eine alte geschichte von mir ausgegraben (: ich hoffe sie gefällt euch
Ich erwachte früh am Morgen. Ich stellte mit einem Blick auf meinen Digitalwecker fest, dass es erst ein Uhr in der Frühe war. Als ich mich in meinem Bett zurücklehnte, fiel mir der helle Schein auf, der an der Wand gegenüber von mir in der Luft schwebte. Ich hievte mich aus meinem gemütlichen Doppelbett, was ich mir nur mit meinem Kissen zu teilen brauchte.
Ich ging zu der Wand, an der sich der helle Schein befand und griff mir einer Hand nach dem lodernden Licht. Der leuchtende Schein vor meinem Gesicht verschwand und tauchte kurz darauf vor meiner Zimmertür wieder auf.
Was war das für ein Licht? Wollte der Schein etwa, dass ich ihm folgte? Ich öffnete meine Zimmertür und folgte dem hellen Schein, der noch immer vor meinem Gesicht herschwebte. Er lockte mich zur Haustür heraus. Ich fröstelte, als ich die Tür hinter mir zuschlug, denn ich war nur mit einem Nachthemd bekleidet, dessen Spaghettiträger mich nicht unbedingt wärmten, außerdem trug ich weder Schuhe, noch Socken.
Das Licht schwebte weiter vor mir her, bis zu dem Anfang des Waldes, der an unser Grundstück grenzte. Dort blieb ich stehen. Ich fror erbärmlich und hatte nicht die geringste Ahnung, wo mich dieses Licht hinführte. Über meinem Kopf schien der volle, runde Mond. Er war die einzige Lichtquelle, bis auf das jetzt fordernd vor mir in der Luft hin und her tanzende Licht.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und folgte dem Schein in den dunklen Wald hinein. Er führte mich über das wirre Geäst, was auf dem holprigen Waldboden herumlag. Plötzlich wurde der Schein immer schneller und ich musste mich bemühen, ihm überhaupt folgen zu können.  Immer wieder trat ich auf spitze Hölzer und verfing mich in dünnen Ästen. Irgendwann achtete ich gar nicht mehr darauf, wohin ich trat. Immer weiter flog das Licht vor mir her. Bald musste es immer wieder anhalten, damit ich den Anschluss nicht verlor.
Plötzlich verlor ich den Boden unter meinen Füßen. Ich sah gerade noch die Silhouette des Lichts, dann verschlang mich das Wasser, in das ich gefallen war.
Immer tiefer sank ich hinein. Ich dachte nicht darüber nach, dass es nicht üblich war, einfach von den Tiefen des Wassers verschlungen zu werden. Doch in diesem Moment war das nicht von Bedeutung.
Plötzlich wurde ich von hellem Licht umkreist.  Ich bewegte mich nicht, doch ich wurde immer weiter zu dem Grund des Gewässers gezogen. Der Druck, der meinen Kopf belastete wurde immer stärker und die Luft in meiner Lunge ging mir aus. Bald würde ich das letzte bisschen Sauerstoff verbrauchen, was in mir steckte. Und was dann? Würde ich ertrinken? Ich hatte schon Wahnvorstellungen, denn ich sah noch immer das helle Licht, bestehend aus vielen leuchtenden Punkten, was mich in sich einhüllte.
Als auch das letzte bisschen Luft aus mir heraus gewichen war, wurde ich mit enormen Tempo durch das Wasser geschleudert, bis hinauf in eine Höhe, von der aus ich das Gewässer als kleinen Punkt wahrnahm. Ich hatte jedoch nicht länger Zeit, meine Umgebung wahrzunehmen. Ich wurde hoch oben durch die Luft gewirbelt, wobei ich von einer inneren Kraft erfüllt wurde, die ich noch niemals zuvor gespürt hatte. Wahrscheinlich war ich in dem See unter mir ertrunken und war jetzt gestorben.
Die Kraft, die sich in mir aufbäumte, war überwältigend. Wenn sie nicht bald aufhörte, zu wachsen, würde ich explodieren. Noch immer drehte ich mich durch die Luft. Es könnte vielleicht sogar anmutig ausgesehen haben. Die leuchtenden Punkte drehten sich genau wie im Wasser um mich. Ich sah dem schwarzen Nachthimmel ins Gesicht, an dem der große, runde Mond stand.
