Wie regiert man ein Königreich? Viele Systeme wurden getestet- viele scheiterten. Nun ist es an der Zeit ein neues auzuprobieren. Den Hüter der Welt. Tyran Hayke lebt nun schon seit 5 Jahren in Sarok, Stadt der ewigen Mauern, bis ihm eines Nachts drei fremde Gestalten sagen, sie hätten den Auftrag ihn fortzubringen- Tyran weiß nicht wohin, oder warum, doch hat er ganz andere Motive sich in die Welt hinaus zu machen und außerdem ist auch er von der Frage gepackt: Was ist der Hüter der Welt? Dies ist nicht nur die Geschichte eines einzelnen; es ist eine Geschichte über ein ganzes System und wie dieses System zahlreiche junge Leben zerstörte. Wie gesagt, ist das mein erstes Buch und daher bin ich mir über die Qualität noch unsicher, denn ich weiß, dass es noch nicht perfekt ist. Eben darum würde ich mich sehr über Kommentare, Bewertungen und Vorschläge freuen, aber auch wenn sich jemand die Mühe macht und das alles liest. Vielen Dank schon mal!!!
Das helle Lachen des Jungen hallte durch die Luft und erfüllte die engen Gassen der Stadt; gefolgt vom zornigen Rufen eines großen, kahlköpfigen Mannes. ,,Haltet den Dieb”
Es war Sommer in Sarok, der Stadt der ewigen Mauern, und schenkte ihren Bewohnern einige wenige Tage der Wärme und Helligkeit.
Fast jeder war auf den Beinen um diesen herrlichen Tag zu nutzen und so drängten sich die verschiedensten Menschen auf dem Markt von Sarok, den Mittelpunkt der Stadt, um den unterschiedlichsten Tätigkeiten nach zu gehen, denn jeder wusste, dass diese Tage nur von kurzer Dauer waren und daher verlangten besonders ausgekostet zu werden. Niemand wusste wie lange jene sonnigen Tage andauern mochten. Doch auch wenn es nur drei Tage oder zwei Wochen waren, war deren Ende immer gleich. Von einer Minute auf die andere schoben sich große schwarze Wolken vor das strahlende Sonnenlicht und es würde wieder Kälte und Finsternis über den Dächern der steinernen Stadt herrschen und die wenigen Tage des Lichts zu trüben Erinnerungen der Menschen verblassen lassen.
Doch daran dachte heute keiner. Dieser Tag war ein Tag der Freude und Hoffnung und durfte von nichts und niemanden getrübt werden.
Die sonst so missmutigen und schweigsamen Bewohner waren an solchen Tagen wie ausgewechselt und mutmaßten zu neuen Tatendrang.
So hatte auch der junge Dieb, dessen Lachen so hell und klar in der Luft klang, seinen ganzen Mut zusammen nehmen müssen und rannte nun triumphierend vor dem wutschnaubenden Mann davon, dessen Äpfel er sich bedient hatte.
Die Sonne strahlte vom Himmel herab und ließ den goldblonden Schopf des Jungen hell leuchten.
Flink wie ein Wiesel wand sich dieser seinen Weg durch die schnatternde Menschenmenge, einem Mittagessen sehnlichst entgegenblickend. Er wusste der Mann würde ihn nicht mehr einholen.
,,Fang mich doch”, feigste er schalkhaft und bog rasch in eine Seitenstraße ein.
Doch blieb er abrupt stehen als ihm eine schmale, in schwarz gekleidete Gestalt den Weg versperrte.
,,Wohin so eilig?” fragte der Fremde forsch.
War seine Stimme doch scharf und kühl, so enthielt sie keinerlei Hauch von Drohung oder Häme. Dennoch stockte dem kleinen Jungen der Atem, als er verängstigt an ihm herauf blickte. Er kannte den Mann. Die Menschen erzählten sich die sonderbarsten Geschichten über ihn. Der finstere, unheimliche Fremde, der es für gewöhnlich vermied mit Menschen in Kontakt zu treten. Nur alle paar Monate suchte er den Markt auf, doch niemand wusste was genau er da suchte. Ansonsten hielt er sich in Einsamkeit.
Keiner wusste woher er kam oder wer er war. Er war vor einigen Jahren einfach aufgetaucht und lebte seitdem in den dunklen Gassen Sarok. Überall sagte man dieser Mann bringe nur Unheil über die Stadt.
Sein Gesicht konnte man nicht sehen, da er es unter der Kapuze seines schwarzen Mantels verborgen hielt, doch man munkelte er sei kaum älter als achtzehn.
Der kleine Junge konnte das kaum glauben. Zwar ging etwas Beunruhigendes  von diesem Menschen aus, doch gleichsam weckte seine Erscheinung etwas Faszinierendes. Geheimnisvolles.
,,Bitte Herr, lasst mich durch”, flehte der Junge schüchtern. Seine vorherige Zuversicht war von ihm so schnell abgefallen, wie dieser Mann plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war.
Er versuchte sich an ihm vorbei zuschieben.
,,Warte!”, befahl der Mann scharf und hielt den Jungen bestimmt am Arm gepackt.
,,Was hast du da in der Hand?”
Verlegen zeigte er ihm den Apfel.
,,Du hast gestohlen.”
,,Nein, Herr ich schwör es ich-“
,, Lüg mich nicht an!”
Der Mann nahm den Apfel in die Hand und besah sich ihn verwundert.
,,Das ist einer der Äpfel vom kahlköpfigen Olaf”, stellte er schließlich fest.
,,Wie töricht! Weißt du nicht, dass Olaf Diebe hart bestrafen lässt?”
,,Doch Herr...”, murmelte der Junge schuldbewusst.
,,Und dennoch hast du gegen deine Vernunft gehandelt.”
,,Ohne Risiko kein Essen, Herr”.
Nun lachte der Mann kalt und überlegte kurz. Aber als er wieder sprach schlich sich ein winziger freundlicher Unterton in seine Stimme.
„Du bist ganz schön mutig. Nun gut ich werde dir helfen. Laufe die Straße weiter und biege dann rechts ab. Du kommst zu einem kleinen, verlassenen Steinbrunnen. Da bist du in Sicherheit. Ich werde Olaf ablenken.”
Auf einmal erhellte sich das Gesicht des Jungen wieder und er ließ sein wunderschönes Lachen hören. „Herr, ich danke euch! Vielen Dank!” Heilfroh und scheinbar überwältigt von seinem Glück rannte er davon und verschwand schon nach wenigen Sekunden in dem Gewirr von Mauern.
Ich schaute dem Jungen lange hinterher. Sah seine Sorglosigkeit, seinen Mut und seine überschwängliche Freude am Leben.
Mit stummem Bedauern wünschte ich mir, ich könnte ebenfalls so frei und unbeschwert das Leben genießen. Doch das-
war noch nie möglich gewesen.
Gedankenverloren setzte ich meinen Weg fort, raus aus der Seitenstraße und hinein in das wilde Gedränge der Menschenmenge.
Kaum hatte ich einen Schritt aus der dunklen Seitenstraße getan sah ich auch schon, wie erwartet den kahlköpfigen Olaf wild schnauben, sich einen Weg durch die Masse kämpfen.
Mit hoch roten kopf machte er vor mir Halt. „ He du, mach platz ich muss-“, er verstummte jäh, als er bemerkte wen er da vor sich hatte. Für einen kurzen Moment zeichnete sich die Ãœberraschung auf seinem Gesicht ab , doch augenblicklich verwandelte sich diese wiederum in Ärger. ,, Mach Platz”, herrschte er mich an und versuchte sich ungeduldig an mir vorbei zu drängen, doch ich machte keinerlei Anstalten dieser Aufforderung nachzukommen.
,, Was tust du hier?”, fragte ich ihn stattdessen spöttisch. „solltest du nicht lieber bei deinem Stand sein und harmlosen Leuten überteuerte Äpfel anpreisen?”
,,Was tust DU hier?”, erwiderte Olaf und beäugte mich feindselig.
,,Warum sitzt du nicht allein in der Gosse und verschonst uns mit deiner Anwesenheit?”
,,Das geht dich wohl kaum was an. Du allerdings solltest wieder zu deiner Ware gehen, sonst klaut noch jemand was“, antwortete ich betont darauf, den Anflug von Zorn zu verbergen, den Olafs Worte hervorgerufen hatten.
Dieser schien nicht minder zornig über meine Aussage und stellte sich genau mir gegenüber. Er überragte mich fast über einen halben Kopf und blickte nun feindselig zu mir herunter.
,, Sag mir nicht was ich tun soll”, fauchte er. „ Ich höre nicht auf die Worte eines kleinen, jämmerlichen Bastardes, dessen zu Hause die Gosse und Gesellschaft die Kanalratten sind.” Mit einem hämischen Lachen ging er an mir vorbei, während ich wie angewurzelt stehen blieb.
,,Warte!”, rief ich schließlich und drehte mich zu ihm um.
,,Was?”, erwiderte Olaf und spuckte mir vor die Füße. „ Man sollte dich aus der Stadt jagen. Du bist eine Schande für Sarok! Du bist-“
Doch noch bevor er diesen Satz beenden konnte lag er schon keuchend auf den steinernen Boden und sah wutentbrannt  zu mir hoch.
Ich starrte mit ausdruckslosen Gesicht auf ihn herab.
Augenblicklich bildete sich eine Menschentraube um Olaf und mich.
„Was hast du getan?“ „ Oh mein Gott, er hat ihn niedergeschlagen!“ und auf einmal spürte ich die Blicke aller wie Feuer auf mich gerichtet- Blicke tiefster Verachtung und Abneigung.
