Madison verliert auf der Suche nach sich selbst, nicht nur sich, sondern auch all die wichtigen Personen in ihrem Leben. Ob alles wieder gut wird?
Wie sollte es anders sein, gab Madison nicht auf. Sie versuchte es rauszufinden, warum sie einen besseren Draht zu Melissa und Brian hatte. Sie will es jetzt einfach wissen. Natürlich könnte sie jetzt nichts mehr ändern, aber allein ihre Neugier könnte damit gestillt werden. Und warum hat sie Frau Addison gleich zweimal gesehen. Wenn da nichts wäre, hätte sie das Schicksal nicht kennenlernen lassen. Ihr blieb nichts anderes übrig als ins Krankenhaus von Berkeley zu fahren und zu fragen, ob am 23. August 1994 etwa um die gleiche Zeit zwei Mädchen geboren seien. Die nette Krankenschwester sah das Mädchen an und verstand sofort, was los war. Sie schmiss ihre blonden Haare hinter und fing an von diesem Tag zu erzählen:
„Diese Geschichte, die ich dir jetzt erzähle, wird dich wütend, glücklich und traurig zu gleich machen. Bereit? Also vor ungefähr 17 Jahren, also an deinem Geburtstag wurden du und Tiara Addison geboren. Doch dieser Tag war mehr als nur ein schöner Moment für deine Eltern oder für andere, sondern auch ein schrecklicher für das Krankenhaus. Durch ein Gewitter brachen alle Computer ab, zum Glück nicht die der Patienten. Aber wir schafften es nicht mehr richtig die Daten der geborenen Babys einzugeben. Plötzlich wurde alles dunkeln. Und da deine Mutter einen Kaiserschnitt brauchte, wurden wir hektisch. Aufgrund der technischen Probleme hatten wir nur einen Raum um die Neugeborenen zu untersuchen. In der Hektik und in der Angst um deine Mutter haben wir vielleicht zwei Kinder vertauscht. Und nicht nur vielleicht sondern sicher. Denn eine Hebamme fragte mich eh, wo denn das Armbändchen von Madison. Ausversehen hat irgendwer das falsche Armband um Tiara gelegt.“
„Warum habt ihr dann nichts gesagt“
„Als wir sahen, wie sich deine Mutter über dich freute, konnten wir ihr das Baby nicht mehr nehmen.“
„Aber dann ist Amanda nicht meine Mutter. Amanda ist Tiaras Mutter, aber doch letztendlich Madisons, weil ich ja eigentlich Tiara heiße. Oder wie?“
„Ja so kompliziert, wie es klingt. Du bist Tiara und Tiara ist Madison.“
Madison flossen die Tränen, aus Erleichterung und Wut und Glück …Es waren so viele Gefühle. Und sie hatte recht. Aber was sollte sie machen, sie konnte ja jetzt nicht einfach zu Andrew und Amanda gehen und sagen, dass es nicht ihre Eltern seien und dann einfach bei Melissa und Brian einziehen. Und Tiara! Die Arme, sie ist ja auch davon betroffen. Doch da kam ihr eine Idee…
Auch wenn sie genau wusste, es würde nicht klappen, ein Versuch war es Wert. Mit einem gefälschten Zettel der Schule ging sie zu ihren Eltern und zu denen von Tiara. Ihre Freundin war natürlich eingeweiht. Auf dem Zettel stand fälschlicherweise, dass aus sozialen Gründen ein Familientauschprojekt für eine Woche vorgesehen sei. Und wie doof manche Erwachsenen auch sind, bissen sie an. Also konnten beide Kinder für sieben Tage bei ihren eigentlichen Eltern leben.
Alles klappte, doch eins hatte sie vergessen. Sie erzählte Ryan alles. Alles, nur das nicht. Sie wusste das jetzt schon seit mehreren Wochen und sie sagte kein einziges Wort darüber zu ihm, geschweige denn zu Jessy und Tami. Sie wusste, dass die Drei sehr vernünftig sind und ihr das niemals glauben würden. Vor allem Ryan, der es von Anfang an abstritt. Was würde er sagen. Er würde Madison doch für dumm verkaufen. Sie konnte es ihm nicht erzählen, aber irgendwie war sie dazu gezwungen. Er verschwieg ihr nichts und andersrum auch. Was hatte sie auch zu befürchten. Schluss machen würde er normalerweise nicht, aber sie hatte einfach Angst vor seiner Reaktion. Und warum sie es ihren Seelenschwestern verschwieg, wusste sie auch nicht. Manchmal machte sie Dinge, die sie selbst nicht verstand. Da sie ja eigentlich nichts zu verlieren hatte, nahm sie sich den Mut und bat Ryan zu kommen. Wie immer begrüßten sie sich herzallerliebst. Doch als sie am Strand gingen, konnte sie es nicht erzählen. Er spürte, dass etwas nicht stimmte und fragte auch immer, was los sei. Sie schaffte es nicht. Aus welchem Grund auch immer, das wollte und konnte sie ihm nicht sagen. Wenn sie nur gewusst hätte, was das für Folgen hat…
Auch beide Elternpaare merkten, dass etwas nicht normal sei. Es gab keinen Streit beim Essen, alles verlief friedlich von früh bis spät und die äußerlichen Ähnlichkeiten blieben auch nicht unbemerkt. Blöderweise hatte Madison auch all ihre Aufzeichnungen in ihrem Zimmer liegen lassen, die nicht in dem Versteck blieben. Beim Ausleben des Putzfimmels fand Andrew alles und musste hineinsehen. Seine Neugier war zu stark um es zu unterlassen. Er konnte es nicht glauben. Er fragte sich soviel: Warum untersucht sie so etwas? Wie kommt es dazu, dass wir das „falsche“ Kind zu Hause haben“ „Warum hat nie jemand was gemerkt“. Aus Wut wurde er aggressiv und feuerte die Mappe in die Ecke. Andrew konnte sich nicht mehr halten und rief die Presse an und schrie in den Hörer: „Folgendes müssen sie drucken. So eine Unverschämtheit. Wie kann es nur passieren, dass ein Krankenhaus zwei Babys vertauscht? Wie konnte ich nur das falsche Kind aufziehen. Drucken sie das, ich maile ihnen nachher noch mehr Fakten. Ich will das andere Eltern gewarnt werden!“ Der Ton, in dem er es sagte, war fürchterlich. Er war so laut und wütend. Und er mailte alles der Zeitung. Warum nur? Alles war angeben. Namen, Geburtsdaten …einfach alles. Das war der Fehler seines Lebens. Doch nicht er, sondern Madison musste dafür büßen. Ryan las Zeitung. Und zwar täglich und liebend gern. Und auch diesen Artikel übersah er nicht. Nun wusste er es. Hätte ich es ihm nur erzählt. Dann wäre es konsequenzlos geblieben, aber jetzt, jetzt weiß er, dass sie ihm nicht alles erzählt habe und ein großes Geheimnis verschwiegen hat. Madison erfuhr von dem Zeitungsartikel erst nach dem nächsten Schicksalschlag!
Etwa um vier Uhr nachmittags klingelte es an der Tür. Als das Mädchen sie öffnete, freute sie sich. Es war Ryan. Doch als sie seinen Blick sah, wusste sie, dass jetzt nicht alles in Ordnung ist. Seine Worte wird sie nie vergessen:
„Hallo TIARA ADDISON!“ Er klang verärgert und enttäuscht. Enttäuscht ist das Schlimmste. Wenn ein Mensch enttäuscht ist, ist das kein gutes Zeichen. Woher wusste er es? Sie wusste ja nichts von der Zeitung. Er sprach weiter: „Schatz, du kannst mir alles erzählen, aber ich hätte nie gedacht, dass du mich anlügst.“ Sein Ton wurde lauter und auch irgendwie trauriger. „Woher weißt du es?“, schluchzte sie. „Woher? Woher willst du wissen. Ich habe es in der Zeitung gelesen. Das weißt du doch ganz genau. Wie dumm kann man nur sein. Seinem Freund nichts erzählen, aber als Artikel veröffentlichen. Ich dachte du würdest mir alles erzählen. Ich habe dir vertraut. Ich hätte doch nichts gesagt, wenn du es mir erzählt hättest. Ich hätte mich vielleicht gefreut, aber jetzt habe ich keine Lust mehr. Du bist selber schuld. Unsere Beziehung ist aus. Wer mich anlügt, hat es nicht besser verdient“ Ryan rannte aus dem Haus und hinterließ ein am bodenkauerndes Mädchen, dem klar wurde, was passiert ist, nur weil sie etwas verschweigen wollte. Sie hat ihren Freund verloren. Einen der drei einzigen Menschen, für die sie ihr Leben opfern würde. Aber es war ja nicht nur ihre Schuld. Hätte Andrew nicht diesen bekloppten Artikel veröffentlicht, wäre es nie so weit gekommen. Das wird sie ihm nie verzeihen, geschweige denn vergessen. Alles kaputt. Nur wegen so etwas. Die Liebe, die Zuneigung, die Chemie. Sie waren doch füreinander geschaffen. Nichts konnte sie trennen, nichts, außer dieser Fehltritt. Madison verlor in kürzester Zeit zwei ihrer wichtigsten Menschen: Ihre Oma und Ryan.
