Kapitel 7
"Das nennst du ein kleines Häuschen?!" fuhr ich Alice an.
Vor meinen Augen stand ein zweistöckiges riesiges Gebäude, das so groß war wie zwei Fußballfelder und so vielen Fenstern, das ich schon keine Lust hatte, die alle zu zählen.
Die Villa sah sehr modern und neu aus als wäre sie erst seit gestern fertig geworden.
Der Weg vom Tor bis zur Haustür war mit Pflastersteinen bedeckt und bildeten einen breiten Weg.
Eine 5 Meter hohe Steinmauer markierte die Grenzen und es schien für jeden Einbrecher unmöglich dieses Hindernis zu überwinden.
Wollte Alice mich vielleicht auf den Arm nehmen? Gestern waren wir total pleite und auf einen Schlag haben wir so eine Unterkunft, also wenn das keine optische Täuschung ist, dann weiß ich auch nicht mehr weiter.
Aber wenn man diese Villa mit dem Gebäude von Alicia vergleichen würde, war es tatsächlich klein.
"Alicia hat es für uns gebaut. Sie hofft, das es dir gefällt." sagte Alice zu mir als sie gemerkt hatte wie ich zu Stein erstarrte und das "kleine Häuschen" mit offenem Mund anstarrte. Langsam nickte ich. Das einzige was ich noch sagen konnte war:
"Es ist sehr schön. Sag ihr, das ich mich dafür bedanke."
Alice grinste zufrieden und merkte vor Freude nicht mal, das ich etwas verstört war von der Überraschung, die sie für mich gemacht hat. Aber gelungen war sie.
Zwar bin ich etwas verwirrt, wegen der ganzen Situation von gestern, aber ich freute mich auch, das wir eine schöne Unterkunft hatten. Diese Wohngegend hier schien eine besonders Reiche zu sein. Denn die ganze Nachbarschaft hatte solche prächtigen Villen, die viel größer waren als unsere, was wohl daran lag, das eine ganze Familie darin wohnte und nicht nur zwei Leute.
"Komm lass uns rein gehen!" meinte Alice aufgeregt und ging vor, ohne auf meine Antwort zu warten. Die Türen schienen wie von selbst auf und zu zugehen. Anscheinend hatte Alice gezaubert, damit es ihr erspart blieb, den Schlüssel zu benutzen.
"Ich habe schon fast alles hergerichtet."
Die große Haustür ging auf und ich betrat die große Eingangshalle, in der nicht viele Gegenstände standen.
An der rechten Seite gab es eine Treppe, die ins nächste Stockwerk führte.
Alle Wände waren schneeweiß, was mich nicht sonderlich wunderte, aber der Boden war aus edlem hellen Holz der förmlich glänzte.
Wenn man gerade durch laufen würde, käme man durch die zwei Glastüren, in den Garten hinter dem Gebäude.
"Geh hoch und schau mal in dein Zimmer. Ich geh dann mal in die Küche und koche uns was." schlug Alice vor, und verschwand in den linken Flur der anscheinend in die Küche führte.
Ich befolgte ihren Vorschlag und lief die lange Treppe empor. Der führte mich in einen weiteren Flur, der sich links und rechts ausstreckte. Ein roter Teppich lag auf dem Boden und war für den Flur genau angepasst.
Ich war froh, dass es in diesem Haus nur zwei Stockwerke gab, denn schon die Flure waren so lang, das sie endlos schienen.
Hier gab es etwa 15 Türen, die in irgendwelche ungenutzten Räume führten und ich war mir sicher, dass es unten noch mehr von ihnen gab als hier oben. Wozu wir wohl so viele brauchen? fragte ich mich.
Ich wusste nicht, wo mein Zimmer war und entschied mich für den rechten Flur. Obwohl ich genau so gut den linken nehmen konnte. Aber der rechte war kürzer und ich war etwas faul zum Laufen.
Ich ging an den vielen Türen vorbei, die fast alle mit Schildern beschriftet waren.
Manchmal hielt ich vor einem Schild an und rätselte was dahinter sein könnte.
Es gab auch eins das mit den Wörtern "Tabu Zimmer" beschriftet war.
Da kamen mir die dümmsten Gedanken hoch, die ich je hatte und ging schnell weiter, ehe mich meine Neugierde dazu zwang, die Türklinge herunter zu drücken.
Endlich kam ich an meiner Zimmertür an, die sich am Ende des rechten Flures befand.
