Auch Magie hat eine Seele. Immer muss es einen Hüter geben, der sie vor Missbrauch und Versklavung bewahrt, bis es eines Tages niemanden mehr gibt, der auf diese Aufgabe vorbereitet ist.
Mit schweißnassen Händen stemmte Endurin sich völlig erschöpft auf die Mauerkante. Vorsichtig schlüpfte er zwischen zwei halb zerfallenen Zinnen hindurch. Die Hitze und Luftfeuchte waren erdrückend. Nicht einmal der Stein, auf dem er hockte, könnte der hiesigen Witterung auf ewig trotzen. Dennoch war der Stein erstaunlich gut erhalten, noch kaum verwittert. Er bot guten Halt zum Klettern und wurde lediglich an ganz wenigen Stellen von Wurzeln verschiedener riesiger Baumriesen aus den Fugen gehoben.
Die Zinnen waren dunkel vor rotem, braunem und auch grünem Moos. Etliche graugrüne Flechten hingen von den Mauern herab, in die Tiefen des urigen Waldes. Kaum ein Lichtstrahl verirrte sich durch die dichten, hohen Kronen der Bäume.
Passend zur dunklen, goldbraunen Haut trug Endurin noch einen dunklen, weiten Umhang, um sich besser verborgen bewegen zu können. Die Kapuze hatte er bis tief über die Stirn gezogen, um seine silbriggrauen Haare zu verstecken.
Die Vögel flogen nur noch selten und zwitscherten immer leiser in weiter Ferne, als ob sie das drohende Unheil bereits ahnen würden.
Mit leicht gequältem Gesichtsausdruck blickte er die Brustwehr entlang. Noch gab es nichts zu entdecken. Kein Hinweis auf ein Alarm war zu erkennen.
Geduckt und höchst konzentriert hechtete er zum ersten erreichbaren Wehrturm. Leicht windschief hing dieser an der Maueraußenseite etwas über. Endurin betrachtete den Turm, dessen Wände und Dach noch intakt schienen und untersuchte die gut erhaltene Tür. Diese war aus Holz, vielleicht aus guter, gedunkelter Eiche oder sogar aus Ebenholz. Sie schien alt aber immer noch sehr robust zu sein. Überraschender Weise war sie unverschlossen.
Der Weg stand ihm offen, aber vor gespannter Erwartung zogen sich seine Bänder und Muskeln zusammen, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Wie immer begleitete ihn die Angst, dass sein erster Fehler eines Tages auch sein letzter wäre. Er bewegte sich so verstohlen, wie er nur konnte.
Aus dem Innern war nicht der Kleinste Laut zu vernehmen. Nicht einmal der Flügelschlag eines einsamen kleinen Falters drang an seine Ohren. Um ihn herum war alles verstummt, als wären alle Laute durch Magie zum schweigen gebracht worden.
Es schien, als hätte die Welt den Atem angehalten.
Auch Endurin hielt inne, als die Luft um ihn herum kribbelte. In seinen Gedanken formte sich ein einziges Wort:
„Falle!“
Doch er konnte nicht zurück. Wenn er bereits erwartet wurde, säße er schon in der Falle, selbst wenn er jetzt noch kehrt machte. Nur höchste Konzentration, geschärfte Sinne und der Weg nach vorn, konnten ihn lebendig Heim kehren lassen.
Erst vor einer Stunde hatte er, durch den unheimlich wabernden Nebel der Magie, die lang ersehnte Botschaft erhalten. Hier sollte der Magus leben, welcher die Magie schon seit Generationen unter Zwang setzte um die schrecklichsten und dunkelsten Dinge heraufzubeschwören.
Vorsichtig drückte er die schwere Tür einen Spalt weit auf und spähte in einen sehr dunklen, leeren Raum. Es roch leicht nach Moder, aber die Luft, die ihm entgegen wehte, war kühl und angenehm, nicht wie die drückende Hitze, die ihn den ganzen Tag schon quälte.