Und als wäre das nicht genug, waren Tami und Jessy auch sauer. Hatten sie etwa die Zeitung gelesen? Oder hatten sie einfach so was davon erfahren? Im Moment hatte Madison niemanden mehr. Niemanden, den sie etwas erzählen konnte. Ja klar, Tiara und ihre leiblichen Eltern, Melissa und Brian, denn von Andrew und Amanda hatte sie eh schon lange nichts mehr zu erwarten. Was hatte das zu bedeuten? Was wollte ihr das Schicksal damit sagen?
Es war etwa sechs Uhr abends. Es regnete und stürmte. Trotzdem ging Madison zum Grab ihrer Oma. Sie brauchte das jetzt. Sie hatte ja niemanden. Sie musste im Moment mit ihren Problemen allein zu Recht kommen. Fast! Sie konnte immerhin alles ihrer Großmutter erzählen. Sie war zwar nicht mehr mit dem Körper hier, aber die Seele ist schon noch auf der Erde. Und Madison weiß: Grandma hört mich! Wenn sie noch am Leben wäre, würde das Mädchen von ihr in den Arm genommen werden und getröstet werden. Das geht zwar nun nicht mehr, aber allein das Wissen, dass irgendwer ihr zuhört, hilft ihr. Beim Grabstein angekommen, legt sie die wunderschönen Lilien nieder. In Lila, rot und gelb. Das waren die Lieblingsblumen ihrer geliebten Oma. Die drei Farben bedeuten beide sehr viel. Lila oder auch violett ist die Farbe des Geistes und der Spiritualität. Sie soll das seelische Gleichgewicht und die Entschlusskraft fördern, kann aber auch zweideutig wirken, mystisch und magisch. Die beiden glauben an Geister und an die Kraft von Zauberei. Rot ist einfach ein Symbol der Liebe und gelb der Sonne. Deswegen diese drei Farben. Madison war gerne am Grab. Sie verblieb dort Stunden. Heute aber musste sie schon früh zurück. Nach einer Stunde verließ sie den Friedhof. Etwas erleichtert, aber auch traurig, da sie ihre Großmutter einfach so vermisst. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört.
Als sie so die Allee entlang ging und wieder verträumt rein blickte, sah sie plötzlich zwei graue Gestalten in ihre Richtung kommen. Beide waren gleichgroß und kleiner als sie selbst. Sie kamen immer näher. Wer war das? Wollten sie zu Madison? Wenn ja warum? Oder sind es einfach nur Spaziergänger? Immer näherkommend bemerkte Madison, dass es weder Hopper, noch irgendwer Böses war. Es waren Tami und Jessy. Das erkannte sie an den langen, glatten, dunkelbrauen Haaren von Tami und den etwas rötlichen, aber auch langen Haaren von Jessy. Sollte Madison jetzt froh oder sauer sein? Bevor sie überhaupt überlegen konnte, hörte sie schon die Stimmen: „Madison! Wie schön dich mal wieder zu sehen. Jetzt sind wir beste Freundinnen und sehen uns nie! Ist denn etwas passiert?“ Das im Moment überforderte Mädchen antwortete: „Passiert? Ähm jaa, wie soll ich das sagen. Aber eigentlich…Ich versteh nichts mehr. Ihr seid doch sauer, oder?“ „Wer sagt das? Wir sind doch Freundinnen, warum sollten wir dir sauer sein? Wenn du wegen der Geschichte mit deinem Namen und so meinst, dann brauchst du keine Angst haben!“ „Ja aber Sarah hat doch gesagt…“, bevor sie den Satz beenden konnte, entgegnete ihr Tami entsetzt: „Oh nein, sag jetzt nicht, dass du Sarah glaubst. Sie lügt doch immer. Du weißt doch, sie will unsere Freundschaft kaputtmachen. Wir sind echt nicht sauer auf dich. Wir sind immer für dich da. Komm mit uns. Gehen wir ein Stück, dann können wir reden!“ Alle drei waren einverstanden. Madison freute sich so, dass sie ihre Seelenschwestern noch hatte. Während die Drei so entlang liefen, konnte sie ihnen alles erzählen. Nach einer langen Umarmung ging es ihr wieder viel besser. Das Problem war zwar nicht aus der Welt, aber mit jemand reden zu können, der einen in den Arm nehmen kann und das Verständnis zeigt, hilft auch. Madison schöpfte nun wieder neuen Lebensmut!
Traurigerweise war eine Woche bei den richtigen Eltern vorbei. Madison, aber auch Tiara war zu tiefst enttäuscht. Sie wollten bei ihren leiblichen Eltern bleiben. Dort ging es ihnen viel besser. Warum wussten sie nicht, aber es gab weder Streit noch häufige Diskussionen. Die Interessen waren auch die gleichen oder zumindest die ähnlichen und ein gemeinsamer Fernsehabend war auch wieder möglich. Doch wie auch immer, die eine Woche war vorüber und eine weitere nicht möglich. Obwohl Andrew wusste es ja. Ein Gespräch wäre nützlich, könnte aber auch negative Auswirkungen haben. Die beiden Jugendlichen entschieden jedoch mit den Eltern, bei denen sie bisher lebten, zu reden. Alleine wollte diese das jedoch nicht klären und einigten sich auf ein Abendessen zu sechst. Dabei kamen sie zu dem Entschluss, dass es vielleicht für alle bessere wäre, die richtigen Familien zu gründen. Große Freude für die Kinder. Zwar nur vorübergehend und unverbindlich, da sonst das Gericht mit eingeschaltet werden müsste und daher wollten sie es für sich behalten. Ausschlaggebend dafür war ein weiterer Streit zwischen Andrew und Madison, da sie herausfand, dass er es in die Zeitung stellte. Sie war einfach nur wütend. Ihr langgeglaubter Vater hat ihre Beziehung kaputtgemacht.
Nachdem die Familienaufteilung vorerst geklärt war, musste sie nur noch das Problem mit Ryan lösen. Sie wollte und musste sich entschuldigen und alles aufklären. So konnte und wollte sie nicht weiterleben. Also fasste sie sich am Herzen und ging zu seinem Haus. Obwohl es ihr schwerfiel und sie am ganzen Körper zitterte, klingelte sie. Ryan öffnete die Tür. Sein Blick zeigte, dass er am liebsten, die Tür wieder zugeworfen hätte. Er tat es aber nicht. Anfangs hörte er ihr geduldig zu, aber am Schluss sagte er nur: „Du bist eine Lügnerin…TIARA ADDISON!!!“. Darauf schloss er die Tür. Das saß tief. Madison konnte die Tränen nicht zurückhalten. Es tat einfach so schrecklich weh. Sie liebte ihn doch noch. Doch er sie nicht. Was für eine Qual. Wie konnte ein Leben in kürzester Zeit so schnell zerbrechen? Und warum das von Madison? Sie sah keinen Sinn mehr im Leben.
Die Folge ihrer Probleme: Suizidgefahr. Das Mädchen dachte echt über schnelle Selbstmorde nach. Sie recherchierte im Internet. Suchte nach schmerzlosen Methoden. Es war einfach zu viel in letzter Zeit passiert, dass sie psychisch fertigmachte. Sie konnte einfach nicht mehr. Im Leben aber gibt es nun mal keinen „Pausenknopf“ Man kann schon gleich „Game Over“ gehen, aber ob das was bringt, ist fraglich. Madison versprach sich davon aber sehr viel. Sie hatte einfach keinen Sinn mehr. Das Leben bereitete ihr Schmerzen und Kummer. Wo war die Freude?
Um allen Fragen, allen Problemen ein Ende zu setzen, entschied sich Madison zum Spruch von einer Autobahnbrücke.
