Kurzgeschichte
Ticktack

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"Ticktack"
Veröffentlicht am 28. August 2010, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin ein Honigkuchenpferd, Honigkuchendachs, Honigkuchen, oder einfach nur Ich. http://www.rdedition.com/ http://honigkuchendachs.wordpress.com/
Ticktack

Ticktack

Ticktackticktack, die Uhr tickte, die Zeit verstrich und ich wusste, es war bald soweit. Ich stand vom Schreibtisch auf und ging zum Fenster. Einige Minuten lang blickte ich hinaus, in die Welt, in die Zukunft. Ticktack. Meine Augen waren tränenbenetzt, doch jetzt wollte ich nicht mehr weinen. Hastig fuhr ich mir mit den Händen über das Gesicht und öffnete das Fenster. Ich musste wach werden und klar denken. Sie waren alle fort, alle, die ich liebte und es lag an mir, weiterzumachen. Denn ich hatte die Chance dazu. Ein Gewitter zog auf und ich schloss das Fenster. Die Uhr tickte beständig weiter. Ich schritt eilig zur Wand, nahm die Uhr hinunter und entfernte die Batterien. Zeit war irrelevant geworden. Ein letzter Gang durch die Wohnung, ich musste kontrollieren, ob der gesamte Strom abgeschalten war und die Fenster geschlossen. Ich war bereit. Auf der Straße war es todesstill. Kein Auto fuhr, die Straßenbahn war von der Kreuzung verschwunden, wo sie gestern nach einem weltweiten Stromausfall stehen geblieben war, nicht einmal ein Vogel war zu hören. Ich vermisste das Gezwitschere, das ich früher so verflucht hatte. Früher, damals, das war vorbei. Und ich musste sogar ein wenig lächeln, über meine Genauigkeit, es war doch egal geworden, ob der Strom lief oder nicht, er war sowieso ausgeschaltet, nicht vorhanden. Ich war der einzige verbliebene Mensch auf der Erde. Das einzige Lebewesen. Vor langer, langer Zeit war ich eingeschlafen und hatte einen herrlichen Traum. Über eine Welt voller Menschen und Tiere. Glückliche Menschen mit Familie und Freunden, die einkaufen gingen, fleißig arbeiteten um sich schöne Urlaube und schnelle Autos leisten zu können. Tiere, die in den verschiedetsten Sprachen kommunizierten, auf der Welt herumflogen, krochen, hoppelten oder galoppierten. Und wunderschöne Blumen, die sich der Sonne emporstreckten und ihre Blüten nur für sie öffneten, welche herrlich rochen, nach Sommer und Freude. Ach, Sommer. Es gab Jahreszeiten, es gab flaumigen Schnee und wärmende Sonnenstrahlen. Grünes Gras und braune Äste.

Ich hatte eine liebevolle Familie, die sich um mich kümmerte und darauf achtete, dass es mir gut ging. Und natürlich hatte ich ihn... Aber das war vorbei. Alles. Ich war aufgewacht aus meinem Traum und erwacht in der Wirklichkeit. In der stumpfen, toten Wirklichkeit, ohne Sonne, ohne Menschen. Ich gähnte und streckte mich und strich mit der Hand über Betonmauern. Alles war zugemauert. Diese Stille, ich meinte, verrückt zu werden. Deswegen begann ich mein altes Lieblingslied zu singen... „I just want you to hold you in my arms“, und da wurde mir klar, dass die Realität kein Ersatz war für meinen Traum. Für meinen wunderschönen Traum. Ich wusste, der einzige Weg, dorthin zurückzukommen, wäre ein schwieriger. Also machte ich mich auf die Suche, nach dem berühmten Uhrturm. Er war schwierig zwischen all dem Beton auszumachen, aber schlussendlich fand ich ihn. Keuchend stieg ich die vielen Stiegen hinauf. Als ich oben angekommen war, musste ich mich erst einmal an die Mauer anlehnen und tief ein und ausatmeten. Ich blickte in den Himmel. Es war grau in grau, die gesamte Welt schien gealtert zu sein. Angestrengt versuchte ich mich an die Welt vor meinem Schlaf zu erinnern, aber es funktionierte nicht. Dann sprang ich vom Turm. In Richtung Zukunft, in eine bessere Welt. 

 

 

 

 

Muse - Starlight

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Honigkuchenpfe
Ich bin ein Honigkuchenpferd, Honigkuchendachs, Honigkuchen, oder einfach nur Ich.

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Honigkuchenpfe Re: Werte Frau Pferdchen, -
Zitat: (Original von LadyLy am 31.08.2010 - 17:16 Uhr) da der olle Phanti ja immer so von dir schwärmt (schriftstellerisch mein ich), konnte ich es mir nicht nehmen lassen hier nun mal reinzuhuschen, zumal ich den Titel reizvoll fand. Ich steh auf Uhren. *hach*

Eine sehr coole Geschichte ist dir hier gelungen, für mich hättest du fast noch ein wenig mehr beschreiben können, wie die Welt aussieht, beispielsweise auf ihrem Weg zum Turm. Aber das ist natürlich alles eine Frage der Eigensicht.

