Die Currywurst
Jeder von uns hat einen Schöpfer. Die Menschen nennen ihn Gott. Mein Schöpfer trägt den Namen Peter und ist Metzger. Denn ich bin eine Bratwurst. Eine weibliche Bratwurst.
Innen gefüllt mit leckerem Schweinefleisch und edelsten Gewürzen, außen mit einer appetitlichen Kunsthaut versehen liege ich in einer Kühltheke und warte auf meine Verwendung. Ich kenne die Bestimmung einer Bratwurst und darf mich rühmen zu den besten Würsten Ludwigshafens zu gehören.
Mein Schöpfer Peter trat an einem sonnigen Samstag vor mein noch bleiches Antlitz und eröffnete mir, zusammen mit meinen Kolleginnen, einen Ausflug ins Warme zu machen. An einen Ort, an welchem ich einen eleganten dunkelbraunen Teint erhalten sollte. War ich glücklich.
Am Platz der Verheißung wurde mir gewahr, was mein Schöpfer damit meinte. Ich und meine Kolleginnen sollten in einer Massenhochzeit vermählt werden. Vermählt mit dem vornehmsten Bräutigam, welcher sich eine arme Pfälzer Wurst nur vorstellen konnte: Herbert, der König der Bochumer Currysauce. Vermählt sollten wir den stolzen Namen „Currywurst“ tragen. Auch die Trauzeugen waren bereits anwesend: Hunderte von Belgiern mit dem Nachnamen „Frites“. Dass alle auch den gleichen Vornamen „Pommes“ trugen störte mich weniger. Ich kannte die Sagen ob der belgischen Inzucht.
Das Fest begann: Meine Kolleginnen und ich durften es uns auf dem Rost bequem machen. Da lagen wir nun alle auf dem heißen Blech und räkelten unsere wohlgeformten Körper um eine, des Bräutigams angemessene Bräune zu erreichen. Tat das gut. Peter wendete uns in gewissen Zeitabständen, dass niemand Verdacht hegen könne, ein dunkelhäutiger Asylant hätte sich zwischen uns gemischt.
Dann trafen die Hochzeitsgäste ein. Diese waren sowohl humaner als auch animalischer Natur. Zuerst begutachteten die angereisten Hunde unsere Hochzeitsvorbereitungen. Meine Kolleginnen und ich ließen unsere Düfte ausströmen, welche die feinen Hundenasen auch nicht verfehlten.
Lucy, eine stets übelgelaunte Hundedame kleiner Statur streckte ihre Nase ebenso zu uns empor wie auch Tobi. Ein galanter Kavalier alter Schule, einem spanischen Edelhaus entsprungen. Sehr distinguiert ließ er mich erkennen, wie sehr ihn mein Geruch animiere.
Während mein Schöpfer mich wieder wendete erkannte ich Frida. Eine hübsche Hundefrau. Von ihr gefressen zu werden sollte der ultimative Lebenszweck einer jeden Bratwurst sein. „Wenn sie nur nicht so laut wäre“ vermerkte ich zu mir selbst. „Immer dieses Gebell – Immerhin befinde ich mich im Wellnessbereich auf dem Rost und harre meiner Vermählung.
Doch ich erkannte noch mehr Hochzeitsgäste: Speedy Gonzales, ein wieselflinker Pinscher hetzte ein Schaf, welches ein Hund sein wollte durch den Garten. Diese Beiden hatten sohl keine Zeit für die Bewunderung meiner Ausdünstungen.
Doch auch Menschen waren anwesend. Meine Kolleginnen und ich wussten: Wahre Gaumenfreuden beim Anbeißen meiner verheißungsvollen Hülle erkannte nur diese Spezies.
Als die Menschen näher kamen um uns zu bewundern zeigten wir uns von unserer besten angebräunten Seite. Ich konnte es mir nicht verkneifen einen kleinen Fettspritzer abzusondern, was manchem Hochzeitsgast das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
Wir genossen diese Aufmerksamkeit. Unser Bräutigam war inzwischen bereits stark erhitzt. Ob dies auf unsere Anwesenheit oder die heiße Ofenplatte unter seinem Allerwertesten zurückzuführen war ist mir ungekannt. Ich hoffe jedoch das Erstere.
Dann begann die eigentliche Zeremonie: Die ersten unserer Gattung wurden in handliche Stücke zerteilt. Etwas was uns noch begehrenswerter machte. Dann betrat Herbert, die Sauce den Teller, auf welchem die Kolleginnen sich befanden und trieb wilde Unzucht, indem er sich über diese ergoss. Die belgischen Trauzeugen traten näher und umrandeten dies glückliche Paar.