,, Das wirst du noch bezahlen du elender Pisser!” keuchte Olaf und rappelte sich auf.
Ohne ein Wort ging ich davon. Einige der Umstehenden waren drauf und dran mir zu folgen, doch Olaf hielt sie auf.
,,Wartet,” rief er und flüsterte dann:,, Der kriegt schon noch was er verdient.“
,, So ein Mist!”, fluchte ich. Ich kann mich hier nie wieder blicken lassen! Der Kerl bringt mich um.”
Wütend ließ ich mich an der kalten Steinmauer hinunter sinken.
Ich war wieder in die dreckigen, verwinkelten Gassen Saroks geflüchtet, wo ich sicher vor jeglichen Rachegelüsten Olafs war. Jedenfalls fürs erste…
Die Sonne schien warm auf mich herab und erhellte den steingepflasterten Weg vor mir. Ich blickte verdrossen zu ihr hinauf, weil ihr Strahlen und ihre Wärme so gar nicht zu meiner jetzigen Stimmung passen wollten. Missmutig legte ich meinen langen schwarzen Mantel ab, der an solchen Tagen eher überflüssig,  als Tarnung jedoch unerlässlich war und wischte mir mit der Hand den Schweiß von der Stirn.
Dabei fiel mein Blick auf den dunklen Stofffetzen, der nun schon seit drei Jahren meinen linken Handrücken verdeckte.
Seufzend ließ ich sie sinken und lehnte meinen Kopf gegen die kalte Steinwand. Das kühle Pflaster war eine Wohltat für das unablässige Pochen in meinem Schädel.
Das war so ziemlich das Schlimmste was mir in Sarok widerfahren war. Ich konnte nie wieder ins Stadtinnere zurückkehren. Zwar waren die Bewohner noch nie gut auf mich zu sprechen gewesen, was mich bisher auch nicht gekümmert hatte, doch Olaf war berüchtigt dafür, dass derjenige, der es wagte sich mit ihm anzulegen, so gut wie tot war. Ich konnte froh sein wenn sie mich nur aus der Stadt jagen würden, obwohl auch dieser Gedanke mich erzittern ließ. Ich konnte hier nicht weg! Wohin zum Teufel sollte ich dann gehen?!
,, Hör auf zu jammern!“, schoss es mir durch den Kopf.
„Du kannst hier ohnehin nicht für immer bleiben. Du hast eine Aufgabe!
Nur deshalb bist du überhaupt noch am Leben!“ Ich schüttelte den Kopf.
,,Das hätte ich nicht tun sollen...”murmelte ich und vergrub verzweifelt das Gesicht in den Händen.
,,Na, ist die ganze Welt wieder gegen dich?”, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir.
Ich zuckte vor Schreck zusammen und drehte mich um.
Als ich überrascht auf blickte, sah ich wie sich aus dem Schatten einer Seitenstraße langsam eine dunkle Gestalt formte.
Ohne zu Zögern sprang ich auf und stürzte mich blind vor Wut auf den Fremden. Rücksichtslos stieß ich ihn zu Boden, doch er schlug mich zugleich mit unerwartender Kraft beiseite, worauf ich ihn wieder prompt meine Faust gegen seinen Schädel rammte.
,,Ty, reg dich ab, sonst kannst du dir dein Zeug demnächst selber besorgen!”, hustete mein Gegner. Ich hielt kurz inne und erkannte nun das Gesicht des Fremden.
Sofort sprang ich hoch und blickte die Gestalt vor mir erstaunt an. Es war die eines Mannes- weder alt noch jung. Schlank und hochgewachsen, mit glatten weißen Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte. Seine Kleidung war stillvoll und elegant und bildete damit einen nur allzu starken Kontrast zu seiner Umgebung. Er trug einen grauen Anzug über den er einen weißen Umhang gelegt hatte. In der einen Hand hielt er einen aus hellem Holz gefertigten Spazierstock, mit der anderen fuhr er rasch in die Innentasche seiner grauen Weste und blickte stirnrunzelnd auf das Zifferblatt einer schneeweißen Taschenuhr.
Mühsam rappelte der Mann sich wieder auf die Beine, während er seinen ebenfalls grauen Zylinder vom Boden auf las und ihn schwungvoll wieder auf seinem Haupt platzierte.
,,Mein Gott, wenn du wütend bist schlägst du noch heftiger zu als sonst”, klagte er und rieb sich den schmerzenden Schädel.
,,Was tust du hier?”, fragte ich ihn unwirsch, ohne ein Wort der Entschuldigung, und verschränkte verärgert die Arme vor der Brust.
Der Mann vor mir hatte sich nun zur vollen Größe aufgerichtet; er war somit nun einige Zentimeter größer als ich, und blickte mit einem amüsierten Lächeln zu mir herunter.
,, Du bist nicht wie vereinbart gekommen. Da dachte ich mir, ich schau mal wo du bleibst”.
,,Willst du mich verarschen?”, erwiderte ich und hob zweifelnd die Augenbrauen.
,, Freundlich wie immer”, lachte er und blickte abschätzig zu mir herüber.
,, Warum so argwöhnisch? Kann ich nicht einfach vorbeikommen, und mal nach meinem alten Freund schauen?”
,, Ich bin nicht dein Freund”.
,, Wie schade”, erwiderte er und lächelte belustigt.
Ich wiederum blickte ihn immer noch Zorn funkelt an.
,, Warum bist du dann bisher noch nie zu mir gekommen? Da hätte ich es mir ersparen können jeden Monat über diesen verdammten Markt zu laufen, um dich zu suchen.”
,,Wenn du nie aus diesen Gassen raus kommst, verschimmelst du hier noch irgendwann”.
Er lächelte verschmitzt und fügte hinzu: ,, Und das kann ich bei meinem besten Kunden doch nicht riskieren oder?”
Ich schnaubte nur verärgert.
,, Hast du’s wenigstens dabei?”
,, Nein.”
,, Nein???”, brüllte ich. ,, Du-“
,, Jetzt schrei nicht schon wieder, sonst hört uns noch jemand”.
Ich schaute mich verstohlen um.
,,Hier?”
,, Man kann nie wissen wo sich diese kleinen Ratten verstecken.“
Er senkte verschwörerisch die Stimme.
„Für wie blöd hältst du mich eigentlich? Denkst du ich schlepp das Zeug quer durch die ganze Stadt? Du musst schon mit zu mir kommen. Da ist alles was du brauchst.”
,,Ich kann nicht”, sagte ich sofort.
Er lachte. ,, Warum nicht? Musst du zu Hause sein bevor es dunkel wird?”
„ Ich...”
,, Hast Angst vor dem Glatzkopf, he?”
Ich gab keine Antwort.
Er seufzte theatralisch und schritt auf und ab.
,, Was mach ich nur mit dir. Dass du dich aber auch immer mit den Schlimmsten anlegen musst.”
,, Ich habe dich nicht um deine Hilfe gebeten.”
,, Natürlich nicht. Das wäre auch unter deiner Würde”. Er warf mir einen spöttischen Blick zu.
,, Keine Sorge. Ich kenne die Straßen Saroks besser als jeder andere. Bei mir bist du sicher”.
Ich blickte ihn stirnrunzelnd an. Obwohl ich insgeheim froh über sein großzügiges Angebot war, überkam mich dennoch Misstrauen.
„ Was willst du dafür?”
Er grinste erneut sein schelmisches Lächeln und antwortete: ,, Ich überleg’s mir noch.”
Und so machten wir uns beide auf den Weg.
Gemeinsam durchquerten wir die steinernen Gassen Saroks.
Vorbei an endlos zu scheinenden immerzu schwarzen Steinmauern, die zusammen ein großes und verwirrendes Straßennetz bildeten. Manche Wege und Gassen waren so verschlungen,
dass es leicht passieren konnte, mal für ein oder zwei Wochen zu verschwinden, wenn man sich zu weit in dieses Labyrinth hineingewagt hatte.
Einerseits ein Segen für mich, denn auf diese Weise, war es für andere so gut wie unmöglich einen zu finden.
Andererseits hatte ich selbst auch schon öfter als einmal eine falsche Abzweigung genommen und oft Tage damit zugebracht wieder den richtigen Weg zu finden.
Daher hielten sich die meisten Bewohner im Stadtinneren auf, wo es jedem, dank zahlreichen Schildern und Wegweisern ein Leichtes war nach Hause zu finden.
Der einzige Ort, der von jeglichen Abzweigungen verschont blieb, war der Marktplatz, der wegen seiner enormen Fläche das geliebte Zentrum der Bürger war und auf dem sich sowohl zahlreiche Kaufstände als auch der Sitzpunkt der Regierung befanden.
Regiert wurde die Stadt von Theodor Addenbury, ein engstirniger, alter Mann, dessen Familie sich bei der Gründung Saroks selbst zur Herrschaftsfamilie gekrönt hatte. Mochten Addenburys Vorfahren einst weise und gerecht gewesen sein, so war ihr jüngster Nachkomme von diesen Tugenden verschont geblieben, denn Addenbury war ein wahrloser Herrscher und leicht zu beeinflussen.
Nein, man konnte nicht gerade behaupten, dass Sarok besonders fortschrittlich war.
Wenn man den Erzählungen glaubte, dass es außerhalb der Stadt, riesige Türme aus puren Eis, eine Festung in den Tiefen eines Vulkans und ein Schloss hoch oben in den Wolken geben sollte, dann kam es einen schon fast beschämend vor, ein Bürger der Stadt der ewigen Mauern zu sein.