Plötzlich wurde ich mit gewaltiger Macht auf den Boden gerissen, doch ich landete ganz sanft, ohne ein Geräusch auf der Erde. Ich fühlte mich merkwürdig stark. Zusammengekauert saß ich auf dem kalten, nassen Boden. Mein Nachthemd klebte an mir und ich spürte die Nässe mehr denn je. Vielleicht war ich doch tot. Ich musste scheinbar einsehen, dass es ein Fehler gewesen war, dem Licht zu folgen. Vorsichtig stellte ich mich auf meine zitternden Beine, welche drohten, jeden Moment unter mir zusammenzuklappen. Wenn ich in dieser Situation die Entscheidung zwischen Leben und Tod gehabt hätte, hätte ich mit Sicherheit den Tod gewählt.
Mein inneres sagte mir, ich solle nach Hause gehen. Genau das wünschte ich mir so sehr, dass es fast schon schmerzte.
Ausgeruht und erholter denn je erwachte ich in meinem eigenen, kuschelig warmen Bett. Sofort als ich aufwachte, erinnerte ich mich an das Erlebnis aus letzter Nacht. Es konnte kein Traum gewesen sein, dazu war alles viel zu wirklich gewesen, aber es war doch so unwahrscheinlich. Wie konnte ich gestern Nacht, oder besser gesagt heute Morgen in der Früh noch kurz vor dem Ertrinken gestanden haben und jetzt einfach, ohne weitere Erinnerung daran, wie ich hierher gekommen war in meinem Bett liegen? So ausgeruht und erholt, mit einer ungekannten Stärke in mir, die mir großes Selbstbewusstsein einflößte. Â
Ich nahm mir eine Jeans, eine Stoffjacke und ein T-Shirt aus dem Kleiderschrank und zog mich um. Es war schon Frühling, doch noch immer war die Sonne kein einziges Mal zum Vorschein gekommen. Die letzten drei Tage hatte es immer geregnet und heute war es keines Wegs anders. Der Winter hier in Kanada war kalt gewesen und es hatte sehr viel Schnee gegeben. Meine Eltern und ich hatten jeden Tag Schnee schippen müssen, damit wir am nächsten Tag noch unsere Haustür öffnen konnten, ohne von Massen von Schnee überhäuft zu werden.
Mittlerweile war es sehr warm geworden, der ganze Schnee war geschmolzen und der Regen war eingekehrt.
Ich schaute zu, wie draußen der Regen auf die Erde prasselte. Ich ging in das Wohnzimmer, in welchem auch noch eine Küche eingebaut war. Meine Eltern saßen schon am Frühstückstisch und unterhielten sich. Ich setzte mich zu ihnen und begann sofort zu erzählen: „Ich hatte so einen merkwürdigen Traum. Ich habe geträumt ich bin einem Licht gefolgt und mitten im Wald war ein riesiger See, in dem ich ertrunken bin.“ Ich verschwieg ihnen, dass ich mich stärker und besser gefühlt hatte, als jemals zuvor und dass ich von dem Wasser aus hinaufgeschwebt war.
Mein Vater trank einen Schluck Tee und meinte: „Ich habe auch irgendetwas verwirrendes geträumt, leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was es war.“ Meine Mutter lächelte. Ich nahm mir ein Brötchen und schmierte Butter darauf. Anschließend biss ich hinein.
Nach dem Frühstück fuhren meine Eltern zum Einkaufen. Ich stellte das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und räumte den Rest in den Kühlschrank.
Ich ging in mein Zimmer und nahm das Buch, was auf meinem Bett lag. Fünf Minuten las ich ein bisschen, dann hatte ich keine Lust mehr. Ich ging auf den großen, blauen Balkon unseres Hauses, der sich zum Garten hin befand und schaute, ob ich das Licht wieder sehen würde. Plötzlich sah ich es weit entfernt, dort wo der Wald schon wieder begann. Es flog auf mich zu und umkreiste mich kurz. Anschließend flog es ins Haus. Ich folgte ihm, denn ich wusste dass mich im Haus nichts Schlimmes erwarten würde. Die vielen, kleinen leuchtenden Pünktchen des Lichts schwirrten um mich und führten mich in die Küche.