Mit großer goldener Schrift stand da: "May"s Zimmer
Voller Neugierde öffnete ich die Tür und betrat den großen Raum.
Ich war so überwältigt von dem schönen Zimmer und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
Es war so sauber, das man glatt vom Boden essen konnte.
Die Sonne schien durch die vielen Fenster im Zimmer und beleuchtete mein Zimmer in einem hellen Orange.
Die weißen Wände hatten goldene Schnörkellinien, die zu einem Muster geschlungen waren.
Ein großes weißes Bett stand in der Mitte des Raumes. Es war aus feinstem hellem Holz gemacht worden und so groß, das sogar vier Leute darin schlafen konnten. Es war mit vielen Kissen und einer Decke ausgerüstet, die alle schon überzogen waren.
Ich ging näher heran und strich mit einem Finger an dem glatten Holz entlang. Ich konnte es kaum erwarten, mich einfach hinzulegen und zu schlafen, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Meine Beine machten einen Rundgang durchs große Zimmer und ich stieß immer wieder auf monströse Möbel, wie mein Kleiderschrank, der so groß war, dass ein Elefant hätte hinein passen können.
Dann gab es noch meinen Schreibtisch, auf der anderen Hälfte war ein Computer angeschlossen mit allem drum und dran und auf der anderen Hälfte des Schreibtisches war ein freier Platz um Hausaufgaben zu machen.
Auch wenn es hier sehr große und edle Möbeln gab, waren nur die Nötigsten da.
Ich war mir sicher, dass ich mich an diesen Luxus niemals gewöhnen würde. Zwar waren sie sehr gemütlich und sahen sehr schön aus, aber sie waren für mich reine Geldverschwendung.
"May, komm runter! Essen ist fertig!" rief Alice von unten. Sicher hatte sie geschrieen damit ich es hier oben hörte.
Ich drehte mich um und ging die lange Treppe hinunter, bog in den Flur ab und betrat die riesige Küche. Die Sonnenstrahlen, die durch die Fensterscheibe schienen, ließen die nagelneuen Küchenflächen glänzen. Die Arbeitsflächen waren aus edlem Marmor und die Schranktüren sind mit einem schönen Kirschrot gestrichen Kurz gesagt, diese Küche ist ein Traum für jede Frau, die gerne kocht.
Alice saß am Esstisch und blätterte in einer Zeitung herum. Sie war immer noch in Menschengestalt.
Ich setzte mich stumm hin und betrachtete die köstlichen Speisen, die Alice anscheinend ohne Zauberei gekocht hatte. Es gab auch einen leckeren Nachtisch, bestehend aus einem Stück Torte. Voller Zufriedenheit aß ich alles auf und war am Ende richtig satt.
"Und hat es dir geschmeckt?" fragte Alice voller Neugierde.
"Ja." sagte ich begeistert.
Sie lächelte zufrieden und stolz. Wie meine Mum, wenn ich über ihr Essen ein Komplimentgemacht hatte.
Die Erinnerungen an sie lies mich langsam in Traurigkeit sinken und ich wollte jetzt einfach nur noch hoch springen und zu ihr fahren. Aber die Wörter von Alicia kamen wieder in meinem Kopf hoch "Diejenigen, die dich kannten oder dich schon einmal gesehen haben, werden nicht mehr wissen, dass du May Milden bist. Zwar erinnern sie sich an deinen Tod, aber sie wissen nicht mehr, wie du aussahst..."
"Hey, alles in Ordnung?" Alice besorgte Stimme lenkte mich von meinen Gedanken ab.
"Ja." meinte ich und versuchte überzeugend zu wirken.
Alice hob misstrauisch die Augenbraue hoch, wechselte aber zum Glück das Thema.
"Nun. Morgen beginnt dein erster Schultag."
Ich blickte sie etwas erschrocken an.
"Welche Schule ist es?" fragte ich leise.
Alice stand auf und öffnete eine Schublade, die sich in der Küche befand. Sie kramte Zeitschriften und Prospekte raus und überreichte sie mir.
"Da gehst du hin." Sie deutete mit ihrem Zeigefinger auf ein Gebäude das viel zu elegant aussah, um eine normale Schule zu sein. Es war mir auf einen Schlag klar, das es eine Schule für Reiche sein musste. Ich wäre fast vom Stuhl gefallen und meine Kinnladen hingen nach unten.
"Ich soll auf diese Schule gehen?!" fuhr ich Alice an.
