Romane & Erzählungen
NEU "Im Kopf da macht es Klick" Teil 8 - Its Rock and Roll, Baby

Its Rock and Roll, Baby

Its Rock and Roll, Baby

 

 

Mein Großgedanke hatte von mir die Aufgabe erhalten, in meinem Kopf für Ordnung zu sorgen und darauf zu achten, das der Zweifel, der Hass und der Neid keinen Zutritt mehr in meine Gedankenwelt bekamen. Dennoch führte mich jetzt irgend ein Geist zurück in meine Vergangenheit.

Ziemlich orientierungslos stakten mein Freund und ich damals durch die Straßen der Kleinstadt Konstanz am Bodensee. Wir waren beide auf der Suche. Aber nach was, das war die Frage? Keiner von uns konnte diese Frage beantworten. Es war nur ein Gefühl das uns vorantrieb. Wir wollten der Langeweile ein Schnippchen schlagen und als junge Erwachsene das Leben genießen. Und so landeten wir in einer Musikkneipe, einer typischen Studenten-Bodega, von derer es im Jahre 1973 eine ganze Menge gab.

In einem Jazzkeller fühlten wir uns auch bald herzlich aufgenommen. Alle Leute war gut drauf und unterhielten sich über die neuesten Musiktitel. Ja, das war das Lebensgefühl nach welchem wir gesucht hatten.

Da erblicke ich eine junge Frau in einer Ecke sitzen, die offensichtlich Blind war und sich nicht an den Gesprächen der anderen beteiligte. Sie saß teilnahmslos an ihrem Platz und schien in Gedanken versunken zu sein. Welche Gedanken ihr wohl gerade durch den Kopf gingen, fragte ich mich neugierig.

Meinen Freund sah diese Frau ebenfalls und ihn erbarmte ihr Anblick. So ging er zu ihr hin und sagte:

„Kopf hoch Baby, Its Rock and Roll!“

“Wie bitte?“, antwortete sie, und tat so als ob sie nicht genau wusste, dass sie die Angesprochene war.

„Its Rock and Roll, Baby!“, wiederholte mein Freund da er nicht wusste, was er sonst sagen sollte.

“Ja, ich weiß, das ist Rock and Roll. Ich kann die Musik sogar sehr intensiv hören. Die Musik regt meine inneren Sinne an!“ Dabei richtete sie zwar ihre Augen auf meinen Freund, hob aber ihren Kopf leicht an als lauschte sie auf irgendwelche Signale.

Obwohl ich nicht sehen kann, sehe ich hier doch alles ganz deutlich mit meinem inneren Auge. Ich kann dir das Lokal genau beschreiben und auch sagen, wie die Leute hier aussehen! Du zum Beispiel hast einen rötlichen Vollbart und sehr starke Augenbrauen! Deine Augen sind grün, stimmts?“

„Wie geht denn das?“`, will mich Freund wissen. Mich interessierte das natürlich auch, darum kam ich näher und hörte dem Gespräch gespannt zu.

„Das ist ganz einfach! Wenn jemand blind ist wie ich, dann übernehmen andere Gehirnzellen die Funktion des Sehens!“

„Aha“, räusperte ich mich..

Zu mir gewandt sagte sie: „Du hast schwarzes Lockenhaar und dunkel braune Augen und bist sehr groß!“

„Stimmt!“, gebe ich zur Antwort.

„Aber wie kannst Du das denn so genau sehen?“, will mein Freund wissen.

„Meine Sinne sind geschärft, und weil ich durch Sehen nicht in meiner Konzentration abgelenkt bin fügen sich die Bilder durch mein Gehör im Kopf zusammen. Ich kann die Bilder regelrecht erfühlen!“

Mein Freund und ich blicken uns erstaunt an.

„Kann das eigentlich jeder?“, will ich wissen.

Alles, was ihr mit eueren Augen seht, ist eigentlich nur eine Illusion, die dadurch entsteht, dass ihr auf Grund eurer Stimmung ein bestimmtes Gefühl damit verbindet. Dadurch seht ihr mit euren Augen eine individuelle Realität, die ein anderer ganz anders sehen und erleben kann als ihr!“

Diese Episode war mir damals sehr stark haften geblieben. Warum führte mich meine innere Reise ausgerechnet dorthin, fragte ich mich. Ich befand mich damals in Konstanz am Bodensee. Eine Hochburg für jede Art von Vergnügen. Die naheliegende Schweiz und der See zogen viele Fremde Gäste an und so erlebte diese Stadt eine wirtschaftliche Blütezeit.

Ich lernte damals eine bildhübsche Schweizerin kennen. Ihr Name war Charlotte. Wir fuhren noch am selbigen Abend nach Zürich und landeten gemeinsam im Bett. Unser Sex war in jener Nacht wundervoll, da von Anfang an die Chemie zwischen uns stimmte. Ihr neuronales System stimmte mit meinem total überein. Und so produzierten wir jede Menge, na ihr wisst schon, Serotonin. Und noch so eine Substanz war da im Spiel, ach ja Testosteron genannt. Dieses Zeugs produzierten wir in rauen Mengen. Später hat mir mein Großgedanke erklärt, wie und wo das ganze stattfindet.