Oh – beneidete ich die Kolleginnen. „Hoffentlich bin ich bald an der Reihe“. Etwas was nicht zu meinem Naturell passt. Üblicherweise genieße ich die Vorfreude.
Doch mein Schöpfer Peter kannte mich. Er ließ mich liegen bis zum Schluss. Zuerst wurden die menschlichen Gäste mit dem Brautpaar bewirtet: Die Kurpfälzerin zelebrierte unsere Anwesenheit genussvoller in ihrer Mundhöhle, während der Pfalzgraf meine armen Freundinnen lediglich herunterschlang. Hierin war er schlimmer als die Hundegäste, welche verköstigt wurden, als auch der Gastgeber Dieter und dessen nette Gemahlin Bärbel und alle anderen menschlichen Gäste gesättigt waren.
Nun lag ich als letzte meiner Art auf dem Rost. Herbert, die Sauce schaute in seinen Resten erwartungsvoll zu mir herüber. Er begehrte mich. Ich räkelte mich verheißungsvoll in meinem Fett und entließ noch einen Fettspritzer auf den heißen Rost. Herbert sollte vor Geilheit überschäumen. Er tat es. Die Sauce kochte.
Nun hob mich mein Schöpfer Peter empor. Feierlich zelebrierte er meine Zerteilung und vereinte mich mit Herbert der Sauce. Herbert war heiß. Mehrere Orgasmen durchfluteten meinen zerkleinerten Körper. Die belgischen Trauzeugen standen dekorativ daneben.
Dann der Höhepunkt. Mein Schöpfer, als letzter der Esser, nahm mich als letzte verbliebene Wurst in seinen Mund. Er zerkaute mich voller Genuss und mein Gemahl Herbert gab sich ebenfalls mit all seiner Würzkraft hin.
Dies war – wenn auch der letzte – der glücklichste Augenblick meines kurzen Lebens.
Huldigt dem König
Er heißt Boso der Erste – König vom Wacken. Ich bin der Pfalzgraf. Ein mancher wird uns bereits kennen. Während ich, der Pfalzgraf meine Größe in zurückhaltender Form gerne unter den Scheffel stelle, so sei dem König was dem König gebührt: Tituliert ihn bitte mit „seine Eitelkeit“.
Doch auch ein König hat seine Sorgen – Auch ein König kommt nicht umhin sich – angesichts unserer modernen Zeit – motorisiert fortzubewegen. Sein altes motorisiertes Fuhrwerk gab er auf. Zum Ersten war es „seiner Eitelkeit“ nicht mehr ebenbürtig, zum Zweiten ging es in technischer Hinsicht den Weg alles Irdischen. Also musste eine neue Droschke – am besten ein Vierspanner – den Weg in die königlichen Pfründe finden.
Doch da unser König ein sehr sparsamer Herrscher ist, überlegte er, wie denn wohl den erdölheischenden Raubrittern, welche erst kürzlich irrtümlich eine ihrer eigenen Trutzburgen im Golf von Mexiko versenkt hatten, ein Schnippchen schlagen könne.
Er beschloss andere, dem Russenvolk angehörige Raubritter mit seinen wertvollen Gulden zu bewerfen und ein Fahrzeug mit Erdgasantrieb zu erwerben. Pest oder Cholera? Er wählte die preiswertere, gasbetriebe Cholera.
So machten wir uns auf den Weg Richtung Magdeburg. Dort sollte eine edle Droschke mit Gasantrieb und seiner Eitelkeit würdig auf ihn warten.
Doch der Weg in die östlichen Gefilde seines Reiches war weit. Viele Stunden waren wir unterwegs. Viele Menschen trafen wir und ein mancher Tankwart hat dem König gehuldigt. Dies ist kein Wunder, denn die pfalzgräfliche Motordroschke verbraucht viel Erdöl. Eine Menge, mit welcher die Raubritter mit dem englischen Namen viele unschuldige Seevögel hätten ermorden können.
Bald kamen sie beim Objekt der königlichen Begierde an. Beim Betreten des Geländes lachte sie an japanisches Motorrösslein aus edelster Zucht bereits verschmitzt an: „Nehmt mich mit, ihr edlen Herren“. Es erinnerte unsere Helden an einen Besuch im Gestüt, wo viele Fohlen auf einen neuen Besitzer warten.
Der König und ich begutachteten das japanische Fohlen, prüften es auf Herz und Nieren und beschlossen es zu adoptieren.
