Die Reinheit der Sterne
Die Reinheit der Sterne
Einsamkeit
Und es wurde Nacht, als Arkanos diese Ortschaft verließ. Er wanderte los, weg seiner Heimat,
nach nirgendwo, um in Stille sein Leiden zu betrachten. Er wanderte eine lange Weile, bis er schließlich ein weites Tal vor seinen Augen sah, so unermesslich groß und von solcher Schönheit geprägt, dass er verweilte, lange verweilte.
Der Mond stieg schon zum Zenit, als er seine Beine wieder bewegte, hinein in dieses Tal, dass er seiner Schönheit wegen einfach nur “das ewige Paradies“ nannte.
So schlich er über die Gräser, spürte die Wogen einer sanften Brise an seinen Füßen und legte sich schließlich unter einem Baum zum schlafen nieder. Er blickte die Sterne, während ein Fluss ihm säuselte, das sein Abschied nahte. Jedes Gestirn der Nacht bedachte ihn mit dem letzten Blick, und somit verabschiedete er sich in einen Traum, voller Gefahren, Hoffnungen und Wünsche.
Er stand mit der Sonne auf, betrachtete das süße Morgenrot und beschloss, einen Weile an dieser Stelle zu bleiben. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, in Erinnerung an den vergangenen Traum, der ihm wie die vielen anderen Träume sehr suspekt vorkam. In Gedanken versunken spielte er mit dem Reif, der sich wie ein Spinnennetz durch das Tal zog, und fristete seinen Leiden Geduld.
Malend fing er an, sich die Welt zu erklären und tauchte dabei in seine tiefsten Abgründe ein, in das Innerste seiner Seele und kehrte Äußeres nach innen und Inneres nach außen.
Szenarien der Welt spielten sich vor seinem Auge ab, von biblisch apokalyptischen Ausmaßen und er begann an der Welt zu zweifeln.
Fundamentale Fragen bewegten sein ganzes Sein in diesem Augenblick. Später vermochte er sich nicht zu erinnern, wie lange dieser Augenblick wirklich dauerte. Ihm kam es vor wie die Ewigkeit und doch war es nur ein Moment. Einer dieser Momente, die man nicht missen möchte, nachdem man sie einmal erlebt und verinnerlicht hatte.
Nach vielen dieser Ewigkeiten spottete er über sich und die Menschen, wie töricht diese doch in ihrem kümmerlichem Dasein dieser Welt begegneten, mit wie viel Ignoranz sie ihrer Wege daher schreiteten und nie auch nur ein Gedanken an die Schönheit der Welt verschwendeten. Sie betrachteten das alles als selbstverständlich. Er schalt sich einen Narr, vorher diese Schönheit nicht erkannt zu haben, und doch war da ein Lichtblick in seinen Gedanken. Ein kleiner, dennoch hell strahlender Lichtblick, es sei noch nicht zu spät. Und so verharrte er in diesen Gedanken, sponn den Faden weiter und weiter, erbrach sich ein paar mal ob der Arroganz seiner Rasse, taumelte vor der Angst der Zerstörungswut und verlor beinahe das Bewusstsein vor den triefenden Wänden menschlicher Eitelkeiten und ihrer Gleichgüligkeit.
Tiefer Trauer folgten noch tiefere Schuldgefühle und so verging in diesem Tal ein Tag und dann der nächste und so weiter. Wilde Träume suchten Arkanos heim, aus denen er sich nicht befreien konnte. Und tief in seinem Inneren begann, er, alles zu begreifen, die Leichtigkeit, den Weg, das Ziel, die Welt, die Menschheit.
Und doch schien es so komplex, das er daran zu verzweifeln drohte. Und immer weiter in seiner Seele brannte dieses kleine Licht der Hoffnung, das größer zu werden schien.
Doch er wusste nicht damit umzugehen, und so ließ er es außer Acht und nach Tagen der Ignoranz erlosch diese Flamme und Arkanos sah in’s Wasser.
Dort sah er ein leeres Gesicht, ausdruckslos, mit Augen grau wie die Wolken, bevor sie regneten, mit einem schmalen Mund, blass wie Kastellblaue Farbe. Müde und faltig war die Haut, als würde sein Licht jeden Moment erlischen. Und dann sah er eine Träne, die sich ihren weg bahnte. Über die Wange, zum Kinn und schließlich tropfte sie in den stillen, nicht mehr säuselnden Fluss. Die Träne schlug kleine Wellen und zerstob in viele kleine Tropfen, die sein Gesicht zu einer grausam Grimasse verzerrte.