In jedem Fall hat sich das Lesen gelohnt.

Liebe Grüße
Lychen


Werte Dame,
das ehrt mich aber sehr, bzw sollte es T umso mehr ehren, dass seine "ollen schwärmereien" ernstgenommen werden!

Vielen Dank also fürs reinhuschen bzw durchhuschen! Hast Recht, hab mir selbst überlegt, dass ichs noch schöner beschreiben hätte können, aber irgendwie war das einer meiner faulen Tage, hach.

Freut mich, vielleicht huscht du ja mal wieder herein, ich lass für alle Fälle die Tür offen!

Liebe Grüße,
pferdchen
Vor langer Zeit - Antworten
LadyLy Werte Frau Pferdchen, - da der olle Phanti ja immer so von dir schwärmt (schriftstellerisch mein ich), konnte ich es mir nicht nehmen lassen hier nun mal reinzuhuschen, zumal ich den Titel reizvoll fand. Ich steh auf Uhren. *hach*

Eine sehr coole Geschichte ist dir hier gelungen, für mich hättest du fast noch ein wenig mehr beschreiben können, wie die Welt aussieht, beispielsweise auf ihrem Weg zum Turm. Aber das ist natürlich alles eine Frage der Eigensicht.

In jedem Fall hat sich das Lesen gelohnt.

Liebe Grüße
Lychen
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Re: Re: Re: Ist das so ein... -
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 29.08.2010 - 14:50 Uhr) und dann gäbs noch ein weiteres exemplar ner österreicherin: marlene haushofer - die wand. das is aber eeecht toll und empfehlenswert. anscheinend bekommt man in meiner heimat solche gedanken!
ja, sag mir was, das noch nicht da war. außerdem hab ich es geschrieben, ist daher also schon völlig anders :p

Hehe, was meinste, was du hier so für Gedanken kriegst? Wenn du mal da bist, zeig ich dir 'nen paar hübsche Ecken, abseits der üblichen Tourimeilen. Da kriegt man auch ganz schöne Inspirationen. Und muss dann nicht Plagiat am Landsmann begehen oder so. ;-) Und nee, ist doch gar kein Plagiat. :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Re: Re: Ist das so ein... - und dann gäbs noch ein weiteres exemplar ner österreicherin: marlene haushofer - die wand. das is aber eeecht toll und empfehlenswert. anscheinend bekommt man in meiner heimat solche gedanken!
ja, sag mir was, das noch nicht da war. außerdem hab ich es geschrieben, ist daher also schon völlig anders :p
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Re: Ist das so ein... -
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 29.08.2010 - 13:58 Uhr) Hm weiß nicht. Klingt aber danach, aber irgendwie hab ich das ja gar nicht so im Griff, was ich da von mir gebe, es passiert einfach!
Und mich erinnerts an Thomas Glavinic - Die Arbeit der Nacht. Österreichische Literatur, a must have! Und weil mir das währenddessen bewusst geworden war, hab ich mich bemüht, den Inhalt dafür anders zu gestalten. ist nur dasselbe Theam - alleine auf der Welt. Wüsst ich auch gern, wie das so ist und was ich tun würde. Allerdings hätt ich dann doch gern ein paar Leutchens um mich ;-)

Liebe Grüße


Hihi, du gibst quasi zu, dass du Plagiat begangen hast, wenn auch unbewusst? Find ich gut. Ich glaub, das machen die meisten, ohne es zu wissen. Und irgendwie ist ja doch alles schon mal da gewesen, ne? :-)

Liebste Grüße
T.
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Ist das so ein... - Hm weiß nicht. Klingt aber danach, aber irgendwie hab ich das ja gar nicht so im Griff, was ich da von mir gebe, es passiert einfach!
Und mich erinnerts an Thomas Glavinic - Die Arbeit der Nacht. Österreichische Literatur, a must have! Und weil mir das währenddessen bewusst geworden war, hab ich mich bemüht, den Inhalt dafür anders zu gestalten. ist nur dasselbe Theam - alleine auf der Welt. Wüsst ich auch gern, wie das so ist und was ich tun würde. Allerdings hätt ich dann doch gern ein paar Leutchens um mich ;-)

Liebe Grüße

Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Ist das so ein... - ... Ende eines Abschnitts? Hmm, gefangen in der Zwischenwelt? Erinnert mich ein wenig an eine gedanklichere Version der »Langoliers«. Hübsche Gedankenspielerei, vor allem diese menschenleere, graue und irgendwie angehaltene Welt. Früher als Kind hab ich immer daran denken müssen, wie es wohl wäre, wenn ich der einzige Mensch auf der Welt wäre. Was ich tun würde, etc. Da hab ich mich schlagartig dran zurückerinnert gefühlt. :-)

Liebe Grüße
Thomas

PS: Kleine Randnotiz: »Die Zeit verstrich«, müsste es heißen. Ganz am Anfang, mein ich.
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