Sie war sich sicher und zwar zu hundert Prozent. Es bräuchte sie eh niemand…
…dachte sie. Denn als sie bereit war zum Absprung und schon ansetzte, wurde sie von hinten zurückgezogen. Irgendwer zog sie vom Geländer runter. Nicht irgendwer, sondern Jessy und Tami. Durch Zufall waren sie hier. Oder einfach nur, weil sie Engel sind, die von Gott geschickt wurden. Und was für ein Wunder. Ryan war auch dabei. Ja Ryan. Was war denn da los? Der Junge, der sie für eine Lügnerin hält, verhinderte den Selbstmord. Was Madison nicht wusste:
Ihre Freundinnen waren bei Ryan, um ihm alles zu erzählen. Sie wollten ihm ins Gewissen reden. Sagen, dass seine ehemalige Freundin noch Gefühle für ihn hat. Was sich rausstellte: Er auch. Er meinte: „Ich war so sauer auf sie, wollte aber eigentlich nicht Schluss machen. Es passierte aus der Situation heraus. Ich habe es ja bereut, aber sollte ich dann plötzlich wieder sagen, dass ich mit ihr zusammen sein will. Das hätte ich nicht tun können. Ich liebe sie. Ich liebe sie wirklich von ganzem Herzen.“ Die beiden Mädchen überredeten ihn dazu, zu Madison zu gehen und alles in Ordnung zu bringen.. Gesagt getan und das zum Glück. Denn hätten sie das nicht getan, hätten die Drei sie nur noch auf Bildern gesehen.
„Madison, Madison, was tust du? Warum willst du dich umbringen? Es gibt doch so viele Menschen, die dich brauchen?“, Ryan schaute sorgenvoll und auch etwas ängstlich. „Ryan? Du hier…ich kann nicht glauben, dass DU mir das Leben gerettet hast. Du sagst, ich sei eine Lügnerin und du möchtest nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich jedoch liebe dich und wollte mich umbringen, um diese Qual zu beenden“, deckte das Mädchen weinend auf. „Ich liebe dich auch, ich wollte nicht Schluss machen. Bitte verzeih mir, ich habe dir bereits verziehen! Und versprich mir, versuch dich nie wieder zu ermorden. Egal wie! Du bist mir, Jessy und Tami unglaublich wichtig und es löst keine Probleme. Bitte tu uns diesen Gefallen!“ „Ich verspreche es!“ Darauf folgte ein langer und inniger Kuss. Wie damals am Strand. Die Liebe entflammte neu. Alles dank ihren Freundinnen. Ein weiterer Beweis dafür, dass sie immer für sie da sind. Und sie lebt, das zeigt, dass Gott nicht ohne Weiteres einen Menschen gehen lässt und dass es Engel auf Erden gibt. In diesem Fall heißen sie Jessy, Tami und Ryan. Jetzt bedeutet sie Madison echt das Leben. Die Drei haben ihr das Leben gerettet. Wären sie nicht gekommen, wäre sie auf die Autobahn gesprungen. Unvorstellbar!
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Madison und Ryan waren wieder ein Herz und eine Seele. Täglich durften sie sich sehen. Man sah wieder von weiten, dass sie sich liebten. Hand in Hand gingen sie die Strandpromenade von Berkeley entlang. Das Meer rauschte, die Möven kreisten über dem Wasser, die Sonne schien herab. Es waren gefühlte 30 Grad im Schatten. Die beiden schwitzen, trotzdem wollten sie sich nah sein. Ihnen gefiel es auch einfach unter einer Palme zu liegen und die ganze Atmosphäre zu genießen. Kuschelnd lagen sie da und keiner würde je denken, dass hinter ihnen eine riesige Auseinandersetzung liegt. Die beiden sind froh, dass das nun überwunden ist. Sie sind eben füreinander geschaffen. Das spürt man, wenn man dem Liebespaar entgegen kommt. Sie strahlen positive Energie aus. Und zeigen, dass es so etwas wie Liebe auf Erden noch gibt. Wenn sich ihre Blicke treffen, ist es einfach leidenschaftlich und jeder Kuss ist romantisch und wunderschön. Schmetterlinge fliegen und es funkt immer wieder neu. Es ist einfach ein unglaubliches Gefühl. Es gibt niemanden, der nicht mit ihnen tauschen möchte. Naja zumindest was die Liebe angeht. Denn es ist lediglich dieses Problem gelöst, doch noch nicht das mit den Eltern. Natürlich kann sie für ein paar Wochen bei Familie Addison ihr richtiges Leben haben, aber auf Dauer geht das nicht, denn sonst müsste das staatlich geklärt werden. Und was sollte man vor Gericht sagen? Unsere Kinder wurden vertauscht und wir haben es jetzt erst bemerkt. Jahrelang liebten wir es, aber unverzüglich wir es wussten, konnten wir ihm keine Zuneigung mehr geben und wollen unsere leibliche Tochter haben. Das würde kein Richter durchgehen lassen. Obwohl in Amerika ist viel möglich, aber es ist schon komisch. Dieser Weg ist aber der Einzige, der zum Ergebnis führt. Und alle wissen, dass es für jeden besser ist, wenn Tiara zu den Bakers geht und Madison zu Melissa und Brian. Es gab eben in den letzten Wochen keine Auseinandersetzungen. Vielleicht kleine Diskussionen, die aber dazugehören. Es ist einfach harmonischer und viel besser. Und die Jugendlichen sind glücklicher.
Lange ging alles gut, aber das Amt kommt ja doch hinter alles. In diesem Falle wäre das nicht passiert, wenn es da nicht eine kleine Petze gäbe. Die Person, die gemeint ist, hätte auch beinah die Freundschaft zwischen den Seelenschwestern zerstört: Sarah. Unglaublich, aber wahr. Sie sagte, dem Staat, dass die Familien einen geheimen Kindertausch veranlasst haben.
Während die Tiara und Madison gelangweilt in der Schule saßen, war bei ihnen zu Hause einiges los. Das Jugendamt schickte Angestellte zu den Bakers und zu den Andrews, um die Situation klarzustellen. Sie arbeiten hart nach Gesetz. Sie arbeiteten jeden einzelnen Paragrafen ab, um zu verdeutlichten, dass der Tausch rechtswidrig sei. Das Drama schien gelöst zu sein, aber nun begann alles von Anfang. Die Kinder mussten zurück zu den Eltern, bei denen sie aufgewachsen sind. Die ganze Aktion führte auch noch Geldstrafe mit sich. Somit gab es wieder eine Schwierigkeit mehr: Die Schulden. Beide Familien kamen üblicherweise immer gut um die Runden und das Geld reichte schön aus. Doch die Strafe war so hoch, dass es Monate dauern würde, um den Fehlbetrag auszugleichen. Das kann doch nicht wahr sein. Alles war perfekt bis zu diesem Moment. Herr McCartney, der Beauftragte, merkte aber eins noch an: „Falls ihnen alles über den Kopf wächst, tun sie die Mädchen ins Heim! Die Kinder könnten was lernen und sie würden nicht so in Stress geraten. Überlegen sie sich’s. Das klingt schlimmer als es ist.“ Hätte er das nur nicht gesagt. Für die Erwachsenen war es einfach die Jugendlichen abzuschieben. Es würde ihnen mehr Freizeit geben, weniger Geldprobleme, da die Kinder vom Staat versorgt werden würden. Für Madison würde das aber folgendes bedeuten: Weg von Berkeley, somit von Omas Grab und von Tami, Jessy und Ryan.
Und wieder wurde das Leben von Madison zur Tortur. Nach dem Willen beider Elternpaare müssen Tiara und Madison weg von Zuhause. Zum Glück nicht ins Heim, aber auf ein Internat. Noch dazu ein Mädcheninternat. Und das natürlich nicht in der Nähe von Berkeley, sondern in New York. Das ist zwar auch eine wunderschöne Stadt, aber weg von Kalifornien, weg von zu Hause. Das ist unmöglich. Die beiden sind da groß geworden. Und alles hinter sich lassen, das können sie nicht. Sie sind zwar 17, das heißt aber nicht, dass man einen so großen Schritt wagt. Doch eine Frage stellen sich beide: Wo ist das Geld her? Unsere Eltern sind doch pleite? Doch ob diese Überlegungen dabei helfen, da zu bleiben? Wahrscheinlich nicht. Madison muss gehen. Folglich gibt es wohl keine Hoffnung mehr gibt für Ryan und Madison. Schon immer sind sie gegen Fernbeziehungen und die Freundschaft zwischen Jessy und Tami wäre somit auch vorbei. Das ist ein Neuanfang nicht wert. So werden die Probleme nicht besser. Das macht alles noch schlimmer. Und wieder hat einer daran am meisten Schuld: Andrew! Er macht Madisons leben komplett kaputt. Das ist so unfair. Am liebsten würde sie ihn umbringen, doch dafür ist sie viel zu nett. An dieser Stelle heißt es einfach für sie Abschied nehmen und von ganz neu anfangen. Sie kann zwar jeden Streit vergessen, aber sollte auch aufhören Ryan zu lieben, da diese Beziehung keine Zukunft mehr hat. Sie hasst Andrew. Sie hasst ihn Abgrund tief.
