Kurzgeschichte
ein tag wie jeder andere auch...

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"ein tag wie jeder andere auch..."
Veröffentlicht am 30. Mai 2010, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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ein tag wie jeder andere auch...

ein tag wie jeder andere auch...

Es war ein Tag wie jeder andere auch.

Und wie an jedem anderen Tag, verspürte sie auch heute wieder den starken Drang, zu fliehen und alles hinter sich zu lassen. Sie stand auf, legte ihr Buch zur Seite, griff automatisch nach ihrer Kamera und ihrem MP3 – Player, zögerte kurz und steckte dann auch schließlich ihr Handy ein. Sie verließ ihr dunkel gehaltenes Zimmer, das ihr einziger Rückzugsort in diesem Haus war, und ging langsam aber zielstrebig in das Erdgeschoss. Sie schlüpfte in ihre Schuhe, zog sich den Mantel an und schloss leise die Tür hinter sich. Schon in diesem Moment fühlte sie sich befreiter und um dieses berauschende Gefühl zu verstärken atmete sie tief ein und machte sich auf den Weg. Wohin war ihr eigentlich egal, solange sie zumindest für einige Zeit allein sein und über alles nachdenken konnte. Der nächste Griff galt ihrem MP3 – Player, ohne den sie kaum leben konnte. Kaum vernahm sie die ersten Töne, versank sie schon vollkommen in den Klängen von Apocalyptica, sie nahm ihre Außenwelt nun viel intensiver wahr und konnte sich dadurch von dem Geschehen abschotten. Es war ihr Element – die Musik. Sie hatte noch nicht entschlossen wohin sie eigentlich gehen würde, als ihr der Gedanke kam, dass sie zu dieser Burg, ein Stück den Berg hinauf, gehen könnte. Die Burg stellte ein fantastisches Motiv für stimmungsvolle Bilder dar, doch schon nach kurzer Zeit erschien ihr der Weg den Berg hinauf zu lang, und sie bog bei einer einsam wirkenden Forststraße frühzeitig ab. Sie konnte sich erinnern, dass sie schon als Kind einmal diese Straße entlang gegangen war, doch mit der Zeit hatte sich viel verändert, und so schien ihr dieser Platz ganz neu.

Das Schild „Privatgrund – betreten und befahren verboten“ nahm sie zwar wahr, aber schenkte ihm keine besondere Beachtung. Schließlich war es immer noch sehr kühl und windig, und sie dachte nicht, dass sie jemandem begegnen würde, der sie auf das Schild verweisen würde. Sie kam an einen Fischteich, der von Bäumen umringt, ganz ruhig da lag. Dieser Teich hatte eine starke Wirkung auf sie. Automatisch griff sie nach ihrer Kameratasche, öffnete sie, und begann die Einstellungen ihrer Kamera dem Motiv anzupassen. Sie liebte es zu fotografieren. Ob ihre Freunde, Gegenstände, Landschaften oder nur kleine Details im Alltag, sie betrieb es mit Ausdauer und Freude. Nicht immer mit Zufriedenheit, da sie ihre Fotos nie für gut genug hielt, aber doch mit so viel Begeisterung, dass sie keinen Tag verbringen konnte, ohne ein Foto zu schießen. Auch jetzt wieder suchte sie nach einem geeigneten Standpunkt, um die stille Bewunderung, die sie für diesen Platz entwickelt hatte, mit ihrer Kamera zu verewigen. Aus Unzufriedenheit ging sie weiter, verließ den Teich und verschwand kurz darauf im Wald. Doch schon aus einiger Entfernung konnte sie sehen, dass ein weiter Teich angelegt wurde. Eine alte Bank erweckte ihre Aufmerksamkeit, und als sie sich näherte, verschlang sie dieser Teich. Sie konnte ihren Blick nicht mehr abwenden. Sie hatte keine Ahnung, dass es in ihrer Umgebung so schön sein konnte. Der Teich war um einiges kleiner als der, den sie zuvor entdeckt hatte, aber übertraf ihn an Ausstrahlung um Welten. Sie machte einige Fotos und entschloss sich auf die andere Seite zu gehen, um sich auf die Bank zu setzen. Kaum hatte sie sich niedergelassen, griff sie in ihre Manteltasche und holte ihre Zigaretten hervor. Ein weiter Grund warum sie so gerne spazieren ging. Sie setzte die Zigarette an ihre Lippen, zündete sie mit dem Feuerzeug an und atmete den Rauch tief ein. Voller Zufriedenheit legte sie den Kopf zurück und stieß den Rauch durch Mund und Nase wieder aus. Sie betrachtete den Himmel und die Wipfel einiger Tannen, die sich in ihr Blickfeld mischten.

