Der Engelmacher
Die Sonne schien in die nach Ölfarben und Sägemehl stinkende Werkstatt Wendemanns. Es war an der Zeit, dass sie seine Spur aufnahmen, mit dem Kauf der Äpfel, gab er ihnen den größten Hinweis. Die konnte man nur hier in der Delikatessenhandlung von Rainer Meyer kaufen!
Franz starrte auf seine Hände, die Puppe lag auf der Werkbank. Seine Hände waren rau, vom Holz und Beizmittel, die Tausenden von Schnitte
waren verheilt, er benutzte schon lange keine Pflaster mehr.
Gisela liebte seine Hände. Und Erna liebte die Puppen, die er damit schuf.
Erna, sein blonder Engel, wie sehr er sie wollte! Die Anderen waren – Nur was? - Aushilfsengel?
Gitti, nach der sich die SOKO in Mainz nannte, kam ihr sehr nah, doch die anderen waren nur billige Kopien. Das Original reizte ihn, reizte sein Blut ? Aber sie war doch Giselas Tochter! Sie sollte im September seine Stieftochter, werden.
Er war nicht Humbert Humbert. Nein, er
begnügte sich nicht damit die Mädchen zu riechen, sie zu verführen, vielleicht zu vergewaltigen? Sich ihnen hinzugeben. Nein! Franz Wendemann war da ganz anders! Er wollte Perfektion.
Erna war sieben, kein frühes Nymphchen. Sie war ein Kind! Sie alle waren Kinder, sie waren unschuldig und sie mussten für Erna sterben!
Die Polizei schaffte es nicht ihn zu fangen, sollte er sich stellen? Auch das ließ sein Ego nicht zu, dafür hatte er zu viele gute Thriller gelesen. Leider schien es bei der Polizei in der Realität niemanden zu geben, der den Job eines
Superbullen übernehmen wollte. Aber heute Morgen hatte er seiner direkten Gegenspielerin in die wunderschönen Augen gesehen.
Eva Kranz.
Sie versteckte die Ermittlerin sehr gekonnt. Franz war immer auf der Hut, auch das ein Merkmal seines Egos und hatte nur durch Zufall einen Blick auf die Akte der Polizistin erhascht. Die toten Mädchen verblitzten ihn gerade zu.
„Sie haben schaffende Hände!“stellte sie lapidar fest, als er ihr das Frühstück servierte.
Gisela hatte eine Pension, diese war nie ausgebucht und er half er ihr ab und zu.
„Danke, gnädige Frau. Ich bin Puppenmacher.“
„Ich weiß! Ich habe die kleine Erna mit einer Ihrer Kreationen gesehen!“
Und nicht nur diese, dachte sich Franz, als er an ihre Akte dachte. Das Mädchen auf dem oberen Foto, welches genau wie die anderen Bilder wieder in der Akte verschwanden als er eintrat, war Annabel Richter. Er hatte sie vergewaltigt und umgebracht. Sie war sechs Jahre , jünger als Erna, aber sie
kam ihr doch sehr nah.
„Ich bin Anwältin!“ sagte sie mit einem verkniffenen Gesicht, als sie die Akte in ihrer Tasche verschwinden ließ.
Klar! Sie hatte nicht einmal einen anderen Namen benutzt.
Sie war die neue Geheimwaffe in Mainz. Rekrutiert aus dem vorzeitigen Ruhestand. Vor acht Jahren war sie für das LKA in Düsseldorf tätig. Sie hatte an dem Fall des Massenmörders Königs gearbeitet und bitter versagt. Dabei wurde ein Unschuldiger erschossen und dessen Mutter richtete sich selbst. Nachdem Königs von der Schwester
eines Opfers getötet worden war, quittierte sie den Dienst. Sie erlitt eine Fehlgeburt und trank zu viel.
Franz hatte ihren Verfall über die Medien verfolgt, das letzte Bild, das er von ihr gesehen hatte, schmeichelte ihr nicht. Nun sah sie selbst schon wieder wie ein Engel aus. Ein Schutzengel.
Aus den Mädchen hatte er auch Engel gemacht. Er hatte sie befruchtet, ihnen die Seele aus dem Leib gedrückt, das ging am besten mit einem Seidenschal. Er machte aus ihren blonden Haaren, lockige Schöpfe, schminkte ihre Gesichter zu Ikonen, zog ihnen ein Engelsgewand an und legte ihnen den
Apfel der Sünde in die Hand. Sie würden nie sündigen, nur das eine Mal mit ihm, aber das war eine Befreiung. Erna. Sollte er Erna befreien?
Es war an der Zeit sie zu befreien! Er öffnete die Schublade seiner Werkbank und holte die Polaroids hervor, die er von den toten Mädchen gemacht hatte. Sein Hosenstall öffnete sich fast von alleine und seine Hand umschloss das harte Stück Fleisch. Sie waren ihm auf die Spur gekommen. Es machte ihn so geil wie nie zuvor. Das Kribbeln in der Wirbelsäule. Die Bilder der toten Mädchen, Kranz, und Erna!
