Fin Mac Cool
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In dem großen Fluss Boyne lebte einst der Lachs der Weisheit. Er war ein besonders großer und kräftiger Fisch – und es hieß, dass er alle Weisheit dieser Welt besitze.
Ein alter Mann verbrachte viele Jahre, um alles Wissenswerte über diesen außergewöhnlichen Fisch zusammen zu tragen. Er studierte seine Gewohnheiten und beobachtete ihn aufmerksam.
Schließlich wusste er alles über den Wunderlachs. Er wusste sogar, dass der Mensch, der ihn fangen konnte, ihn zubereitete und den ersten Bissen tat, die große Weisheit des Fisches erlangen würde. Sie würde einfach auf denjenigen übergehen, einfach so. Allerdings war das nicht so einfach, denn man durfte dem Fisch auf keinen Fall in die Augen sehen. Man würde sonst augenblicklich erblinden.
Geduldig versuchte der Fischer immer wieder sein Glück. Doch der Lachs trickste ihn jedes Mal aus.
Endlich aber, nach vielen Jahren überlistete der alte Mann den Fisch und konnte ihn fangen.
Glücklich und stolz trug er ihn nach Hause, wohl darauf bedacht, ihm nicht in die Augen zu schauen.
Weil er von der Anstrengung aber müde geworden war, rief er seinen Schüler und trug ihm auf, alles vorzubereiten.
Der Lehrling musste einen Baum fällen, ein großes Feuer entfachen und den Fisch braten. Der Meister ermahnte den Jüngling, dem Lachs ja nicht in die Augen zu sehen und auf gar keinen Fall etwas zu kosten. Schließlich stehe der erste Bissen ihm, dem Lehrmeister zu.
Er selbst begab sich nach dem anstrengendem Fischfang in seine Hütte und ruhte sich etwas aus.
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           Der Junge tat, wie ihm geheißen wurde.
Er schlägerte einen Baum, entfachte ein ordentliches Feuer und grillte den Fisch. Er sah ihm auch nicht in die Augen.
Doch als der Lachs der Weisheit schön brutzelte, bildete sich unter der Haut eine große Blase.
„Das sieht aber gar nicht schön aus,“ dachte der Lehrling, „da wird die schöne, knusprige Haut platzen und aufreißen.“
So versuchte er, die Blase mit dem Finger zurück zu drücken.
Das war heiß! Und der Jüngling verbrannte sich dabei.
Um den brennenden Schmerz etwas zu lindern und zu kühlen, steckte er den Finger in den Mund.
Doch damit hatte er vom Lachs gekostet.
           Als der Meister zurück kam, wusste er sofort alles.
Er sah das Wissen in den Augen des Jungen.
„Nun kann ich dir nichts mehr beibringen,“ sagte er zu dem Knaben, „geh´ in die Welt hinaus und gib dein Bestes. Setze dein Wissen zum Wohle der Menschen ein!
           Und der Junge, der Fin Mac Cool hieß, verabschiedete sich von seinem Meister.
Er zog durch die Lande, wurde sehr angesehen und berühmt – er wurde der Held der Kelten.
OISIN Â Â
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Als Fin Mac Cool alt geworden war, ritt er eines Tages mit seinem Sohn Oisin (sprich: Oschin) durch das hügelige Land im Süd-Westen Irlands.
Dort, unter den Seen von Killarney sollte das geheimnisvolle Land der „ewigen Jugend“ liegen.
Vater und Sohn befanden sich nun ausgerechnet in diesem Gebiet auf der Jagd.
Als sie sich vorsichtig voran pirschten, kam plötzlich ein wunderschönes Mädchen mit langen, goldblonden Haaren auf einem Schimmel daher geritten.
„Seid gegrüßt,“ sagte sie, „ich suche Oisin, den Sohn des Fin Mac Cool. Den soll ich nämlich heiraten – habt ihr ihn vielleicht gesehen?“
Fin Mc. Cool und Oisin waren baff.
„Du brauchst nicht mehr weiter suchen,“ antwortete der Vater, „Oisin steht vor dir.“
„Oh,“ hauchte das hübsche Mädchen, „ich bin Nief, die Prinzessin aus dem Land der ewigen Jugend.