Doch kaum einem der Bewohner war es je gelungen auch nur einen Fuß aus dieser Stadt zu setzen, denn um das zu schaffen musste man erst den Weg durch das steinerne Labyrinth aus Gassen finden und das hatte noch keiner überlebt.
Aber ich hatte so den Verdacht, dass der Mann der gerade mit mir durch die verlassen Straßen lief, es schon das ein oder andere mal geschafft hatte.
Dean Tabbert kannte diese Straßen besser als jeder andere und besaß das unglaubliche Talent sich in diesem verwirrenden System zurechtzufinden. Er durchschritt sie selbstsicher, als hätte er sie eigens erbaut, wie immer seelenruhig vor sich hin pfeifend.
Ich runzelte die Stirn. Der hatte vielleicht Nerven, jetzt mit Gelassenheit zukommen.
Doch so war es nun mal- für Dean waren Probleme nur kleine Unstimmigkeiten, die, bei näheren betrachten doch nur überzogen waren und am Ende gar keine Problem darstellten.
Wir waren keine Freunde, das hätte ich nie zugelassen und dennoch war ich von ihm abgängig, von dem Tag an, an dem er mir vor knapp drei Jahren das Leben gerettet hatte.
Als ich zu jener Zeit, ausgehungert und halb erfroren, in diese Stadt gekommen war, war auch ich sofort ihrem tückischen Straßenlabyrinth erlegen gewesen, und hätte da wohl auch mein Ende gefunden, wenn Dean mich nicht gefunden hätte und mit zu sich genommen hätte.
Eine Zeit lang lebte ich bei ihm, bevor ich mich entschloss, mich wieder allein durchzuschlagen, solang man das allein nennen konnte, weil ich gezwungen war, Dean jeden Monat aufs Neue aufzusuchen.
,, Warum hast du den alten Kahlkopf eigentlich eins reingehauen?”, fragte Dean plötzlich und riss mich aus meinen Gedanken.
,, Geht dich das was an?”, entgegnete ich gereizt.
,, Ich denke schon”, erwiderte Dean unberührt. ,, Wenn man bedenkt, dass ich dir gerade den Arsch gerettet habe.”
,, Woher weißt du das überhaupt?”, fragte ich ihn, statt eine Antwort zu geben.
,, Na ich war dabei,” antwortete er schlicht.
Ich starrte ihn mit aufgerissen Mund an, während ich gleichzeitig spürte, wie der Zorn in mir hoch kochte.
„ Du Bastard, warum hast du nichts gemacht!!??”, schrie ich ihn an.
Dean lachte. ,, Warum denn? Bist ja auch ganz gut ohne mich klar gekommen.”
Ich war noch immer fassungslos. ,, Verfolgst du mich oder was?”
Dean lachte erneut, antwortete jedoch nicht.
,,Sag schon!”
Er hielt an und drehte sich mit ernstem Gesicht zu mir um.
,, Nimm dich selbst mal nicht so wichtig, Tyran. Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte als dir den ganzen Tag hinterher zu laufen.”
Ich wollte gerade etwas erwidern, da grinste er schon wieder.
,, Immerhin bist du nicht mein einziger Kunde, Ty. Denk dran.”
Er grinste erneut und schlenderte wieder gelassen die Straße entlang.
Ich war kurz davor ihm weiter anzuschreien, doch besann ich mich eines Besseren.
Es hatte keinen Sinn mit Dean zu diskutieren.
Also beschränkte ich mich auf einen nachgeworfenen verachtenden Blick und folgte Dean schweigend.
Doch plötzlich verdunkelte sich der Himmel über uns. Schwarze Wolken brauten sich zusammen und raubten jedwedes Sonnenlicht. Schlagartig kehrte die gewohnte Finsternis zurück, gefolgt von einer frostigen Kälte. Leicht zitternd zog ich meinen Mantel wieder an.
,, Seltsam, dass die Sonnentage dieses Jahr nur drei Tage angedauert haben”, bemerkte ich und starrte gen Himmel, der mittlerweile so dunkel war, dass nur noch die Sterne silbriges Licht spendeten.
,, Wir können froh sein, dass sie überhaupt noch existieren. Sie werden immer kürzer und schwächer”, gab Dean zurück und bog in eine schmale Seitengasse.
Eine Weile lang liefen wir nur stumm hintereinander her, - jeder in seinen eigenen Gedanken vertieft und ich begann mich zu fragen, wie lange es noch dauern würde, bis wir unser Ziel erreichten.
Und endlich- Vereinzelt wurde das eintönige schwarze Muster der Steinmauern von helleren unterbrochen, die die Vorderwand eines Hauses zeigte.
In Sarok gab es keine frei stehenden Häuser. Alle führten genau dieselbe gerade Linie der Mauern fort.
Aufgrund der vielen verschlungenen Gassen gingen die Wohnungen nicht weit
nach hinten, sondern erstreckten ihre Größe umso mehr in die Höhe. Und so kam es, dass wir an einer ständigen Front von Steinhäusern vorbei liefen, die sich hoch über unseren Köpfen erstreckte. All diese Häuser hatten ihre besten Jahre bereits hinter sich gebracht. Die einst so soliden Steinmauern begannen zu bröseln, in den Dächern fand man vereinzelt Löcher.
 Diese Häuser zeigten das wahre Gesicht der Stadt- Armut und Verfall. Diese Stadt fraß sich selbst von innen auf.
Wir durchquerten eine lange Wohnsiedlung, vorbei an einer ständigen Wand aus Stein, die gelegentlich von einer Tür oder einem Fenster unterbrochen wurde.
Es herrschte vollkommene Stille. Niemand war mehr auf den Straßen. Der plötzliche Einbruch der Nacht musste der Auslöser dafür gewesen sein, dass alle sich rasch in ihren Häusern verkrochen hatten. Niemand der Bürger war noch außer Haus, denn die Gefahr sich vielleicht im wirren Straßennetz zu verirren war zu hoch.
 Und auch für mich wurde es immer schwerer Deans Gestalt in der Düsternis im Auge zu behalten, doch ich wusste, dass es nicht mehr weit war.
Und tatsächlich, nach einer weiteren halben Stunde, als der Himmel sich zu einem donnernden Pechschwarz verfinstert hatte, hielt Dean abrupt an.
Ohne ein weiteres Wort kramte er kurz in den Taschen seines Mantels und ein kleiner silberner Schlüssel kam zum Vorschein. Er steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte zweimal
um und wir betraten das beschauliche Ansehen von Dean Tabbert, den genialsten Drogenhändler der jemals in Sarok gelebt hatte.
So vergingen die Tage. Und mit der Zeit kam ich nicht umhin mir einzugestehen, dass ich den Wohlstand in Deans Haus genoss, der sich mir nach fast drei Jahren Straßenleben, in Übermaßen anbot. Der Gang nach draußen war mir zwar für die ersten Tage unmöglich, doch schon bald kamen die Erinnerungen an die verschiedenen Wege in Deans Anwesen zurück und verschafften mir einen erneuten Einblick in das faszinierende Geschäft meines Gastgebers.
Offiziell war Dean ein Mediziner bekannt als wahrer Wundervollbringer, wenn es darum ging Menschen zu heilen.
Nun, das war die offizielle Form seiner Arbeit, doch es war eine unausgesprochene Allgemeinweißheit, dass er der Stadt viel mehr in dem Bereich der Seelenbereinigung eine Bereicherung war.
Egal ob, Depression, Jähzorn, Paranoider, oder Schizophrenie, gegen alle Geistesverwirrungen hatte Dean Tabbert das richtige Gegenmittel.
Sorgen wegen einer Bestrafung musste er sich nicht machen.
Die Stadt brauchte ihn. Sogar der Bürgermeister bestellte regelmäßig Pillen gegen Schlaflosigkeit und der Polizeichef war einer seiner treuesten Kunden was die Mittel gegen Zwangsneurose anbelangte. Welches Oberhaupt einer Stadt wäre so dumm und würde solch eine Person verhaften?
Und so verbarg man Deans Tätigkeiten sorgsam unter der Maske eines Mediziners, auch wenn er in dessen Fähigkeiten, körperliche Verletzungen zu behandelt, so wenig bewandert war, wie jeder andere.
Ob fähig oder nicht, seinem Vermögen schadete es auf keinen Fall.
Dean war so ziemlich der wohlhabenste Mann in der Stadt und auch wahrscheinlich der, der sein Vermögen am meisten präsentierte.
Es stellte sich heraus, dass nicht nur seine Eingangshalle und seine Bibliothek von Reichtum strotzten, sondern jeder Raum ein erstaunlicher Anblick war.
Die sieben Türen im zweiten Stock führten dabei zur Küche, in der sich jedoch keiner von uns allzu oft aufhielt, da wir beide mehr Schaden als Nutzen in diesem Gebiet gebracht hätten; das Esszimmer, um genau zu sein ein vergleichsweise kleiner Raum mit einem großen, eleganten Holztisch und drum herum sechs Stühle; die Bibliothek hinter der sich wie ich wusste noch Deans Privatzimmer befand, ich allerdings aus Prinzip nicht betrat; das Wohnzimmer; ein gemütlicher Raum mit Kamin und bequemen Ledersesseln; das Bad; das Labor, in dem Dean seine “Medikamente” herstellte; und schließlich das Zimmer von Thomas und mir, auch wenn es nun eher mein Zimmer war, da Thomas sich freiwillig dazu bereiterklärt hatte, im Wohnzimmer zu nächtigen.