Sex entsteht nämlich in unserem Gehirn im Hypothalamus. Der Hypothalamus, gerade mal so groß wie ein Kirchkern, steuert unsere Gefühle, die Herzfrequenz und den Blutdruck. Ãœberhaupt befinden sich in unseren Gehirnen die tollsten Erfindungen und Einrichtungen. Alles funktioniert dort wie am Schnürchen und macht ohne jede Hektik: „Klick, Klick Plong und Puff!“

Nach dem damaligen Wertegefühl war es eigentlich unmoralisch gleich mit einer Frau ins Bett zu gehen.

Der französische Dramatiker, Jean Gernet aber sagte: „Der Reiz des Verbotenen, falls es überhaupt etwas verbotenes gibt, kann man nur auskosten, wenn man es sofort tut – morgen ist es vielleicht schon erlaubt!“

Seit jenem Abend wurden wir beide ein glückliches Paar und liebten uns. Wir lebten daraufhin gemeinsam in ihrem Chalet am Vierwaldstädter See. Allerdings wurde unser Liebesleben Nacht für Nacht heimlich belauscht.

In Ihrem Chalet wohnten nämlich außer uns beiden, auch noch ein Marder und jede Menge Mäuse, die sich solange ruhig verhielten bis wir mit unserem Liebesspiel fertig waren. Danach erst fingen sie an zu tanzen und wer weiß, was sie hinter dem Gebälk noch alles trieben. Man hörte sie leise Taps, Taps und Husch, Husch machen. Und der Marder schien seine wahre Freude daran zu haben, Nachts Bocksprünge und Salto- Mortale zu üben.

Wir lebten wie die Millionäre und waren es ja auch. Denn sie hatte von ihrem Vater ein Sägewerk geerbt, besaß zwei große Chalets direkt am Vierwaldstädter See, von wo sie noch Mieteinnahmen erzielte und in der schweizerischen Bankgesellschaft lagen die Bareinlagen, Aktien und Grundstückeintragungen, die ihr Vater ihr hinterlassen hatte.

Das alles kam mir in den Sinn als ich mich im Garten meiner Träume befand und mich von hier aus auf die rückblickende Reise machte. Doch welcher Geist war es, der mich dorthin leitete?

Während ich mich so meinen Eindrücken hingebe bemerke ich, dass ich nicht alleine mit meinen Gedanken hier bin. Mein logischer Gedanke war mir gefolgt und lag jetzt, wie ein zahmer Hund, ganz brav neben mir. Er registrierte alles und benahm sich tatsächlich wie ein dressierter Hund der sein Herrchen bewachte. Nicht die kleinste Kleinigkeit entging seinen wachsamen Blicken. „Brav“, sagte ich zu ihm und streichelte ihn über seine logischen Zellen. „So gefällst du mir viel besser!“ Meine Logik hatte nämlich aufgehört alles in Frage zu stellen.

Während sich meine Gedanken noch mit der Situation von damals beschäftigten fällt mir wieder ein, was die Geliebte im Garten meiner Träume zu mir sagte?

„Jetzt wo du offen und empfänglich bist, kommt dir auch die Welt entgegen!“

Kaum, dass ich diesen Gedanken gedacht hatte, stand sie auch schon neben mir und sagte: „Komm Geliebter, ich freue mich das du endlich da bist! Ich sehnte mich so sehr nach dir, wie auch du dich nach mir sehntest!“

Aha, da draußen in der realen Welt wartet also jemand, der sich nach mir sehnt. Denn dass die Traumwelt hier ein Abbild der realen Welt da draußen war hatte ich inzwischen begriffen.

Welch ein wunderbares Wesen steht da vor meinem geistigen Auge. Mir wurde fast schwindelig.

Da erinnerte ich mich an die blinde Frau in Konstanz, die sagte: „Alles was wir als real erleben und sehen ist immer der Stimmung zu verdanken in der wir uns augenblicklich befinden.“

Ich nehme diese hübsche Wesen in meine Arme und drückte sie zärtlich an mich. Sie schmiegte sich eben so eng an meinen Körper, wie ich mich an den ihren. Dabei spüre ich, wie sie sich an meiner Brust tief geborgen fühlte.

Meine männliche Kraft wurde immer stärker und automatisch erwachte mein natürlicher Beschützerinstinkt. Ich fühlte, dass sie ein Teil von mir ist. So hielten wir uns eine Weile umschlungen und gaben uns den himmlischen Gefühlen hin.

Dabei spüre ich ihren Herzschlag an meiner Brust. „Pam, Pampam, Pam, Pampam... “, machte es unaufhörlich. Selbst unsere Herzfrequenzen stimmten also miteinander überein und unser beider Atem ging gleichmäßig.

Mit glücklichen Augen sehen wir uns an und lächeln.