Sie sah nicht so begeistert aus, als ich sie schon fast anschrie. Was mir zwar Leid tat, aber ich konnte es nicht fassen, das Alice mich auf so eine Schule schicken wollte.
"Die Schule gehört zu den Besten. Also dachte ich mir, es wäre gut für dich." erklärte Alice mit ängstlicher Stimme. Sie nahm es sich sehr zu Herzen, wenn ich nicht begeistert von ihren Vorschlägen war.
"Alice, die Schule ist für reiche Leute. Woher bekommst du denn das ganze Geld? Denn so etwas ist sicher nicht gerade billig." sagte ich ruhig.
Alice kicherte leise in sich hinein. "Ich bin ein Engel schon vergessen? Ich kann mir auf meinem Konto so viel Geld zaubern, wie ich möchte, ohne dass es jemand merkt. Und wenn ich wieder in den Himmel gehe, dann löst sich das Geld auf und fliegt zu den Menschen die dringend Geld brauchen. So hat es Alicia jedenfalls geplant."
"Aber trotzdem will ich nicht auf eine überheblich, reiche Schule gehen. Kann ich nicht einfach auf eine normale gehen?"
"Wir sind in Flussburg. Da gibt es nur diese eine Schule und keine normale." versuchte Alice mich zu überzeugen.
"Na gut. Aber ich bin ganz und gar nicht davon begeistert." antwortete ich und stand auf, mit all den Prospekten, um sie in meinem Zimmer durchzulesen.
Ich fand es echt doof von Alice, mich auf so was zu schicken, ohne mich zu fragen. Aber ich wollte ihr nicht zur Last fallen, denn ich war ihr sehr dankbar was sie für mich alles getan hat und wusste auch, wie sehr ihr diese Mission bedeutete.
Also stellte ich mir selber meine Regeln auf.
Regel Nummer Eins: Tue alles was Alice sagt, wenn es keinen anderen Ausweg gibt.
Regel Nummer Zwei: Sich langsam an das neue Luxusleben zu gewöhnen.
Und Regel Nummer Drei: Die Dinge tun, die ich vor meinen Tod noch nicht getan habe.
Ich lies mich aufs große Bett fallen und blätterte die ganzen Prospekte durch. An manchen Stellen musste ich mehrmals lesen, damit ich die Schule nicht mit einem Urlaubsort verwechselte.
Es gab dort Tennisplätze, ein Schwimmbad, eine tolle Cafeteria und noch vieles mehr.
In der Schule schreibt man nicht in Hefte, sondern an einem Computer. Nicht die alten Steinzeit PCs, die es an meiner früheren Schule gab, sondern hochmoderne und vor allem teure Laptops.
Ich fand es einfach überflüssig, aber auch irgendwie gut für mich, da ich beim Tippen schneller war als beim Schreiben mit der Hand.
Es gab auch einige Bilder, die zeigten wie die Schule von innen aussah. Sie erinnerten mich von den Räumlichkeiten her an ein Schloss.
Die Aula, die man durch die Eingangstür betrat, war auf dem Bild klein dargestellt. Aber ich war mir sicher, dass sie größer war als eine Turnhalle.
Die Farben an den Wänden tauchten den Raum in eine goldene Farbe und verliehen ihm einen eleganten Eindruck.
Ich blätterte weiter und befand mich auf der Seite, wo die ganzen Stundenpläne für die einzelnen Klassen abgebildet waren. Meine Augen suchten die Tabelle für die 9. Klasse und fanden sie unter der 10.
Um Punkt 9 Uhr begann der Unterricht. Darin kamen die gewöhnlichen Fächer vor, die man an jeder Schule fand. Eben Mathe, Deutsch, Englisch und und und...
An einem Tag hatte man immer sechs Stunden Unterricht. Nach zwei Stunden bekam man dreißig Minuten Pause.
Was ich besonders gut fand, war, dass jeder sich den Sportunterricht aussuchen konnte. Wenn jemand Fußball als Sportfach auswählte, dann spielte man nur Fußball.
Es wurden alle Sportarten aufgelistet die man sich für den Sportunterricht aussuchen konnte. Darunter gab es auch Kampfsportarten wie Karate und verschiedene Tanzarten wie Ballet oder HipHop.
