Kurzgeschichte
Man sollte meinen, die Engel würden weinen...

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"Man sollte meinen, die Engel würden weinen..."
Veröffentlicht am 12. Juni 2010, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Es tut mir leid, dass ich \\\"Restrisiko\\\" löschen musste, aber es ist jetzt in einer Kurzgeschichtensammlung namens \"Das Unfassbare\" vom ipm-verlag veröffentlicht worden. Wer Interesse hat, kann sich bei mir melden. Unter www.bookrix.de/-schneeflocke kann "Restrisiko" nach wir vor noch lesen. LG Flocke
Man sollte meinen, die Engel würden weinen...

Man sollte meinen, die Engel würden weinen...

Beschreibung

...

Man sollte meinen, die Engel würden weinen an einem Tag wie diesem. Doch statt dessen ist der Himmel strahlend blau, und die Sonne lacht herab, so als wolle sie die Trauer der Menschen belächeln. Eine leichte Brise lässt die Blätter der Bäume erzittern, das lange Haar der Frauen flattert im Wind. Die Blumen auf dem Feld nebenan nicken mit den Köpfen, so als wollten sie sich in stummer Ehrfurcht verneigen. Die Vögel zwitschern fröhlich in den Bäumen, alles ist bunt und freudig und schön, voller Leben – bis auf die Kleidung der Menschen, schwarz in schwarz, und die traurigen, erschöpften, verzweifelten Gesichter.

Es ist ein schöner Sommertag.

 

Man sollte meinen, die Engel würden weinen an einem Tag wie diesem. Graue Wolken sollten den Himmel bedecken, dunkel und düster, so wie die Stimmung der Menschen, die sich an diesem Tag versammelt haben, um Abschied zu nehmen. Ein Abschied für die Ewigkeit, und er schmerzt umso mehr, da er vermeidbar gewesen wäre.

„Warum?“, flüstert ein Mann. „Warum nur?“ Und dann schwankt er wie die Äste der Buchen, klammert sich an seinen Fragen fest, da da nichts mehr ist, an dem er sich sonst festklammern könnte. Ihnen allen wurde ein Teil ihres Lebens genommen, entrissen, mit brutaler, schrecklicher Endgültigkeit. Es ist ein Teil ihrer Vergangenheit, aber auch ein Teil ihrer Zukunft, den sie heute hier beerdigen. Einer Vergangenheit, die verblassen wird, und einer Zukunft, die so viel ärmer, so viel leerer sein wird.

Doch niemand weiß die Antwort auf die Frage, die sich jeder hier stellt. Wäre es leichter, wenn sie es wüssten? Einfacher? Einen Sinn wird man vergebens suchen, keiner der Lebenden kann die Toten verstehen. Vor allem diesen Toten, den man schon im Leben nicht so ganz verstanden hat. Vielleicht war das ja der Grund, aus dem er gegangen ist. Vielleicht dachte er, dass ihn die Toten eher verstehen als es die Lebenden taten. Vielleicht werden ihn die Engel verstehen – doch er war nie ein gläubiger Mensch.

 

Man sollte meinen, die Engel würden weinen an einem Tag wie diesem. Doch das tun sie nicht. Dafür fließen die Tränen der Lebenden, die einen aus ihrer Mitte zu Grabe tragen, von dem sie nie glaubten, dass er vor ihnen gehen würde. Freiwillig.

Schließlich senkt sich der hölzerne Sarg in sein dunkles Grab. Die Schatten der hohen Bäume verwehren der Sonne den Zutritt zu seiner letzten Ruhestätte. Niemals wieder wird er das Licht der Erde erblicken. Erde zu Erde, Staub zu Staub. Hat er erreicht, was er erreichen wollte? Hat er gefunden, was er suchte? Auch auf diese Fragen werden wir nie eine Antwort finden.

(c) by Schneeflocke

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Über den Autor

schneeflocke
Es tut mir leid, dass ich \\\"Restrisiko\\\" löschen musste, aber es ist jetzt in einer Kurzgeschichtensammlung namens \"Das Unfassbare\" vom ipm-verlag veröffentlicht worden.
Wer Interesse hat, kann sich bei mir melden.
Unter www.bookrix.de/-schneeflocke kann "Restrisiko" nach wir vor noch lesen.
LG Flocke

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ZMistress Ein wunderbar gefühlvoller Text, in dem sich wahrscheinlich viele Leser widerfinden. Auch bei der Beerdigung meiner Großmutter war das Wetter so strahlend und es kam mir ebenso unpassend vor.
Auch die Hilflosigkeit und Frage nach dem Warum hast du sehr gut beschrieben, ohne zu platt oder oberflächlich zu klingen.
Vor langer Zeit - Antworten
schneeflocke Re: Vielleicht ... -
Zitat: (Original von Gunda am 12.06.2010 - 14:40 Uhr) ... weinen die Engel nicht an einem solchen Tag, weil sie damit ausdrücken wollen, dass das Leben weitergeht ... (Ich weiß, eine furchtbare Platitüde.)
Ich selbst konnte es auch nicht fassen, dass bei der Beerdigung meines Vaters (und der war immerhin schon 79) die Sonne brannte und der Himmel wolkenlos war. Um wie viel schwerer empfinden Trauernde dann erst ein so "fröhliches" Wetter, wenn sie einen jungen Menschen zu Grabe tragen müssen, der auch noch freiwillig in den Tod gegangen ist.