Da drückte sie mir hastig einen Kuss auf die Lippen und ist im nächsten Augenblick, wie ein Spuk verschwunden.

Aus der Ferne höre ich wie sie rufen: „Du wirst mich dort finden, wo du mit deinem Herzen bei der Aufgabe bist, die du dir gestellt hast. Deine Gedanken und Wünsche ziehen die Dinge dann wie magisch an.

Für mich stellte es sich als ein wahnsinniges Erfolgserlebnis dar, hier in der Welt der unbegrenzten Möglichkeiten einen Blick in die Zukunft zu tun. Doch jetzt wurde es Zeit wieder in meine Realität zurückzukehren.

In Sekundenbruchteilen befinde ich mich zurück im Zentrum meines Kopfhirns, dort wo meine Neuronen wie immer Klick, Knack, Puff, Piff, Zack, Wumms machten. Der logische Gedanke war mir brav wie ein Hund auf den Fuß gefolgt.

Mein Hauptgedanke begrüßte mich mit den Worten: „Na, wie war die Reise ins innere deiner Seele?“

„Ich muss unbedingt diese Frau finden“, sagte ich zu ihm.

„Also hast du sie dort wieder getroffen?“

„Aber klar, das weißt du doch! Du willst mich wohl ein wenig veralbern?“

„Und was gedenkst du jetzt zu tun“, fragte er zurück.

„Ich werde ganz einfach meine Augen aufhalten und darauf vertrauen, dass sie mir über den Weg läuft!“

„Sie ist schließlich die Hauptperson in dieser Geschichte. Also muss es dafür auch ein Happy End geben!“

Da flüstert mir mein logischer Gedanke ins Ohr: „Das, was du eben erlebt hast ist wohl eine sich selbst verwirklichende Prophezeiung! Du hast einen Blick in deine eigene Zukunft getan!“

Mich wunderte, das mein logischer Gedanke zu solchen Einsichten kam.

Mit diesem Gedanken kehrte ich zurück in meine Realität.

Die Reise ins Land meiner Wünsche sollte eigentlich eine Veränderung meiner Alltagssituation herbeiführen. Denn, dass die Reise ins Wunderland meiner Träume nicht ohne Auswirkungen für mich bleiben würde war mir klar.

Das Telefon schrillte und ich nahm den Hörer ab. „Ja“, meldete ich mich wie gewohnt, gespannt wer da anruft. Ich wünschte natürlich eine liebliche Frauenstimme zu vernehmen. Doch leider war es nur ein Kunde der anrief und mir mitteilte, dass er mit der letzten Lieferung nicht einverstanden sei. In dem Paket haben sich neben der bestellten Ware zusätzlich drei Backsteine befunden. Backstein, frage ich zurück? Wir handeln doch nicht mit Baustoffen, sondern mit Berufsausrüstung. Die Steine hatte bestimmt der Lieferant aus Südostasien hineingepackt, damit das Verpackungsgewicht stimmte.

Ich hatte ja nun schon einiges erlebt, aber das! Schallend lachend teile ich meinem Kunden mit, dass ich die mangelhafte Ware sofort kostenlos umtauschen werde. Die Backsteine könne er aber gerne behalten.

Der Geschäftsalltag fing ja wieder wirklich gut an. Ich rufe daraufhin meinen Importeur an und kläre ihm den Sachverhalt mit den Backsteinen.

Da teilt er mir mit, dass im Augenblick auf dem weltweiten Markt etwa 70% der Produktionsfirmen in Südostasien, allen voran in Taiwan still stehen.

Das sind ja herrliche Aussicht in dieser schönen realen Welt. Da war es in meinem Bauch doch wesentlich angenehmer.

Apropos Bauch. Ich begebe mich in meine Küche und machte mir erst einmal etwas zum Essen. Ich hatte seit meiner Reise in die Wunderwelt vergessen meinem leiblichen Wohlbefinden die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Jetzt meldete sich der Hunger. Während ich so mein Essen verschlang, dachte ich an mein Bauchhirn, was dort wohl jetzt abging?

Da fällt mir ein, ich hatte zur Verbesserung der Gulaschsuppe jede Menge Zwiebeln mit hineingeschnitten, mehr als notwendig gewesen wäre. Hoffentlich bekommt meine Liebste im Bauchhirn die ganze Sache jetzt nicht ab, überlege ich scherzhaft. Dann ist es nämlich mit der Liebe gleich wieder vorbei. Welche Frau mag schon die Bekundungen einer Gulaschsuppe mit vielen Zwiebeln schmecken?

Inzwischen bin ich volle drei Wochen hier in meiner Realität und nichts hatte sich für mich geändert. Im Gegenteil die Geschäfte gingen schlechter als zuvor. Hatte ich mich denn in meinem Traum geirrt?

Da tröstete mich mein Hauptgedanke, der seit jener Zeit mein ständiger Begleiter ist, mit den Worten:

„Die Nacht ist immer dann am dunkelsten kurz, bevor der Morgen graut!“

 

 

Fortsetzung folgt....

 

Copyright: Ernst Dierking