Beschreibung
Ein sehr persönlicher Abschied von Griechenland
Ein leiser Abschied im April
Der Kurzurlaub in der Heimat des Alexander d. Grossen war vorbei. Vier Tage Makedonia im sonnigen April waren an mir vorbeigeeilt und nun packte ich bereits wieder den Koffer, der zu bersten drohte. Vollgestopft mir Büchern, Tomaten in Dosen, weil man glaubt, diese seien aromatischer, als jene, die bei uns in den Ladenregalen stehen. Und natürlich Olivenöl.
Ich weilte drei Kilometer hinter Philippi, einer kleineren Residenz von Philipp, dem Vater von Alexander d. Grossen und mein Blick, egal wohin er sich auch am Himmel verirrt hatte, blieb dennoch immer kurz an den Überresten der Burg oben auf dem Berg haften. Unterhalb befindet sich das bekannte Theater von Philippi, in dem noch heute in den lauen Sommerabenden alten Stücke aufgeführt werden. Gegenüber breitet sich jeden Sommer etwas mehr von den Ausgrabungen und dem Museum aus. Die beeindruckende Basilika lädt verlockend unterhalb der Strasse zu einer Besichtungstour ein.
All das musste ich heute abermals hinter mich lassen. Ich hatte mich dazu entschlossen, den ersten Teil meiner Route via Thessaloniki die alte Strasse zu passieren, um dem Löwen in Amphipolis einen kleinen Besuch abzustatten. Anschließend würde ich die neu gebaute durch Tunnel geschmückte Schnellstrasse wählen.
Beinahe querfeldein lasse ich das kleine verschlafene Dorf zu Füssen eines der unbekannten Berge dieser Gegend hinter mich zurück. Die neu erstandene CD von Mitropanos wandert in den CD-Player und so ist Dimi mit seinen wundervollen Worten mein Begleiter für die nächsten zwei Stunden.
Mit Bedacht schaue ich mich um, kaum ein Auto kreuzt meinen Weg. Griechenland ist selten so farbenprächtig wie im Frühjahr. Links und rechts von mir breiten sich zwischen den Bergen Makedoniens weite Felder aus, die sich nur für kurze Zeit in dieser Farbpalette zeigen.
Grüntöne, die sich wie aus einem Malkasten aneinanderreihen. Sattes Grün in den verschiedensten Nuancen, welches nur unterbrochen wird durch Gelbtöne. Als hätte ein Maler, dem die Grüntöne zu kräftig gewesen sind, Farbspiele in Gelb einflechten wollen.
Meine Augen schmerzen beinahe, denn das grelle Licht Griechenlands, welches schon so viele Dichter inspiriert hat, blinzelt immer stärker durch den leicht diesigen Himmel. Man ahnt, welche Kraft dieses Licht im Sommer erreichen wird. Noch sind die Sonnenstrahlen nicht so verbrennend, noch ist das Licht nicht an seinem Höhepunkt angelangt. Und noch sind die Felder nicht verbrannt. Griechenland im Frühjahr, ein völlig anderes Naturschauspiel.
Die dominierenden Olivenbäume teilen sich die Flora mit der Myrthe, Lorbeer und auf den Bergrücken kommen noch Thymian, Lavendel, Wacholder und Agaven dazu. Nicht nur die Augen schwelgen in einem Meer aus Farben. Hinzukommt ein unverwechselbarer Duft. Das Ganze wird gekrönt von der Helligkeit.
Dem 1872 m hohen Pangaeon, auf dem auch ein Kloster beheimatet ist, komme ich immer näher. Einige Zeit begleitet er mich majestätisch. Seinen Bergrücken trägt er stolz gen Himmel, als würde er sich sonnen in den ersten Sonnenstrahlen und Gott darum bitten, ihn von seinem winterlichen Kleid zu befreien. Ein seltsamen Spiel der Farben wird nun noch vollendet durch das strahlende Weiß auf den Kronen des Pangaeon.
Kurz vor dem Strymon, zu meiner linken Seite erstreckt sich auf einigen Hügeln das Makedonische Grab. Dort wurden viele zum Teil unbekannte Soldaten beerdigt. Ein Zaun zieht sich inzwischen um diese Grabstätte, weil man anfing, die Gräber zu plündern, in der Hoffnung wertvolle Funde in den Tiefen zu finden.
Doch nicht nur dort ist der Tod beinahe greifbar. Auch am Straßenrand fallen mir immer wieder frische Blumen und die kleinen bunten Kirchlein auf. Gedenkstätten für zu Tode gekommene Mitmenschen im Strassenverkehr. Kaum lockt der Frühling, kaum lacht die Sonne und die vielen kleinen und grossen Rennstrecken im Lande fordern ihre Opfer.
Griechenland führt leider die Liste der im Strassenverkehr verstorbenen Menschen in Europa an.
Ich fahre den Berg kurz hinter dem Makedonischen Grab hinunter und erblicke vor mir den Strymon. In der Antike befand sich hier ein grosser Hafen, inzwischen ist das Meer weit zurückgegangen.
Durch den Neu- und Ausbau der Schnellstrasse führt der Weg leider nicht mehr am Löwen von Amphipolis vorbei. Jener majestätische aus Stein gebaut Löwe war in Kindertagen unser letzter Stop vor Erreichen des Heimatdorfes. Damals tummelten sich viele Heimkehrer am Fuße des Denkmals um eine Pause einzulegen und sich ein Soulaki oder Bifteki zu gönnen.
Heute fristet der Löwe sein Dasein still und verlassen mit Blick auf den Fluss, als würde er an die vielen Momente zurückdenken, wo er der Mittelpunkt war auf so vielen Bildern jener Besucher.
Ich halte kurz an, setze mich auf die letzte Stufe, verweile einen Moment und fahre dann auf die Schnellstrasse Richtung Thessaloniki.
Irgendwann kreuzen am Horizont vor mir die beiden Vorboten von Thessaloniki auf.
Die zur Linken befindlichen inzwischen sehr stark zurückgegangen Seen VOLVI und KORONI. Langadas ist die nächste Stadt, wo am 21. und 23. Mai der sogenannte Feuertanz der Anastenaria populär ist.
Allmählich werden die Häuser dichter, der Verkehr nimmt zu und die spürbare Hektik einer Großstadt befällt mich unweigerlich.
Ich konzentriere mich auf die Strasse, den Verkehr und nehme den Fuss vom Gaspedal.
Man muss Gott sei Dank nicht mehr in die Stadt fahren, um an den Flughafen zu gelangen,
aber die Ringstrasse hat es auch in sich. Teilweise dreispurig rasen die Griechen den Berg hinauf und man muss als ausländischer Autofahrer höllisch aufpassen, dass man nicht die Abfahrt Richtung Flughafen verpasst.
Ich tanke ein letztes Mal, gebe das Auto bei der Vermietung ab und lasse bei einem Kaffee meine kleine Reise noch einmal Revue passieren. Wieder hat sich mein geliebtes Hellas ein wenig anders gezeigt, anders als im Hochsommer. Wieder verlasse ich es, wie einen Geliebten. Und dennoch weiß ich, der Bann, der von diesem Land ausgeht, wird mich nie mehr loslassen, egal zu welcher Zeit ich hier bin.
Maria