Oisin, wenn du mit mir gehst, wirst du alles besitzen, was dein Herz begehrt – Soldaten, Viehherden (diese bedeuteten bei den Kelten Macht und Reichtum), vor allem aber ewige Jugend.“
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           Nief und Oisin sahen sich an und waren sofort ineinander verliebt. Dem Jüngling schien, er habe noch nie ein holderes Wesen gesehen.
Fin Mac Cool aber hatte große Bedenken. Ihm schien diese übereilte Verbindung recht zweifelhaft. Und außerdem würde sein Sohn in ein Land ziehen, das man nur vom Hörensagen kannte, aus dem noch nie ein Mensch zurück gekommen war.
Doch als er sah, wie verliebt und glücklich die zwei waren, willigte er schweren Herzens ein und ließ Oisin ziehen.
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           Viele, viele Stunden lang ritten die beiden über Stock und Stein, bis sie endlich in das Land der ewigen Jugend kamen.
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           Die Eltern von Nief erwarteten sie bereits. Sie arrangierten für das junge Paar eine schöne, große Hochzeit. Tagelang wurde mit dem gesamten Volk gefeiert.
Zuerst wunderte sich Oisin ein bisschen, denn es gab keine alten Leute. Auch Niefs Eltern waren jung und schön. Aber als er sich daran gewöhnt hatte, fand er, dass dies ein herrliches Land war, in dem es sich gut leben ließ.
Er liebte seine Frau, und das junge Paar lebte glücklich und zufrieden, bis....
Ja, bis Oisin Heimweh bekam. Ganz schreckliches Heimweh, so dass er beinahe richtig krank wurde.
„Was hast du nur?“ sorgte sich Nief.
„Ich möchte wieder einmal nach Hause reiten und meinen lieben, alten Vater besuchen,“ klagte er voll Sehnsucht. „Ach, Nief, ich möchte ihn so gerne wieder einmal sehen. Ich muss einige Tage in meine alte Heimat reiten.“
„Na ja,“ überlegte Nief, „wenn du so starkes Heimweh hast, so reite nach Irland und besuche deinen Vater.
Du musst jedoch meinen Schimmel nehmen – ich will ihn dir borgen.
Und bedenke, Oisin, dass du nicht vom Pferd steigen darfst. Du darfst den Boden Irlands nicht berühren – achte darauf – sonst habe ich dich verloren!“
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           Oisin versprach, diese Warnung zu beherzigen.
Er bestieg den schönen Schimmel und ritt viele, viele Tage, bis er endlich seine alte Heimat erreichte.
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Doch hier sah alles so verändert aus.
Oisin konnte nichts mehr erkennen. Ãœberall suchte er nach seinem Vater, Fin Mac Cool.
Da traf er auf eine Gruppe von Männern, die schwere Steinplatten an eine Hauswand lehnten.
„Kennt ihr vielleicht Fin Mac Cool?“ fragte er.Â
„Oh ja,“ antworteten einige nach kurzem Nachdenken, „den kennen wir schon. Der hat im vorigen Jahrhundert sogar hier in dieser Ansiedlung gelebt.“
Da erkannte Oisin, dass ein Jahr im Land der Menschen so schnell verging wie ein Tag im Land der ewigen Jugend. 100 Jahre waren vergangen! Er war noch so jung – und sein geliebter Vater schon so lange tot! Er wurde sehr traurig und sah verwirrt um sich.              Â
Die Männer, die er gefragt hatte, wandten sich wieder ihrer Arbeit zu.
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Plötzlich drohte eine der schweren Platten umzufallen.
Oisin sah es, wollte helfen und griff schnell hin, um die Platte zu stützen.
Dabei verlor er das Gleichgewicht und stürzte vom Pferd.
Damit jedoch hatte er irischen Boden berührt – und der schützende Zauber fiel von ihm ab.
Im Nu verwandelte er sich vor den Augen der Männer in einen ur-uralten Menschen.
Die wackeren Kelten starrten fassungslos auf dieses unglaubliche Geschehen.
Sie eilten ihm zu Hilfe und brachten ihn in ein Haus, wo sie ihm eine Lagerstatt bereiteten und zu essen und trinken gaben.
Viele kamen, um den Sohn des Fin Mac Cool zu sehen und seine Geschichte zu hören.
Oisin war wieder zu einem normal Sterblichen geworden.
Er freute sich, seine letzten Tage in der Heimat verbringen zu dürfen. Als er starb, fand er in irischer Erde seine letzte Ruhe.
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