliebt."
Also daran hat mich das erinnert. Und oft finde ich solche Anfänge doof, bei denen das Ende verraten wird aber hier bei dir hat es mir richtig gut gefallen. Es ist nämlich weder langweilig geworden noch hats gekünstelt gewirkt, was leider allzu oft der Fall ist.

Liebe Grüße, Hanni
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Ich will das Haus! -
Zitat: (Original von hanni86 am 20.09.2010 - 21:32 Uhr) Das klingt nämlich wunderschön nach Cottagegasse, dort stehen lauter Villen und sie ist ganz leicht zu erreichen und der Türkenschanzpark ist ganz in der Nähe und der Schafberg auch und überhaupt ist die Gegend toll, weil ein Bus dort entlang direkt zu U6 und U3 fährt. Der 42A glaub ich.
Ich mag Geschichten, die an Orten spielen, die in kenne, das hm, das mag wohl jeder gern. Das ist wie bei "Die 3 Musketiere", diesem Film mit Charlie Sheen und so, den haben sie teilweise hier bei uns im Ort gedreht, eine Schwester vom Lukas ist sogar als Statistin zu sehen - zu der Zeit waren wir allerdings gerade in Amerika. Egal eigentlich.
Hat mir sehr gut gefallen, wobei mir hier auch eine längere Geschichte mehr zugesagt hätte. Es sollte wohl eine Übersprungsreaktion (das Wort hab ich von dir gelernt) des Sohnes sein aber wenn sich eine Entwicklung im wachsenden Hass und Zorn gezeigt hätte, das hätte mir auch gefallen. Auch, wenn am Ende nicht alles so schnell und über einen Haufen abgehandelt worden wäre. Aber den gleichen Inhalt auf mehr Seiten zu verteilen und dabei nichts an Spannung einzubüßen, das ist vermutlich gar nicht so leicht.
Hat mir jedenfalls wie immer sehr gut gefallen (eine solche Dame kenn ich übrigens vom Sehen. Die wohnt hier im Ort in einer kleinen weißen Villa und war die Klavierlehrerin vom Lukas. Eigentlich nur einen Häuserblock entfernt. Jedenfalls hat er sich als Bub oft vor ihr versteckt unter dem Flügel, weil sie so streng war.),
liebe Grüße,
Hanni

Hallo Hanni,

du zauberst mir jedes Mal ein Lächeln aufs Gesicht, wenn du eine weitere Anekdote aus deinem Leben in deine Kommentare einfließen lässt. :-) Danke dafür! Sag, gab's die wirklich, die strenge Klavierlehrerin? Das ist ja ein Ding! Und ich hab das einfach so geschrieben, wie ich's mir am Stadtrand bei euch vorstelle. Hab's ja noch nie gesehen. Als Vorbild mussten einige Rammstein-Lieder langen. Und ich persönlich war dann ja doch sehr stolz drauf, den Bezug Bonn - Wien herstellen zu können, weil, hmm, mich das ja irgendwie auch ein wenig betrifft.
Dass die Geschichte länger sein könnte, weiß ich, ja. Hab ich mir anschließend auch gedacht, aber irgendwie war halt alles gesagt. Und alles andere wäre künstliches In-die-Länge-ziehen gewesen. Das hätt ich ein wenig als Mogelei empfunden. Aber ja, schon, hm, hätte länger sein können. Ist einfach so, japp. :-)