Wie das stille Überbleibsel der letzten lauen Nachtluft, wehte ihm ganz leicht ein angenehmes, beruhigendes Gefühl um die langen Ohren. Alles schien in Ordnung. Niemand lauerte hinter der Tür.
Die Scharniere waren gut geölt und verursachten in ihrer schwerfälligen, trägen Bewegung keinen Laut.
Ein Blick tiefer ins Dunkel offenbarte ihm, dass es in dieser Kammer nichts von Bedeutung gab. Nur halb vermoderte, unbrauchbare Möbel stapelten sich in einer Ecke. Für einen kurzen Moment gönnte er sich eine letzte Pause, entspannte sich und sammelte seine Kräfte.
Am Gegenüberliegenden Ende des fast leeren Raumes befand sich eine steinerne Treppe, die in die Tiefe führte. Die Stufen tauchten bereits nach zwei Schritt Tiefe in unnatürliche Finsternis, wodurch sein Unbehagen schnell wieder wuchs. Zur eigenen Sicherheit hielt er nur ein kleines Stück darauf zu, hielt inne und konzentrierte sich erneut auf all seine Sinne.
Er horchte, roch, fühlte die Luft um sich herum, verließ sich nicht mehr länger nur auf seine Augen. Und tatsächlich, ganz langsam und mit bloßem Auge kaum zu vernehmen, bemerkte er etwas. Geräuschlos schloss sich die Türe hinter ihm, fast wie von Geisterhand. Das bisher durch die Tür einfallende Licht wurde zunehmend geringer. Endurin war nicht länger allein.
Gleichzeitig gewöhnten sich seine Augen an das Zwielicht. Die kleinen vergilbten Fenster spendeten noch immer eine Spur fahlen Lichts.
Erst als mit leisem Klicken ein Riegel an der Tür vorgelegt wurde, begriff Endurin, was vor sich ging.
Bisher war alles viel zu einfach gewesen. Es hatte keine ‚echten’ Hindernisse gegeben. Noch bevor Endurin sich umdrehen konnte, um zu sehen, was geschehen war, wusste er, dass jemand hinter ihm stand.
Eine fremde Person, mit Glatze, langem wehenden weißen Barthaar, sowie einer langen strahlend weißen Robe und einem ebenholzfarbenem Langstab, dessen Holz durch und durch von Magie durchdrungen schien, war wie aus dem Nichts zwischen ihm und der Tür erschienen, als hätte er sich schon immer dort befunden.
Dieser Fremde schwebte beinahe über den Boden, als er auf Endurin zuhielt. Die eingefallenen, fast schwarzen, dunklen Augen in den tief liegenden Höhlen funkelten, wie ein wolkenloser Mitternachtshimmel.
Dass Endurin sich von dem bärtigen alten Mann hatte überraschen lassen, jagte ihm eine Heidenangst ein. Längst vergessene Verzweiflung ergriff mit eiskalten Fingern Besitz von ihm. Seine erste und wichtigste Regel im Kampf besagte: ‚Lass dich nicht überraschen; sei vorbereitet; überrasche selbst!’
Bedächtig und voll gespielter, offen zu Schau getragener Ruhe hob Endurin sein makelloses Bastardschwert zum Gruß. Sein Gegenüber hob den gewundenen, schwarzen Stab ein wenig an und ließ an beiden Enden scharf aussehende Klingen daraus hervor schnellen.
Bevor Endurin registriert hatte, was für eine Waffe sein Gegenüber trug, kam der erste Schlag.
Reflexartig parierte er mit dem Schwert. Doch der Schlag kam überraschend heftig. Das Schwert wurde ihm fast aus der Hand geprellt. Alles geschah viel zu schnell. Es war ihm kaum möglich zu erahnen, woher der erste Schlag gekommen war. Schon näherte sich der Stab erneut von links. Die zweite Klinge des Stabes glänzte ebenso tödlich, wie die erste.