Das Licht umschwirrte erst meine Hand, dann bildete es einen Pfeil. Ich machte einen Schritt auf den Kühlschrank zu. Sofort flog der helle Schein vor mich, anscheinend wollte er mich zurück halten. Wieder formte er aus seinen vielen kleinen Bestandteilen einen Pfeil und umkreiste dann meine Hand. Ich streckte sie in Richtung Kühlschrank, das Licht hielt mich nicht zurück. Mit einem Mal bildeten sich Risse in der Kühlschanktür und ich zog sofort meine Hand zurück, um ihn nicht noch mehr zu zerstören.
Auf einmal flog das Licht in eine andere Richtung und ich folgte ihm wieder. Es flog durch die Tür meines Zimmers. Ich öffnete diese und erblickte das Licht, wie es einen Zettel umschwirrte, der auf meinem Schreibtisch lag. Als ich ihn in die Hand nahm, erkannte ich darauf einen alten Mann mit einem langen weißen Bart, der mich freundlich anlächelte.
„Hallo“, hörte ich ihn sagen, während ich sah, dass sich seine Lippen bewegten. „Mein Name ist Saccurota. Ist dir letzte Nacht ein Licht begegnet Cathy?“, fragte er. Ich nickte, nicht im Stande dazu, ein Wort zu sagen. Â
„Das Licht hat dich zu einem bestimmten Ort geführt, den du niemandem zeigen sollst, außer denen, denen du am meisten vertraust. Dieser Ort ist dein Eintritt zur Zauberwelt, wenn du willst kannst du ein paar Personen mitnehmen. Aber gehe sorgsam mit der Verantwortung um, einen Eingang in diese Welt zu haben. Nur wenige Menschen bekommen die Chance, eine solche Welt zu betreten.“ Der Mann machte eine Pause und fügte dann hinzu: „Möglicherweise hast du eine bestimmte Kraft. Manche Menschen beherrschen die Elemente, können Gedanken lesen, in die Zukunft blicken, oder besitzen eine andere Kraft. Doch nicht jeder hat eine besondere Fähigkeit. Manche sind einfach. Genauso wie alle anderen, doch sie können die Zauberwelt betreten. Ich weiß nicht, ob du eine Fähigkeit hast, aber wenn ja, dann erkennst du sie meistens an dem Ort, an das dich das Licht geführt hat. Wenn du Fragen hast, oder eine Fähigkeit, von der du mir gern erzählen möchtest, sage mir bescheid. Schaue einfach auf diesen Zettel und hoffe, dass ich komme, dann erscheine ich auf diesem Zettel.“
Damit verschwand das Bild des alten Mannes. Ich hatte sein faltiges, weises Gesicht noch immer in Erinnerung.
Wieder geriet das Licht in mein Blickfeld. „Kannst du mich zu dem See führen?“, fragte ich absurder Weise. Noch absurder war, dass es mich scheinbar verstand, denn es flog aus unserer Hintertür heraus. Ich folgte ihm und wir gingen gemeinsam denselben Weg, den ich in der Nacht zuvor auch schon gegangen war. Ich war noch immer fasziniert von dem Licht, sodass ich anstatt auf meine Umgebung mehr auf das Licht achtete, was dazu führte, dass ich ein oder zwei Mal hinfiel.
Diesmal fiel ich nicht in den See, denn das Licht hielt früh genug an, sodass ich mich umschauen konnte. Mit einem kleinen Zischen war es verschwunden und ich war auf mich allein gestellt.
Ich machte einen Schritt nach vor und stand auf der Lichtung, auf der sich der riesige, schwarze See befand, in welchen ich letzte Nacht hineingefallen war. Von unten sah der See noch größer und gewaltiger aus, als von oben. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie ich durch die Luft gewirbelt war, umgeben von all dem hellen Licht.