Und wieder wurde dem König gehuldigt. Diesmal von der Besitzerin des Fohlen, welcher wohl die königlichen Euroscheine durch dessen Brusttasche blitzen sah. Sie wurde nicht enttäuscht – Viele Gulden wechselten den Besitzer und Boso der Erste vom Wacken war stolzer Besitzer einer neuen motorisierten Droschke.
„Wie lange reicht das Erdgas aus“? Eine berechtigte königliche Frage an die Verkäuferin. „Ich weiß nicht wie groß der Tank ist“ entgegnete diese verlegen „aber 500 km sollten es wohl sein“. Eine ungefähre aber wohl genügende Antwort.
Wir machten uns auf den Heimweg. Der König mit seinem jungen ungestümen Fohlen, ich mit meinem saufenden Rennpferd.
Doch bereits nach wenigen Meilen meldete sich seine Eitelkeit telefonisch bei mir: „Lass uns anhalten – mein Fohlen hat Durst“. Ich tat wie gewünscht und wieder wurde dem König gehuldigt: 25 Liter des von einem ehemaligen Bundeskanzler offerierten Erdgases wechselten den Besitzer.
Weiter ging die wilde Jagd. Es war bereits spät und wir hofften, dass unsere Gattinnen uns bereits vermissten. Der Magen des Fohlens war nun bis zum Erbrechen gefüllt und sollte bis zur königlichen Burg genügen.
Doch weit gefehlt. Nach wieder 200 km schrie das Fohlen wieder vor Durst schrill auf. Unser König war verzweifelt. Und er war Mathematiker: Wenn das blöde Vieh viermal soviel säuft wie ein Erdölhengst, bringt es meiner Schatulle keine Vorteile. Auch wenn Gerhard Schröders Gas nur die Hälfte von George Bush`s Erdöl kostet. So verlor er sich in destruktiven Gedanken und fuhr weiter bis der Gastank völlig leer war.
Und wieder wurde ihm gehuldigt. Wieder von einem Tankwart. Dieser durfte das Fohlen befüllen bis zum Erbrechen. Doch nach 25 Liter verweigerte dies die weitere Nahrungsaufnahme. Es war satt.
Nun verstanden wir. Das Tier hatte einen zu kleinen Magen. Wohl – wie bei Japanern üblich – genetisch bedingt. Unser König sah sich jedoch glücklich. Er musste das Fohlen zwar täglich zur Tränke führen, doch dennoch: Seine königliche Schatulle würde nicht leiden.
Doch auf Könige und Pfalzgrafen benötigen Nahrung. Nach weiteren Meilen durch ostdeutsche Ländereien gewahr mein pfalzgräfliches Auge von weitem eine königliche Krone. Hell strahlte sie in güldenen Farben in den Abendhimmel. Ich verständigte meinen königlichen Freund: „Ich habe eine Krone im Abendhimmel entdeckt. Willst Du dir wieder huldigen lassen?“
„Ich mag kein MacDonald“ war die unmissverständliche Antwort. Wir fuhren weiter. Viele beleuchtete Kronen kreuzten unseren Weg, jedoch kein Schweineschnitzel auf leckere Art zubereitet. Hiernach stand unser Sinn.
Wieder in den bekannten westlichen Ländereien angekommen, wusste ich wo unsere Begierde nach Schnitzelfleisch Erfüllung finden sollte. Ich übernahm die Führung und leitete das Fohlen mit seinem König an einen mir bekannten Rasthof.
Wieder wurde dem König gehuldigt. Diesmal von einer Bedienung, nachdem er für 2 schnitzelähnliche Gebilde mit Paprikasauce (welche unser König unsagbar hasst) und einen Humpen Bier 30 Gulden berappen musste. Auf diese Huldigung hätte er gerne verzichtet.
Nun trennten sich unsere Wege. Boso der Erste vom Wacken fuhr in sein Reich. Das Reich wo seine Meta vom Hopfenfeld bereits ihren Herrn erwartete. Ich ließ meinem Rösslein freien Lauf. Es möge mich in die Kurpfalz zu meiner Kurpfälzerin führen. Ich kam nach kurzer Zeit glücklich und zufrieden an.
Der königliche Ritt dauerte noch länger an. Eine Sperrung der Rennstrecke ließ ihn die Schönheiten hessischer Landschaften erblicken, sodass er erst am frühen Morgen seine Burg erreichte.
Dort erwartete ihn seine Königin. Sie huldigte ihm mit dem Zepter in der Hand. Einem Zepter wohlriechend und in Form einer italienischen Salami.