Da bekam Arkanos Angst und er wich vor sich zurück. Er wimmerte und fing an, vor Kälte zu zittern und viel in eine schwerelose Dunkelheit ohne Träume.
Etwas schlich in diesen Schlaf, doch er konnte es nicht bemessen, was es war. Die Dunkelheit begann, an ihm zu zerren, und er focht einen Kampf gegen die Dunkelheit. Irgendwo musste ein Licht brennen, doch nur die wabernde Dunkelheit erzeugt einen lichtlosen Glanz vor seinen Augen. Tiefer und tiefer sog ihn die Dunkelheit in einen Strudel aus Verzweiflung und Lethargie, und schon fast entschlief er dieser Welt.
Doch plötzlich regte sich etwas in Arkanos. Zuerst war da ein Schmerz, sein ganzer Körper schien in Schmerzen zu zerbrechen, dann nahm er eine Stimme war. Und schließlich sah er wieder dieses Licht.
Reisen
Und dann öffnete er die Augen. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Dann sah er dort jemanden, einen alten Mann. Vorsichtig blickte er in seine Augen. Er erschrak bei seinem Anblick, irgendwo hatte er diesen Mann schon mal gesehen. Doch seine Augen verschleierten seine Erkenntnis. Lange standen sie so voreinander, ohne ein Wort zu sagen. Erst als sich der Abend schon regte, wies der alte Mann ihm einen Platz an einem Feuer zu, das Arkanos schon lange geschürt hatte.
In einem tiefen Moment, im Einklang mit der Natur, offenbarte der Mann Arkanos eine fremde Welt, weit fort von seinem bewussten Ich und leitete ihn hinauf zu den Sternen. Viele Namen prangten an den Scheiteln der Gestirne, doch keiner dieser Namen vermochte Arkanos zuzusprechen. Kaum kannte er diese Namen, sie schienen Relikte längst vergangener Zeiten zu sein und seine Augen sahen nicht die Wertbarkeit der Namen. Nur tief in seinem Innern schlummerte das Wissen der Sterne, doch seine Seele war noch nicht bereit, ihm die Welt im Ursprung zu offenbaren.
Nach geraumer Zeit endete die Reise auf dem Schweif der Erkenntnis und er blickte wieder in das helle Licht. „Casiopaia!“ sprach der alte Mann und war plötzlich verschwunden. Stirnrunzelnd bewunderte Arkanos die Schönheit dieses Sterns und innerlich rührten sich wieder diese Fragen.
Dieser Stern zog Arkanos in den Bann wie sonst nichts und so vergaß er bald seine Leiden und seine Ängste. Nur noch verschwommen sah er sein Tal, seine Heimat und das Vergangene. Nichts blieb ihm mehr von inneren Dämonen und er fiel in einen traumlosen, langen Schlaf.
Und tief in seinem Inneren wusste Arkanos, dass seine Seele von allem Schmutz und Unnütz gereinigt wurde.
Er schlief lange, doch nur Stunden zogen in das Land. Ihm aber kam es vor wie Jahre und als er erwachte, stieg gerade die Sonne den Horizont empor. Eine leichte Brise umspielte seinen nackten, reinen Körper und die Wärme sog sich an ihm fest.
Langsam und bedächtig stand Arkanos auf und streckte die Arme der Sonne entgegen und ein lauter Schrei entfuhr seinen Lippen.
Der Wind durchfuhr sein Haar und es fühlte sich an wie die Wogen der Wellen, die sanft an einen Strand plätscherten.
Wie ein Grashalm im Wind, kam es Arkanos in den Sinn, so leicht und rein fühlte sich seine geläuterte Seele an.
Und gestärkt von der Reinheit der Sterne, den Schwingen des Windes und der wärmenden Sonne, brach Arkanos auf und verließ sein paradiesisches Tal.
Mit großen Schritten wanderte er seines Weges und nur die Sterne lenkten von nun an seine Geschicke, sie waren sein neues Flaggschiff zur Klarheit und Weisheit.