Liebe Grüße und besten Dank!
Thomas
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hanni86 Ich will das Haus! - Das klingt nämlich wunderschön nach Cottagegasse, dort stehen lauter Villen und sie ist ganz leicht zu erreichen und der Türkenschanzpark ist ganz in der Nähe und der Schafberg auch und überhaupt ist die Gegend toll, weil ein Bus dort entlang direkt zu U6 und U3 fährt. Der 42A glaub ich.
Ich mag Geschichten, die an Orten spielen, die in kenne, das hm, das mag wohl jeder gern. Das ist wie bei "Die 3 Musketiere", diesem Film mit Charlie Sheen und so, den haben sie teilweise hier bei uns im Ort gedreht, eine Schwester vom Lukas ist sogar als Statistin zu sehen - zu der Zeit waren wir allerdings gerade in Amerika. Egal eigentlich.
Hat mir sehr gut gefallen, wobei mir hier auch eine längere Geschichte mehr zugesagt hätte. Es sollte wohl eine Übersprungsreaktion (das Wort hab ich von dir gelernt) des Sohnes sein aber wenn sich eine Entwicklung im wachsenden Hass und Zorn gezeigt hätte, das hätte mir auch gefallen. Auch, wenn am Ende nicht alles so schnell und über einen Haufen abgehandelt worden wäre. Aber den gleichen Inhalt auf mehr Seiten zu verteilen und dabei nichts an Spannung einzubüßen, das ist vermutlich gar nicht so leicht.
Hat mir jedenfalls wie immer sehr gut gefallen (eine solche Dame kenn ich übrigens vom Sehen. Die wohnt hier im Ort in einer kleinen weißen Villa und war die Klavierlehrerin vom Lukas. Eigentlich nur einen Häuserblock entfernt. Jedenfalls hat er sich als Bub oft vor ihr versteckt unter dem Flügel, weil sie so streng war.),
liebe Grüße,
Hanni
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PhanThomas Re: Ach je ... -
Zitat: (Original von Gunda am 17.09.2010 - 14:17 Uhr) ... dachte ich so bei mir, als ich auf deinen Text klickte, Thomas hat beim Schreiben mal wieder die Zeit vergessen ... Und dann habe ich sie beim Lesen selbst vergessen.
Mal wieder eine Geschichte mit tollem Aufbau und perfekter Ausdrucksweise. Schmunzeln durfte ich auch, und zwar über das furztrockene "Später brachte ich sie um" ganz am Anfang.

Schön viel Raum zum Weiterspinnen bleibt am Schluss. Ob Lukas genauso zu ewig totem Leben verurteilt sein wird, wenn er in den Flammen umkommt ...? Und ob er schließlich auf Beethovens Geist trifft? Und wird er seine Mutter wiedersehen? Fragen über Fragen ;o))

Lieben Gruß
Gunda

Hallo Gunda,

so war's auch, also mit der vergessenen Zeit. Und als ich dann fertig war, wurde es schon dunkel, dabei hatte ich doch zum Sport gewollt. Na ja, wenn du beim Lesen dann auch was drumrum vergessen hast, freut's mich natürlich umso mehr. :-)

Den Anfang mit dem trockenen »Später brachte ich sie um« hab ich mir abgeschaut. So denkt man nicht an blablabla, sondern will wissen, wann das denn nun endlich passiert und warum. Fand ich ganz schön gewieft von mir. :-P

Und das Ende hab ich dann letztlich offener gelassen, als es ursprünglich geplant war. Denn eigentlich sollten die Nachbarn das Klavier auch noch aus dem brennenden Haus hören. Aber dann hätte ich die Erzählperspektive wechseln müssen, und das wollt ich dann doch nicht. So bleibt halt einiges offen, hihihi.

Liebe Grüße
Thomas
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Gunda Ach je ... - ... dachte ich so bei mir, als ich auf deinen Text klickte, Thomas hat beim Schreiben mal wieder die Zeit vergessen ... Und dann habe ich sie beim Lesen selbst vergessen.
Mal wieder eine Geschichte mit tollem Aufbau und perfekter Ausdrucksweise. Schmunzeln durfte ich auch, und zwar über das furztrockene "Später brachte ich sie um" ganz am Anfang.

Schön viel Raum zum Weiterspinnen bleibt am Schluss. Ob Lukas genauso zu ewig totem Leben verurteilt sein wird, wenn er in den Flammen umkommt ...? Und ob er schließlich auf Beethovens Geist trifft? Und wird er seine Mutter wiedersehen? Fragen über Fragen ;o))

Lieben Gruß
Gunda
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PhanThomas Re: Re: Re: Re: Re: -
Zitat: (Original von LorelaiPatton am 15.09.2010 - 11:00 Uhr)
Zitat: (Original von PhanThomas am 15.09.2010 - 10:25 Uhr)
Zitat: (Original von LorelaiPatton am 15.09.2010 - 10:21 Uhr)
Zitat: (Original von PhanThomas am 14.09.2010 - 19:34 Uhr)
Zitat: (Original von LorelaiPatton am 14.09.2010 - 17:42 Uhr) "Doch die Schande über die Demütigung brannte wie ein ewiges Feuer in mir"... schöner Satz :-)

Viele Menschen haben leider Gottes nichts mehr übrig für gute klassische Musik! GO EMILY! :-P
Nein, natürlich ist ihr Verhalten nicht gerade zeitgemäß. Damals war es doch recht üblich vom Rohrstock Gebrauch zu nehmen. Wie gut, dass die Pädagogik jetzt ein ganzes Stückchen weiter denkt!!! :-)

... Haha, geniale Geschichte! Und sie sitzt dort vermutlich noch immer... an einem Klavier, das verbrannt ist und sie selbst ist nur noch ein verkohlter Haufen Knochen...

