Kurzgeschichte
Ein Glück zu treffen

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"Ein Glück zu treffen"
Veröffentlicht am 25. Mai 2010, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. Georg Bernard Shaw Wirds besser? Wirds schlimmer?, fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich :Leben ist immer lebensgefährlich. Erich Kästner Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das wichtigste im Leben. Heute, da ich alt ...
Ein Glück zu treffen

Ein Glück zu treffen

Beschreibung

Eine fiktive Begebenheit aus Nordamerika.

Ein Glück zu treffen

Im Jahr 1946 befand sich der französische Schriftsteller, Philosoph und Nobelpreisträger Albert Camus auf einer (Lese-)Reise durch die Vereinigten Staaten.

Gegen Ende seines Aufenthalts gastierte er in einem kleinen Dorf namens Takuna und hielt eine Vorlesung in der Dorfkirche, die auf einem kleinen Hügel oberhalb des Dorfes stand. Unter anderem las er einige Passagen aus seinem Buch „L’etranger“(Der Fremde) und seinem „Le mythe de Sisyphe“(Der Mythos des Sisyphos). Eigentlich wollte er viel weniger vorlesen, wollte noch ein wenig über den nichtchristlichen Humanismus reden, aber die 15 Menschen in dem kleinen Raum lauschten so andächtig wie bei einer Predigt, so dass es dem Literaten große Freude bereitete. Er trug die Texte auf Französisch vor, während ein nervöser, aber trotzdem begeisterter Dorfschulfranzösischlehrer die gesprochenen Texte ins Englische übersetzte. Camus hielt manchmal in seinem Redefluss inne, schaute auf und musterte den hageren Mann mit einiger Bewunderung, während dieser, sichtlich verlegen, den Kopf gesenkt hielt und seine Daumen gegeneinander drückte.

 

Nach Ende der Vorlesung sortiert Camus seine Sachen und sieht dabei aus dem ungewöhnlich breiten Kirchenfenster, wo die Sonne gerade im Begriff ist, diesen Erdteil für einige Stunden zu verlassen. Ein gediegner Mann in mittleren Jahren ist zwischen den Sitzbänken zurückgeblieben und blickt unentschlossen zu dem ganz in den Anblick des von Licht durchdrungenen Kirchenfensters versunkenen Franzosen hinüber. Schließlich geht er langsam zu ihm hinüber, wobei seine Schritte in der schmalen Kirche leisen Widerhall erzeugen.

„Excuse-moi, Monsieur Camus? Kann ich ihnen eine Frage stellen?“ Er spricht ein glattes Französisch mit einem sehr starken Akzent.

„Sehen sie nur das Licht, wie es durch diese Scheibe fällt; ja fällt ist das richtige Wort, es fällt zu uns in den Schoß. Gibt es etwas Schöneres, als das Licht der sinkenden Sonne. Ich schwöre ihnen, wenn es hier Palmen, Sand und Meer gebe, sie würden ihre Tränen nicht zurückhalten können. So süße Tränen… die Hitze… der schmale Seewind … das Licht…“ Ein heftiger Hustenanfall schüttelt Camus und er muss sich leicht nach vorne beugen. Er hält dabei die Hand vor den Mund. Für kurze Zeit zieht sich die Hand synchron mit dem Gesicht zusammen. Der Mann tritt mit einem Ruck näher heran. Camus sieht wieder hinaus und lächelt. Dann wendet er dem Mann seinen offenen Blick zu und zieht eine Zigarette aus der Tasche. Er grinst jetzt sogar ein wenig.

„Darf ich hier Rauchen? … Sie wollten mich etwas fragen?“

„Was glauben sie braucht man, um glücklich zu werden?“ In der Stimme des Mannes schwingt eine Herausforderung mit, aber auch ein gewisses Interesse.

Camus zündet in aller Ruhe die Zigarette an.