Erst jetzt bemerkte sie zu ihrer Verwunderung, dass sie der Musik in ihren Ohren wenig Beachtung schenkte und entschloss sich, diese abzustellen und in völliger Ruhe der Natur zu lauschen. Sie konnte den Bach, der den Teich mit Wasser versorgte, leise plätschern hören, und sie fühlte sich wie in einem Trancezustand. Als sie den Gesang von einigen Vögeln vernahm, war sie wohl zum ersten Mal in ihrem bisherigen Leben glücklich, keine Musik zu hören, und konzentrierte sich nun stärker auf die Geräusche, die aus dem Wald um sie herum kamen. Mit ihrer Kamera versuchte sie währenddessen ein, der Stimmung würdiges, Foto aufzunehmen. Und nach einigen Versuchen war sie erstaunlicher Weise ganz zufrieden mit ihrer Arbeit. Sie hatte Lust Fotos von sich selbst zu machen, und platzierte die Kamera vor ihr auf dem Tisch, veränderte die Einstellungen so ,dass sie mit ihrer kleinen Fernbedienung den Auslöser betätigen konnte, und zog stark an ihrer Zigarette, um im richtigen Moment eine Rauchfahne ausstoßen zu können. Wie immer war sie von den Fotos, auf denen sie zu sehen war, enttäuscht, und ermahnte sich gedanklich schon wieder mehr auf ihre Figur zu achten.

Sie verließ den Teich und ging wieder ein Stück von dem Weg, den sie gekommen war, zurück und entdeckte dabei einen dritten Teich. Der größte von allen. Sie überlegte sich, ob die Bezeichnung eines Sees passender wäre, und während sie gedankenverloren einen Fuß vor den anderen setzte, immer darauf bedacht ein Motiv für ein Foto zu entdecken, bemerkte sie, wie sich vier Kinder ihrem Weg näherten. Die Kinder hatten sie schon entdeckt und beobachteten jetzt sichtlich jeden ihrer Schritte. Sie überlegte sich, wie es wohl auf Kinder wirken müsste, wenn eine junge Frau, ganz in schwarz gekleidet, mit einer Kamera in der einen und mit einer Zigarette in der anderen Hand, durch den Wald schlendert. Doch schon als sie diesen Gedankengang beendet hatte, waren die Kinder wieder weg, und sie hörte nur noch leise ihre hellen Stimmen. Sie begann nun den See zu umrunden, da sie auf der anderen Seite eine Sitzgelegenheit entdeckt hatte. Es dauerte eine gewisse Zeit, da sie nach jedem Baum eine andere Idee für ein Foto hatte, und diese auch verwirklichte. Die Kinder beobachteten sie nun von einem höher gelegenen Platz, und sie fühlte sich ein bisschen unwohl und verunsichert. Sie ging weiter und als sie an der Bank angekommen war, steckte sie sich schon die nächste Zigarette in den Mund, und wieder legte sie den Kopf zurück und atmete ganz tief ein um den Rauch völlig aufzunehmen. Nun hatte sie die Gelegenheit sich genauer umzusehen und war augenblicklich von den Spiegelungen an der Wasseroberfläche verzaubert. Sie liebte es Wasser zu betrachten. Am liebsten war es ihr, wenn es sich bewegte. Ganz egal ob sie die Wellen am Meer oder eine kleine Stufe von einem Bach, an der das Wasser herunterplätscherte, betrachtete, sie konnte stundenlang zusehen, ohne sich zu langweilen. Sie stellte sich vor, welches Gefühl sie überkommen würde, wenn sie jetzt tief in das Wasser eintauchen würde. Das Gefühl, unter Wasser zu schweben, diese Schwerelosigkeit, die sie immer überkommt, wenn sie das Wasser durch ihre Finger rinnen spürt und wenn ihre langen, dunkel gefärbten, Haare im Wasser schweben. Sie konnte es sich genau vorstellen und es verging einige Zeit bis sie daran dachte, dass sie frieren würde, wenn sie sich jetzt in den See wagen würde. Ihre Zigarette war schon nur mehr ein kleiner Stummel, und nachdem sie ihn sorgfältig ausgedämpft hatte, und unter der Bank verschwinden ließ, schlenderte sie weiter. Sie kam nun wieder auf den Weg, den sie gekommen war, und ein bisschen enttäuscht von sich selbst, begann sie den Rückweg einzuschlagen. Sie kam wieder an dem Schild vorbei, und schenkte ihm auch diesmal keinerlei Beachtung. Sie war völlig verloren in ihren Gedanken an den gestrigen Abend. Als sie im Bad gestanden war, und es, eine warme Spur hinterlassend, an ihrem Bein entlang rann und Tropfen auf den weißen Fliesen hinterließ. Sie mochte das Gefühl. Sie fühlte sich auf eine seltsame Art mächtig und frei. Ihre Gedanken gingen weiter, als sie in der Dusche gestanden hatte, und sich das Wasser langsam rot färbte.

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cecilia

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BrianBrazzil "Über was schreibe ich? Über das - was ich wäre, wenn ich nicht bin."

Sorry, ich beginne gern mit einem Zitat.... das bereitet alles ein bisschen vor.
Dein Text ist um es erstmal ganz einfach zu sagen, wirklich gut und stilistisch schon beeindruckend ausgefeilt.... würde mich interessieren, ob du ihn einfach niedergeschrieben oder öfters überarbeitet hast.
Die Geschichte hat genau die richtige Länge, ab und zu fangen die Sätze oft gleich an, aber das verstärkt (gewollt ode nicht) die schwingende Melancholie des Textes, die auch durch die verschiedenen Bilder der Teiche und Bänke verstärkt hervorgehoben wird. Es ist eine friedliche Melancholie und der letzte Abschnitt (der mit dem Blut) schafft es nicht (vielleicht soll er ja auch gar nicht) einen noch aus dieser sillten Trance herauszuholen.

Also stilitisch sehr gut, die Story gefällt mir auch, bin sehr gespannt auf deine nächsten Texte :)

Gruß
Brian
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