Danke für diesen Schmaus ;-)

Tipp für Lukas: Einen Salzkreis um sich ziehen!

Huhu,

besten Dank die Dame! :-) Stimmt, ein Salzkreis hätt's richten können. Und was sagt Frau Pädagogin so? Wie macht man das heutzutage mit der Erziehung? Keine Schläge mehr? Eher Waterboarding oder was? :-D Oder doch lieber ein bisschen Psychoterror.
Ich glaub übrigens auch, dass Emily immer noch an ihrem Klavier sitzt und spielt bis in alle Ewigkeit. :-)

Liebe Grüße
Thomas


Genau, Psychoterror! Wirkt immer :-)

Und hoffen wir mal, dass sie weiter spielt und er sie immer noch tötet. Wäre ja komisch, wenn der Zauber so mir-nichts-dir-nichts verschwunden wäre...!

Lg

Hihi, ich denk, er wird sie bis in alle Ewigkeit weiter würgen. Und darüber hinaus. Bis ihr die Finger abfallen oder sie auf E-Gitarre umsteigt. :-P

lg
Red October...


Red October klingt toll :)
Und noch besser klingt der Umstieg auf E-Gitarre :D
So ein Leichenüberbleibsel, das auf einer Gitarre rumschrabbt, das wär's echt mal :D

Das wäre ziemlich punkrockig, find ich. Die Band könnte sich dann "The Burnt Down Zombie Pianists" nennen.
Vor langer Zeit - Antworten
LorelaiPatton Re: Re: Re: Re: -
Zitat: (Original von PhanThomas am 15.09.2010 - 10:25 Uhr)
Zitat: (Original von LorelaiPatton am 15.09.2010 - 10:21 Uhr)
Zitat: (Original von PhanThomas am 14.09.2010 - 19:34 Uhr)
Zitat: (Original von LorelaiPatton am 14.09.2010 - 17:42 Uhr) "Doch die Schande über die Demütigung brannte wie ein ewiges Feuer in mir"... schöner Satz :-)

Viele Menschen haben leider Gottes nichts mehr übrig für gute klassische Musik! GO EMILY! :-P
Nein, natürlich ist ihr Verhalten nicht gerade zeitgemäß. Damals war es doch recht üblich vom Rohrstock Gebrauch zu nehmen. Wie gut, dass die Pädagogik jetzt ein ganzes Stückchen weiter denkt!!! :-)

... Haha, geniale Geschichte! Und sie sitzt dort vermutlich noch immer... an einem Klavier, das verbrannt ist und sie selbst ist nur noch ein verkohlter Haufen Knochen...

Danke für diesen Schmaus ;-)

Tipp für Lukas: Einen Salzkreis um sich ziehen!

Huhu,

besten Dank die Dame! :-) Stimmt, ein Salzkreis hätt's richten können. Und was sagt Frau Pädagogin so? Wie macht man das heutzutage mit der Erziehung? Keine Schläge mehr? Eher Waterboarding oder was? :-D Oder doch lieber ein bisschen Psychoterror.
Ich glaub übrigens auch, dass Emily immer noch an ihrem Klavier sitzt und spielt bis in alle Ewigkeit. :-)

Liebe Grüße
Thomas


Genau, Psychoterror! Wirkt immer :-)

Und hoffen wir mal, dass sie weiter spielt und er sie immer noch tötet. Wäre ja komisch, wenn der Zauber so mir-nichts-dir-nichts verschwunden wäre...!

Lg

Hihi, ich denk, er wird sie bis in alle Ewigkeit weiter würgen. Und darüber hinaus. Bis ihr die Finger abfallen oder sie auf E-Gitarre umsteigt. :-P

lg
Red October...


Red October klingt toll :)
Und noch besser klingt der Umstieg auf E-Gitarre :D
So ein Leichenüberbleibsel, das auf einer Gitarre rumschrabbt, das wär's echt mal :D
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