Wie Schlieren schwirrten die Klingen verschwommen durch die Luft. Sie waren kaum zu sehen. Nur Bruchteile von Sekunden später, traf ihn ein schwerer Schlag von rechts in die Nierengegend. Sofort geriet Endurin ins Wanken. Den ersten Schock und Schmerz überwand Endurin noch schnell. Auch die folgenden Schläge konnte er gut parieren. Aber er fand keine Gelegenheit zur Offensive. Mit entsetzen musste er einsehen, dass der geschickt geführte Stab sehr viel schneller war, als sein langes, aber trägeres Bastardschwert jemals sein konnte.
Endurin hatte Glück, dass er seine Rüstung aus gehärtetem Leder nicht am Fuß der alten Ruine zurück gelassen hatte. Bei der herrschenden Hitze und der Kletterei war er kurz davor gewesen, einfach alles auszuziehen, um seine Kräfte ein wenig zu schonen.
Trotzdem befürchtete er, die Wucht der Schläge seines Kontrahenten könnte ihm bald alle Knochen brechen. Ein gezielter Stich wäre ebenso tödlich.
Kaum hatte er einen weiteren von unzähligen Schlägen, tief gegen sein rechtes Bein, abgewehrt, zuckte der Stab bereist in einer Kreisbewegung zurück. Sein Gegner täuschte an und mit dem anderen klingenbewehrten Ende hieb er zu.
Die Klinge zielte grausam auf Endurins links Schläfe. Zu spät erkannte Endurin die Bewegung. Die Drehung hatte weiter geführt. Als das andere Ende des Stabes den eigentlichen Schlag austeilte versuchte er noch zu blocken – vergeblich. Alles sah gut aus.
Nur entblößte er dabei unfreiwillig seine Schläfe. Dank gut geschulter Reflexe drehte er sich im letzten Moment ein wenig zur Seite und sank Blitzschnell in die Hocke. Seine Kappe wurde ihm vom Kopf gerissen und ein kleines Rinnsal Blut lief ihm seitlich an der Stirn bis über die linke Wange.
Wenige Augenblicke später nahmen ihm rote Schlieren seine Sicht. Auf dem linken Auge konnte er kaum noch sehen. Mehr und mehr Blut sickerte ihm in den äußeren linken Augenwinkel.
Schmerzen spürte er keine, wenn er, so wie jetzt, um sein Leben kämpfte. Er verfiel in eine Art Trance, die all seine Qualen für einige Zeit fern hielten. Anschließend, sobald er den Zustand überwunden hatte, musste er alles, umso schlimmer ertragen. Doch für die kurze Zeit des Kampfes lenkten sie ihn nicht mehr ab. Er konzentrierte sich vollkommen auf den Kampf, suchte in jeder Bewegung nach den besten Möglichkeit für einen Gegenschlag.
Und doch genügte es nicht.
Nach nur einer Minute erlitt er drei zusätzliche leichte Schnittwunden an den Schultern. Seine Deckung war zu langsam. Das wenige harte Leder, ursprünglich zu seinem Schutz gedacht, hing bereist an vielen Stellen in Fetzen. Eingerissen und geschlitzt fiel es an ihm herab. Seine Arme fassten sein Schwert so fest er konnte. Mit größtmöglicher Geschwindigkeit zog er sein Schwert von einer Seite zur anderen, von unten nach oben und wieder zurück. Lange würde er das Tempo nicht mehr halten können. Nie hatte er erlebt, dass ein Magier so gut focht.
Endurin parierte die Schläge aus allen Richtungen. Sein Überlebenswille verlieh ihm zusätzliche neue Kraft. Doch sein Gegenüber war ein wahrer Meister im Umgang mit dem Klingenstab.
Geschützt vor magischen Attacken, konnte auch Endurin nicht durch Magie in die Knie gezwungen werden. Nur gegenüber reiner körperlicher Gewalt war er noch verletzlich. Seine gute, wenn auch nicht ganz perfekte, Kampfkunst hatte in der Vergangenheit immer ausgereicht. Auf die Verteidigung gegen einen echten Kämpfer war er schlicht nicht vorbereitet.
Seit wann trainierte ein Magier sich im Nahkampf?
Endurins Orakel hatte behauptet, dieser Magus könne genauso wenig kämpfen, wie all die anderen.
Und doch war Endurin unterlegen.