Ja genau Thomas war immer noch da!
Eine Tatsache, die ich sofort versuchte Dean auszureden.
,, Warum ist diese kleine Nervensäge immer noch bei dir?”, fragte ich Dean eines Abends, während wir gemeinsam in je einem Sessel vor dem Kamin im Wohnzimmer saßen und Pfeife rauchten, und darauf warteten, dass Thomas das Abendessen zubereitete. Normalerweise hätte ich mich nie darauf eingelassen mit Dean fast freundschaftlich in einem Raum zu entspannen, doch als er mir von seinem grandiosen Tabak aus einem angeblich weit weit entfernten Land vorschwärmte, hatte ich keine Einwände mehr.
Dean seufzte und blies kleine Rauchringe aus.
,, Was stört dich denn daran? Der Kleine ist es, der auf einmal kein Zimmer mehr hat”.
Ich überging diese Bemerkung und harkte statt dessen weiter nach:,, Wozu brauchst du den denn noch?”
,,Würdest du für mich kochen und putzen?”, war Deans Antwort.
,, Nein!”
,, Dann hätte sich das ja geklärt.”
Und somit war diese Diskussion beendet noch bevor sie begonnen hatte.
Doch mit der Zeit lernte ich Thomas Angst vor mir, gezielt auszunutzen und seine Anwesenheit zu akzeptieren. Ich weiß nicht wieso aber ein warnender Blick oder ein abfälliges Schnauben und mein Bett war immer gemacht, mein Frühstück immer vorbereitet und meine Kleidung gewaschen und geflickt.
Dean ging ich tagsübergezielt aus dem Weg und verbrachte daher sehr viel Zeit allein in der Bibliothek und bewunderte die gesammelten Werke, die darin aufbewahrt wurden, während Dean meist in seinem Labor war und mit irgendwelchen Formeln herumexperimentierte; wobei es schon das eine oder andere Mal vorgekommen war, dass plötzlich ein lauter Knall ertönte und Dean ruß verschmiert aus der Labortür trat mich belustigt angrinste und mit den Worten: ,, Ich würd‘ da jetzt nicht reingehen“, in seinem Zimmer verschwand und darauf wartete bis Thomas den Schaden beseitigt hatte. Doch ab und zu verbrachten wir die Abende zusammen, vor dem Kamin sitzend und Zigarre rauchend.
Alles in allen führte ich ein sehr behagliches Leben, seit ich es in Dean Tabberts Anwesen verbrachte und vielleicht hätte ich dieses Leben auch noch über Jahre weiter führen können, wenn nicht dieser eine Abend gewesen wäre.
An diesem besagten Abend ging ich spät zu Bett, da ich Dean noch lange in seinem Labor ausgeholfen hatte, wobei man unseren Zustand nach einigen Zigarren und mehreren Gläsern Whisky nicht mehr Arbeit nennen konnte.
Während wir stundenlang über den kahlköpfigen Olaf hergezogen hatten, hatten wir ganz die Zeit vergessen und nun schleppte ich mich, leicht trunkend, in mein Zimmer und schmiss mich so wie ich war auf mein Bett, ohne mir bewusst zu sein, dass ich etwas sehr Wichtiges zu tun vergessen hatte. Ein großer Fehler!
Kaum hatte ich meinen Kopf auf die weichen Kissen gelegt, umfing mich auch schon tiefe Finsternis und hüllte mich in einen Schlaf, der drohte auf ewig einer meiner schlimmsten zu werden.
Alles war dunkel. Ich wollte die Augen nicht öffnen- wollte nicht sehen, nicht spüren.
Doch ich spürte es.
Spürte die warme Flüssigkeit überall an meinem Körper. Sie klebte an meinen Händen, lief mir über mein Gesicht, benetzte meine Lippen- und ich erkannte den Geschmack- Blut!
Ich will es nicht sehen. Nicht Spüren. Nicht hören! Nein ich will es nicht hören, bitte!
Doch ich hörte es. Ein lautes, schadenfrohes Lachen schallte durch meinen Kopf und erfüllte meinen ganzen Körper mit diesem Ton.
,, Nein…..“, flüsterte ich und spürte Blut aus meinem Mund tropfen. Ich hustete.
Das Lachen wurde lauter. Immer LAUTER! Bis ich schließlich Worte entnahm, die anklagend in meinem Kopf nachhallten.
,, Du jämmerliches Stück Dreck! Tyran, du bist nichts. Nichts als ein Feigling! Fürchtest du dich? Hast du Angst? Du versteckst dich. Hast nicht den Mut dich deiner Pflicht zu stellen.
Und ich dachte du wolltest dich rächen. Mich töten!
Damals vor drei Jahren konntest du mir entkommen, doch ich werde dich finden. Dich vernichten. Dich büßen lassen für deine Untreue und ich werde es genießen.
Ich werde dich töten und es gibt nichts was du dagegen tun kannst. Ich bin stärker als du.“
Das Lachen wurde lauter. Verzweifelt presste ich die Hände gegen meine Ohren, doch die Worte dröhnten weiter- laut und erbarmungslos.
,,Feigling! Versteckst dich vor der Realität! Vor dir selbst! Vor dem was du bist und vor dem was dir zu tun auferlegt wurde. Mir zu gehorchen!
,, Feigling….Feigling…!“
,, Nein bitte…“, ich begann zu wimmern.
,, Du bist wertlos. Du hast es nicht verdient zu Leben. Ich werde dich töten und keinem wird es auffallen, dass du fort bist.“
,,nein…“
Feigling!“
,,Nein….“
,,Gehorche Tyran. Gehorche!
,,Nein!“
,,Beuge dich meinem Willen!“
,,NEIN!!!!“
Schlagartig öffnete ich die Augen, doch erst als ich bemerkte, dass ich mich wieder in der Wirklichkeit befand, erlöst von diesem Alptraum, verklang mein Schrei.
Von Panik erfüllt richtete ich mich auf und verharrte kurz kerzengerade auf meinem Bett, während ich immer noch keuchte und am ganzen Körper zitterte.
Was war…? War das wieder…? Nein…! Nein!“
Ich zuckte zusammen und griff hastig zu dem kleinen Nachtisch neben mir, in dem sich in einer Schublade das Tütchen mit den Pillen, die Dean mir gegeben hatte, befand. Nachdem ich eine geschluckt hatte, erhob ich mich immer noch heftig zitternd und lief ziellos in meinem Zimmer umher, während ich ungeduldig auf die Wirkung wartete.
Wie konnte das nur passieren? Wie konnte ich nur so gottverdammt dämlich sein?!!!
Wutentbrannt griff ich nach der Lampe auf meinem Nachttisch und schleuderte sie gegen die gegenüberliegende Wand, wo sie in kleine Einzelteile zerbrach.
Es war nur ein Traum…..Nur ein Traum…..es hat nichts zu bedeuten…..- Nur ein Traum?! Nur ein Traum, aber mit dem Ausmaß von Realität!
Meine Gedanken überschlugen sich. Mir kam es vor als würde mein Kopf gleich zerbersten, überfüllt von all diesen verwirrenden Gedanken.
Mich überkam ein Schwindel. Anfangs nur schwach, doch schon spürte ich wie mir schwarz vor Augen wurde und ich benommen zu Boden sackte.
Meine Bewusstlosigkeit war nur von kurzer Dauer, wahrscheinlich nur ausgelöst aufgrund des Schockes, den diese furchtbare, nächtliche Erscheinung hervorgerufen hatte.
Nun saß ich da, den Rücken an die Wand gelehnt. Mit den Beinen an die Brust gezogen und das Kinn auf den Knien gelegt, verharrte ich einige Minuten.
Die Pille hatte mir einen Moment der Sorglosigkeit geschenkt, wenn auch einen sehr kurzen, doch war ich nun in der Lage, meine Gedanken zu ordnen und ihnen Klarheit zu verschaffen. Immer noch schockiert, aber wenigstens aus der Gefahr abermals das Bewusstsein zu verlieren.
Sie waren zurückgekehrt. Deans Pillen hatten es geschafft, dass ich ihre Existenz beinahe vergessen hatte, doch war das alles nur eine Täuschung und sobald ich diese für zu selbstverständlich nahm, kehrten diese Alpträume mit all ihren grausamen Einzelheiten immer wieder zurück.
Verdammt warum habe ich nur vergessen diese verdammte Pille zu schlucken!
,, Selber Schuld“, schoss es mir verdrießlich durch den Kopf.
,, Du weißt du bist abhängig von diesen Medikamenten, und das wirst du ewig sein.“
Und wie zu Bestätigung dieses Gedankens, strich abermals ein Wort durch mein Bewusstsein und setzte sich hartnäckig darin fest: Feigling!
Es stimmte. Ich bin ein Feigling!
Viel zu lange versteckte ich mich jetzt schon bei Dean und genoss das Leben in freien Zügen. Und weshalb? Weil ich mich vor Olaf versteckte?
Was für eine lächerliche Ausrede. In Wahrheit verstecke ich mich vor meiner Aufgabe. Ich habe diesen Alptraum gebraucht, um mich dessen bewusst zu werden, und verdiene diesen Schmerz, den er hervorruft. Ich bin ein Feigling; Ich habe nichts anderes verdient, als für meine Feigheit zu bezahlen!
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Ich spürte wie ich erneut anfing zu zittern. Das Gefühl der Übelkeit kehrte ebenfalls zurück. Ich würgte.
