Kurzgeschichte
Frau Schatts Heimgang - Collage: R. Sandhofer

FRAU SCHATTS HEIMGANG

            Die Sonne lachte von einem strahlend blauen Himmel.  Es war einer der ersten wirklich warmen Sommertage. Rittersporn und Margerite, Akelei und andere Blumen verwandelten den Garten in ein kleines Paradies. Die Rosen waren voll erblüht und an der Hauswand entlang standen in Reih´ und Glied die Kakteen. Vor wenigen Tagen erst hatte Frau Schatt sie ins Freie getragen. „Sie hat eine gute Hand für Blumen“, sagten die Leute, „einen grünen Daumen.“

            Zufrieden machte sie einen Rundgang durch den Garten.

In sattem Grün leuchtete das junge Gras. Es wuchs schnell und üppig. Der Rasen musste bereits einmal in der Woche gemäht werden.

Hinter dem Komposthaufen verkroch sich ein Igel unter einigen Blättern.

Im Kräuterbeet zupfte eine Amsel und flog auf den Brunnenrand.

Gleich daneben stand die Mischmaschine. Sie erinnerte Frau Schatt an die viele Arbeit der letzten Jahre.

Die Tochter hatte mit ihrem Mann ein Haus gebaut – Gottlob ganz in der Nähe.

Frau Schatt und ihr Mann hatten den jungen Leuten fleißig geholfen.

            Und jetzt war es fertig!

An diesem Abend gab es ein Kellerfest, zu dem alle Helfer eingeladen waren.

Der Weinkeller lag wenige Meter hinter dem Haus und war etwas in den Berg hinein gegraben.

Auf einem langen Tisch arrangierten die Frauen ein reichhaltiges Buffet. Die Gläser platzierten sie auf leeren, aufgestellten Fässern.

Die Tische und Bänke aber trug man ins Freie.

Zuletzt befestigten Herr Schatt und sein Bruder noch ein Transparent über der Türe des Neubaus.  „Trautes Heim – Glück allein!“, stand in großen Lettern darauf. Rundherum hatten sie unregelmäßig vertreute Blumen und Herzen gemalt.

 Frau Schatt war müde.

Bis die Gäste eintrudelten, hatte sie noch gute zwei Stunden Zeit,  um sich auszurasten.

Sie ging die paar Minuten zu ihrem eigenen Haus zurück, legte sich im Kabinett auf das Gästebett und warf eine leichte Decke über sich.

Innerhalb weniger Minuten war sie eingeschlafen.

Aus dem Polster, der Matratze – von überall kamen weiche Daunenfedern und hüllten sie ein. Das ganze Bett wurde leicht wie eine Feder und schwebte mit Frau Schatt beim Fenster hinaus.

Sie schwebten über das Dorf, über Felder und Wälder, über einen See und einen Campingplatz. Amüsiert dachte Frau Schatt dabei an den Urlaub am Neusiedlersee. Im Zelt! Einmal und nie wieder – damals flüchteten sie jeden Abend vor den Gelsen.

Doch sonst war es schön gewesen. Ihre Tochter hatte in diesem Urlaub schwimmen gelernt.

            Ihr wunderliches Flugobjekt stieg höher und höher.

Wolken zogen vorüber und Flugzeuge schossen an ihnen vorbei.

Endlich hielt das fliegende Bett vor dem Himmelstor an.

Petrus begrüßte Frau Schatt und führte sie zum lieben Gott.

„Willkommen!“, sagte dieser und nahm sie liebevoll in die Arme. „Es wird dir gut gefallen bei uns, hab´ keine Angst.

Du hast auf Erden so viel Liebe gegeben, so viel Gutes getan – nun wird es Zeit für dich, endlich auszuruhen. Dein Werk ist vollbracht  - und es ist gut vollbracht!“

            „Ich kann nicht bleiben“, erklärte Frau Schatt dem lieben Gott.

„Ich liebe meine Familie –  ich muss zurück. Sie warten auf mich. Sie brauchen mich...“

„Sie werden traurig sein...“, fügte sie beinahe wehmütig hinzu, denn sie fühlte sich wohl wie noch nie.

Der liebe Gott aber führte sie behutsam in den großen Speisesaal, wo die Englein gerade bei der Jause saßen.

Dieser Speisesaal wird als Übergangsstation in den richtigen Himmel gebraucht, damit man sich langsam an die absolute Liebe gewöhnen kann.

            Als Herr Schatt seine Frau fand, war der Schock  groß. Alle waren traurig und erschüttert und keiner konnte sich mit dem schweren Verlust abfinden..

Doch das selige Lächeln von Frau Schatt war ihnen von Anfang an ein kleiener Trost gewesen.

Und dieses verklärte Lächeln blieb ihnen stets in dankbarer Erinnerung, auch, als der Schmerz endlich einem liebevollen Gedenken Platz gemacht hatte.

( C )  I.  H.