-KAPITEL 1- Anmerkung: Zuvor erschienene Kapitel dieser Serie: --> PROLOG Es ist sinnvoll, die zuvor erschienenen Kapitel dieser Serie der Reihenfolge nach zu lesen, um der Handlung folgen zu können. Vielen Dank, T. © Tobias R. - bisota/mySTORYs.de
-KAPITEL 1-
„Und jetzt das ganze etwas ausführlicher bitte, Mr. Harper.“
„Aber Sie sagten mir, dass die Sitzung heute beendet sei, wenn ich…“
„Sie sind mir aber ein wenig zu kurz angebun-
den, Mr. Harper. Sie haben ihren Lebenslauf in genau 29 Sekunden heruntergerasselt, wie ein neurotischer Sechstklässler, der versucht, seinen Vortrag in Geschichte so schnell wie möglich hinter sich zu bringen und es infolgedessen einfach von seinen hübsch angerichteten, kleinen Karteikärtchen abliest! Würden Sie diesem Schüler etwa eine anständige Note geben?“
„Ich bitte sie, Dr. Swingler, natürlich nicht!“, entgegnete ich mit einer gewissen Ironie, die sie aber nicht zu interessieren schien.
„Na also, Mr. Harper. Dann beginnen wir noch einmal schön von vorn. Langsam und ausführ-
lich. Ich höre.“
„Also gut. Mein Name ist Simon Harper und ich bin…“
Dr. Swinglers Blick war nicht gerade mit Freude erfüllt. Sie schob ihre Brille auf ihre Nasenspitze und schielte mit leicht gesenktem Kopf über den oberen Brillenrand hinweg zu mir:
„Mr. Harper, ich bitte Sie! Wenn Sie sich hier zum Affen machen wollen…“
„Soll ich nun über mich und mein spannendes Leben erzählen oder nicht? Lehnen Sie sich also endlich zurück und hören Sie mir zu.“
„Dann beginnen Sie aber dieses Mal mit ihrer Kindheit, wie sie war und was Sie so angestellt hatten. Ihre Personalien kenne ich bereits. Und machen Sie sich jetzt nicht lächerlich.“
"Bitteschön. Wie sie wollen. Mein Name ist …“
Wieder starrte sie mich mit diesem unverwech-
selbaren Blick an, der mich einschüchtern sollte. Ich genoss es immer wieder, einige ihrer monotonen und tristen Arbeitstage mit diesen kleinen Späßen zu versüßen. Natürlich war auch ein wenig Schadenfreude im Spiel.
Schließlich winkte sie mit einer abwertenden Geste ab und ließ mich weiterreden.
„…Simon Harper und bin ein lediger, meist anständiger Mann von 39 Jahren, welcher ein kleines Cottage inmitten einer neumodischen und spießigen Siedlung am Rande der Kleinstadt Noroughburry besitzt.“
Natürlich wusste ich, dass sich Dr. Swingler erst vor kurzem in dieser Siedlung eines von diesen futuristischen Fertighäusern aufstellen ließ und dort am kommenden Montag einziehen wollte.
Aufgrund meiner Aussage leuchteten ihre Wangen glutrot, was selbstverständlich nicht zu übersehen war. Nicht vor Scham oder Peinlichkeit, nein.
Sondern vor Wut.
Ich ignorieret ihre Reaktion und redete kurzer Hand einfach weiter. Ich erzählte ihr nun endlich von dem, was sie hören wollte. Von meiner Kindheit.
Meine Kindheit war weitestgehend normal verlaufen. Ich denke, heutzutage könnte man das wirklich als normal bezeichnen.
Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich 17 Monate alt war. Mein Vater verschwand von heute auf morgen. Er packte innerhalb einer Nacht seine Sachen zusammen und vernichtete die wenigen Fotos, die er von sich machen ließ. Er mied Kameras, wo immer er auch konnte. Meine Mutter berichtete mir, dass er immer meinte, er sei nicht Fotogen genug.
So blieben uns keine Erinnerungen von ihm.
Ich wusste lediglich seinen Namen.
Dennoch konnte ich ihn bis zum heutigen Tag nicht auffindbar machen. Und das in den Zeiten des Internets und gewissen Suchmaschinen. Er schien wie vom Erdboden verschluckt worden zu sein.
Später sollte sich herausstellen, dass diese Annahme durchaus einen kleinen Funken Wahrheit in sich trug.