War das Teil der Bestrafung, dass ich mich nun so krank fühlte? Musste ich eine Art Buße tun um dieses Gefühl überwinden zu können und mich jedweden Zweifel zu entledigen…... …………………………………………………………………………………………………………….?
Bei diesen Worten flog ein mattes, ironisches Lächeln über mein Gesicht.
Ich spreche als wäre ich ein Sünder.
Was habe ich schon getan? Gegen welche Gebote, außer meinen eigenen habe ich schon verstoßen?
Um genau zu sein, was habe ich schon falsch gemacht, außer, dass ich für einige Wochen beinahe glücklich war? Außer, dass ich…beinahe ein normales Leben führte? Möglicherweise habe ich mich ja gar nicht versteckt, sondern mache nur eine Pause gemacht. Nur eine Pause, das habe ich mir doch verdient, oder?
Nach all dem was passiert ist…
Es wäre ja nicht für ewig- nicht mehr für lang.
Vielleicht breche ich nächste Woche schon auf. Vielleicht morgen.
Ich habe doch Zeit. Ich werde es tun! Bestimmt! Nur noch ein bisschen Zeit. Nur noch ein bisschen Zeit……nur noch ein bisschen Zeit……nur noch-
,, DU LÃœGST!!!!!!!“
Voller Hass sprang ich auf und hämmerte wie ein Wahnsinniger gegen den harten Stein meiner Zimmerwand, während ich immer wieder dieselben Wörter schrie, so laut wie ich konnte: ,, Du lügst!“
Ich stoppte auch nicht, als die Haut an meinen Knöcheln und Handgelenk aufsprang und Blut meine Hände hinunter lief. Dieser Schmerz war eine Genugtuung.
,, Fühl es!“, durchbrach ich mein monotones Geschrei.
,, Fühl die Schmerzen! Nichts anderes hast du verdient!
Du bist nicht nur ein Feigling, sondern auch noch ein elender Heuchler!
Du verdienst nichts anders als zu leiden; Ansonsten siehst du es doch nicht ein!
Tyran, DU HAST KEIN EIGENES LEBEN!
Du hast nie eines gehabt. Deine Zeit auf Erden war verwirkt, noch bevor sie begonnen hat und es wird NIEMALS anders sein!
Du solltest schon längst tot sein. Und warum bist du es nicht?! Hä???!!!!!
Weil du dir geschworen hast, nicht von dieser Welt zu verschwinden, bevor Sie, nicht dafür bezahlt haben, für das was sie dir angetan haben.
Das ist dein Ziel. Sie büßen lassen, die töten. Rache zu nehmen - das ist der einzige Grund deiner noch vorhandenen Existenz!
Das ist dein Schicksal und davon KANN MAN KEINE PAUSE NEHMEN!
HÖRST DU? DU WIRST NIEMALS GLÃœCKLICH SEIN. NIEMALS, SOLANGE DU AUF ERDEN WEILST! NIEMALS! DEINE EINZIGE ERLÖSUNG IST DER TOD!“
*Knack* Ein betäubender Schmerz durchfuhr blitzartig mein linkes Handgelenk.
Ich schrie gequält auf sackte an der mittlerweile blutverschmierten Wand hinab.
Ich zitterte heftiger den je und mein Atem ging schnell und unruhig.
Ein brennendes Gefühl stieg in meinen Augen auf und meine Schultern begannen krampfartig zu zucken.
,, Hör auf,“ wimmerte ich leise.
,, Tyran, ich bitte dich hör auf zu weinen. Es wird bald alles vorbei sein. Schon bald wirst du erlöst sein. Vertrau mir. Es wird alles gut.
 Du warst nur eine Zeit lang verwirrt und musstest wieder auf den rechten Weg gelenkt werden.
Nun zeige deine Reue und räche dich endgültig!“
Stille. Das einzige Geräusch in diesem Raum war nun nur noch ein leises Schlurzen.
Minuten vergingen bis sich mein Körper schließlich bewegte und ich mühsam zu meinem Nachttisch kroch. Langsam tastete ich nach der Tüte mit den Pillen, fand sie und nahm eine.
Danach ließ ich mich fallen.
Verlor jegliches Zeitgefühl. Ein schwerer Druck legte sich auf meinen Geist.
Mein Atem ging langsam und ruhig. Langsam und ruhig lag ich und wartete, und wartete…
Wie viel Zeit war vergangen? Ich wusste es nicht. Ich öffnete meine Augen und rappelte mich mühsam hoch.
,, Au!“ ich zuckte zusammen, als ich mich mit meiner linken Hand abstützte und sie wegknickte. Ich blickte auf meine Hände die blutüberströmt waren.
Abgesehen davon ging von meinem linken Handgelenk ein vehement pochender Schmerz aus.
Ich seufzte- wahrscheinlich gebrochen…- Verdammt!
Mit zusammen gebissenen Zähnen versuchte ich meine Verletzung weiter in Augenschein zu nehmen, was jedoch die Tatsache erschwerte, dass meine linke Hand, vom Gelenk, den kompletten Handrücken verdeckend, bis zu den Fingerknöcheln, verdeckt war.
Ein schwarzes, schmutziges Stück Stoff war dort seit drei Jahren um meine Hand gewickelt.
Nein, warum ausgerechnet die Hand!?
Ich zögerte, aber die Verletzung würde schlimmer werden, und benötigte eine Behandlung.
Vorsichtig schob ich meine Finger unter den Stoff, doch sie schnellten augenblicklich wieder zurück, als ich vor Schmerz zusammen zuckte. Oder war es doch wegen der anschwellenden Anspannung, wegen dem was unter diesem Stoff war, und ich…..Ich wollte es nicht sehen…NIE MEHR!!!
Als hätte mir jemand heftig ins Gesicht geschlagen, zuckte ich zusammen und schaffte es mich mühsam wieder aufzurichten.
Eine Zeit lang stand ich bewegungslos im Raum- bis : ,, So eine Scheiße!!!!!“
Mit einem lauten Aufschrei, packte ich den kleinen Nachttisch neben mir, und schleuderte ihn ebenfalls gegen die Wand.
Mein Herz raste vor Zorn, der, so fühlte es sich an, seit Monaten endlich seinen Weg nach draußen gefunden hatte.
Was für eine jahrelange Zeitverschwendung! Was hatte ich nur die ganze Zeit getan!!???
 Und mit diesem Gedanken wurde mir endlich klar, jede Sekunde, die ich weiterhin in dieser Stadt verbringen würde, wäre nur eine weitere Flucht vor der Wirklichkeit- eine weitere Flucht vor mir selbst.
Und ich wollte nicht mehr fliehen. Ich wollte töten!
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Nachdem ich nach wenigen Minuten all meine Habseligkeiten sicher in einer kleinen Tasche verstaut hatte, blickte ich vor dem Verlassen noch einmal in den halbverwüsteten Raum zurück, der immerhin eine Zeit lang etwas wie mein zu Hause gewesen war.
Doch ich zwang mich diesen Anflug von Melancholie nicht Überhand gewinnen zu lassen und verbannte ihn tief im Inneren meines Herzens, zusammen mit all den anderen unnötigen Gefühlen in mir, die bloß meinen Verstand vernebeln, und baute eine Mauer aus Hass und Entschlossenheit um sie, in der Hoffnung, dass sie mich nie wieder vergessen ließen für was ich lebte.
Geleitet von diesem Gedanken verließ ich den Raum- verließ das Haus, und setzte meinen Weg durch Sarok, hinaus aus der Stadt und hinein in eine andere Welt, an.
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 Ich rannte. Die kalte Nachtluft, die diese gottverdammte Stadt jede Nacht heimsucht, schlug mir erbarmungslos ins Gesicht. Meine Beine protestierten vehement gegen die plötzliche Anstrengung, die ich ihnen zumutete. In meinem Kopf hämmerte ein starker Schmerz, da, wo mich Olaf und seine Kumpanen noch vor ein paar Sekunden brutal niedergeschlagen hatten.
Ich hätte nie erwartet, dass er mir so verbissen hinterher hängen würde; immerhin waren nun schon knapp drei Wochen seit unserm letzen Aufeinandertreffen vergangen.
Doch tatsächlich hatten er und drei weitere Männer mich entdeckt, kaum dass ich den Marktplatz erreicht hatte, denn leider erinnerte ich mich nicht mehr an den Weg, den ich zuvor mit Dean zu seinem Haus genommen hatte, und musste den mir bekannten wählen, quer über den Marktplatz.
Allerdings hätte ich wissen müssen, dass sich Olaf dort so gut wie jede Nacht aufhielt, um mit Männern seiner Art ein Bier nach dem anderen zu kippen- so natürlich auch diese Nacht.
Wie es der Zufall wollte kreuzten sich unsere Wege und Olaf war fest entschlossen seine Drohung vor drei Wochen wahr werden zu lassen.
Die Mischung aus abrundtiefstem Hass und dem nicht minder bedeutsamen Einfluss von Alkohol führte bei ihm zu einer äußerst gefährlichen Kombination, und es war mir nur um ein Haar gelungen dieser zu entkommen.
Doch Olaf hatte noch lange nicht aufgegeben und setzte mir, seine fünf Kameraden  im Schlepptau, laut brüllend nach.
Ich rannte so schnell es mir meine schmerzenden Beine erlaubten, vorbei an zahlreichen, dunklen, und völlig identisch aussehenden Steinreihen, völlig missachtend wo ich überhaupt hinrannte, doch gelang es mir nicht die Rufe und Schritte meiner Verfolger hinter mir zu lassen.