Abgelenkt durch Überlegungen, die hier zu nichts führen würden, ließ sein Kampfgeschick kurzzeitig nach, und laut dröhnend schlug der Klingenstab erneut gegen den Kopf. Im allerletzten Moment schob Endurin die flache Seite seiner Klinge dazwischen.
Sein Schädel wurde nicht gespalten.
Das dröhnen im Kopf hallte dafür um so lauter in jeder Faser seines Körpers wider. Der Nachhall nahm ihm jedes andere Empfinden. Fast hätte er die Besinnung verloren und wäre zu Boden gegangen. Den nächsten Schlag sah er kaum noch kommen. Zu langsam war seine Reaktion.
Mit weitem Schwung schnitt ihm die fremde Klinge tief ins rechte Bein. Nur ein Sprung zur Seite rettete ihm den Fuß, den er fast verloren hätte. Die rechte Beinschiene war glatt durchtrennt. Darunter löste sich ebenso ein feiner Streifen seiner Haut. Sein Bein begann zu brennen wie Feuer.
Die schattig, dunkle Luft kühlte den Schnitt mit einem leichten Kitzeln. Gleichzeitig war es überall zu warm. Jede Bewegung forderte mehr Schweiß, als die vorherige. Empfindungen wie heiß und kalt verloren an Bedeutung. Sein ganzer Körper brannte von all den kleinen und großen Wunden. Die letzte fraß sich gerade ihren Weg hinauf zu seiner Hüfte.
Er brauchte einen Ausweg.
Im Laufe des Gefechts wechselte Endurin mit seinem Gegenüber die Positionen. Beide glitten vor, zurück, nach linkt und rechts. Zögerlich und vorsichtig drehte Endurin sich um seinen Gegner, versuchte dabei seine Absicht nicht zu offenbaren.
Trotz all der Schmerzen, die ihm fast die Besinnung raubten, versuchte er hinkend rückwärts zur Tür zu gelangen. Er konzentrierte sich mit jeder Faser seines Selbst auf seine Abwehr. Nur noch ein paar Minuten mehr und er würde am Leben bleiben. Sein Kampfrausch ließ ihn die Schmerzen noch eine Weile ertragen.
Schritt für Schritt eroberte er sich unmerklich den Weg in die Freiheit. Er würde trainieren, sich besser vorbereiten. Und eines Tages würde er wiederkehren, zurück an diesen unseligen Ort, um zu beenden, was er begonnen hatte.
An der Tür angekommen versuchte er mit einer Hand den Riegel zu öffnen und sich nur noch mit der anderen zu Verteidigen.
Sofort erschütterten ihn die Schlagfrequenz und Härte der Angriffe seines Gegners bis ins Mark. Die Hiebe fielen nochmals stärker als zuvor. Endurin musste von der Tür ablassen, um nicht den Kopf zu verlieren.
Der Boden war bereits mit unzähligen Furchen und Kerben und den ersten roten Punkten und Flecken benetzt. Selbst Endurin sah kaum besser aus. Die Überreste seines Hartlederpanzers bekamen wieder einen neuen Riss. Seine Schultern, Unterarme und Beine sahen aus, wie eine mit roter Farbe übergossene Ruine. Selbst unter seinem hell glänzenden Haar klebte es verdächtig.
Unbarmherzig kamen weitere Schläge.
Nicht in der Lage, die Tür zu untersuchen, schon gar nicht, sie zu öffnen, bereitete ihm jede Bewegung zusätzliche Schmerzen. Seine Paraden gelangen nur noch beidhändig. Allmählich verlor er an Kraft und Schnelligkeit. Dann traf ihn eine der gegnerischen Klinge erneut an der ungeschützten Wade.
Endurin knickte ein und brach zusammen. Der neue, höllische Schmerz, verbunden mit totaler Erschöpfung, war endgültig zu viel. Die Wunde spürte er kaum, aber der seelische Schmerz war zu groß. Die Ohnmacht, hier zu erliegen, tat weh.