Mal wieder beginnt eine harte Zeit für Madison und auch für ihre Freunde…
Schon zwei Tage später musste sie sich verabschieden. Erst ging sie zu Tami und Jessy, ihren Seelenschwestern. Es war so schwer „Tschüss“ zu sagen. In den Ferien können sie sich sehen und chatten geht auch hin und wieder, aber Madison ist eben nicht hier, sie ist am anderen Ende des Kontinents. „Die Freundschaft wird doch nicht zerbrechen oder?“, versuchte Jessy mit tränenden Augen zu wissen. Sie bekam keine Antwort mehr, da alle drei sich einfach nur schluchzend in den Armen lagen. Sie wollten sich nicht mehr loslassen. Madison wollte nicht gehen, sie wollte hier bleiben, bei ihren Freunden und das Schwerste hatte sie noch vor sich: Schlussmachen mit dem Jungen, den sie liebt.
Wie kann EIN Leben nur so kompliziert sein? Wie bereits erwähnt ist bei ihr allein Andrew schuld. Sobald alles gut läuft, wendet sich das Blatt wieder. Und daran ist nur ER schuld. Eines ist sicher, er spielt keine wichtige Rolle mehr in ihrem Leben. Sie weiß, dass sie diese Person nicht mehr braucht. Die Menschen, die für sie lebenswichtig wären, darf sie nicht mehr lieben…
Als wäre es nicht schmerzvoll genug gewesen, ihre besten Freundinnen zu verabschieden, muss sie nun noch zu ihrem unwissenden Freund. Schweren Herzens klingelt sie an der Tür. Das tat sie schon mal, doch da wollte sie, dass sie sich wieder lieben können, jetzt will sie das Gegenteil. Erneut rollte eine Träne über ihre Backe. Als Ryan die Tür öffnete, sah er im Gesicht seiner Freundin, dass etwas passieren wird. Ihre Mundwinkel zeigten, dass sie was am Herzen hat, ihre Augen waren geschwollen und der Kopf war zum Boden gerichtet. Leise und traurig flüsterte sie: “Ich muss weg von hier. Ich…Ich…Ich denke, dass…“ Lange schwieg sie. „…dass wir Schluss machen sollten.“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging sie. Diesmal war sie die Person, die jemanden verletzt zurückließ. Ryan konnte es nicht glauben. Er war einfach vollkommen fertig mit den Nerven. Er verstand die Welt nicht mehr. Auch er konnte es nicht zurückhalten zu weinen. Sie ging. Sie verschwand schneller aus seinem Leben, als er dachte. Er liebte sie und wollte sie nie verlieren. Er hatte mit ihr noch so viel vor. Sie einfach zu vergessen ist unmöglich. Langsam schloss er die Tür und schlich zu seinem Zimmer. Da schloss er sich ein. Stundenlang!
Madison hatte dafür keine Zeit. Der Flieger wartet eben auf niemanden. Widerwillig und niedergeschlagen stieg sie in das Flugzeug. Sie sah sich noch einmal um, winkte Andrew, Amanda, Melissa und Brian und verschwand. Nächster Halt: Neuer Lebensabschnitt!
Zusammen mit Tiara stieg sie etwa einen Tag später aus der Maschine. Schon von oben bewunderten sie die herrliche Skyline von New York. Im Moment schien alles noch als würde es ihnen hier gefallen. Das Wetter war aber nicht annähernd so schön wie zu Hause und es war hier alles viel stressiger. Alles ist voller Hochhäuser und Autos. Die Luft ist vernebelt und stickig. Die Menschen kommen einem vor, als würden sie von Termin zu Termin hetzten. Doch die Jugendlichen wollen erstmal abwarten. Vielleicht wird es wirklich viel besser.
Anfangs fiel es allen sehr schwer ohne einander zu leben. Madison vermisste Ryan, ihre Seelenschwestern und das Grab ihrer Oma. Ryan, Tami und Jessy fehlte ihre Freundin genauso sehr. Tiara wollte einfach nur nach Hause. Doch nach einer Zeit lebten sich beide eigentlich auch gut ein. An die Atmosphäre in der Stadt gewöhnten sie sich schnell und es war auch kein Problem sich auf der neuen Schule einzuleben. Bei den anderen Schülern waren einige dabei, die auch Schwierigkeiten mit den Eltern hatten. Und ein Junge gefiel Madison besonders: Jason. Wenn sie nur mit ihm sprechen durfte, wurde sie nervös. Zuerst dachte sie, sie würde Ryan verraten, wenn sie sich neu verliebt, aber sie hat Schluss gemacht und anscheinend war sie bereit für eine neue Liebe. Sie war von Jason einfach nur verzaubert. Sein Lächeln, seine schwarzen langen Haare. Er ähnelte einem Emo, aber sie findet ihn heiß. Und seine grünen Augen brachten sie erst recht zum Schwärmen. Auch Freundinnen waren schnell neue gefunden. Bella und Emma waren auch 17 Jahre alt und Zwillinge. Wasserstoffblonde Haare zieren ihren Kopf. Eine dicke Schicht Schminke klebt in ihrem Gesicht und Designer-Klamotten im Wert von mehreren Hundert Euro betonten ihre modelartige Figur. Und diese Mädchen haben Probleme mit den Eltern? Unvorstellbar! Auffallend war, dass ihr Schwarm so wie ihre neuen „Freundinnen“ ganz andere Typen waren, als sonst immer. Sie mochte doch eigentlich Menschen, die natürlich sind. Hatte Madison zu viel Abgase eingeatmet? Wenn Jessy und Tami wüssten, was aus Seelenschwester Nummer 3 nur geworden war, würden sie bestimmt enttäuscht sein. Madison war dabei, ihr Leben selbstständig noch mehr zugrunde richten. Sie vergaß die Personen, dir ihr einst das Leben bedeutete. Und sie dachte auch nicht mehr an Andrew. Sie wollte nichts mehr von ihm wissen. Ihn einfach für immer vergessen. Dabei dachte sie aber auch nicht an die schöne Zeit mit ihm. Wenn man so nachdenkt, war er auch immer für sie da. Er sorgte sich um ihr Wohl, wollte nur das Beste. Kümmerte sich darum, dass ihr nichts zustieß. Und jetzt wird er dafür bestraft, dass er mal ein paar Fehler macht. Madison macht auch Fehler und zwar viel mehr. Auf der Suche nach sich selbst, hat sie sich verloren und alle anderen dazu auch.
Wir wichtig Andrew Madison eigentlich ist, zeigte ihr das Schicksal nach nicht zu langer Dauer. Sie wusste zwar schon immer, dass sein Herz nicht das Beste sei, aber sie wollte auch nie wahr haben, dass sich die Krankheit zuspitzen könnte. Und als der Direktor plötzlich im Klassenstand wäre sie nie auf den wahren Grund gekommen. Sie setzte schon an sich zu wehren, dass sie dies und das nicht ausgefressen habe. Doch Mr Hendriks unterbrach sie. Er meinte sie solle im Eiltempo die Koffer packen und noch mit dem nächsten Flugzeug nach Berkeley zu fliegen. Hinzufügte er noch Folgendes: „Auch wenn du es nicht glaubst, er braucht dich jetzt. Vielleicht bist du die Einzige, die ihm am Leben hält!“
Das Leben war auf einmal so verwirrend geworden. Madison wollte doch nur wissen, warum die Familie so oft streitet und fand eben heraus, dass ihre wahren Eltern Melissa und Brian sind. Aber das sich das Leben zum absoluten Chaos wendet, wollte sie nicht. Im Flieger hatte sie eine Menge Zeit zum Überlegen. Sie stellte Tami und Jessy ihren neuen Freundinnen Bella und Emma gegenüber. Genau wusste sie nicht, wer besser für sie war. Merkte aber, dass sie ihre ehemaligen besten Freundinnen gar nicht mehr vermisst. Sie hatte nur noch Kopf für die Zwillinge und für Jason. Ryan wurde ihr auch plötzlich unbedeutend. Wo war die Liebe hin. Es war unübersehbar, dass sie sich liebten und dass sie füreinander geschaffen waren. Dazu ist Jason ein Emo und was sich rausstellte, ritzt er sich. Ist das der gute Umgang für das einst nette Mädchen? Madison merkte schon während des Flugs, dass sie weitere Fehler beging. Sie hat sich ja nie gemeldet zu Hause in Berkeley. Egal, sie hat ja bereits neue Freunde.
