Die Krone der Schöpfung
Wie lesen wir bereits bei Aristoteles? „Der Mensch ist die Krone der Schöpfung“. Auch die Bibel hat im sechsten Vers des achten Palmes dies unsägliche Pamphlet für die Nachwelt verewigt. Waren Aristoteles oder König David jemals an einem öffentlichen Badesee in Deutschland? Nun – dies ist biologisch unglaubwürdig. Und falls doch, so hätten sie diese Zeilen wohl niemals geschrieben,
Der Pfalzgraf und seine Kurpfälzerin jedoch sahen sich genötigt hier streng wissenschaftlich zu recherchieren und begaben sich an einem heißen Sommertag zum Ort des kommunalen Labsals.
Doch wo sollten sie ihr Fahrzeug parken? Viele Menschen hegten wohl den gleichen Gedanken und die Möglichkeiten ein Fahrzeug abzustellen waren nahezu erschöpft. Dennoch fanden sie eine Möglichkeit im Parkverbot und zollten dieser Unregelmäßigkeit mit 30 Euro später den entsprechenden Tribut.
Bewaffnet mit Liegestühlen und Sonnenschirm entrichteten die beiden ihren Obolus um Eintritt zu erlangen. Sie schauten sich um. Noch war es früh an diesem Sonntag. Die Wiese um den Badesee war nur wenig belegt.
Sie erwarteten den Ansturm der Menschenmassen wenig später und suchten sich einen schattigen Platz unter einer Buche. Hier legten sie sich nieder und warteten um ihre wissenschaftlichen Recherchen zu beginnen.
Während die Kurpfälzerin ihren wohlgeformten Körper unter einem Badeanzug verbarg kam der Pfalzgraf nicht umhin seine Lenden mittels einer handelsüblichen Badehose zu verhüllen. Er schaute an sich hinab: Die Oberarme zu schmächtig, die Hüften zu breit und der Bauch vom Genuss zu vieler Biere zu einer lustigen kleinen Kugel geformt. Sah so die Krone der Schöpfung aus?
Er zog den Bauch ein, pumpte die Lunge voller Atemluft und hoffte er möge nicht platzen. Dann legte er sich nieder und begann seine streng wissenschaftliche Arbeit:
Er schaute sich um. Die meisten der Anwesenden taten ihm gleich und lagen auf einer Liege. Teils schlafend - teils lesend. Mit diesem faulen Pack vermochte er keine wissenschaftliche Arbeit leisten.
Doch ein mancher suchte den Weg zum Wasser. Dies war das Objekt seiner Begierde.
Sein Blick fiel auf eine junge Frau, welche elfengleich an ihm vorüber glitt. Ein wohlgeformter Körper mit wunderschönen Brüsten, diese nur knapp durch ein winziges Bikini-Oberteil hervorgehoben. Das Gesäß von einem Höschen mehr betont als verhüllt. Er glaubte bei diesem Anblick wirklich, der Mensch sei die Krone der Schöpfung.
Auch seine Männlichkeit nahm diesen Anblick wahr. Ein Grund sich umzudrehen und weitere Studien auf dem Bauche liegend fortzuführen.
Die Kurpfälzerin stieß ihn von der Seite an: „Schau mal dort hinten –welch ein Mann“. Was interessierte ihn ein Mann? Er wollte der blondgelockten Schönheit nachgaffen. Dennoch: Der Grund seiner Anwesenheit waren wissenschaftliche Studien. Also wandte er sein Augenmark auf der Kurpfälzerin Begierde:
Ein Kerl – wohl 30 Lebensjahre weniger als er selbst stolzierte wie ein Pfau Richtung Abkühlung. Beine wie ein Radrennfahrer und ein Waschbrettbauch wie ihn der Pfalzgraf niemals sein Eigen nennen konnte. Nicht einmal als er in gleichem Alter war.
Die Kurpfälzerin blieb trotz dieses Anblickes weiter auf dem Rücken liegen. Frauen haben hier wirkliche anatomische Vorteile.
Dennoch – Er konnte nicht umhin auch diesen Herrn zur Krone der Schöpfung zu zählen. Hatte Aristoteles doch recht?
Nein –hatte er nicht. Denn direkt danach erschien das personifizierte Unheil. Eine Dame im Badeanzug. Dies sollte nicht weiter schlimm sein. Doch warum gibt es keine Badeanzüge für Damen, welche bis an das Knie reichen? Oder bis an die Waden? Auf der nach oben offenen Richterskala für Cellulite schätzte unser Pfalzgraf hier einen Richtwert von 8,5. Doch der Blick der Dame bekundete eine derartige Arroganz, dass er fast wirklich glaubte sie sei schön anzuschauen.
Und diese Damen vermehrten sich zusehend: Waren dies geschmacklose Frisuren oder haarähnliche Badekappen? In welcher der drei Fettreihen verbargen sich die Brüste?
Dann erblickte er Herren. Feist und unansehnlich. Glatzköpfe und Bierbäuche, so dass er selbst sich als gutaussehend bezeichnen konnte. Sein eigener Körper erschien ihn angesichts dieses Ausstoßes geballter Unförmigkeit noch als schön.
Und sie stolzierten voller Stolz und zwängten ihre zur Schau gestellte Männlichkeit in viel zu enge Badehosen.
Er sah Tätowierungen. Viele Frauen, welche sich in den Achtzigern als junges Mädel ein stolzes Arschgeweih punktieren ließen hatten nun ein Problem. Der Hirsch war verendet. Das Geweih hing cellulosebedingt danieder. Der Zwölfender ging den Weg alles Irdischen. Nur ein schlapp welkendes Bild zeugte von einstiger Schönheit.
Ein ehemals stolzer Delphin auf dem Schulterblatt verkam im Laufe der Jahre zur siechenden Makrele.
Er stellte fest: Von einigen jugendlichen Schönheiten abgesehen ist die Mehrzahl der Krone der Schöpfung ein mitleidsvoller Haufen geltungssüchtiger Egomanen.
Und wie es in den Hirnwindungen dieser Badeschönheiten wirklich ausschaut konnte weder er, noch die Kurpfälzerin, noch Aristoteles oder König David erahnen. Es ist wohl besser so.
Am nächsten Tag führte ihn sein Weg zum Hundestrand am Neckar.
Viele Tiere tobten dort und kühlten ihr Fell in den Fluten. Er sah kleine Pinscher sich in den Fluten abkühlen, majestätische Doggen schwammen ihre Runden und Schäferhunde apportierten Stöckchen im Wasser.
Nachdem die Hunde den Fluten entstiegen, gewahr er die wahre Schönheit der von Gott gegebenen Körpern. Muskulös und von Schönheit gezeichnet. Keine Zuschaustellung und keine Arroganz. Tiere haben dies nicht nötig.
Wer ist die wirkliche Krone der Schöpfung?