„Um glücklich zu werden… zu sein ….Sie müssen es nur wollen und… vielleicht“, er blickt unschuldig auf, „brauchen sie auch etwas Geld.“

„Ich bin Unternehmer. Ich habe genug Geld.“

„Dann… dann müssen sie nur glücklich sein wollen. Nur der Wille ist das, was sie brauchen.“

Nachdenklich wirft er einen Blick zum Fenster heraus.

„Wie haben sie es nur geschafft, dass der Rasen so wunderbar grün und-“

„Das ist doch Quatsch. Wie können sie behaupten, dass es so einfach ist. “

„Weil es so ist.“

„Aber jeden Menschen machen doch verschiedene, unterschiedliche Dinge glücklich. Und sie sagen, dass macht ALLE Menschen glücklich?!“

„Ja… der Wille allein, kann einen schon glücklich machen. Wenn man glücklich sein will, dann ist man es auch. Es klingt…“

Der Mann wendet sich ab und schlendert zur anderen Seite des Raums.

„Das ist zu einfach. Sie, stricken sich die Welt zu einfach.“

„Warum stört es sie, dass es so einfach ist.“

Der Mann bleibt vor der Gestalt eines bronzenen Jesus am Kreuz stehen.

Camus bemerkt seinen Blick auf die Gestalt des Gottessohns und nickt kurz still in sich hinein.

„Weil … nach allem, was ich dafür durchmachen musste… kann es doch nicht so einfach sein, glücklich zu sein!“

Camus bleibt die Antwort schuldig.

„Das wäre ja … absurd!“

„JA!“ Camus lächelt und schnippt den Rest seiner Zigarette auf den marmornen Fußoden. „Ja, es ist absurd!

Aber, statt sich darüber zu ärgern… lachen sie doch darüber.“  

„Lachen?“

„Ja, es ist so lächerlich absurd, so viel Arbeit, so viel Versprechen von vielen Sachen, die uns angeblich glücklich machen, stechende Fragen was wir wählen sollen bei all dem, dabei ist es so einfach, so absurd, dass ist doch zum Lachen, oder?“

Der Mann sieht in arrogant an. Camus ist etwas tiefer gesunken in seinem Stuhl und strahlt geradezu.

„Vielleicht…“

Stille

„Wie heißen sie?“

„Clarence. Clarence Waldcott.“

Camus erhebt sich und hustet wieder.

„Clarence, lachen sie einfach darüber.“ Camus blickt wieder aus dem Fenster, seine Stimme scheint mit der Sonne hinter den Horizont zu tauchen: „Oder strahlt der Lichtstrahl etwa nicht, weil er in der Scheibe keinen Widerstand, sondern einen Katalysator findet.“

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Hörbuch

Über den Autor

BrianBrazzil
Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch.
Georg Bernard Shaw

Wirds besser? Wirds schlimmer?,
fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich
:Leben ist immer
lebensgefährlich.
Erich Kästner

Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das wichtigste im Leben. Heute, da ich alt bin, weiß ich: Es stimmt.
Oscar Wilde

Man könnte viele Beispiele für unsinnige Ausgaben nennen, aber keines ist treffender als die Errichtung einer Friedhofsmauer. Die, die drinnen sind, können sowieso nicht hinaus, und die, die draußen sind, wollen nicht hinein.
Mark Twain

Ich glaube nicht an Wunder, ich habe ihrer zu viele gesehen.
Oscar Wilde

Das Buch ist die Axt für das gefrorene Meer in uns.
Franz Kafka

Der Hinz und der Kunz
sind Rechte Toren
lauschen offenen Munds
statt mit offenen Ohren.
Erich Kästner

Liebe das Leben und denk an den Tod.
Tritt wenn das Ende kommt stolz beiseite.
Einmal leben zu müssen ist das erste Gebot,
Nur einmal Leben zu dürfen, das zweite.
Erich Kästner