Panik, wie ich sie schon seit Wochen nicht mehr gespürt hatte, begann mich zu umfassen.
An die Ausmaße falls sie mich zu fassen bekommen würden, mochte ich gar nicht erst denken
Meinen linken Arm hielt ich steif an meine Seite gepresst. Die Schmerzen waren nahezu betäubend, doch hielt mich geballte Todesangst bei Bewusstsein.
Es fiel mir schwer noch einen klaren Gedanken fassen zu können. Einzig und allein der Gedanke zu rennen, immer weiter, bis ich weder den leisesten Ruf noch den verhalltesten Schritt hören konnte, schien in meinem Kopf Präsenz zu haben. Ich musste weg! Immer weiter. Immer weiter. Immer-
Ich blieb abrupt stehen.
Langsam, vom Grauen gepackt schaute ich an einer riesigen steinernen Mauer hoch, die mir den Weg versperrte. Der einzige Weg führte zurück, direkt in die Arme meiner Verfolger. Es war eine Sackgasse! Ich saß in der Falle!!!!!
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,, Nein, das kann doch jetzt nicht wahr sein!“, fluchte ich und trat wütend gegen die massive Steinmauer.
Panisch begann ich mit dem Versuch mich auf irgendeine Weise über die Mauer zu bugsieren, aber aufgrund der enormen Höhe stellte es sich als unmöglich heraus jemals auch nur einen Fuß über dieses Hindernis zu setzen, wobei das ganze mit meiner nun völlig unbrauchbaren, linken Hand erst recht unmöglich war.
Fiebrig schaute ich mich um, ob es vielleicht eine Verstecksmöglichkeit gäbe, doch abgesehen von zwei dreckigen Straßenkatzen die hoffnungsvoll in einer Mülltonne nach Essenresten stöberten, war die Gasse wie leergefegt. Obwohl- mein Blick blieb an den beiden Mülltonnen hängen…- einen Versuch war es wert.
Hastig zwängte ich mich unter den misstrauischen Blicken der Katzen hinter die beiden Mülltonnen und machte mich so klein wie möglich.
Dann wartete ich.
Schon nach wenigen Minuten hörte ich einige Meter von mir entfernt Stimmen.
,, Wo ist er hin?“, fragte jemand.
,, Woher soll ich das wissen“, antwortete eine zweite.
,, Ihr schaut zuerst rechts nach wir gehen weiter geradeaus“.
Das war eindeutig die Stimme vom kahlköpfigen Olaf.
Mein Herz raste, als ich Schritte näher kommen hörte.
Ich gab mir Mühe keinen Laut von mir zu geben, doch die beiden Katzen, die sich offensichtlich in ihrer Tätigkeit gestört fühlten, warfen mir misstrauische Blicke zu und fauchten.
Ich konnte nichts anderes als sie warnend anzublicken und zu hoffen, dass sie mich nicht verraten würden.
 Doch dann spürte ich wie etwas mein Bein anstieß. Erschrocken blickte ich hinunter und sah einer der zwei Straßenkatzen, ein hässliges Vieh, schmutzig und stinkend, mit vom Dreck verklebten trüben Fell,
Feindselig zu mir aufblicken. Verzweifelt versuchte ich sie zu verscheuen ohne eine Geräusch zu machen, doch das Tier fletschte nur die Zähne und fauchte wieder.
,, Hier ist nichts. Er muss weiter gerannt sein!“
,, Wartet…“ sagte Olaf und durch einen Spalt zwischen den beiden Mülltonnen konnte ich sehen wie er sich meinem Versteck langsam näherte.
Augenblicklich erstarrte mein Körper. Ich wagte es nicht zu atmen.
,, Bitte lass ihn wieder gehen“, schoss es mir durch den Kopf. ,, Bitte, dreh einfach um. Dreh einfach um. Bitte!“
Olaf kann näher.
„Hier ist niemand. Dreh einfach um.“
Er blieb genau vor meinem Versteck stehen.
„DREH UM!!!“
Und tatsächlich! Wie als hätte er meine Worte gehört, machte er kurz ein irritiertes Gesicht und wandte sich anschließend wieder weg.
,, Und?“, fragte einer seiner Männer.
Doch Olaf gab keine Antwort, sondern ging wortlos an ihm vorbei.
Die beiden anderen tauschten erst verwirrte Blicke, folgten ihm aber dann.
Ich konnte es kaum fassen! Am liebsten wäre ich laut jubeln in die Luft gesprungen oder diesen Trotteln voller Schadenfreude gezeigt, wie knapp sie ihr Ziel verfehlt hatten.
Ich hätte sogar vor lauter Freude diese stinkende Katze zu meinen Füßen umarmt, wenn sie nicht kurz darauf etwas getan hätte, was mein überschwängliches Glücksgefühl im Nu wieder vernichtete und mich auf ewig zu einem verbitternden Katzenhasser machte : Kaum war die Erkenntnis mich mit heiler Haut aus dieser Situation gerettet zu haben vollständig eingesickert, da spürte ich, wie etwas Warmes und Nasses mein Bein berührte. Blanker Hass überkam mich, als ich die Katze zu meinen Füßen sah und die Pfütze, die sie auf meinem Bein hinterlassen hatte.
,, Igh! Was soll das du verdammtes Drecksvieh??!!!!“, rief ich und sprang angeekelt auf.
Kaum hatte ich dies getan, hätte ich mich bereits am liebsten selbst dafür umgebracht.
Alarmiert von meinem Schrei drehten sich die drei Männer um und rannten zu der Quelle des Lärms.
Sobald sie mich, hinter den Mülltonnen stehend, entdeckten, genau in der Gasse, die sie zuvor noch erfolglos überprüft hatten, erstarrten alle drei verwirrt, auf Grund dieses unerwartenden Zusammentreffens, bevor sich dann ein breites, unheilautendes Grinsen auf Olafs Gesicht ausbreitete.
In diesem Moment war es ihm egal, wie ich es geschafft haben könnte vorher nicht entdeckt zu werden, nun zählte einzig und allein die Tatsache, dass er Olaf, es geschafft hatte, mich in die Enge zu treiben.
,, Hab ich dich endlich erwischt du Bastard,“ sagte er und kam bedrohlich auf mich zu, seine zwei Helfer folgten ihm.
Ich konnte mich nicht bewegen. Meine Beine zitterten.
,, Na sieh mal einer an“, feigste Olaf und baute sich vor mich auf. ,, Da ist das Großmaul ja plötzlich ganz still!“
Die zwei anderen lachten.
Ich sagte nichts.
Mein Mund war wie ausgetrocknet.
,, Was ist los du Kanalratte? Hat‘s dir vor Angst die Sprache verschlagen?“
Erneutes Lachen.
„Sag doch was!“, hallte es durch meinen Kopf. „ Irgendwas! Steh da nicht nur dumm rum!“
,, Was ist?! Willst du etwa nichts sagen?“.
SAG WAS!
Die drei lachten weiter.
,, Hab ich‘s doch gewusst. Letztendlich bist du noch nur ein jämmerlicher Feigling!“
,, Mach den Kopf zu“, erwiderte ich und richtete mich ebenfalls auf. Das Lachen verstummte auf einen Schlag.
„Bei dir sind mir meine Worte einfach zu schade!“, sagte ich und beendete das Gespräch in dem ich Olaf einen Tritt in die Weichteile versetzte.
Dieser schrie auf und sackte zu Boden, während seine zwei Helfer ratlos auf ihn hinab guckten.
Dieses kurzen Moment der Verwirrung nutze ich aus und rannte davon.
,, Glotzt nicht so blöd ihr Hohlköpfe! Schnappt ihn euch!“, rief Olaf und die zwei rannten mir hinterher.
Schon nach wenigen Metern hatten sie mich eingeholt und einer von ihnen stieß mich zu Boden und hielt mich fest, während der andere wie wild auf mich einschlug.
Zwar wehrte ich mich mit Händen und Füßen, doch waren sie mir in Kraft weitaus überlegen.
Ich hatte keine Chance.
„Okay, das reicht! Macht Platz“, hörte ich Olafs Stimme dazukommen.
Die beiden hörten auf auf mich einzuschlagen, hielten mich aber weiter am Boden fest.
Olaf trat in mein Sichtfeld und mit tiefstem Hass erkannte ich seine Ãœberlegenheit.
„Du hast also noch immer nicht gelernt wo dein Platz ist was?“, sagte er und trat mir dabei zu Untermalung mit voller Wucht in die Seite.
Ich schrie auf.
„Du gehörst nicht hierher. Wir wollen dich hier nicht.“
„ Was ihr wollt interessiert mich nicht!“, keuchte ich.
Olaf beugte sich zu mir hinunter und packte mich grob am Schopf, so dass ich direkt in seine kleinen, blutunterlaufenen Augen sah.
„ Was dir fehlt ist der Respekt, Junge. Der Respekt vor Menschen, die besser sind als du. Du solltest wissen wo dein Platz ist und dich damit abfinden, und nicht durch unsere Stadt spazieren, als wärst du einer von uns.“
„Als ob ich einer von euch hirnlosen Idioten seien will“, murmelte ich und wandte mich ab.
„ Pass auf was du sagst!“, zischte Olaf und riss meinen kopf mit solch einer Gewalt herum, dass ich schmerzhaft das Gesicht verzog. „ Ich könnte dich jeder Zeit töten.“
„ Dann tu’s doch“.
Olaf lächelte. „ Mit dem größten Vergnügen.“
Er nickte seinen beiden Kameraden kurz zu und zu dritt droschen sie auf mich ein.