Ein sehr gut aufgebauter Text, Tina. Von der Wiederholung des ersten Satzes jeweils am Anfang eines Absatzes, über die Beschreibung des sich dem Betrachter darstellenden Bildes, die Erklärung der Situation und das Hinterfragen dessen, wie es dazu kommen konnte, empfinde ich alles als ... rund (um nicht Luzis "stimmig" zu wiederholen :o))

Lieben Gruß
Gunda


Hallo Gunda!
Danke für den Kommentar und die Bewertung! Es freut mich, dass dich der Text angesprochen hat. Und es hilft, zu erfahren, dass es dir ähnlich ging...so etwas banales wie das Wetter, aber irgendwie erscheint es einem in dem Moment bedeutsam...

Liebe Grüße,
Tina
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Vielleicht ... - ... weinen die Engel nicht an einem solchen Tag, weil sie damit ausdrücken wollen, dass das Leben weitergeht ... (Ich weiß, eine furchtbare Platitüde.)
Ich selbst konnte es auch nicht fassen, dass bei der Beerdigung meines Vaters (und der war immerhin schon 79) die Sonne brannte und der Himmel wolkenlos war. Um wie viel schwerer empfinden Trauernde dann erst ein so "fröhliches" Wetter, wenn sie einen jungen Menschen zu Grabe tragen müssen, der auch noch freiwillig in den Tod gegangen ist.

Ein sehr gut aufgebauter Text, Tina. Von der Wiederholung des ersten Satzes jeweils am Anfang eines Absatzes, über die Beschreibung des sich dem Betrachter darstellenden Bildes, die Erklärung der Situation und das Hinterfragen dessen, wie es dazu kommen konnte, empfinde ich alles als ... rund (um nicht Luzis "stimmig" zu wiederholen :o))

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
schneeflocke Re: Das -
Zitat: (Original von Robin am 12.06.2010 - 13:00 Uhr) war beeindruckend. Hab gerade eine Nachricht bekommen, dass du einen neuen Text veröffentlicht hast und mich gleich eingeloggt, um bei dir zu lesen. Wie Luzifer schon sagte, der Anlass ist wirklich alles andere als schön, aber wieder einmal so einen Text von dir zu lesen hat mich wahnsinnig berührt.
Du hast etwas in Worte gefasst, etwas, das man nicht verstehen kann und genau das ist hervorragend rübergekommen.
Man sollte wirklich meinen, die Engel würden weinen an so einem Tag.
Ich bin wirklich ehrfurchtsvoll ergriffen und staune wieder einmal über dein wahnsinniges Talent.

Liebe Grüße
Lisa


Hallo Lisa!
Vielen Dank fürs Lesen, für die Bewertung und den lieben Kommentar!
Trotz des traurigen Anlasses freut es mich, dass dir der Text gefallen hat. Freut mich auch, dass genau die Botschaft angekommen ist, die versucht habe, in Worte zu fassen.

Liebe Grüße,
Tina
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Das - war beeindruckend. Hab gerade eine Nachricht bekommen, dass du einen neuen Text veröffentlicht hast und mich gleich eingeloggt, um bei dir zu lesen. Wie Luzifer schon sagte, der Anlass ist wirklich alles andere als schön, aber wieder einmal so einen Text von dir zu lesen hat mich wahnsinnig berührt.
Du hast etwas in Worte gefasst, etwas, das man nicht verstehen kann und genau das ist hervorragend rübergekommen.
Man sollte wirklich meinen, die Engel würden weinen an so einem Tag.
Ich bin wirklich ehrfurchtsvoll ergriffen und staune wieder einmal über dein wahnsinniges Talent.

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
schneeflocke Re: Schon -
Zitat: (Original von Luzifer am 12.06.2010 - 12:40 Uhr) lange nichts mehr von dir gelesen, was den Text um so prägnanter macht. Der Anlass ist natürlich nicht zu beloben, doch wenn sowas auf einer Beerdigung vorgelesen werden würde, würde selbst ich Tränen lassen.

Und wäre es nicht eben dieser Anlass, hätte ich eine Umschreibung im ersten Teil vorgeschlagen, doch so ist es stimmiger.
Besonders der Satz "Vor allem diesen Toten, den man schon im Leben nicht so ganz verstanden hat." gefällt mir. Er hat ein wenig Kritik an der Gesellschaft.

Lieben Gruß
Luzifer


Hallo Luzifer!

Danke für die Bewertung und den lieben Kommentar! Hab mich sehr darüber gefreut!
Ja, ich weiß, ich hab lange nichts mehr geschrieben - mir fehlt im Moment die Zeit dazu. Aber dieser Text hier musste einfach geschrieben werden.
Freut mich, dass du ihn stimmig fandest. Ich bin also nicht ganz aus der Übung...

Lg Flocke
Vor langer Zeit - Antworten
schneeflocke Kommentar vom Buch-Autor gelöscht.
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Schon - lange nichts mehr von dir gelesen, was den Text um so prägnanter macht. Der Anlass ist natürlich nicht zu beloben, doch wenn sowas auf einer Beerdigung vorgelesen werden würde, würde selbst ich Tränen lassen.

Und wäre es nicht eben dieser Anlass, hätte ich eine Umschreibung im ersten Teil vorgeschlagen, doch so ist es stimmiger.
Besonders der Satz "Vor allem diesen Toten, den man schon im Leben nicht so ganz verstanden hat." gefällt mir. Er hat ein wenig Kritik an der Gesellschaft.

Lieben Gruß
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
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