Am Flughafen angekommen, begrüßte sie niemand. Sie wusste schon, wo sie hin musste, aber was genau los war, wusste sie nicht. Mit dem Bus fuhr sie die altbekannte Allee entlang. Sie empfand ein leichtes Gefühl von Freude. Zu Hause ist es doch am schönsten. Sie streckte ihren Kopf aus dem Fenster und genoss die frische Luft. Nichts war zu hören, nur ein paar Vögel zwitscherten. In der Ferne hörte man Kinder, die spielten. Im Gegensatz zu New York war hier jedermann gelassen und an Stress war gar nicht zu denken. Außer bei den Bakers. Von der Bushaltestelle hatte sie nur noch ein paar Meter zu ihrem Haus. Vor der Tür stehend, atmete sie noch mal tief durch und drückte die Klinke runter. Amanda blieb das nicht unbemerkt und stürzte zum Eingang. Unverzüglich fiel sie Madison um den Hals. Auch das Mädchen freute sich, ihre bisher geglaubte Mutter zu sehen. Schon lange nicht mehr, hatte sie eine solche liebliche Umarmung erleben dürfen. In New York hätte sie niemand in den Arm genommen. Emma und Bella hatten Angst, dass ihre Kleidung schmutzig wird. Zicken! Erst jetzt bemerkte Madison, dass sie Amanda und den Rest vermisste. Ihre Augen wurden feucht. Und dabei fielen ihr die Worte des Rektors ein. ANDREW! Kaum hörbar fragte sie: „Was…was…was ist eigentlich mit Andrew?“ Amandas Gesicht wurde ernst und bedrückt zu gleich. „Komm einfach mit“, meinte sie und zog das Kind zum Auto. Unwissend über den Zielort war deutlich, dass etwas Übles passiert sei. Den Weg kannte sie, denn den ist sie früher öfters mit dem Fahrrad gefahren, als ihre Oma im Krankenhaus war. Was? Krankenhaus? „Was ist mit Dad?“ Und noch während sie die Frage stellte, kam ihr das kaputte Herz in den Sinn. Sie stieß ein lautes „Nein“ aus und versank dann in ihrem Sitz.
Beim Hospital angekommen, rannte sie ohne Rücksicht auf andere Fahrzeuge zur Rezeption. „Können sie mir bitte sagen, wo das Zimmer von Andrew Bakers ist“, fragte sie ganz außer Atem. „Schön, dass sie hier sind. Ich denke, sie sind Madison. Sie werden bereits erwartet. Aber machen sie schnell. Denn morgen soll er operiert werden und alles muss noch vorbereitet werden.“ Das Mädchen fasste nicht, was sie hörte. Eine Operation! So schnell sie konnte, hastete sie zum Zimmer. Ganz vorsichtig und auch ängstlich öffnete sie die Türe. Sie schob ihren Kopf zur Tür herein und zog dann restlichen Körper mit hinein. Da sah sie ihn liegen. Man hörte die Geräte piepsen. Das Zimmer war weiß, kahl und trist. Er sah aus wie ein Frack. Die Müdigkeit war deutlich erkennbar, da sein Blick verschlafen und erschöpft war. Ganz ruhig begrüßte, er sie: „Schön, dass du hier bist“ Kaum bekam er den Satz fertig. Es fiel ihm schwer zu reden. Er war zu entkräftet um irgendetwas zu tun. „Mein Herz…“, krächzte er und schloss die Augen. „Nein, du darfst nicht sterben!“ Madison sank schreiend zum Boden. Sie wusste, sie sei schuld. Sie machte zu viel Wind um die ganze Sache. Sie verletzte Andrew psychisch und nun auch körperlich. Nun musste Madison sich damit zurechtfinden, dass sie wahrscheinlich ihren bisherigen Vater umgebracht hatte. Denn jeder seelische Schnitt konnte für den armen Mann zu viel sein. Sie nahm seine Hand, die leblos vom Bett runter hing. Sie spürte, dass er noch lebte. Auch er fühlte die liebevolle Berührung seiner Tochter. Langsam und angestrengt öffnete er die Augendeckel. Es fiel ihm nicht leicht und es war kräftezehrend, aber er wollte Madison anblicken. Bevor er ging, wollte er ihr schönes und liebenswürdige Gesicht sehen. Wieder schloss er die Augen. Es war Zeit zu gehen. Für Madison und wahrscheinlich für ihn.
Die Ärzte fanden heraus, das, als Einziges ein ganz neues Herz helfen könnte. Wenn nicht in kürzester Zeit ein Spenderherz gefunden wird, könnte er nicht weiter am Leben bleiben. Sie hatten nur noch einen Puffer von vierundzwanzig Stunden. Wenn sie bis dahin keins mehr finden, gibt es für Andrew keine Chance mehr. Doktor Lambert bat Amanda und Madison zu sich, um ihnen die Kenntnis zu geben, dass es nur sehr wenige Menschen auf der Welt gibt, die sein Herz ersetzen können. Sicher sei auch, dass seine leibliche Tochter ein solches Herz habe, aber Tiara war in New York und sie ist am Leben. Madison verspürte einen Schmerz. Sie hatte versagt. Nun hatte sie Andrew verloren. Sie dachte zwar, dass sie ihn hasse, aber das könnte sie nicht. Ganz tief im Herzen brauchte sie ihn. Bei ihm wuchs sie auf. Der Schock saß so fest, dass sie in Ohnmacht fiel. Wieder bei bewusst sein, bemerkte sie mehrere Krankenschwestern und Ärzte um sie herum. Der eine wollte sicher gehen, dass das Mädchen kerngesund sei, und prüfte sie auf Herz und Nieren. Die Untersuchung brachte etwas ans Tageslicht, dass niemand mehr zu glauben wagte: Madison war doch Andrews Tochter. Wie war das möglich? Selbst die Krankenschwester aus der Klinik, in der sie geboren ist, versicherte, dass sie damals vertauscht wurde. Doch wie auch immer. Madison ist die einzige Person, die Andrew das Leben retten konnte. Sie würde das allerdings mit ihrem bezahlen. Ein Arzt dürfte Madison nicht einfach umbringen um an das Herz zukommen. Die einzige Lösung: Selbstmord. Sie wollte ihm helfen. Um jeden Preis. Was sie ihm angetan hatte, war schlimm genug. Und sie hatte eh keinen Sinn mehr. Zurück nach New York: Niemals. Und hier bleiben würde ihr auch nichts bringen, da sie hier dann niemanden mehr hätte. Und wenn sie in den Himmel kehrt, könnte sie ihre geliebte Grandma wieder sehen. Für sie stand fest: Mein Herz wird seines sein!
Am Krankenbett sitzend und Andrews Hand haltend, überlegte sie hin und her, wie sie sich am besten töten konnte, ohne dass dem Herz was geschehe. Sie fasste den Entschluss, sich das Seil aus dem Keller zu nehmen und sich aufzuhängen. Sie wollte und musste das tun. Also ging sie heim und tat, was sie sich vornahm. Nach kürzester Zeit stand sie auf einem Kübel mit dem Seil um den Hals. Jetzt musste sie nur noch springen…
…und sie sprang. Jetzt waren zwar ihre Sorgen vorbei und Andrew hätte ein Herz, aber da waren drei Personen, die es nicht fassen konnten: Jessy, Tami und Ryan. Diesmal konnten sie es nicht verhindern, dass Madison springt. Sie hatten eine Freundin verloren. Und Ryan seine große Lieben. Er liebt das Mädchen nach wie vor. Jede Nacht träumte er von ihr, hing Bilder an die Wand und wünschte sich ihre Nähe. Und Madisons Seelenschwestern waren nun wirklich für immer nur zu zweit.
Madison wurde schnell aufgefunden und somit wurde gleich festgestellt, dass ihr Herz das perfekte Spenderherz sei. Zugleich sie dies herausfanden, piepste Andrews Gerät. Das hieß es sei ein weiteres gefunden. Das Mädchen wollte helfen, aber alles war umsonst. Wenn Andrew Glück hat, niemand er das fremde Herz an, aber wenn er merkt, dass Madison nun nicht mehr auf Erden ist, will er schätzungsweise auch fort von hier. Alle, die Madison kennen, hätten bestimmt jetzt Respekt vor ihr.