Ich wehrte mich so gut ich konnte, schrie und keuchte, doch ich flehte sie nicht an aufzuhören.
Lieber würde ich sterben, als diesem Menschen um Gnade zu bitten.
Schließlich wandte sich Olaf zur Seite und holte ein kurzes, spitzes Messer hervor und hielt es hoch erhoben.
Mit fast wahnsinnigen Blick rief er: „ Das ist dein Ende. Stirb!“
Dies waren die letzten Worte von Olaf dem Obstverkäufer, bevor er plötzlich im Schwung erstarrte, kurz nach Luft schnappte und schließlich neben mir zusammen sackte.
Mit weit aufgerissenen Augen sah ich zu ihm, und mir blieb fast vor Schreck das Herz stehen, als ich meinen Feind mit durchtrennter Kehle in seiner eigenen Blutlache reglos liegen sah.
Im Bruchteil einer Sekunde fielen auch die anderen beiden Männer zu Boden, doch schienen sie mir nur bewusstlos zu sein.
Entsetzt betrachtete ich dieses Szenario, unfähig mich zu bewegen.
Wer hatte das getan?
War er mir etwa doch gefolgt?
Doch noch bevor ich mir darüber weiter Gedanken machen konnte, packten mich zwei kräftige Hände und hoben mich wieder auf die Beine.
„ Lass mich los Dean“, fuhr ich die Person an, und stolperte ein paar Schritte zurück.
Es war nicht Dean.
Vor mir standen zwei dunkle Gestalten.
Ihr Aussehen und ihr Gesicht hielten sie durch schwarze Kapuzenumhänge verborgen, und deuteten nur grob ihre Statur an.
Der erste war groß und breitschultrig, die zweite im Vergleich eher kleiner und schmaler.
„Bist du Tyran Hayke?“, fragte die größere Gestalt mit einer tiefen, dunklen Männerstimme.
„Wer will das wissen?“, entgegnete ich, verschränkte die Arme und beäugte die beiden Fremden misstrauisch.
„Beantworte die Frage!“, befahl die zweite Person und ich erkannte die Stimme einer Frau.
„Ihr erwartet doch nicht etwa, dass ich euch meinen Namen verrate, nachdem ihr grade einen Mann vor meinen Augen umgebracht habt“, erwiderte ich und bemühte mich einen spöttischen Blick einzuhalten, was in dieser Situation, neben all der Verwirrung, den Schmerzen und einer unglaubliche freudigen Erleichterung bis jetzt nicht tot zu sein,  nicht einfach war.
Daraufhin tauschten die zwei einen Blick, nickten sich kurz zu und nahmen beide die Kapuze vom Kopf, so dass ich ihre Gesichter erkennen konnte.
Die große, massige Gestalt mit der tiefen Stimme hatte ein großes, kantiges Gesicht, dunkle Haut und lange, schwarze Haare, die er hinten zusammengebunden trug.
Er strahlte mich voller Freude an, als hätte er endlich etwas gefunden worauf er schon lange gewartet hatte.
Mein Blick wanderte zu dem zweiten Gesicht, das, wie der Stimme entsprechend, das einer Frau war.
Allerdings schien sie noch ziemlich jung zu sein.
Sie hatten ein schmales Gesicht und smaragdgrüne Augen. Ihr langes, braunes Haar trug sie offen, und einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht.
„ Wir sind Bob Baker und Sarina Maylor“, stellte der Mann sich und seine Begleiterin vor, und deutete eine spöttische Verbeugung an.
„Wir sind hier um Tyran Hayke zu den Toren Saroks zu bringen.“
„ Warum?“
„ Ein Auftrag.“
„ Von wem?“
„Es wurde kein Name genannt“
„Mit Sicherheit war es Dean“, schoss es mir durch den Kopf.
Ich überlegte einen Moment. Mein Blick fiel auf den nun toten Olaf.
„Ihr habt ihn getötet“, bemerkte ich.
„Ein Verlust für dich?“
„Nein. Aber man wird nach ihm suchen.“
„ Sollen sie es doch versuchen, sie werden nichts finden.“
„Also könnt ihr mich wirklich aus der Stadt führen?“
„Ja.“
Wieder hielt ich inne um zu überlegen.
Noch war ich mir nicht sicher wie sehr ich diesen beiden Fremden trauen konnte.
Immerhin hatten sie vor meinen Augen einen Mord begangen, wenn auch einen nicht gerade bedauernswürdigen. Doch wenn es Dean war, der sie geschickt hatte, was hatte ich dann vor ihnen zu befürchten?
Während ich nachdachte spürte ich die Blicke von den beiden wie Feuer auf meiner Haut.
Ich wusste, dass sie ebenso interessiert an mir waren wie ich an ihnen, doch als ich auf blickte und ihnen unverhohlen in ihre Gesichter blickte las ich noch was anderes außer Neugier darin.
Anspannung und Erwartung, aber auch Verwunderung, wenn nicht sogar Enttäuschung.
„ Dann werde ich mit euch gehen“, sagte ich schließlich.
Die beiden nickten.
„ Was ist mit den denen?“, fragte Sarina Maylor und deute auf Olafs bewusstlose Freunde.
„ Lass alles so wie es ist“, antwortete ihr Begleiter Bob Baker.
„ Sie könnten uns verraten“, sagte sie.
„ Wir sollten nicht mehr töten als nötig, Sarina“, entgegnete er und wandte sich zum Gehen. „ Je eher wir die Tore erreichen desto besser.“
Die Frau blickte noch einmal auf die beiden regungslosen Gestalten zu ihren Füßen, wandte sich dann zu ihrem Begleiter und sagte: „ Du hast recht, wir sollten keine Zeit verlieren gehen wir.“
Zu mir gewand sagte sie:,, Bist du schwer verletzt?“
„Ich weiß nicht“, antwortete ich uns blickte an mir herunter. Olafs Angriffe hatten deutliche Spuren hinterlassen und ich fühlte mich miserabel.
„Kannst du laufen?“
„Ja.“
„Gut, mehr musst du nicht tun. Also los“, erwiderte die Frau und ging los.
Der Mann sah zu mir und ruckte kurz mit dem Kopf, um zu zeigen, dass ich auch gemeint war und zu dritt verließen wir Olaf und seine Kameraden.
Den ganzen Weg über wurde kein einziges Wort gewechselt. Tatsächlich war es in dieser Nacht so ruhig, dass ich vor lauter Anspannung bei jedem kleinsten Windhauch zusammenzuckte und hastig nach dem Stumpf meines Messers unter meinem Mantel griff, während ich die beiden eigenartigen Personen vor mir misstrauisch beäugte, die wie dunkle Todesengel lautlos über das Steinpflaster glitten, als wartete ich nur darauf, dass sie sich jeden Moment umdrehen und mich dasselbe Schicksal wie dem kahlköpfigen Olaf ereilten würde.
Nach einer knappen halben Stunde hatten wir unser Ziel erreicht.
Die dunklen Steinmauern zu unseren Seiten wurden immer enger und höher und hatten sich nun zu einem Dach verbunden.
Dieser Tunnel führte uns immer weiter bis er schließlich abrupt endete.
Mit erschrockener Mine sah ich zuerst auf die Wand, dann auf meine Begleiter.
„ Das ist der Ort an dem selbst die zähesten Menschen scheitern“, sagte Bob Baker und lehnte sich lässig gegen die Tunnelwand. „ Arme Kreaturen. Da haben sie es soweit geschafft aus dieser Stadt zu entkommen und dann denken sie, sie wären doch in eine Sackgasse gelaufen.
„Sind wir das nicht?“, fragte ich.
„ Aber natürlich nicht“, erwiderte Bob und lachte anhand meiner verwirrten Mine.
„ Na hör mal, als ob wir uns je verlaufen würden.“
„Aber hier geht es nicht weiter.“
„Doch das tut es“, sagte Sarina Maylor und trat einen Schritt vor. „ Man muss nur wissen wie“.
Sie stellte sich gut zwei Meter entfernt vor die Wand und holte ein langes, gerades Schwert unter ihrem Mantel hervor.
Bob und ich traten ein paar Schritte zurück und mit Erstauen Beobachtete ich, wie sie das Schwert hoch über ihren Kopf hielt und die Spitze mit einem schnellen Stoß auf die Erde schlagen ließ.
Im ersten Moment geschah nichts, doch dann begann der Boden unter uns zu Beben und der Stein brach auf an der Stelle, an der Sarina das Schwert gestochen hatte.
Auch sie wich nun ein paar Schritte zurück und zusammen sahen wir, wie sich der Boden vor uns löste und in sich zusammen fiel.
Helle Panik überkam mich, als sich auch der Boden direkt zu unseren Füßen auflöste, doch noch bevor ich noch irgendetwas sagen konnte, bemerkte ich wie sich vor uns nun keineswegs ein tiefer Abgrund befand, sondern eine Treppe unter all dem Schutt und Staub zum Vorschein kam.
„ W-Woher wusstet ihr davon?“, fragte ich mich langsam der Treppe nähernd.
„ Wie hätten wir dich sonst hier raus holen sollen?“, entgegnete Sarina und ging ohne Scheu die Stufen der Treppe hinunter.
„ Nach dir“, sagte Bob und versetzte mir einen leichten Schubs.
Vorsichtig folgte ich Sarina die Stufen hinunter und wurde empfangen von kompletter Dunkelheit.
„Keine Sorge wir sind gleich wieder draußen“, hörte ich Bobs Stimme hinter mir, während ich mich umsichtig an der Wand entlang tastete.
