Beschreibung
Zwei Männer spielen Schach um eine letzte Kugel in einer Pistole. Der Gewinner kann damit machen was er will.
Das tödliche Schachspiel
Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden. Kleiner wurde auch die Hoffnung Forsters vor Kriegsausbruch die Heimat wieder zu sehen. Dieser Zug war der letzte gewesen. Das hatten sie groß angekündigt.
Er trat den Filter aus und drehte sich um. Ein alter Mann betrat den Bahnsteig. Er schaute ebenfalls auf die Lichter des davonfahrenden Zuges. Dann wandte er sich ab, setzte sich auf eine Bank und stellte eine Plastiktüte neben sich auf den Boden. Es sah aus, als sei dies seine ganze Habe.
Forster ging auf ihn zu und setzte sich auf die Bank gegenüber. Nur ein Tisch trennte sie. Der Mann hatte seinen breitkrempigen Hut tief ins Gesicht gezogen und schien zu einem Gespräch nicht bereit zu sein.
"Hello", murmelte Forster.
Der Ate blickte nicht einmal auf.
"That was the last train", begann Forster ein Gespräch.
"Ich weiß!" antwortete der Fremde in seiner Heimatsprache.
"Es wird Krieg geben."
"Ich weiß!"
Der Fremde schaute immer noch nicht auf.
"Das bedeutet Tod!"
"Ich weiß!"
Jetzt hob der Fremde seinen Kopf, und Forster konnte sein Gesicht sehen. Es sah alt und müde aus. Das Leben war für ihn offensichtlich nicht einfach gewesen. Er wusste, dass hier eine Station war, die kein Zug mehr verließ. Plötzlich holte er ein Schachspiel und eine Pistole hervor.
"Es ist eine Kugel im Lauf", erklärte er, "Wer das Schachspiel gewinnt, kann damit machen was er will."
Forster nahm die Herausforderung an. Er war ein Mittelklasse-Spieler, aber er wusste, dass es hier um Leben und Tod ging. Spärliches Licht vom Stationshäuschen her beleuchtete ihr grausames Spiel. Die beiden Spieler zeigten sich gleichstark. Während des Spiels begann der alte Mann zu erzählen.
"Meine Frau war sehr hübsch und jung. Es war schön mit ihr zusammen zu leben. Sie verstand mich wie kein anderer. Sie hat mir viel gegeben. Sie war so natürlich. Bei ihr fühlte sich jeder wohl. Oft haben wir Gesellschaften bis in die Nach hinein gegeben. Wir hatten viele Freunde."
"Was geschah mit ihr? fragte Forster, als er merkte, dass der Fremde auf etwas hinauswollte.
"Sie wurde während der ersten Übergriffe getötet. Sie hinterließ zwei Kinder. Sie waren damals neun und zehn Jahe alt. Eine Tochter und einen Sohn. Meine Tochter heiratete später und bekam ein Kind. Sie waren zu jung, um zu sterben."
Sie schwiegen. Nur das Klappern, das durch den nächsten Schachzug verursacht wurde, unterbrach die Stile.
"Sie hatten sie übel zugerichtet. Das Kind war nicht mehr zu erkennen."
Forster sagte nichts, doch sein Magen zog sich zusammen. Der Fremde sprach ohne Emotion. Ausdrucklos!
"Und der Junge?" fragte Forster und wusste, dass dieser auch tot war.
"Er starb im Zweikampf an der Front."
"Und Sie? Wo lebten Sie nachdem alle gegangen waren?"
"Bei Freunden. Sie hattten mich herzlich aufgenommen. Maria sorgte für mich, als wäre ich ihr eigener Vater. Sie hatte zwei Jungen. Richard und Tom. Zwei lebhafte Kinder.", er lächelte bei der Erinnerung. "Sie waren zehn Jahre alt."
"Was geschah?"
"Sie töteten ihre Mutter."
Er machte einen Zug und hatte das Schachspiel gewonnen. Forster hatte verloren, und er war sicher, das bedeutete für ihn den Tod. Er bedauerte das allerdings nicht. Aber er wollte noch den Rest der Geschichte des alten Mannes kennenlernen. Der Alte nahm die Pistole auf.
"Was geschah mit den Kindern?"
"Ich weiß es nicht", antwortete der Alte. "Als ich erfahren habe, dass Maria tot ist, bin ich nicht zurückgekehrt."
"Wie lange ist das her?"
"Zehn Jahre!" sagte der Alte, setzte die Pistole an seine Schläfe und schoss.