Auch ihre Seelenschwestern, sowie ihr ehemaliger Freund haben von der Tragödie erfahren. Die Mädchen fielen auf die Kniee und waren fertig mit den Nerven. Ryan wollte sich am liebsten selbst umbringen. Er wollte die Jugendliche unbedingt noch einmal sehen. Da die Leiche aufgrund des Herzens im Krankenhaus zu finden war, suchte er das Zimmer. Er zitterte und war nervös. Wie wird er reagieren. In dem Moment, als der das Zimmer betrat, kamen alle Gefühle über ihn. Trauer, Liebe und Wut. Ganz vorsichtig setzt er sich neben das Bett. Er nahm ihre Hand, sprach mit ihr und streichelte ihr Gesicht. Er spürte die Leidenschaft und wollte sie küssen. Er beugte sich über Madison und plötzlich ganz unerwartet passierte etwas, an das niemand mehr zu glauben wagte. Ihre Augenlider bewegten sich.. Ryan fühlte einen leichten Druck und Wärme an seiner Hand. Wie er seinen Kopf an ihre Brust legte, hörte er das Pochen. Sie LEBT. Das Lebenszeichen erfreute ihn so sehr, dass er sie sanft küsste. Er wartete Stunden, bis sie ihre Augen vollständig öffnete. Ihr Atem kam langsam zurück. Doch wie war das möglich? Doktor Hendriks stellte fest, dass sie aus der Schlaufe gerutscht sei. Dabei wurde sie zwar bewusstlos und scheintot, aber sie lebte – und das die ganze Zeit. Warum das keiner merkte, ist seltsam, aber sie ist wieder hier und das ist wichtig. Der Arzt sprach auch noch extra mit Ryan: „Sie haben es geschafft, dass ihre Seele auf Erden bleibt. Durch ihre Wärme und ihre Liebe hat sich das Mädchen entschieden hier zu bleiben. So eine Leistung bringt keine Medizin, kein Arzt, allein die Liebe schafft Wunder. Wir sind ihnen so dankbar. Madison wird es ihnen auch sein und Andrew auch!“
Ryan verbrachte fast jede freie Minute bei ihr und Andrew ging es bereits auch besser. Sein neues Organ nahm er an und er erholte sich in bester Weise. Auch Tami und Jessy besuchten ihre Freundin oft. Wird denn jetzt alles besser?
Tiara, die noch in New York verblieb, wusste von all dem Geschehen. Sie konnte es nicht fassen, dass Melissa, doch ihre Mutter war. Sie wollte doch bei Andrew und Amanda bleiben. Sie hat doch dafür gesorgt, dass die Akten, sowie die Krankenschwester aus dem Krankenhaus von Berkeley dazu beitragen. Tiara war überglücklich über das Drama von Madison aufgrund ihres Freundes oder ihrer Freundinnen. Sie sorgte auch dafür, dass Sarah alles weitererzählte. Wie konnte der Plan nur so schief gehen. Es schien alles perfekt zu laufen, sodass Tiara das bekommt, was sie wolle. Jetzt steht sie da und kann nur noch zusehen, wie Madison alles in die richtige Richtung läuft. Sie hätte so gerne gesehen, wie ihre „Freundin“ leidet, wenn die Zwillinge Bella und Emma sie hintergehen. Doch das Schicksal war schneller als sie. Wenn Madison davon wüsste, würde sie sehen, dass das Schicksal sie schützt und ihr den Weg zeigt.
Monate vergingen. Andrew war schon wieder ziemlich fit und Madison war schon lange wieder auf den Beinen. Sie hat soviel gelernt in den letzten Jahren und in der letzten Zeit und schrieb Folgendes in ihr Tagebuch:
Andrew war und ist immer für mich da. Nur wegen mir wäre er fast gestorben. Ich habe alles immer für selbstverständlich gehalten. Und wenn er dann mal einen Fehler gemacht hat, hing ich es an die große Glocke. Hätte ich nachgedacht, hätte ich gemerkt, dass ich viel mehr Fehler mache, als er. Überhaupt verstehe ich alles falsch. Wenn Andrew mich schützen will, dann meine ich gleich wieder, dass er was Böses will. In Zukunft werde ich mit offenen Augen durch die Welt gehen!
Bereits zweimal gab es das Aus zwischen Ryan und Madison. Doch wie schon öfter erwähnt, sind die beiden einfach füreinander geschaffen. Immer wieder finden sie zueinander. Und ihre Seelenschwestern wird sie auch nie mehr alleine lassen. Sie schwören auf ewige Freundschaft und besiegelten dies mit Blutsbruderschaft, oder besser gesagt Blutschwesterschaft. Tiara und Sarah sitzen ihre Strafe mittlerweile ab, da die eine nach wie vor auf dem Internat ist und die andere vom Pech verfolgt wird. Sie stürzt überall und tut sich ständig weh. Wie sagt Madison immer:
„Alles kommt zurück. Wenn man immer ein schlechtes Leben hat, wird es anders rum. Und in die andere Richtung auch. Und wenn man böse zu anderen ist, muss man früher oder später selbst dafür büßen!“
Mittlerweile ist die Beziehung zu Andrew viel besser. Sie gehen zusammen Eis essen, schauen gemeinsam fern und streiten weniger. Ihre Fehltritte haben sie sich gegenseitig verziehen. Melissa und Brian kommen auch öfters zum Abendessen. Irgendwie gehören sie jetzt schon alle zusammen. Madison hat die Zeit ihres Lebens. Und sie weiß auch, dass sie für das ganze Drama der letzen Zeit am meisten Schuld trägt. Sie hat eine Menge dazu gelernt und ist sich bewusst, dass es Wichtigeres als sie selbst gibt. Auf der Suche nach sich selbst hat sie sich mehrmals verirrt, aber das Wichtigste ist, dass sie sich jetzt gefunden hat und versteht, dass sie in Zukunft mehr auf andere und auf dessen Gefühle achten sollte. Das alles wäre nicht passiert ohne Gott und die Wegleitung des Schicksals. Und Madison begreift auch:
Gott ist immer für mich da, er hat mir suchen geholfen!
10 Jahre vergingen, seitdem Madison zahlreiche Dramen überstehen musste. Zweimal versuchte sie sich damals umzubringen. Zum Glück nicht, denn heute lebt sie glücklich mit Ryan zusammen. Jeden Freitag geht sie mit ihren Seelenschwestern Tami und Jessy einkaufen. Die beide haben die Liebe des Lebens gefunden und sind bereits verheiratet, sowie Madison eben. Und in ihrem Leben gibt es eine weitere wichtige Person: Ihr Sohn Nick. Drei Jahre ist er schon alt und genauso frech und hübsch wie ihr Ehemann. Der Junge hat blaue Augen wie die Mutter und blonde Haare wie der Vater.
Andrew, Amanda, Melissa und Brian geht es auch gut. Obwohl Familie Addison letztendlich doch nichts mit Madison zu tun hat, fühlen sie sich für ihr Kind verantwortlich. Andrew und Amanda natürlich auch, aber Andrew muss sich trotzdem noch schonen. Er hat zwar sein Herz gut angenommen, aber Stress könnte ihn in die gleiche Situation versetzen, wie er bereits hatte und darauf hat er keine Lust mehr. Verständlich!
Auch Sarah und Tiara fühlen sich wohl. Nach mehreren Therapien sind sie auch normal und arbeiten als Putzfrauen. Das ist kein perfekter Job, aber sie können anständig leben und das ist wichtig.
Madison dagegen konnte ihren Traum, Erzieherin zu werden verwirklichen und Ryan ist Bürokaufmann, wie Madisons Vater. Besser könnte das Leben nicht sein. Sie hat alles Gott zu verdanken und natürlich ihren Eltern, Ryan und ihren allerbesten Freundinnen.
In diesem Buch verarbeite ich viele von meinen Gefühlen, und auch obwohl ich weiß, dass es nicht viele lesen werden, bin ich jedem dankbar, der es tut. Ich hoffe, dass ihr vielleicht daraus was lernen könnt.
An dieser Stelle möchte ich mich auch noch ganz besonders bei meinen Freundinnen Jenny und Teresa bedanken, die mich durch mein Leben begleiten. Sie sind die wichtigsten Menschen in meinem Leben, da sie immer für mich da sind. Ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann und dass sie mir immer zuhören. Danke für alles! ♥
An ihrem 17. Geburtstag ging es ihr dann bereits viel besser. Ein halbes Jahr verging und sie hat den Tod ihrer Oma ziemlich gut verkraftet. Oft kamen ihr schon wieder alle Gefühle hoch, aber sie hatte ja Ryan, den sie nach wie vor liebte. Zwischen den beiden stimmte es einfach, sie stritten so gut wie nie und wenn man die beiden so sieht, kann man nicht glauben, dass sie je auseinandergehen. Immer wenn sich ihre Blicke treffen, spürte man die Chemie. Sie wussten alles über sich. Jedes kleines Geheimnis. Sie würden sich ja auch nichts verschweigen. Sie waren füreinander geschaffen. Wie als hätte Gott die Wünsche der beiden bedacht. Die Liebe ist das Einzige, dass Madison wieder glücklich machen kann. Selbst wenn sie mit ihrem Vater streitet, was nie enden wird, griff er ihr unter die Arme und heiterte sie auf. Und nicht nur er, auch ihre zwei besten Freundinnen Tami und Jessy. Obwohl Madison die beiden vernachlässigte, nahmen sie es nicht übel. Im Gegenteil sie standen ihr nun erst recht zur Seite. Auch wenn sie es nie zeigte. Sie war ihnen so dankbar. Sie würde ihr Leben für die beiden geben. Sie sieht Tami und Jessy nicht als Freundinnen, sondern als Schwestern, da sie schließlich immer für sie da sind. Madison wusste genau, egal was ist, Ryan und ihre Seelenschwestern sind immer für sie da. IMMER.