Akzeptieren konnte er seine Niederlage nicht. Angespannt ertrug er den körperlichen Schmerz im Bein. Kurz gelang es ihm aufzutreten, um unauffällig davon zu humpeln. Seine herausragendste Fähigkeit, wieselgleich auszuweichen, schrumpfte dabei auf ein Minimum zusammen. Erneute schmerzhafte Treffer und schwerere Verletzungen waren nur eine Frage der Zeit.
Die Reflektionen des wenigen Lichts, das sich auf den Klingen spiegelte, spielten in den verrücktesten Farben und irritierten ihn, lenkten seine Gedanken ab. Endurin blockte nur noch einen einzigen weiteren Schlag gegen sein schwer verletztes Bein. Dann ließ er seine Waffe einfach sinken. Vielleicht war es doch an der Zeit, einzusehen, dass er unterlag.
Das bisher stolz erhobene Haupt senkte er ehrerbietig. Jeder musste erkennen, wann er verloren hatte. Sein Leben war zu Ende. Daran war nichts mehr zu ändern.
Ergeben sank er auf sein unversehrtes Knie. Selbst dafür reichte seine Kraft kaum noch aus. Hart schlug er auf dem Boden, was jedoch keine Rolle mehr spielte. Ein Kämpfer, wie dieser Magier, verdient Hochachtung. Endurin erkannte das an und akzeptierte endlich seine Niederlage.
Der Magier schien Endurins inneren Zwiespalt nicht zu bemerken. Der Klingenstab sauste nahezu geräuschlos über Endurins Kopf hinweg. Wie ein Blitzschlag schlug die vorgestreckte Klinge tief in das Holz der Tür, die endlich hinter ihm lag.
Der kämpfende Magier hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass Enduurin so leicht und schnell zu Boden gehen oder aufgeben würde. Die eine, der beiden scharfen Klingen, steckte so weit in der massiven Tür, dass sie sich auch mit Gewalt nicht mehr losreißen ließ.
Das rettete Endurin das Leben!
Er wollte aufstehen, dem nunmehr waffenlosen Magier ein Ende machen. Doch Endurins zerschundenes linkes Bein wollte sein Gewicht nicht tragen. Höhnisch lachend wich der Magier einfach ein Stück zurück, als er Endurin zusah, wie er sich mühte, wieder auf die Beine zu kommen.
Mit aller Willenskraft, die noch aufzubringen war, zog Endurin sich an dem Klingenstab empor und hob sein Schwert mit entschlossener Mine. Er würde die Distanz auch mit verletztem Bein irgendwie überwinden. Er konnte, musste, würde das einfach schaffen.
Endurin hasste es, andere lebendige Wesen töten zu musste. Doch bei diesem Magier kannte er Gnade.
Weit zog er das Schwert hinter den Kopf um auszuholen. Mit einem einzigen sauberen, schnellen Schlag sollte alles vorbei sein. Kein unnötiges Leid musste mehr geschehen. Nur eine kurze Distanz galt es zu überbrücken.
Nur ganz kurz zögerte Endurin, um sich zu sammeln, bevor er zum tödlichen Schlag ansetzte. Und damit vertat er seine letzte Chance.
Der bärtige alte Magier zückte mehrere Wurfmesser und holte aus. Endurin sah die blitzenden Messer und erwartete das Unvermeidliche.
In dem Moment, als er sich in Todesangst nach hinten an die Tür drückte, gab diese plötzlich nach. Unkontrolliert taumelte er ins Freie. Ein scharfes Messer flog im gleichen Moment an ihm vorbei. Es streifte ihn so knapp am Gesicht, dass er anschließend ein paar Haare weniger über der Stirn hatte.
Friedlich sanft vielen die Haare wie Federn auf den warmen steinernen Boden. Erneut sah er die Luft vor Hitze flimmern. Erst deutlich später spürte er den brennend heißen Strich, der schnurgerade über seiner Stirn verlief.
