Romane & Erzählungen
NEU "Im Kopf da macht es Klick Teil 13 - Eine Krönung wie im Märchen

Eine Krönung wie im Märchen

 

 

 

Ein Krönung wie im Märchen

 

 

Warum mein Großgedanke mich ausgerechnet geistig dorthin führte, zurück zu einem Erlebnis aus meiner Kindheit, war mir nicht klar. Oder doch?

 „Sag mal Herr Oberneurone, warum sind wir gerade in diesen Teil der Vergangenheit zurückgekehrt?“

„Ich wollte dir nur zeigen, dass du die toten Hunde der Vergangenheit ruhen lassen sollst!“

„Wie verstehe ich das?“

„Du hast immer wieder versucht deine Vergangenheit zu begraben. Nur hast du dabei vergessen, das Grab danach auch zuzuschütten!“

„Das verstehe ich nicht ganz!“

„Das will ich dir an einem Beispiel aus der Natur verdeutlichen: 

Ein kleiner Vogel suchte einst Schutz in den dürren Zweigen eines alten Baumes der in der Wüste stand. Dies war der einzige Baum im Umkreis von mehreren hundert Kilometern. Es war auch noch ein verdorrter Baum der nur sehr wenig Blattwerk und noch weniger Früchte hatte. Eines Tages schlug der Blitz ausgerechnet in diesen Baum ein und entwurzelte ihn, so dass er ganz abstarb. Auch sein Nest war zerstört. In seiner Not machte sich der kleine Vogel auf den Weg, um einen neuen Unterschlupf für sich zu finden. Nach mehreren Hunderten von Kilometern kommt er endlich am Rande der Wüste an einem großen Wald an. Die Bäume dort sind kräftig, und es wachsen die besten Früchte auf ihnen. Nun hatte der kleine Vogel wieder ein neues und besseres Zuhause gefunden. Auch fand er dort viele andere Vögel, die ihn herzlich begrüßten, denn sie wussten ja woher der kleine Vogel gekommen war.

Wenn der Blitz den einsamen Baum nicht gefällt hätte, dann wäre der kleine Vogel nie losgeflogen um sich ein neues Zuhause zu suchen.“

„Aha, jetzt verstehe ich! Ich bin also auch so ein Vogel? Den Baum meiner damaligen, sowie auch heutigen Lebensumstände hat also der Blitz getroffen? Also soll ich mich auch auf den Weg machen und meine einsame Wüste hinter mir lassen?“

„Genau, das sollst du!“

Da sprach ich: „Hört zu ihr alten Gedanken und Gefühle, hört zu ihr meine Lebensumstände, hiermit gebe ich alle meine Gedanken frei und lasse die alten Umstände los. Ich lasse in Zukunft die Zügel meiner Gedankenwelt schießen und sich selbst in den Weiten der Unendlichkeit ihren Weg finden. Ab sofort sollen alle meine Gedanken frei, ja von mir aus sogar zügellos sein!“

Mein logischer Gedanke räusperte sich und meinte: „Sag mal, ist das nicht sehr unvernünftig zügellos zu sein?“

„Was ist Vernunft“, gebe ich die Frage zurück. Vernunft ist der Tod jeder Leidenschaft! Also, es bleibt dabei, meine Gedanken, Synapsen und alle meine Gene können künftig tun und lassen was sie wollen!“

Kaum hatte ich diesen Entschluss gefasst, begannen meine Hirnzellen eine Party zu feiern. Sie waren endlich frei und konnten ihrer eigenen Bestimmung gemäß handeln.

Ich schaute erstaunt in meinem Kopf, und sah, was da jetzt los war.

Meine Gedanken hatten von nun an keinen Richter mehr in mir, der dauernd bestimmte was gut und richtig für sie ist. Was ich jetzt in meinem Kopf zu sehen bekam spottet jeder Beschreibung. Meine Gedanken waren mit einmal ein ausgelassenes und lustiges Völkchen geworden. Ãœberall sangen sie ihr Lieblingslied: „Klick, Knack, Puff, Piff, Zack, Wumms“, in allen möglichen Tonarten. Einer sang das Hohe C und ein anderer brummte im tiefsten Bass das gleiche Lied. Manche sangen es im Kanon und wieder andere zwitscherten es als Solo. Sie verhielten sich dabei wie kleine Kinder die Ringelreigen tanzten.

Die einzelnen Synapsen und Neuronen hielten sich dabei an dem jeweiligen anderen Zellen fest und bewegte sich rhythmisch miteinander hin und her. Es war  ihnen egal, ob sie ihrer Nachbarzelle an den Arsch fassten oder in dessen Nase bohrten. Sie fingerten und fummelten einfach überall herum. Sie umschlungen sich und piepsten wie frisch geschlüpfte Sperlinge. Auf keinem Rummelplatz der Welt herrschte soviel Betrieb, wie jetzt in meinem Kopf. Dort war nämlich die Party in vollem Gange.

Als meine Neuronen mich erblickten, ich war wieder selbst in die Welt meiner Gedanken hinein geschlüpft, kamen sie flugs auf mich zugeschlängelt und traten vor mein Angesicht.