Das wurde in den nächsten Tagen sehr wichtig. Das, was sie eigentlich schon vergessen hatte, würde jetzt ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen. Sie freundete sich immer mehr auch mit Tiara, Melissas Tochter, an. Dabei erfuhr sie so viel und merkte, dass es Tiara nicht recht anders ging als ihr selbst. Ständiger Streit mit den Eltern, Meinungsverschiedenheiten. Auch sie sah ihrer nicht Mutter ähnlich. Ob sie ihrem Vater ähnlich sieht, weiß Madison nicht, da sie ihn nicht kennt. Doch diese Frage konnte sie sich bald beantworten, als sie Brian Addison kennenlernte. Auf Anhieb verstand sie sich mit ihm. Irgendwas verband die beiden. Er dachte wie sie, hatte die gleichen beziehungsweise ähnlichen Interessen und es schien, als wären sie Verwandte. Und auch das Aussehen stimmte.
Jetzt konnte sich die 17-Jährige nicht mehr halten und recherchierte, wie oft es vorkäme, dass Kinder vertauscht werden in Krankenhäusern. Sie fand heraus, dass es zwar nicht oft vorkommt, aber es kann schon sein. Meistens bei den Babys, die sich vom Gewicht ähnlich sind und ungefähr zur gleichen Zeit geboren sind. Sie bat Tiara um ihre Geburtsurkunde. Als Vorwand nahm sie ein Referat. Als sie dann die Daten in der Hand hatte und sie mit ihren verglich, fiel ihr etwas Erstaunliches auf. Beide wogen etwa 3300g und waren um die 56cm groß. Ist das denn die Möglichkeit. Ist es jetzt wirklich wahr. War sie Tiara und Melissas Tochter war Madison. Wenn jetzt der eine Fakt noch stimmt, ist es eigentlich zu 99 % sicher. Wenn sie jetzt noch beide um etwa 14 Uhr geboren sind, dann ist das Rätsel gelöst, warum Melissa ihr so ähnlich sieht. Mist! Die Uhrzeit war nicht angeben. Alles um sonst. All ihre Hoffnungen. Letztendlich würde ihr niemand glauben. Vielleicht noch Tami und Jessy, aber die beiden waren vernünftig und würden es nicht glauben. Ist schon sehr unwahrscheinlich. Madison könnte es zumindest niemanden übel nehmen, selbst nicht Ryan.
Wieder einmal befand sich Familie Baker inmitten eines Streites. Wie jeden Abend wurde wieder heftig diskutiert. Das einzige, was Madison wollte, war ihren Freund zu treffen, aber ihr Vater war strikt dagegen. „Madison, du hast Ryan erst gestern gesehen. Überhaupt müsstest du dein Zimmer in Ordnung bringen und lernen!“ „Ach Vater, ich hab gestern aufgeräumt. Und lernen? Was soll ich lernen am Ende des Schuljahres? Bitte lass mich zu ihm!“ „Ich sag es nicht noch einmal. Du gehst nicht. Ist das klar!“ Madison kämpfte vergebens. Letztendlich ging sie weinend vom Tisch. Fast kein Tag verging ohne Tränen.
Nachdem sie sich beruhigt hatte, rief sie ihren Freund an und erklärte, dass sie nicht kommen könnte. Zum Glück verstand er die Situation, aber traurig war er schon. Etwa nach einer Stunde legte sie auf um ihre langen, braunen Haare zu kämmen. Der Mond schien in ihr Zimmer und ihre blauen Augen glänzten. Sie schaute ein bisschen verträumt. Es war auch schon spät und deswegen legte sie sich schlafen.
Am nächsten Morgen am Frühstückstisch ging es so weiter, wie das Abendessen aufgehört hatte: streitend. Der Vater griff die Situation noch einmal auf und meinte, es sei unmöglich einfach so vom Tisch zu gehen. Madison wollte sich natürlich rechtfertigen, aber das machte alles noch schlimmer. Um alles in Schacht zu halten, griff die Mutter ein und machte den Vorschlag einen Ausflug in die Berge zu machen. „Wie wäre es, wir könnten doch wandern gehen“ Entsetzt sprang die Tochter auf und schimpfte: „Berge? BERGE? Das ist doch langweilig. Wir waren schon tausendmal in den Bergen.“ Dieses Verhalten störte die Eltern und schickte das Kind ins Zimmer. Madison war sehr traurig. Immer wenn es ihr schlecht ging, legte sie sich ins Bett um Musik zu hören. Dabei dachte sie immer über alles nach. Diesmal kam ihr ein Gedanke, der sie nie mehr loslassen würde: „Warum sehe ich nicht aus wie meine Eltern? Und warum habe ich ganz andere Interessen? Wurde ich vertauscht?!“ Das ließ sie nicht mehr los. Konnte es wirklich sein. Normalerweise ja nicht. Die Technik würde so was nie zulassen und die Krankenschwestern sind doch auch nicht so doof. So schloss sie diesen Gedankengang ab und machte das, was sie am liebsten machte: Von Ryan träumen. Er war wunderhübsch. Mit seinem Sixpack sieht er richtig sexy aus und seine blonden Haare passen perfekt zu seinem sportlichen Körper. Sein Lächeln ist einfach nur traumhaft. Doch durch das Klingeln des Telefons wurde sie aus ihrem Traum gerissen. Es war ihre Tante, die sich ankündigte zu kommen. Super Gelegenheit. Denn immer wenn sie zu Besuch kommt, durfte Madison doch zu ihrem Freund. Sofort sprang sie auf und zog sich an. Die 16-Jährige holte ihren Roller aus der Garage und düste ab.
Als sich die beiden sahen, fielen sie sich sofort in die Arme. Ein Begrüßungsbussi auf die Backe und ein leises „Ich liebe dich“ waren auch ein Teil des Begrüßungsrituals. Anschließend gingen sie Händchen haltend den Strand entlang. Man spürte richtig, wie sich die beiden liebten. Die Augen funkelten und beide hatten ein Lächeln im Gesicht. Sie redeten und schmeichelten sich stundenlang. Einfach wie ein Liebespaar. Doch als Madison von ihrem Gedanken erzählte, den sie in der Früh hatte, konnte man das Entsetzen in Ryans Gesicht richtig sehen: „Schatz, wie kommst du auf diese Gedanken! Spinnst du, warum sollten Andrew und Amanda nicht deine leiblichen Eltern sein? Heutzutage passiert so was nur noch in Filmen. Ich denke, du solltest ein bisschen schlafen!“ „Ja ja ich weiß, es ist wirklich seltsam und ich denke du hast schon recht.“ Er freute sich über die Einsicht. Lange blickten sie sich in die Augen und wieder sah man, wie sehr sie sich liebten. Im Hintergrund ging die Sonne unter. Der Moment war einfach magisch. Es folgte ein langer und romantischer Kuss. Bis spät in die Nacht lagen sie am Strand und bewunderten den Sternenhimmel. Es war einfach himmlisch.
Schon am nächsten Morgen war das Wunderschöne wieder vorbei. Aufräumen war angesagt. Ihr Vater verdonnerte sie zu Hausarbeit. Andrew hatte einen Putzfimmel und ihm störte es schon, wenn nur ein Staubkorn am Boden lag. Madison dagegen war sehr chaotisch. Ordnung war für sie ein Fremdwort. Das war ihrem Vater ein Dorn im Auge. Und wie sollte es anders sein – sie diskutierten wieder über ihre Meinungen. Später kam es wieder zu einer Meinungsverschiedenheit, während sich Amanda mit ihrer Tochter über Blumen unterhielt. Im Gegensatz zur Mutter war das Kind gar nicht an Blumen interessiert. Das war schon irgendwie schleierhaft. Warum hatte Madison nicht die gleichen Interessen wie die Eltern. Da war der Gedanke wieder da: Sind es etwa gar nicht ihre leiblichen Eltern?
Später als sie am Computer saß, um mit ihren Freunden zu chatten, kam ihr die Idee zum Spaß alle Geburten vom 23. August 1994 im Krankenhaus von Berkeley zu finden. Es war ihr Geburtsdatum und sie war natürlich zu finden, aber auch weitere Kinder, sowie Alyssa Stevens, Juan Parker und Emily Abigail. Ein Name gefiel ihr besonders. Sie fühlte sich zu den Namen irgendwie hingezogen: Tiara Addison. Sie wusste nicht warum, aber sie war völlig verzaubert.