Ich ging ein paar Schritte nach vorn und hockte mich vor den See, um eine Hand ins Wasser zu strecken und zu fühlen ob der See warm, oder kalt war. Kurz bevor ich die Wasseroberfläche berührt hatte, wurde das Wasser an der Stelle, an der ich es berühren wollte zu Eis. Ich zog meine Hand zurück und dachte sofort daran, was der alte Mann gesagt hatte. War dies vielleicht eine Art Gabe? Ich konnte Dinge zu Eis machen? Wieder bückte ich mich und hielt meine Hand über das Wasser. Diesmal fing es an zu Sprudeln. Ich spürte, die Wärme, die in meine Hände überging, als ich die Temperaturen des Sees änderte. Noch dazu spürte ich in meiner Brust eine Kraft, die nie zuvor dagewesen war. Als ich meine Hand wieder zurück nahm, hörte die Kraft langsam auf zu lodern.
Ich war ein bisschen überrascht, denn ich hätte niemals, auch nicht nachdem der Mann es mir gesagt hatte geglaubt, dass es eine Art übernatürliche Gaben gab und nochweniger hatte ich damit gerechnet, dass ich – ausgerechnet ich eine von ihnen erhalten würde.
Ich stand auf und sah mich um. Alles in meiner Umgebung schien so friedlich. Ich deutete mit einer Hand probeweise auf einen der Bäume, die die Lichtung umgaben.
Plötzlich geschah etwas Überraschendes. Ich hätte erwartet, dass sich an dem Baum kleine Eiskristalle bildeten, stattdessen flog der Baum ein Stück nach oben. Samt seiner Wurzeln. Er flog in die Richtungen, in die ich meine Hand bewegte.
Was sollte denn das für eine Fähigkeit sein? Der Mann hatte mir erzählt, dass man EINE Gabe haben könnte er hatte nicht von mehreren gesprochen. Ich stellte den Baum wieder dorthin, wo er vorher gewesen war und dachte nach. Plötzlich wurde es mir klar. Als ich daran dachte, fühlte ich wieder eine unzähmbare Kraft in meiner Brust und ich wusste, dass diese Vermutung richtig war. Ich hatte wirklich eine Gabe und zwar die wahrscheinlich stärkste, die überhaupt existierte. Ich konnte zaubern und dies war mehr als eine Vermutung. Es war Wissen. Ich dachte daran, dass das Gras, auf dem ich stand im Wind wehen sollte und es geschah. Die Kraft in mir hörte nicht auf zu lodern und langsam machte ich mich auf den Heimweg.
Zu Hause erinnerte ich mich wieder an den Mann, der mich gebeten hatte, ihm meine Gabe zu sagen. Also ging ich in mein Zimmer, nahm den Zettel in die Hand und wünschte, dass der Mann wieder erschien.
„Und? Hast du es herausbekommen? Das ging ja wirklich schnell“, stellte er fest. Ich nickte und grinste ihn an. „Was ist denn deine Fähigkeit? Wenn du es mir sagst kann ich dich möglicherweise unterrichten, wie sie anzuwenden ist“, erklärte er. „Ich… ich glaube meine Fähigkeit ist es Zaubern zu können“, antwortete ich, etwas schüchterner als zuvor. Â
Saccurota, der vorher so wie ein alter Mann gelächelt hatte, sah mich jetzt überrascht an. „Was spricht für diese Erkenntnis?“, fragte er.
Ich sagte ihm, dass ich fühlen würde, dass es wahr war.
„Weißt du“, erklärte er. „Diese Gabe ist wirklich selten. Der letzte, der sie hatte, lebte vor 365 Jahren und hat Wochen gebraucht, um sie zu erkennen. Er verhielt sich seit dem immer ein bisschen merkwürdig, als ob er von niemandem verstanden wurde. Er kam fast täglich in unser Land, doch er schattete sich ein bisschen ab. Vielleicht fühlte er sich nicht dazugehörend, oder wirklich ausgestoßen. Eigentlich mochte ich ihn. In seinen jungen Jahren – also als er noch um die 20 Jahre alt war – sahen wir ihn noch öfters, jedoch war er so gut wie nie mehr da, als er immer älter wurde. Er ist mit Sicherheit tot, denn es erfordert eine komplizierte Denkformel, um sich das ewige Leben zu zaubern und er wäre niemals gut genug gewesen. Also ich kann dich höchstens meines Wissens belehren, aber mehr steht nicht in meiner Macht Cathy. Du hast eine stärkere Kraft als ich.
