Beschreibung
Für jeden erkenntlich, authentisch abwechslungsreich und unverblümt .Die ungeschminkte Wiedergabe einer Trennung. Sie ist in 92 Kurzgeschichten gefasst die wie Puzzleteile ineinander fallen und nach und nach die Zusammenhänge der Geschehnisse verdeutlichen. Kein endloser Klagesang sondern die Ermutigung sein Leben in die eigene Hand zu nehmen, sich Wege zu ebnen, Pforten zu durchschreiten und sich selbst die Türe in eine neue Zukunft zu öffnen.
Februar
Die Fenster sind schmutzig und sollten dringend geputzt werden, denke ich, während meine Blicke hinaus schweifen. Überall liegt Staub als stiller Zeuge von Peters langer Abwesenheit.
Farblos und kahl wie der Garten widerspiegelt sich meine Seele in den trübe gewordenen Scheiben.Â
Heute ist der vierte Februar 1996. Â
Sanft wiegt der Wind die Bäume und einzelne Regentropfen perlen übers Fensterglas.
„Meine Tränen“, denke ich, und fühle, das Himmelswasser würde hier drinnen stärker als draußen niederprasseln.
Vom Salzwasser würden deine Blumen sterben, wispert es leise in meinem Ohr.
Doch die Stimme, die mir den gewissen Tod der Frühlingsboten verkündet, weiß die Hoffnung auf deren Rettung nicht
zu zerstören. Dreitausend kleine Propheten einer verheißungsvollen Zukunft, die meine Hände im November dem Schoß der Erde anvertraut haben. Â
Nicht, dass ich viel vom Gärtnern verstehe, aber ich habe Bücher darüber gelesen. Lange Stunden nachgedacht, über Form, Höhe und Blütezeit der "Bringer" neuen Erwachens. Krokusse und Schneeglöckchen im Februar und März.
Kaum gelbe Blumen, die liebt Peter nicht.
Das kleine bisschen der paar gepflanzten Narzissen wird ihn hoffentlich nicht stören.Â
Langsam legt die Düsternis ihr schwarzes Kleid über den Garten. Ich wünschte sie würde auch mich umfassen.
Nicht nur die Seele, nein, auch meinen Körper. Unendlich lange dauert der Abend. Mit leerem Blick in die Röhre starrend warte ich auf das Ende der Nacht. Die Uhr der Mikrowelle zeigt 5:32 Uhr. Ich gehe ins Bett.
05.Februar
Tief saugt meine Nase den letzten vagen Duft von Peters Körper aus seinem Kissen. Eigentlich beginnt meine Geschichte am 27. Dezember 1995, doch erst gestern erlosch die Flamme der Hoffnung für immer.
Als mein Flugzeug in Amsterdam landete, war ich davon überzeugt, Peter stünde dort, um mich reuevoll um Vergebung zu bitten. In der Erwartung, er habe seinen Verstand wieder zurück gewonnen, durchforschte ich fieberhaft die neonerleuchteten Ankunftshallen. Ich war zu allem bereit. Bereit zu verzeihen, zu vergessen und alles Geschehene in das Buch menschlicher Irrtümer zu schreiben.
Für mich zählte nur ein Gedanke: Peter, Peter, Peter.
Als jemand vorsichtig meine Schulter berührte und ich mich erwartungsvoll umdrehte, stand dort nicht der Mann, der meinem Leben Sinn und Inhalt verlieh, der Mann für den ich ohne einen Gedanken daran zu verschwenden gestorben wäre, sondern meine beinahe erwachsene Tochter Sarah. In diesem Augenblick, diesem winzigen Moment, brach meine Welt zusammen und ich wusste, dass es kein Zurück mehr gibt.
Schrilles Läuten der Türglocke unterbricht abrupt den Strom düsterer Überlegungen.
Anina, meine beste Freundin holt mich spontan zum Stadtbummel ab. Auf der kurz gewordenen Einkaufsliste stehen nur noch wenige Artikel, wie Tagescreme, Toilettenpapier und ein paar andere Kleinigkeiten. Mehr könnte ich mir ohnehin kaum leisten, da Peter mein Budget auf spärliche hundert Gulden pro Woche reduziert hat. Die Bekanntmachung dieser finanziellen Regelung fand ich zusammen mit der ersten Zahlung bei meiner Heimkehr schriftlich auf dem Speisetisch vor. Zigaretten verschlingen den Löwenanteil meiner Finanzen. Somit bleibt danach nur noch die Wahl zwischen fester und flüssiger Nahrung. Letztere gewinnt meistens das Rennen.
Liebeskummer und großzügiger Alkoholkonsum fordern inzwischen deutlich sichtbar ihren Tribut. Da mein Körper durch schwerwiegenden Gewichtsverlust den Anforderungen aktueller Schönheitsideale beträchtlich näher rückt, stellt sich die Lebensweisheit, " jede Medaille hat zwei Seiten", deutlich unter Beweis.
Anina versucht mich während des Einkaufbummels wiederholt davon zu überzeugen, mein Geld in gesunde Nahrung zu investieren. Nach einiger Zeit ergibt sie sich widerwillig meine Halsstarrigkeit.
Nachdem erstandene Lebensmittel im Auto verstaut sind, tummeln wir durchs Einkaufszentrum. Aus den Schaufenstern der Modegeschäfte leuchten uns überall frische Farben entgegen. Streifen und Karos, Punkte und Blumen ergeben kokette Kombinationen. In der kommenden Saison ist scheinbar alles erlaubt. Schuhe sind spitz und die Höhe der dünnen Absätze akzeptabel zu nennen.
Die bunte Vielfalt ermuntert und verfehlt auch bei mir ihre Wirkung nicht. Alles in allem kann ich den heutigen Nachmittag als Erfolg verbuchen.