Ich war total glücklich, dass auf der Auswahlliste auch Tennis stand. Da war auch ein kleines rotes Kreuzchen eingezeichnet, und ich wusste, dass Alice dieses gemacht hatte. Anscheinend hatte sie meine Anmeldung schon ausgefüllt bevor wir überhaupt bei Flussburg ankamen.
Eilig suchte ich einen Zettel, auf der drauf stand, was ich für die Schule und in den Fächern alles brauchte. Ich fischte mir den Prospekt "Materialliste" raus und las ihn durch:
Liebe May Cassady,
Wir freuen uns sehr, dass du auf die Flussburgerschule gehst und wünschen dir viel Spaß!
Für den normalen Unterricht brauchst du:
- einen tragbaren Laptop den du von uns Geschenk bekommst. (Steht bereits auf deinem Platz im Klassenzimmer)
- (Eine Schultasche)(warum in klammern?)
- Notizbücher und Stifte
Für den Sportunterricht brauchst du:
- einen Tennisschläger
- Tenniskleidung ((wie)(würde ich weglassen) Schuhe, Schweißband, T-Shirt, kurze oder lange Sporthose)
- (Sporttasche)(wieder warum die klammer?)
Falls du eines der Sachen vergessen solltest, haben wir in einem Raum Ersatz für jeden. Aber das wird dich dann etwas kosten.
Mit freundlichen Grüßen
Herr Schneider, Schulleiter
Ich verdrehte bei den letzten Sätzen die Augen. Wenn man seine Materialen vergaß, bekam man dafür eine Sechs und musste nicht den Lehrer bestechen.
Diese Schule ist ja auch nur was für richtig Reiche, die alles mit Geld bezahlten.
Ob sie mit Geld auch Freunde kaufen?, fragte ich mich angewidert von der bloßen Vorstellung.
Die Tür von meinem Zimmer stand offen, also konnte mich Alice hören wenn ich laut genug brüllte, denn ich hatte keine Lust auf zu stehen und die Treppe wieder zu benutzten. Nur wegen einer Frage.
"Alice!" brüllte ich durchs ganze Haus, da ich zu faul war, wieder nach unten zu laufen.
"Ja!" kam es genauso laut von unten hoch.
Ich lachte etwas, da diese Art von Unterhaltung echt witzig war.
"Wo sind meine Sachen für die Schule?´ fragte ich mit lauter Stimme.
"In deinem Kleiderschrank!" antwortet Alice.
"Ok!" rief ich ein letztes Mal zurück und ging zum Schrank.
Ich riss die linke, hohe Tür auf, die größer war als ich selbst und steckte den Kopf rein, um nach den Sachen zu suchen.
Eine Umhängetasche und meine Sporttaschen, die bereits gefüllt waren, hingen darin. Alle beide hatten die gleiche Farbe, nämlich weiß und hellblau. Also genau mein Geschmack.
Ich nahm die beiden Taschen heraus und legte sie auf den Boden, um nach zu sehen, was alles da drin war.
In die Sporttasche passten meine ganzen Sachen rein, auch der Tennisschläger, meine Schuhe und Klamotten.
Praktisch, dann muss ich nicht so viele Taschen rum schleppen, dachte ich mir.
Nur was mir einen Seufzer bereitete war, dass wohl die ganzen Sachen von der teuersten Marke der Welt stammten. Sie sah wie eine Krone aus und hatte die Farbe schwarz. Sie sah sehr schlicht aus, anscheinen hatte der Designer keine großartigen Gedanken darüber gemacht.
Ich war mir sicher, dass meine restlichen Sachen auch diese Marke haben, weil Alice immer das Beste für mich wollte, auch wenn es noch so teuer war.
In der anderen Tasche waren nur einige Notizbücher, mit schwarzen Lederumschlägen. Am liebsten hätte ich es den Laden zurückgegeben und einfach ein ganz normales geholt, das nur wenige Euro kostete, als dieses hier, dass sicher im tausender Bereich lag.
Neben dem Buch befand sich weiter unten ein kleines schwarzes Mäppchen, das auch die Marke besaß. Von dem klimpernden Geräusch der Stifte wusste ich, dass Alice auch da schon vorgesorgt hatte.
Ich packte wieder alles ordentlich ein und stellte sie für morgen bereit, damit ich beim raus gehen nicht unnötig den Reißverschluss zu machen musste. Ich stand auf und sprang in das große Bett. Die kuschelige Decke fing mich sanft auf, wie eine Wolke.
Meine Augenlider wurden immer schwerer und langsam sank ich in den tiefen Schlaf.
Â