In die Zauberwelt gelangen kannst du einfach über den Platz, an dem du die Magie erhalten hast, es ist genau so leicht dort hin zu gelangen, wie deine Fähigkeit zu erlangen.“ Plötzlich war der Alte Saccurota verschwunden.
Ich schaute auf meinen Wecker, der auf meinem Regal stand. Bald würden meine Eltern wieder kommen und außerdem hatte ich am nächsten Tag Schule.
Ich konnte es nicht lassen, immer wieder an meine neu gewonnene Fähigkeit zu denken, so sehr ich mich auch anstrengte. Ich ergab mich dem Verlangen sie überall wo ich konnte anzuwenden. Ich ließ Gegenstände durch das ganze Haus fliegen, veränderte die Farben von Dingen, ließ die Bäume, die draußen waren erst verwelken und dann wieder in ihrer vollen Pracht aufblühen, es gab so Vieles, was ich tun konnte und doch nicht wagte anzurühren aus Angst, etwas Falsches zu tun, oder alles nur Einbildung war und ich später enttäuscht sein sollte, weil ich alles nur geträumt hatte.
Plötzlich hörte ich ein Auto in unsere Einfahrt fahren und wusste auf der Stelle, dass es meine Eltern waren. Ich befahl der Gabel schnell in Gedanken, sich wieder richtig zu biegen und natürlich tat sie es.
Â
Ich lag in meinem Bett und dachte über den vergangenen Tag nach. Alles war so… anders gewesen, aber doch nicht unbedingt merkwürdig. Ehr so, als hätte eine Kraft in mir gelebt, die nur darauf wartete herauszukommen und es heute getan hatte. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Einerseits war es besonders die Magie zu beherrschen. Andererseits beängstigend, da ansonsten niemand so eine außergewöhnlich Gabe hatte. Schließlich schlief ich ein.
Am nächsten Morgen wusste ich, dass es der vergangene Tag kein Traum gewesen war. Ich hatte keine Ahnung warum, es war einfach so. Mir kam die Idee, ich könne ja meinen Alltag mit Zauberei erleichtern.
Die Kleidung die ich trug war neu, um genau zu sein gezaubert. Ich hatte sie mir einfach nach meinen Vorstellungen erstellt. Jetzt stand ich vor unserem Haus und wartete, dass der Bus, kam, der mich und die anderen jeden Morgen von zu Hause abholte und zur Schule brachte. In Deutschland war es anders gewesen, dort musste man immer zu den Haltestellen laufen. Noch vor drei Monaten hatte ich dies auch getan, denn dort hatte ich früher gelebt. Heute ging ich zum siebten Mal zur Schule hier in Canada. Immer wieder war es etwas neues. In der Klasse, in der ich war, hatten sich mehrere Gruppen gebildet. Ein paar Zicken, dann ein paar, die ich eigentlich sehr nett fand und mich schon am ersten Tag mit ihnen verstanden hatte, ein paar Streber und ein schüchternes, dickes Mädchen, was das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte überaus schwarz geschminkt war, aber keines Wegs ungeschickt. Sie war eine Art Außenseiter.
Ich war immer eine der ersten, die vom Bus abgeholt wurde. Als der Bus kam, stieg ich ein grüßte freundlich den Fahrer und setzte mich auf die allerletzte Bank ans Fenster. Der Bus fuhr weiter und ich beobachtete, die Landschaft und dass immer mehr Schülerinnen und Schüler in den Bus einstiegen. Ein Mädchen, was ich noch nie gesehen hatte, grüßte mich freundlich und frage, ob sie sich neben mich setzten könnte. Ich nickte. Scheinbar war sie erkältet, worauf ihre raue Stimme und der dicke Schal, den sie eng um ihren Hals geschlungen hatte hinwies.