Sie ließ alles erstmal auf sich beruhen und schrieb noch ein bisschen mit ihren Freundinnen.
Später kam ihr Vater zur Tür herein und bot ihr als Versöhnung an, in die Stadt zu fahren um zu shoppen. Dies ließ sich das Mädchen nicht zweimal sagen und machte sich sofort fertig. Das Einkaufen machte ihr tierisch Spaß und auch wenn es unglaublich scheint, sie stritt nicht mit Andrew. Die beiden unterhielten sich und machten kleine Scherze. Alles schien perfekt bis Madison eine Frau auffiel: Lange, braune Haare, blaue Augen, einen kleinen Mund und ein Stupsnäschen. Dieses Gesicht kannte sie. Sie kannte es sehr gut. Es war ihr Gesicht. Wie konnte das sein. War es eine Fata Morgana oder Hirngespinste oder war die Frau wirklich da? Es war so irreal. Träumte sie wieder? Aber nein, sie war wach. Am liebsten würde sie die Frau nach dem Namen fragen, aber sie war dafür einfach zu schüchtern. Sie dachte noch viel über die Frau nach, aber konnte es einfach nicht glauben. Deshalb entschloss sie sich dazu, das Gesehene zu vergessen. Ihr würde sowieso niemand glauben, selbst nicht Ryan. Natürlich liebte er sie, aber er kannte Madison einfach schon solange und wusste, dass sie oftmals träumt oder übertreibt. Und ihren Freundinnen Tami und Jessy wollte sie auch nichts sagen, sie wollte einfach alles vergessen.
Monatelang lebte sie, wie es schon immer war. Sie liebte ihren Freund, stritt mit ihren Eltern und träumte viel.
Auch wenn nicht alles immer schön war, sie war zufrieden und das zählte. Bis zu einem Moment, als erneut ein Streit mit ihrem Dad anfing. Doch diesmal eskalierte alles. Madison hatte die Nase voll und flüchtete zu ihren Großeltern. Diese wohnten zwar nicht weit weg, aber es war immerhin ein Abstand. Dort machte sie eigentlich auch alles wie zu Hause. Sie war unordentlich und der Haushalt war egal. Hier konnte sie es ja tun, da ihre Oma eine Haushälterin hatte. Aufgrund einer Verletzung konnte diese zwar lange nicht kommen, aber heute fing sie mit ihrer Arbeit wieder an. Als sie zur Tür reinkam, bekam das Mädchen einen Schock. Die Frau, die Oma beim Putzen, Waschen und Kochen hilft, ist die Hübsche aus der Stadt. Entsetzt stieß die 16-jährige einen Schrei aus: „Oh mein Gott“ „Das ist zwar sehr lieb, dass du mich als Gott anerkennst, aber du kannst mich ruhig auch Frau Addison oder Melissa nennen“, schmunzelte die nette Frau und zwinkerte ihr zu. Aus Madisons Mund kamen nur noch unverständliche gestotterte Worte. Hatte sie den Nachnamen nicht schon mal gehört? Da fiel es ihr ein. Die Geburten. Nein, das ist nur ein blöder Zufall. Ja stimmt schon, sie sehen sich echt ähnlich und vielleicht hat sie eine Tochter, die exakt am gleichen Tag am gleichen Ort geboren ist, wie die Teenagerin selbst. Schon seltsam, aber die Welt ist eben voller Zufälle.
Tag für Tag sah sie Melissa zu. Am liebsten würde sie sie ja fragen, ob sie eine Tochter hat, aber wie gesagt, ist sie eben sehr schüchtern.
Und wie auch nicht schlimmer sein konnte. Ein Schicksal folgte dem Nächsten. Ihre Oma wurde sehr schlimm krank und musste ins Krankenhaus. Warum nur?! Eigentlich sollte sie zurück zu ihren Eltern, aber Melissa bot ihre Hilfe an. Madison dürfte für eine Weile gerne mit zu ihr, da das Mädchen schließlich auch hin und wieder beim Haushalt mitgeholfen hat.
Das Angebot lehnte sie natürlich nicht ab. Sie war schon sehr auf das Haus von Familie Addison gespannt.
Schon paar Stunden später betrat sie das kleine aber ganz schön eingerichtete Haus. Es entsprach ungefähr ihren Vorstellungen. Sehr modern, aber doch irgendwo verspielt. Bunte Farben und alles wirkt einladend und fröhlich. Zugegeben, dass Gästezimmer, in dem sie schlafen muss, ist nicht so schön, aber es passt und der Rest der Wohnung ist ja gemütlich genug. Da entdeckte sie einen kleinen Raum, der aussieht, als würde ein Kind darin wohnen. Aus diesem Grund fragte das Mädchen dann eben doch: „Melissa, hast du eigentlich Kinder?“ „Natürlich, meine süße Tiara!“ Madison riss die Augen auf, sodass sie groß wie Tischtennisbälle waren. Den Mund öffnete sie soweit, dass der Speichel freien Fluss hatte. Sie war wie festgenagelt. Ihr Blick war hypnotisiert. Melissa machte sich natürlich sofort Sorgen: „Liebes, was ist denn? Habe ich was Falsches gesagt?“ Sie kam wieder zu sich und beruhigte die besorgte Frau: „Nein, nein, alles in Ordnung!“ Natürlich war nichts in Ordnung. Tiara Addison…das ist genau der Name, der sie so fasziniert hat. Das kann kein Zufall sein. Niemals. Aber immerhin sagte Melissa „süße Tiara“, vielleicht ist das Mädchen erst fünf oder sechs Jahre und alles kommt nur verrückter herüber, als es ist.
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Beim Abendessen durften sich die beiden Jugendlichen dann kennenlernen. Und was für eine Überraschung. Tiara war auch 16 Jahre. Madison machte sich viele Gedanken über das Geschehene. Es waren schon merkwürdige Umstände und extreme Schicksale. Sollte das etwa alles so passieren. Da das Mädchen an das Schicksal glaubte, war sie sich sicher, dass das alles etwas zu bedeuten hatte. Sie wusste, dass da mehr dahinter war. Wenn die Gleichaltrige jetzt auch wirklich am 23. August Geburtstag hat, wird es echt Angst einflößend. Egal, einfach nicht mehr darüber nachdenken. Warum sollten die bitte zwei Kinder im Krankenhaus vertauschen. Das wäre doch völlig unvorstellbar. Schließlich sagt das auch Ryan und er hat eigentlich immer recht. Aus diesem Grund versuchte Madison nicht an ihre Vermutung zu denken. Lieber dachte sie an ihren Freund. Doch da merkte sie, wie ihr die erste Träne über die Wangen floss. Seit zwei Wochen konnte sie ihn nicht sehen, da er ein Auslandspraktikum macht. Ihr kamen alle Gefühle hoch. Die Liebe, das Gefühl des Vermissens und einfach die Freude, dass sie so jemanden lieben darf. Sie würde ihn einfach nur am liebsten in den Arm nehmen und ihn küssen, sowie während des Sonnenuntergangs. Einfach seine Lippen spüren, seine Liebe.
Diese Nacht ging sie früher schlafen, denn wenn sie schon nicht bei ihm sein konnte, wollte sie zumindest von ihm träumen. Über das Bett hat sie ein Bild von Ryan aufgehängt. Das half ihr unwahrscheinlich.
Wochen vergingen, ihr Schatz war immer noch nicht da, sie musste noch eine Woche warten. Sie fühlte sich eh schon so schlecht, als ein Anruf kam. Das was sie da erfuhr zeriss ihr das Herz. Schon während des Telefonats merkte man, es sei nicht alles in Ordnung. Ihr Blick wurde starr. Ihre Augen wurden feucht und die Mundwinkel zogen sich nach unten. Was sie da hörte, schmerzte Madison zutiefst. Ihre Oma starb an Krebs. Wenn das nicht schon schlimm genug wäre, musste sie auch zurück zu ihrem Vater. Ja es ist ihr Vater, aber eigentlich wollte sie warten bist ihre Grandma gesund ist und derzeit bei Melissa wohnen. Andrew erlaubte es natürlich nicht seiner Tochter. Er wolle ja auch, dass die Familie wieder zusammenwächst. Zumindest versuchen. Madison zog also wieder zurück zu ihren Eltern. Ihr war es eigentlich egal. Der Tod von ihrer Oma war einfach zu schlimm, um an andere Sachen zu denken. Sie kehrt nie wieder! Nie! Täglich musste sie an sie denken und weinte. Das Essen fiel ihr schwer und nicht einmal Ryan, der bereits zurück von seinem Praktikum ist, konnte sie aufheitern. Eine harte Zeit brach an. Für alle!