Der Klingenstab des Magiers, hatte den äußeren Riegel scheinbar mit einem einzigen Stoß durchschlagen. Wieder im freien, umfangen von heißer schwüler Luft, klammerte er sich mit verzweifelter, neuer Hoffnung an den Stab, der sich mit ihm nach draußen gedreht hatte. Neben dem Eingang, aus dem er soeben gestolpert war, hob er mit der anderen Hand nochmals sein Schwert auf Schulterhöhe und zog es weit nach hinten, um auszuholen.
Ein Stück neben der Tür, gerade so weit entfernt, dass sie mit dem Schwert erreichen konnte, blieb er stehen.
Während er sich auf die Tür konzentrierte, um den richtigen Moment nicht zu verpassen, den Magier schnell erledigen zu können, packten ihn grobe Hände von hinten. Gewaltsam rissen sie ihm das Schwert aus der Hand.
Er wusste nicht, wie ihm geschah. Hilflos verlor er den Boden unter den Füßen. Seine eigene Waffe legte sich unter sein Kinn. Jede Gegenwehr wurde im Keim erstickt! Jemand hatte von draußen geholfen. Irgendjemand war die ganze Zeit schon draußen gewesen. Die Tür war von außen verriegelt gewesen.
Langsam und bar jeden Gefühls ließ er sich die wenigen Meter bis zur hohen Brüstung schleppen, immer mit dem Gesicht voran, Beine und Arme unter enormer Spannung. Die Klinge an seinem Hals erlaubte ihm nicht, sich viel zu bewegen. Alles, was er tun konnte, war still halten.
Der eine Arm, der ihn umfangen hielt lag um seinen Oberkörpen und seine Arme wie ein Schraubstock. Der andere fremde Arm drohte ihm die Kehle durchzuschneiden.
Kurz darauf spürte Endurin die raue Schwüle des Steins an den Zinnen der Brüstung, die er noch vor wenigen Minuten, bei viel zu großer Hitze überwunden hatte. Er wurde auf die Zinnen gehoben.
Das Gefühl, das der Stein auf der Haut verlieh, wirkte irgendwie beruhigend, ließ ihn Abstand zu seinem eigenen Körper nehmen. Er sah sich selbst von außen, seine Sinne vom Körper getrennt und verabschiedete sich von sich selbst.
Genau den Weg, den er gekommen war, kehrte er nun zurück. An dieser Stelle war er vorhin erst über die Brüstung geklettert. Auch der Luftzug, den er an seinem Gesicht vorüber ziehen spürte, während er sich fallen sah, war eigenartig vertraut. Weiter unten lag noch ein Teil seiner Ausrüstung. Er hatte Heilkräuter mitgenommen, für den Fall, dass er sich verletzen sollte. Er konnte sie riechen.
Und dann fiel er.
Warm und wohltuend streichelte ihn der Duft getrockneter Kräuter. Der Weg hinauf war anstrengend gewesen und jetzt war alles leicht. – Er flog.
Das letzte, woran Endurin dachte, war sein Kind, das er in wenigen Tagen zum ersten Mal nach seiner langen Hatz besuchen wollte. Dann endete das streichelnde Gefühl des Windes in seinen Haaren. Die ganze Welt verstummte und hörte auf, zu existieren.
Moena90 Nun komme ich nach so langer Zeit auch endlich mal dazu, deine Geschichte ganz zu lesen. Da ich selbst mit Kampfszenen auf dem Kriegsfuß stehe, beindruckt es mich umso mehr, wie man so einen Kampf über 24 Seiten ziehen kann, ohne dass es langweilig wird. Dein Text hat mich gefesselt bis zum Schluss und dein Schreibstil gefällt mir ebenfalls sehr gut. Hier und da sind ein paar Tippfehler drin, aber selbst die haben mich ausnahmsweise nicht einmal gestört. Deshalb fünf Sterne von mir. ;) Liebe Grüße, Moena |
Tonsuri Tragisch und mitreißend... - Das Kapitel hat mir wirklich sehr gut gefallen und weckt in mir das Interesse zu wissen, wie es weitergeht, jetzt wo der letzte Hüter tot ist. Wirklich toll geschrieben. Ab und zu habe ich ein paar Rechtschreibfehler entdeckt, aber die kann man ja ausbessern. ;-) |