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Windflieger Re: Re: Eine richtig tolle Geschichte! -
Zitat: (Original von BrianBrazzil am 31.05.2010 - 22:13 Uhr)
Zitat: (Original von Windflieger am 31.05.2010 - 20:55 Uhr) Und ja, so einfach ist es glücklich zu sein, Du hast recht!!!
GLG Ivonne


Nein, Camus hatte Recht ;)

Danke für deinen Kommentar

Gruß
Brian

Stimmt Camus hatte Recht ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
BrianBrazzil Re: ich zähle mich ja nicht -
Zitat: (Original von Himmelskind am 31.05.2010 - 11:51 Uhr) zu den begeiterten kurzgeschichtenleser....aber hier bin ich froh eine ausnahme gemacht zu haben....besonders den letzten satz finde ich sehr gelungen...

lg

birgit


Danke, der letzte war auch der wichtigste ;)

Gruß
Brian
Vor langer Zeit - Antworten
BrianBrazzil Re: -
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 31.05.2010 - 18:28 Uhr) ach sowas von schön und toll geschrieben.
erinnert mich vom ansatz, nicht von der art wie es geschrieben ist, keine ahnung ehrlich gesagt warum es mich daran erinnert.. an die Vermessung der Welt von Kehlmann. Ein tolles Buch.

ich mag die fragen nach glück, wie du vielleicht weißt :)
und umso mehr, wenn es antworten darauf gibt.

ganz liebe grüße
pferdchen


Ich glaube nicht, dass es eine allumfassende Antwort ist (oder doch?) aber es freut mich, dass dir der Text gefallen hat :)

Freue mich immer wenn du mich liest :)

Gruß
Brian
Vor langer Zeit - Antworten
BrianBrazzil Re: Ja das -
Zitat: (Original von baesta am 31.05.2010 - 19:33 Uhr) ist sehr ordentlich geschrieben. 5 *****

LG Bärbel


Ordentlich.... das freut mich :)

Gruß
Brian
Vor langer Zeit - Antworten
BrianBrazzil Re: Eine richtig tolle Geschichte! -
Zitat: (Original von Windflieger am 31.05.2010 - 20:55 Uhr) Und ja, so einfach ist es glücklich zu sein, Du hast recht!!!
GLG Ivonne


Nein, Camus hatte Recht ;)

Danke für deinen Kommentar

Gruß
Brian
Vor langer Zeit - Antworten
BrianBrazzil Re: -
Zitat: (Original von Wortverdreher am 31.05.2010 - 20:12 Uhr) "Weil nach allem, was ich dafür durchmachen musste..."

Einfach glücklich sein, weil man es will
Diese Botschaft fasziniert mich.
Distanziert und doch nachdenklich-zärtlich verfasst.

Wortverdreher


Freut mich, dass es dir gefällt...
Distanziert, interessant... :)

Gruß
Brian
Vor langer Zeit - Antworten
Windflieger Eine richtig tolle Geschichte! - Und ja, so einfach ist es glücklich zu sein, Du hast recht!!!
GLG Ivonne
Vor langer Zeit - Antworten
Wortverdreher "Weil nach allem, was ich dafür durchmachen musste..."

Einfach glücklich sein, weil man es will
Diese Botschaft fasziniert mich.
Distanziert und doch nachdenklich-zärtlich verfasst.

Wortverdreher
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Ja das - ist sehr ordentlich geschrieben. 5 *****

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe ach sowas von schön und toll geschrieben.
erinnert mich vom ansatz, nicht von der art wie es geschrieben ist, keine ahnung ehrlich gesagt warum es mich daran erinnert.. an die Vermessung der Welt von Kehlmann. Ein tolles Buch.

ich mag die fragen nach glück, wie du vielleicht weißt :)
und umso mehr, wenn es antworten darauf gibt.

ganz liebe grüße
pferdchen
Vor langer Zeit - Antworten
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