Sommersonnwende
Die Windbraut.
Ganz traurig sitzt die kleine Windbraut auf einer dicken weißen Wolke. Sehnsüchtig schaut sie sich um, irgendwo muss er doch stecken, ihr geliebter Sommer. Sie sucht und sucht, aber sie kann ihn nirgends entdecken. Kleine Tränchen laufen ihr aus den blauen Augen und fallen einzeln zur Erde. Pitsch, Platsch, Pitsch, Platsch macht es, zuerst leise und je mehr Tränen aus ihren Augen kullern, um so lauter wird dieses Geräusch.
„Na du, warum heulst du denn so dicke Tränen?“ Neben der kleinen Windbraut hat sich mit einem Plumps ein roter Geselle niedergelassen und mit einem gewaltigen Satz springt noch ein zweiter, großer dunkler Kerl auf die weiße Wolke. Mit tiefer Stimme fragt auch dieser warum denn die Kleine so bitterlich weint. „Ach, wisst ihr, ich bin so einsam, ich warte auf meinen Verlobten den Sommer, aber er kommt einfach nicht. Ich habe schon überall nachgeschaut, aber ich kann ihn nirgends entdecken.“ Traurig schaut sie die Beiden an „Vielleicht habt ihr ihn ja irgendwo gesehen“.
„Ha, natürlich haben wir deinen Herrn Bräutigam gesehen und sollen wir dir auch sagen wo sich der feine Herr vergnügt? Willst du das wirklich wissen? Nein, wir sagen es dir lieber nicht, denn dann weinst du nämlich noch viel viel mehr. Ach ja, wir haben uns noch gar nicht bekannt gemacht, wie unhöflich von uns, hab ich recht, lieber Freund? Also, ich bin der `Donner´ und das hier ist mein allerbester Freund, der `Blitz`. Wir machen alles gemeinsam, wir gehören zusammen und das schon immer. Wir würden den anderen niemals im Stich lassen. Hab ich recht, lieber Blitz, wir nicht, wir sind treu verbunden. Nicht so wie du und der `Sommer` nein, so nicht. Wir wissen was wir aneinander haben.“ „Jaja“, sagt der Blitz, mit zitternder kratziger Stimme „da hat mein Freund recht, absolut recht, uns gibt es nur im Doppelpack. Warum jagst du ihn nicht zum Teufel, deinen Verlobten, schließ dich uns an, was meinst du was wir für einen Spaß haben können. Wir können die ganze Welt zerstören, zu Dritt haben wir eine große Macht“.
Blitz und Donner sind sich absolut sicher, dass die kleine Windbraut ihre Heimtücke nicht bemerkt. „Aber warum wollt ihr denn die Welt zerstören? Das kann man doch nicht machen, nein da mach ich nicht mit, wirklich nicht?“ Ganz entsetzt schaut sie die Beiden an, so viel Bosheit, kann doch gar nicht in einem stecken, denkt sie sich. Aber da irrt sie gewaltig, vor lauter Wut und Enttäuschung, dass keiner sie mag, haben sich der Donner und Blitz in ganz böse Gestalten verwandelt. Sie richten so großen Schaden an, wie es ihnen nur möglich ist und wünschen sich nichts mehr, als noch jemanden zu finden, der ihren Hass auf die Welt mit ihnen teilt. Eine Windbraut, die hat ihnen noch gefehlt. Sie muss nur erst einmal richtig böse werden, aber das schaffen sie schon, da sind sich Beide absolut sicher.
„Die Sonne und der Sommer sitzen gemütlich am Meer und lassen sogar das Meer in regenbogenbunten Farben strahlen und du sitzt hier und weinst dir nach diesem treulosen Gesellen die Augen aus, du bist aber auch zu dumm.“ Lachend springen Donner und Blitz auf der Wolke herum bis sie platzt und ein riesiger Wolkenbruch auf die Erde fällt. „Los, lasst uns ein richtiges Unwetter machen. Komm kleine Windbraut nur einmal, zeig nur ein einziges Mal was in dir steckt. Los doch oder kannst du nur so zarte Lüftchen machen, so säuselnd und sanft. Na klar“ grölt der Donner sein grollendes Lachen „du kannst es nicht, so richtig wie wild um die Häuser jagen. Bäume entwurzeln, Dächer abdecken, so richtig böse sein, das kannst du gar nicht. Lieber Blitz, hab ich es nicht gesagt, sie ist langweilig, nichts als ein langweiliges kleines, in weiche Schleier gehülltes, Windchen und du glaubtest auch noch, sie würde zu uns passen, nein bitte, ich mag keine langweiligen Wesen, komm lass uns verschwinden, wir suchen uns jemanden anders“.