Ich erzählte Dr. Swingler, dass meine Kindheit bis Anfang des sechsten Lebensjahres völlig normal verlief und ich ein, abgesehen von der fehlende Liebe eines Vaters, durchaus zufriedenes und glückliches Kind gewesen war. Ich musste anmerken, dass es noch ein weiteres, negatives Erlebnis in meiner Kindheit gab.
Nach dem Verschwinden von Dad verachtete
meine Mutter die Männerwelt.
Zwei Jahre lang hasste sie Männer abgrundtief, nach und nach entdeckte Sie aber ihr Interesse am männlichen Geschlecht wieder. Als ich sechs Jahre alt war, lernte sie einen wohlhabenden Geschäftsmann kennen. Nach einer kurzen aber intesiven Affäre, zog er es lieber vor, sich aus dem Staub zu machen, anstatt sich um meine schwangere Mutter zu kümmern.
Ja, sie war schwanger.
Von ihm.
Und sie war alles andere als glücklich darüber. Eine Abtreibung zog sie jedoch nie in Erwägung.
Mein Halbbruder hieß Ted, er war ein sehr schwer erziehbarer Junge, der unter ADS litt und von seiner Therapeutin bereits im Alter von fünf Jahren als unberechenbar beziehungswei-
se als äußerst aggressiv eingestuft worden war.
Im selben Jahr suchte Mum verzweifelt den Kontakt zu den Behörden, da sie mit Ted’s Therapie und den ganzen Stress rund um seine Person nicht mehr zu recht kam.
Er hatte sie, zu allem Überfluss, schon zwei Mal ans Schienbein getreten, als Mum ihn wiederholt heftig ermahnte und ihn dabei am Arm packte. Er solle nicht schon wieder den Kröten aus unserem Gartenteich die Zunge abtrennen oder ihnen mit einer Kunststoffspritze Motoröl in den Köper pumpen, um sie danach zu zertreten und lauthals dabei zu kichern, als er zusah, wie diese mit einem kleinen Plopp regelrecht explodierten.
Ted spielte den Behörden den kranken aber dennoch liebenswerten kleinen Jungen vor.
So fand sich innerhalb der ersten drei Monaten Aufenthalt im Heim ein spießiges Ehepaar ende vierzig, welches ohne zu zögern
bereit war Ted aufzunehmen und mit Hilfe dreier Therapeuten versuchte, ihn wie einen normalen Jungen großzuziehen.
Dr. Swingler hob ihre linke Hand, um anzudeuten, dass Sie etwas sagen wollte:
„Entschuldigen Sie, Mr. Harper, das ganze tut mir natürlich schrecklich Leid für Sie, aber ich hätte da eine Kleinigkeit, die ich gerne erfahren würde.“
„Nur zu, ich höre?“
„Wissen Sie, nunja, haben Sie denn heutzutage noch Kontakt mit ihrem Halbbruder? Oder seiner neuen Fa…“
Da unterbrach Sie das laute, unangenehme Piepen meines Senders.
Ich warf einen kurzen Blick auf dessen Minidisplay.
„Entschuldigen Sie, Dr. Swingler, aber ich muss los. Wenn mein Sender ertönt, ist es etwas Dringendes. Wissen Sie, ich bin seit diesem Monat wieder im Dienst“
Stolz hielt ich ihr meine neue Dienstmarke unter die Nase.
Ein Lächeln voller Schadenfreude war auf ihrem Gesicht zu erkennen:
„Ich wusste bereits vor Ihnen, dass sie Ihren Dienst wieder antreten dürfen. Ich bin schließlich ihr Kummerkasten, ihr außen stehendes Gefühlszentrum sozusagen.“
„Treiben Sie es nicht auf die Spitze, Swingler.“
Ich verabschiedete mich, reichte ihr flüchtig meine Hand ohne Sie dabei anzusehen, ging Richtung Praxistür und hatte die Türklinke bereits in der Hand, als ich mich noch einmal zu ihr umdrehte. Ich hob meinen Kopf und richtete meinen Blick auf Sie, während sie
meine Akte zu den zahlreichen anderen unter dem Buchstaben "H" in das Register schob.
„Um Ihre…um Ihre letzte Frage noch zu beantworten:
Der Kontakt zwischen Mum und mir und meinem Halbbruder wurde von den Behörden ab dem ersten Tag im Heim strikt unterbunden, das verlangen die Datenschutzrechte so.