„Mein Name ist Lilly, bist du neu hier? Du sprichst mit deutschen Akzent… kommst aus Deutschland?“, fragte das fremde Mädchen. Ich nickte und sagte: „ Ich bin Cathy, es freut mich deine Bekanntschaft zu machen. Auf welche Schule und in welche Klasse gehst du?“
Komischerweise ging sie in dieselbe Klasse wie ich, als ich sie fragte, warum sie mir noch nicht aufgefallen war, erklärte sie, dass sie in der Woche zuvor wegen einer Erkältung nicht gekommen war. Auf mich machte sie einen äußerst netten und freundlichen Eindruck.
Etwa auf der Hälfte des Schulwegs stieg die Clique, die ich persönlich als die Zicken empfand in den Bus. Fast hätte ich sie anhand meiner Zauberkraft hinfallen lassen, doch dann besann ich mich eines Besseren und erntete nur einen etwas überheblichen Blick von ihnen allen. Ich erschrak, denn sie kamen genau auf uns zu.
„Hallo Lilly“, sagte Jane ein Mädchen, was nicht unbedingt hübsch war, mit dicken, schwarzen Haaren Locken. „Was wollt ihr?“, fragte Lilly, ihre Stimme klang dabei so eiskalt, dass ich erschrak. „Wir wollten dir sagen, dass du dich nicht zu sehr mit Cathy anfreunden sollte, denn wir haben uns besprochen und finden, dass sie sehr gut zu uns passen würde. Also Cathy, komm du gehörst ab jetzt zu uns.“
Ich überlegte nicht lange. Dann entgegnete ich ein Einfaches: „Nein.“ Jeder aus der Clique riss die Augen auf und sogar Lilly war scheinbar überaus erstaunte, dass ich das Angebot nicht annahm. „Das ist ein schlechter Witz“, meinte Jane. „Es hat noch niemand so eine Gelegenheit abgelehnt, also komm endlich und setz dich zu uns.“ „Nein“, antwortete ich wieder und machte mit meiner Gestik sichtbar, dass mich keine zehn Pferde von diesem Platz hier bringen konnten. Â
Beleidigt ging Janes Clique, die sich aus fünf Mitgliedern zusammensetzte fort. Lilly zog überrascht einen Augenbraue hoch. „Sind die immer so?“, fragte ich genervt. „Ja, früher waren es nur zwei. Es sind immer wieder welche gegangen und gekommen. Die beiden Stammmitglieder der Clique sind immer noch da. Jane und Susan.“
Wir fuhren eine Allee entlang, diese Straße fand ich nicht so schön wie den Rest des Landes. Hier war es so wie in einer großen Stadt.
Als wir ankamen, standen schon Scharren von Schülern vor dem Schulgebäude, alle warteten auf den Gong und darauf, dass endlich die Haupteingänge geöffnet wurden.Â
Ich wusste nicht, wer Lillys Freunde waren, aber ich folgte ihr.
Mich wunderte, dass sie sich nicht zu einer der Gruppen gesellte, sondern einfach an ihnen vorbei ging. Nirgends sah ich die Schülerinnen, mit denen ich mich letzte Woche so gut verstanden hatte.
„Hey ihr beiden… habt ihr euch schon kennengelernt begrüßten mich meine neuen Freunde hier aus Canada. Ich hatte nicht vermutet, dass Lilly zu ihrer Gruppe gehörte, aber scheinbar hatte ich Glück gehabt.
Im Gegensatz zu den anderen Schülerinnen und Schülern sprachen Penny, Lilly, Malina und Julya nicht in normaler Lautstärke, sie schienen ein wenig zu flüstern. Ich wusste nicht, warum sie das taten, aber vielleicht wollten sie nicht, dass die anderen etwas von ihren Gesprächen mitbekamen.