„Nun wartet doch, natürlich kann ich auch richtig stürmisch sein, was denkt ihr denn“, mit diesen Worten bläst die kleine Windbraut ihre Backen ganz dick auf und bläst was es das Zeug hält. Zu dritt machen sie so ein gewaltiges Unwetter, dass sie die ganze wunderbare Farbenpracht, die auf der Erde war, vernichten. Kein Blatt bleibt mehr am Baum, alle Blüten sind zerstört. Mit aller Kraft hat die kleine Windbraut, Bäume aus der Erde gerissen und auf Häuser geschmissen. „Juchhu“ schreien Donner und Blitz „Juchhu, du bist ja richtig gut! Wahnsinn was du für eine Kraft hast. So ein zartes Persönchen, Wow. Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam durch die Lande ziehen und alles zerstören. Alles machen wir kaputt. Ja und alle sind doch selbst schuld, hab ich nicht recht. Sogar dein Sommer hat sich von dir abgewandt und sich die Sonne genommen. Wir dürfen schon böse sein, denn zu uns ist auch keiner lieb.“
Traurig schaut die kleine Windbraut die Beiden an: „wisst ihr, ich bin zwar sehr traurig, aber ich will doch die Welt nicht zerstören. Ich mag ja diese wunderschöne Farbenpracht, die Vögel die so schön zwitschern und alles was dazu gehört. Mir fehlt nur mein Sommer, weiter nichts. Man kann doch nicht so böse sein, dass man aus lauter Traurigkeit alles kaputtmacht, nein da mach ich nicht mit. Wenn der Sommer mich nicht mehr liebt, dann will ich das akzeptieren, aber böse will ich nicht sein. Sagt jetzt nicht, dass ich eben auch meinen Spaß hatte, doch den hatte ich wirklich, für einen Moment, aber als ich dann gesehen habe, was für ein Unglück wir hinterlassen haben, da hat mich das doch noch viel trauriger gemacht, als ich vorher schon war“.
„O seht mal, was für ein wunderschöner Regenbogen dort drüben. Er umschließt die ganze Welt mit seinen bunten Farben. Sieht er nicht wunderschön und friedlich aus. Gerade so, als wollte er uns umarmen. Macht euch denn dieser Anblick nicht ein bisschen glücklich, kann euch denn gar nichts versöhnen?“ Liebevoll umschmeichelt die kleine Windbraut mit ihren zarten Schleiern, Blitz und Donner. Ganz verlegen sind diese beiden derben Gesellen nun geworden. Ja, recht hat dieses kleine Fräulein Wind, warum soll man eigentlich böse sein, nur weil man nicht von allen gemocht wird. Haben sie nicht erst neulich den Satz gehört:
So ein Gewitter reinigt die Luft!
„Wisst ihr eigentlich was heute für ein Tag ist? Heute ist Sommersonnwende. Wir haben heute den längsten Tag und die kürzeste Nacht des Jahres, heute ist Sommeranfang“. Als sie dieses Wort ausspricht muss sie wieder weinen, denn die Sehnsucht nach ihrem Bräutigam will einfach nicht vergehen.
„Was haltet ihr davon, wenn wir den Sommer ganz laut rufen, vielleicht hört er uns ja und besinnt sich auf seine kleine Braut“, irgendwie ist jetzt auch dem Blitz die Lust auf böse Taten vergangen, er möchte so gern, dass die neue Bekannte glücklich ist. Dem Donner geht es nicht anders, auch er ist so gerührt von der Sanftmut der Kleinen, dass er zwar seine Stimme gewaltig durch die Luft jagt und nach dem Sommer ruft, aber keine Lust mehr auf Unwetter hat.
„Sommmmmmmer“ schreien Blitz und Donner so laut, dass die Sonne sich erschreckt und strahlend am Himmel erscheint: „Ihr sucht den Sommer? Was wollt ihr denn mit dem, der schläft drüben hinter dem Berg. Ich wollte ihn aufwecken, aber irgendwie klappt das nicht so richtig. Kleine Windbraut, versuch du es doch. Du glaubst nicht wie oft er mir von dir erzählt und vorgeschwärmt hat Ich glaube er liebt dich sehr. Auf jeden Fall war er am Meer sehr einsam. Ganz oft hat er gejammert, weil es so warm war und kein einziger Windhauch bei ihm war. Er vermisst dich sehr, nun geh schon zu ihm“.
„Ja aber, ich dachte?“ flüstert die Windbraut „Ich dachte du und der Sommer….MMMhhh“ . „Was dachtest du? Nein sag nicht, du hast gedacht, der Sommer und ich? Was hast du denn für dumme Gedanken, nein das glaub ich jetzt wirklich nicht. Der Sommer und ich sind gute Freunde. Wir mögen uns sehr und ergänzen uns wunderbar, aber deshalb musst du doch nicht denken, dass er dich nicht liebt. Du bist eine ganz kleine dumme Windbraut. Nun geh schon, damit wir endlich Sommersonnwende feiern können“.
„Danke, Danke, Danke“ säuselt der kleine Wind und mit einem sanften Windhauch macht sie sich auf und findet ihren Sommer schlafend auf einer grünen Wiese, zwischen ganz vielen weißen Margeriten und gelben Butterblumen. Zärtlich umwirbelt sie ihn und kitzelt ihn ein bisschen. „Hatschi“ macht er und schüttelt sich kräftig „ja meine Kleine, da bist du ja, ich hab dich so vermisst. Weißt du es war wunderschön mal Urlaub am Meer zu machen, aber ohne dich, nein das mach ich nie wieder. Kein Lüftchen hat mich erfreut, die Sonne war zwar immer bei mir, aber glaub mir, manchmal ist sie schon auch ein bissel anstrengend. Nein, nein ich will mich nicht beschweren, sie ist eine wunderbare Freundin, die mir auch sehr gut tut, aber meine Liebe bist du. Dein Streicheln ist einfach so bezaubernd, so sanftmütig, so wunderbar, wir passen wirklich perfekt zusammen.“
Ein Sommer mit einer strahlenden Sonne.
Ein zartes Windbrautlüftchen, welches immer für eine kühle Brise sorgt.
Und Blitz und Donner, die ab und an für ein klärendes Gewitter sorgen.
Alle sind sich einig, dass es so wie es ist, ein herrlicher Sommer wird und einen besseren Tag für diese Erkenntnis, als den 21.Juni, den Tag der Sonnwende, konnten sie ganz sicher nicht finden......
(C)UteAnneMarie Schuster 21.Juni.2010/21.Juni 2012