„Großer Meister der Gedanken“, riefen sie laut. „Du bist unser Ehrengast! Wir feiern heute deine Befreiung, weil du dich nicht mehr als unseren Richter betrachtest!“

Jede meiner Gehirnzellen kamen vor mich hingetreten und jede zeigte mir ihr besonderes Können. Dies ging natürlich alles wahnsinnig schnell und rasant vor sich, so dass man hier gar nicht genügend Platz fände um das alles richtig beschreiben zu können. Einer der Neuronen machte vor mir einen Knicks und verbeugt sich theatralisch, wobei er die urig komischsten, neuronale Verrenkungen vollführte, wie es selbst ein Till Eulenspiegel in seiner Klanzeit nicht besser gekonnt hätte. Ein anderer Neuron zog mich ins Vertrauen und flüstert mir etwas ins Ohr. Ich konnte ihn allerdings nicht richtig verstehen, weil meine ganze Aufmerksamkeit von dem regen Treiben in meinem Kopf abgelenkt wurde.

„Was sagte er?“ frage ich meinen Großgedanken, der mir wie immer am nächsten stand.

„Du solle heute zum König gekrönt werden, zum Neuronen und Synapsenkönig?“

Hatte ich richtig verstanden? Nein, das konnte nicht wahr sein!

„Du wirst heute zum König gekrönt“, rief er mir nochmals ins Ohr, doch diesmal ein wenig lauter.

Ungläubig blicke ich ihn an um festzustellen, ob er sich mit mir einen Scherz erlaubte. Doch er blieb ernst und nickte noch bekräftigend dazu. Auch die anderen Zellen neigten ihre Häupter. Ãœberhaupt schienen meine Gehirnzellen sich heute ganz anders zu verhalten als sonst. Ich wurde von ihnen umringt und auf ein Podest erhoben. Unter Jubelgeschrei feierten sie meine neu gewordene Persönlichkeit und erhoben mich zum König. Jeder gab sich alle erdenkliche Mühe mir das Leben so leicht wie möglich zu machen. Vor lauter Freude wurden kleine Synapsenfingerchen geschüttelt und die ganze Bande war außer Rand und Band. „Juchhu“, ertönt es aus allen Ecken, „wir haben einen neuen König! Die Krone, wo ist die Krone“, rief einer. „Neue Gewänder“, ruft ein anderer. Jeder sorgte sich um etwas anderes. Und so wurde ich innerlich neu eingekleidet und erhielt eine Krone aufgesetzt. Es war eine Synapsenkrone. Diese bestand aus lauter veredelten Synapsenverbindungen die kunstvoll ineinander verflochten waren. Als mir diese Krone aufgesetzt wurde gingen bei mir im Kopf alle Lichter an, dass ich meinte mein ganzer Leib würde strahlen. Nun machte es überall, „Klick, Knack, Puff, Piff, Zack, Wumms“ in meinem Schädel.

Ich war nun König? Doch wo war nur mein Königreich?

Da trat mein Hauptgedanke wieder auf den Plan. In seinen Synapsenfingerchen trägt er eine Schatulle feierlich vor sich her. Die anderen Synapsen zogen sich langsam in ihre Neuronenzellen zurück und verhielten sich abwartend. Dabei machen sie dem Haupt- und Großgedanken ehrfurchtsvoll Platz. Mit gehmählichen Schritten kommt mein Hauptgedanke auf mich zugeschritten. Als er vor mir steht, verbeugt er voller Achtung sein Haupt. Ohne mich anzublicken überreicht er mir die Schatulle und sagt: „Wir sahen in deinem Wesen die Familienähnlichkeit mit dem universellen Geist und der allerhöchsten Vernunft. Wir wissen seit langem wer Du bist. Vernehme du Menschenkind, dich erwartet dein Erbe!“

Er machte die Schatulle auf und reichte sie mir hin.

In der Schatulle lag auf samtweichem Untergrund ein goldener Siegelring. Ich kannte diesen Ring . Irgendwo hatte ich ihn schon einmal gesehen. Es war der Ring meiner Ur- Urahnen aus längst vergangenen Zeiten. Wobei das Wissen um diesen Ring sich in meinen Geist befinden musste, denn ich hatte ihn noch nie zuvor bewusst wahrgenommen. Und dennoch wusste ich, dass es dieser Ring war. Der Ring musste irgendwann einmal verloren gegangen sein, denn er war aus dem Bewusstsein verschwunden und damit auch die Autorität und Macht die sich mit diesem Ring verband.

„Wie kommt du in den Besitz dieses Ringes“ frage ich meinen Großgedanken.