„Habt ihr heute Nachmittag, nach der Schule Zeit?“, wollte Lilly wissen. Ich nickte. „Ja, wir können uns wenn ihr wollt alle bei mir daheim treffen. Ich glaube meine Eltern sind nicht zu Hause, weil sie auf ein Konzert gehen.“ Alle stimmten zu und wir beschlossen, dass wir alle zusammen den Bus nahmen und bei mir ausstiegen. Ich erschrak, als der schrille Gong ertönte, denn ich war vollkommen in das Gespräch vertieft gewesen.Â
Wir gingen in das riesige, weiße Gebäude und dann zu unserem Englisch Klassenzimmer. Ich musste wohl die schlechteste in Englisch sein, weil ich vorher in Deutschland gelebt hatte, trotzdem verstand ich was die verschiedenen Aufgaben bedeuteten. Unsere Englischlehrerin war riesig groß und hatte lange braune Haare.
Nach Englisch hatten wir mein absolutes Hassfach. Mathe. Wahrscheinlich lag es an dem Lehrer, der es unterrichtete. Dieser war ungefähr fünfzig, hatte dunkles, graues Haar und war eben so groß, wie unsere Englischlehrerin. Er nahm meistens die Schüler dran, von denen er wusste, dass sie die Antwort nicht wussten und da er diejenigen die eigentlich gut waren nicht, oder selten aufrief, bekamen auch diese eine schlechte Note. In Arbeiten und Tests stellte er Aufgaben, die wir noch nie im Unterricht besprochen hatten.
Ich setzte mich in Mathe zusammen mit Lilly, Malina, Julya und Penny, die wir meistens Keks nannten, weil uns allen der Name Penny gefiel, in die allerletzte Reihe.
Ich hatte Glück, denn alles, was wir hier gerade besprachen hatten wir in Deutschland schon durchgenommen. Glücklicherweise hatten wir heute nur vier Stunden, da unser Geschichtslehrer krank geworden war.
Wir beeilten uns, damit wir den Bus noch bekamen und er fragte, wohin wir wollten. Ich nannte ihm meine Adresse und wir ließen und auf der allerletzten Reihe nieder.
„Was wollen wir eigentlich heute Nachmittag machen?“, fragte ich. Keks zuckte ratlos mit den Schultern. Ich weiß nicht. Quatschen, lachen, Geschichten erzählen und so weiter. Ich lächelte und lehnte mich zurück. Erst jetzt erinnerte ich mich an meine Zauberkräfte. Kurz überlegte ich, ob ich ihnen davon erzählen sollte, doch ich schob die Idee direkt bei Seite.
Saccurota hatte mir nicht gesagt, ob ich meinen Freundinnen von meiner Gabe erzählen durfte, aber ich würde dies irgendwann sowieso tun. Ich öffnete meine Schultasche und holte ein Brot heraus. Gleich darauf aß ich es. Wir schwiegen die ganze Fahrt über.
Als wir bei mir zu Hause ausstiegen fragte Penny: „Ich glaube in mein Zimmer würden wir gar nicht alle herein passen. Ist deines überhaupt groß genug?“ Alle begannen zu lachen, irgendwie verstand ich den Witz nicht.
Ich schloss die Haustür offen und ging in mein Zimmer. Es war überwiegend in hellbraunen Farben eingerichtet und ich mochte meine Art Zimmer einzurichten.
Alle setzten sich auf mein Bett, obwohl es auch noch ein Sofa gab. Vielleicht war das Gewohnheit. Plötzlich kam ich mir ein bisschen hilflos vor, denn alle starrten mich an. Ich bemerkte, wie Lilly einen kurzen, scharfen Blick zu den anderen warf und mich dann wieder musterte, als wolle sie etwas über mich herausfinden, was tief in meinem Herzen verborgen war.
„Cathy…“, sagte sie ganz langsam und bedächtig, sodass mir ein Schauer über den Rücken lief. „Hast du ein Geheimnis?“
Ich erstarrte, denn sie sprach die Worte so klar und deutlich, dass es wahrscheinlich bedeuten sollte: „Du hast ein Geheimnis!“
Ich nickte langsam. Ja, das hatte ich in der Tat. Ich wusste nicht, ob ich es ihnen verraten würde, das würde sich entscheiden, je nachdem wie sie reagierten.
Ich konnte die mich durchbohrenden Blicke der anderen nicht mehr ertragen, stand auf und erklärte, dass ich etwas zu trinken holen würde. In der Küche atmete ich tief ein und ließ mir unmenschlich viel Zeit damit, die Getränke einzuschenken.Â