Wir haben seit jeher nie mehr voneinander gehört, geschweige denn uns gesehen oder uns gegenseitig besucht. Reicht das als Aussage?“
Ohne auf einen Antwort ihrerseits zu warten, verließ ich die Praxis von Dr. Swingler. Hinter mit fiel die Praxistür in das Schlos. Ich ging im Laufschritt zu meinem Wagen, um schnellstmöglich zum Einsatzort zu gelangen.
Noch während ich am einsteigen war, überkam mich ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, dass
ich in Bezug auf Mrs. Swingler spürte. Sie war für mich in den letzten 8 Monaten da und sorgte sich um mein Wohl.
Dann kamen die grausamen Erinnerungen in mir hoch und letztendlich auch der Auslöser, warum ich in den letzten Wochen und Monaten diese Praxis besuchen musste.
Damals ging alles viel zu schnell für mich.
Ohne Vorwarnung musste meine Mutter von einer Minute auf die andere ins Krankenhaus eingeliefert werden. Nach fünf langen Tagen bekam ich die teils erlösende, aber auch teils schockierende Nachricht, die mein Leben in den kommenden Monaten verändern sollte.
Sie war nach einer schmerzhaften Tortur gestorben.
Für Mum war es eine Erlösung, genauso wie für mich selbst. Ich konnte es nicht länger mit ansehen, wie sie sich vor Schmerz krümmend
in ihrem Krankenbett auf der Intensivstation hin- und herwälzte, trotz der Medikamentencocktails, die sie mehrmals am Tag verabreicht bekam.
Die Ärzte erklärten mir, dass meine Mutter mit einem funktionellen Ileus eingeliefert wurde. Sie schilderten anhand von Röntgenbildern, dass sie unter einer Bauchfellentzündung litt, welche schon nach kurze Zeit die Darmmusku-
latur lähmte. Durch die Druckeinwirkung auf die Darmwand kam es zu komplizierten Durchblu-
tungsstörungen und Gewebsbeschädigungen.
Nach drei Tagen auf der Intesivstation waren die Schäden so stark, dass ihr Darm aufbrach und dessen Inhalt in den Bauchraum floss. Dadurch entstanden die tödlichen Entzündungen, die 2 Tage später zum Organversagen führten.
Nach ihrem Tod hatte ich in den ersten drei Wochen insgesamt vier Nervenzusammen-
brüche erlitten.
Nach dem letzten machte mir mein Chef, Chief Superintendent Mogan, mir klar, dass er mich des Dienstes suspendieren müsste, da ich mehreren laufenden Ermittlungen nicht folgen konnte und sie nur behinderte. Zudem war ich zu einem Unsicherheitsfaktor geworden.
Das Präsidium überwies mich einer erfahrenen Psychologin, die auf solche Fälle spezialisiert war. Dr. Swingler sollte mich also wieder auf Vordermann bringen.
Ich musste bei den Gedanken an Dr. Swingler lächeln:
Die gute alte Swingler.
Der Weg zum Einsatzort dauerte noch ungefähr 20 Minuten, und auf ein Mal schossen mir Erinnerungen des Gesprächs eben mit Dr. Swingler durch den Kopf.
Mir wurde bewusst, dass ich Ted vorhin wieder unbewusst nur als "Halbbruder" erwähnt hatte.
Dieser Umstand verdeutlichte die emotionale Distanz, die ich für ihn empfand.
Diese kalte, emotionale Distanz, die auch er in Bezug auf mich haben musste.
Später sollte ich sie am eigenen Leib erfahren.
© Tobias R. - bisota/mySTORYs.de
bisota Achja, - bevor ich es vergesse. Ich habe in dem Kapitel einen Rechtschreibfehler korrigiert. Nun steht in der Anzeige, dass diese Kapitel 42 Seiten umfasst. In Wirklichkeit sind es aber "nur" 15 Seiten! Nicht, dass ihr euch von der Seitenanzahl erschrecken lasst! LG, Tobias |
bisota Re: nun ist hier alles raus weil ich auf ABO - Zitat: (Original von Ostseemoewe am 11.08.2010 - 22:55 Uhr) gedrückt habe. lieber Tobias eine Geschichte die immer spannender wird ich bleibe dran. GLG ilona Ilona, ich danke dir vielmals, dass du mich aboniert hast! Ich hoffe dir werden die nächsten Kapitel auch gefallen :) Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag, Liebe Grüße, Tobias |
Ostseemoewe nun ist hier alles raus weil ich auf ABO - gedrückt habe. lieber Tobias eine Geschichte die immer spannender wird ich bleibe dran. GLG ilona |