„Das ist der Schlüsselring, der dir alle Türen zu deiner inneren Schatzkammer öffnet“, begann er mit seiner Festrede. „Mit ihm hast du wieder die volle Autorität deiner Vorfahren zurückerhalten! Die Geschichte dieses Rings reicht einige Tausend Jahre zurück, vor diese Zeitrechnung, bis hin in die Zeit der Azteken und der Pharaonen! Wir Neuronenzellen gehören einer interstellaren Gemeinschaft von vielen anderen Gedankenverbindungen an! Es ist das kollektive Bewusstsein des Universums! Der ganze Kosmos ist ein einziger Gedanke! Alle Dinge gehören zusammen und doch stellt jeder für sich eine geschlossene Einheit dar. In den unendlichen Weiten des kollektiven Bewusstseins wurde der Ring für dich aufbewahrt, bis du die nötige Reife hattest ihn in Ehren zu tragen! Behüte ihn künftig sehr sorgsam, denn er ist jetzt wieder dein Eigentum!“ Dabei steckte er mir den Ring an meinen rechten Zeigefinger.

„Dies ist das Siegel, welches dich als König über den Garten deiner Träume setzt und gleichzeitig ist es der Generalschlüssel für die Stadttore deines inneren Atlantis!“

Ja Wahnsinn! Was ist denn jetzt los? Hatte ich instinktiv richtig gehandelt, als ich meinen ganzen Erziehungsschrott hinter mir ließ? Als ich die Welt meiner Gedanken freigab?

Kaum, dass ich den Ring an meinem Finger verspürte durchströmte mich eine sanfte Energie und ich sah mich im Besitz eines ganzen Imperiums. Das Gefühl der inneren Macht war sanft und verursachte mir ein angenehmes kribbeln im Bauch. Ich befand mich wieder in meiner eigenen Mitte, dort wo es keine Ablehnung und keine Gefangenschaft mehr gibt. Es fühlte sich für mich ganz normal an so, als wäre ich schon immer der Herrscher über ein Imperium gewesen. Und ich wusste nun, dass jeder Mensch ein ebensolches Imperium, wo es „Klick, Knack, Puff, Piff, Zack, Wumms“ macht, in sich trägt.

Nun war ich zum König gekrönt und hatte ein Reich voller Phantasie. Ich besaß den Schlüssel meiner Kreativität, zu meinem eigenen Atlantis dem Ort, wo alle meine Träume war werden. Was lag also näher, als jetzt gleich vor Ort die Macht des Ringes auszuprobieren.

Doch zunächst wollte ich mit meiner Schaltzentrale im Kopf meine Befreiung von alten erzieherischen Traditionen feiern. Und was eignete sich dazu besser als eine Flasche guten Neuronenweins voller Serotonin? Mein Großgedanke konnte das bestimmt besser vertragen als Alkohol und die anderen Neuronen und Synapsen würden deswegen auch nicht gleich umfallen.

Meine königliche Feier verlief ganz gemütlich, wobei zwei Glas Wein, ich meine natürlich Neuronensaft, völlig ausreichten um klar bei Verstand zu bleiben. Die Trinkexzesse von früher hatten nämlich ein Ende.

Nun war ich sehr gespannt darauf, wie meine Atlantis mich aufnahm?

Dazu begab ich mich zunächst zurück in mein Kopfhirn. Meine neuronalen Zellen waren alle hellwach und begrüßten mich herzlich mit den Worten:

„Unser neuer König kommt! Macht euch bereit, ihm die Wege zu der versunkenen Stadt zu bahnen!“

Hier als König zu herrschen begann mir richtig Spaß zu machen.

Und so rief ich meine Synapsen alle zusammen und übergab dem Hauptgedanken das Kommando.

„Hauptgedanke, suche du diejenigen Gehirnzellen aus, die uns auf die Reise ins Reich der unbegrenzten Möglichkeiten begleiten sollen!“

„Es ist schon alles für die Reise vorbereitet, großer Meister der Gedanken! Wir können sofort aufbrechen!“

Nun wurde mir meine Neuronenkrone wieder aufs Haupt gesetzt und das ganze Volk der Neuronen begleitete uns auf den Weg zum Bauchhirn.

Auch hier schienen sie gestern kräftig gefeiert zu haben. Es roch nach Mandarinen, Kaffee, Nüssen und vielen anderen Leckereien. Mein logischer Gedanke befand sich nicht unter den Neuronen, da er die Oberaufsicht im Kopf übernommen hatte. Man konnte ja, wenn man auf Reisen in sein Unbewusste ging, schließlich seinen Kopf nicht leer zurück lassen. Auch viele andere Nervenzellen, die nötig waren den Kreislauf und die Durchblutung aufrecht zu erhalten, hatte ich im Kopf zurückgelassen, damit sie weiterhin, „Klick, Knack, Puff, Piff, Zack, Wumms“, machten.

Nach einer Reisezeit von Millisekunden stehen wir vor dem Neuronen-Panoramaspiegel, der wie eine große Leinwand aufgebaut ist. Es ist das Tor zur eigenen Seele. Mein Hauptgedanke suchte sich einige speziell trainierte Synapsen aus und Schwupps, waren meine Synapsen ich mit dem typischen Klick, Klick, Klick in die Götterstadt Atlantis hinein verschwunden.

 

 

Fortsetzung folg

 

Copyright: Ernst Dierking