Ernas Gesicht.
Sie war seine Obsession, sie war sein Verderben sie musste befreit werden. Der heiße Saft seiner Lenden ergoss sich auf seine Hose. Mit Holzwolle wischte er ihn weg.
Der Engel war fertig. Das Gesicht malte er mit Ölfarben. Haare, die er gestern von Ernas Kopf geschnitten hatte, (Kurz darauf sah er das Gesicht der Kommissarin zum ersten Mal in Giselas Pension. Sie saß im Schankraum und trank einen Wein.) klebte er mit Hilfe eines Klebers auf das glatt geschliffene Holz des Puppenkopfes. Das Kleidchen noch an und der kleine hölzerne Apfel.
Er verließ die Werkstatt und ging in das Atelier, wo seine Kreationen in einem Schaufenster feil geboten wurden. Er stellte den Engel zu den anderen Holzfiguren. Die zehn Minuten zu Giselas Pension ging er zu fuß.
Gisela gab ihm einen feuchten Kuss auf die Lippen.„Hallo Schatz!“
„Ist Erna da? Ich hatte ihr heute Morgen versprochen, mit ihr in das Wald zu
gehen.“
„Welch ein Spa?! Warte ich ruf sie schnell!“ Gisela verließden Schankraum.
Auf der Holztreppe erklangen geschmeidige Schritte. Kranz kam
herunter und begrüßte ihn freundlich, obwohl ihre Laune nicht die Beste zu sein schien. Keine heiße Spur in dem laufenden Fall, es musste sie verrückt machen.
Sie fragte ihn, ob er ihr ein Glas Wein servieren könnte. Es war noch keine Zwei an diesem Mittag.
„Ich werde heute Mal durch den Ort schlendern. Muss den Kopf frei kriegen.“ erklärte sie ungefragt.
„Das ist eine gute Idee!“ er stellte das Glas vor ihr auf den Tisch. „Gehen Sie doch mal zur Mainstraße!“
Erna kam herein. Seine Erna, sein Engel! Sie hielt Heidi, die letzte Puppe,
die er für gemacht hatte, in den Händen. Kranz lächelte und schaute sie eindringlich an, dann schien ihr die Ähnlichkeit zu den toten Mädchen aufzufallen. .
„Passen Sie gut auf sie auf!“ Kranz trank ihren Wein aus und verließ die Pension.
Erna lachte und schmiss sich ihm in die Arme. „Gehen wir in den Wald?“
Sie liefen auf dem Feldweg, die Sonne schien ihnen in die Augen und sie mussten blinzeln. Der Wind spielte mit
dem Seidenschal, den Gisela ihrer Tochter um den Hals gebunden hatte. In seiner Stimmung hatte er seinen in der Schublade seiner Werkbank gelassen, doch das Schicksal meinte es gut mit ihm. Erna musste ein Engel werden, das war jetzt klar. „Glaubst du, wie sehen Hasen?“
Sie waren alleine auf dem Weg, der Acker war frisch bearbeitet worden, die Forschen zogen sich bis an den Horizont. „Klar!“
Der Schal flatterte um ihr Gesicht, sie lächelte. Ein Fasan flog aus dem Dickicht davon. Der Geruch von grünen Blättern und Moos wehte ihnen entgegen.
Sie betraten den schmalen Pfad und gingen auf die kleine Lichtung zu. Hier roch alles so sauber, Vögel zwitscherten und sie sahen sogar ein graues Kaninchen, das die Lichtung sofort verließ, als es sie bemerkte. Ein Wagen hielt in der Ferne, das musste Kranz sein. Er nahm Erna den Schal ab, dachte kurz nach und ging zu dem Baumstamm, der vor der großen Eiche lag, kletterte hinauf und Band das eine Ende an einem dicken Ast der Eiche fest.„Die Engelchen warten auf mich!“
Das war ihm plötzlich klar. Er konnte seinen Engel nicht befreien. Dies ließsein Herz nicht zu, also musste er
sich befreien. Zwei Polizeihubschrauber kreuzten in der Ferne über den Himmel. Sie kamen!
„Herr Wendemann ich bin Eva Kranz von der Polizei!“ hörte er die Polizistin in der Nähe schnaufen. „Ich habe eine Waffe und Sie sind verhaftet! Wegen des Verdachtes auf mehrfachen Mordes.“
Franz lächelte, legte sich das andere Ende des Schals um den Hals. „Bis dann mein kleiner Engel!“
Kranz brach in die Lichtung, ihre Waffe hatte sie auf ihn gerichtet, dann senkte sie die Waffe und wartete. Wartete wie Erna, wie die Engel.
Seine Füße hatten keinen halt mehr, alles wurde dunkel. Es war die Erlösung.