„Wozu dient dieser Geheimgang?“, fragte ich.
„ Zum Schutz“, antwortet Bob. „ Das verhindert, dass  Eindringlinge in die Stadt kommen.
„Oder auch als Gefängnis für ihre Bewohner, denn dieser unterirdische Tunnel hindert jeden daran diese Stadt zu verlassen, der nicht weiß, dass er existiert“, fügte Sarina hinzu.
„Was für einen Sinn macht das, Menschen darin zu hindern ihre eigene Stadt zu verlassen?“
„Frag mich nicht“, sagte Bob. „ Ich verstehe es auch nicht.“
„Wartet! Hier müsste es sein“, hörte ich Sarinas Stimme vor mir und wir hielten an.
Wortlos standen wir in der Dunkelheit, doch bevor ich fragen konnte, warum es nicht weiter geht, spürte ich wie Erde von oben auf meinen Kopf rieselte. Erschrocken schaute ich nach oben und sah, wie sich genau über mir die Tunneldecke zu bröseln begann.
Noch bevor ich mich irgendwie rühren konnte, packte Bob mich schon am Kragen und riss mich mit enormer Kraft zurück. Gerade noch rechtzeitig, denn die plötzlich fiel die Decke über uns zusammen.
Ich sah mich schon von diesen gewaltigen Erdmassen für immer begraben, bevor ich bemerkte, nachdem sich der Rauch etwas gelegt hatte, dass ich in diesem dunklen Tunnel keinesfalls mein Leben lassen würde, sondern, sich aus der abfallenden Decke abermals eine Treppe gebildet hatte, die nach oben zu einem Loch führte, durch das schwaches Mondlicht die ersten Stufen der Treppe erhellten.
Sofort rannte ich auf den Ausgang zu.
Seit drei Jahren hatte ich keinen Fuß mehr aus der Stadt getan und konnte es kaum erwarten endlich wieder mehr zu sehen als nackten Stein, denn meine Erinnerungen an die Nacht vor drei Jahren, als ich mich in Saroks Labyrinth verlaufen hatte und mich damit zu einem seinen Gefangenen machte, waren getrübt und wurden erst wieder klar, als ich in Deans Haus aufgewacht war- und die Jahre davor- daran versuchte ich mich gar nicht erst zu erinnern.
Drum war ich nun umso mehr gespannt was sich außerhalb dieser  Mauern befindet. Ein dunkler, unheimlicher Wald? Ein hohes, steiles Gebirge? Oder sogar das Meer?
Doch es war nichts der gleichen.
Das erste was ich spürte, als ich aus dem Loch in der Erde hervor kam, war der kalte Wind, der mir sogleich gegen mein Gesicht stieß.
Das erste was ich sah, blieb auch das einzige.
Vor meinen Augen erstreckte sich ein langes, ewiges, endloses Nichts mit einem kalten, harten Boden aus Stein.
Weder Pflanzen noch Tiere, kein Berg kein Meer. Nicht einmal am weit entfernten Horizont, konnte man irgendetwas erkennen.
Ich hätte nicht sagen können was ich erwartete hatte.
Doch konnte ich bei dem Anblick dieser Steinwüste  ein Gefühl der Enttäuschung  nicht leugnen.
War dies wirklich alles was diese Welt zu bieten hatte?
Ich drehte mich um und sah gerade noch wie sich das Loch in der Erde sich gerade wieder schloss kurz nachdem Sarina und Bob es verlassen hatten und kein Zeichen seiner Existenz hinterließ.
Ich hatte es tatsächlich geschafft. Zwar mit einigen Schwierigkeiten und nicht ganz unbeschadet, doch endlich war es mir gelungen diese schreckliche Stadt zu verlassen- und ich hoffte inständig, dass ich nie mehr dorthin zurückkehren musste.
Mit finsterer Mine starrte ich die schwarze, meterhohe Steinmauer empor, die so lang war, dass auch ein Blick zur Seite nicht erahnen ließ, ob sie jemals enden würde und so hoch, dass auch ein Blick nach oben nicht bewies, dass sie nicht bis zu den Sternen reichte.
Erst in diesem Moment wurde mir bewusst was Bob meinte, als er sagte, diese Stadt sei uneinnehmbar.
Doch schien dies nicht immer so gewesen zu sein, denn ein großes Tor, flankiert von zwei gigantischen Steinsäulen befand sich genau gegenüber des Platzes, wo wir nach draußen kamen.
„ Dieses Tor“, fragte ich zu Bob gewand.
„Ist verschlossen“, erwiderte er, noch bevor ich meinen Satz beendet hatte.
„Völlig unmöglich dadurch zu kommen, und selbst wenn würden einen nur dieselben, trostlosen Steinwände erwarten, wie an jedem anderen Platz von Sarok auch.“
„Aber warum ist es dann überhaupt da?“, fragte ich und näherte mich langsam dem Tor.
„ Du musst wissen Sarok war nicht immer das was es heute ist. Vor gar nicht allzu langer Zeit war es eine blühende Handelstadt mit Ruhm und Reichtum, Glanz und Freude.“
„Und das hat man aufgegeben, zum Schutz?“
„ Nun ja, was ist ein Leben schon ohne Schutz?“, entgegnete Bob.
„ Und wozu ein Leben mit Schutz, aber ein Leben ohne Freiheit“, murmelte ich.
Darauf trat Schweigen ein.
Ich spürte abermals die Blicke der anderen auf mir liegen und fragte mich, was sie nun von mir erwarteten, dafür, dass sie mir geholfen hatten.
Verdrossen schaute ich zu den Mauern von Sarok empor.
Ein eiskalter Schauder lief mir über den Rücken, bei diesem immer noch bedrohlichen Annblick, doch sogleich gefolgt von tiefster Genugtun, welche jedwede Furcht in eiserne Entschlossenheit verwandelte.
„ Ich danke euch für eure Hilfe. Von hier aus werde ich alleine gehen,“ sagte ich zu Bob und Sarina und ging los, doch Sarina stellte sich mir in den Weg.
„ Hört zu, Ich habe euch nicht um eure Hilfe gebeten also werde ich euch auch nicht dafür bezahlen.“
Ohne darauf einzugehen zog Sarina ihr Schwert heraus und hielt es beriet zum Angriff.
„ Wir können dich nicht gehen lassen“, sagte sie und ich spürte wie Bob sich hinter mich stellte, um mich wenn nötig an einer Flucht zu hindern.
„ Wer seit ihr wirklich?“ rief ich. „ Was wollt ihr wirklich von mir?“
„ Das haben wir dir schon gesagt. Wir haben den Auftrag Tyran Hayke zu den Toren Saroks zu bringen“, sagte Sarina ruhig, jedoch mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen.
„ Ja und das habt ihr hiermit getan“, sagte ich und bemühte mir die Verwirrung und Anspannung nicht anmerken zu lassen.
Diese Leute waren mir zwei zu eins überlegen und so wie sie Olaf und den Rest fertiggemacht haben, sind sie wohl auch noch ziemlich gut. Ich muss auf jeden Fall ruhig bleiben und einen kühlen Kopf bewahren.
„ Und“, ergänzte Bob, „mit ihm zu warten bis die Ãœbergabe abgeschlossen ist.“
„ Was für eine Ãœbergabe?!“, rief ich entsetzt.
Doch bei diesen Worten fiel mir der Brief auf Deans Schreibtisch wieder ein, den ich vor Wochen zufällig gelesen hatte.
“Hiermit bitten wir sie uns den Hüter der Welt am Morgen seines achtzehnten Geburtstages, an den Stadttoren Saroks zu übergeben. Die Organisation wird ihn dort empfangen und sie von ihren Diensten entlassen. “
Und auf einmal fiel es mir wie Schuppen vor den Augen.
Dass diese Leute gekommen waren war kein Zufall! Dean hatte davon gewusst und mich extra so lange hingehalten!
„ Was wisst ihr über den Hüter der Welt?“, fragte ich sie zornig.
Für einen Augenblick stand in Bob und Sarinas blankes Entsetzen, doch noch bevor sie irgendetwas erwidern konnten sah ich wie sich gut zwei Meter neben mir die Erde zu lösen begann und ein dunkles Loch formte aus denen zwei Männer kamen. Der erste war groß und durch einen langen Umhang nicht zu erkennen, doch der zweite, mit grauem Anzug, weißem Haar und einem amüsantem Lächeln, war selbst in der nächtlichen Dunkelheit unverkennbar Dean Tabbert.
Der Mund klappte mir auf und für einen Augenblick war ich einfach nur sprachlos.
Was hatte Dean mit diesen Menschen zu tun, und noch viel wichtiger: Was hatte ICH mit ihnen zu tun?
„ Ich würde mal sagen perfektes Timing, genau wie man es von euch erwartet, “ sagte Dean zu Bob und Sarina und trat lächelnd auf sie zu.
„ Lang nicht gesehen“, sagte Bob und umarmte Dean freundschaftlich.
„ Wir sollten keine Zeit verlieren“, entgegnete Sarina mit angespannter Mine als Dean Anstalten machte sie zu begrüßen. „ Es wird bald hell.“
„ Warum die Eile“, sagte Dean blickte Sarina mit spöttischem Ausdruck an. „ Du hast mich seit fünf Jahren nicht mehr gesehen, und das ist deine Freude mich wiederzusehen?“
„ Du weißt genau was auf dem Spiel steht, Dean!“, erwiderte Sarina. „ Wir dürfen nicht-“
Sie verstummte sofort als der fremde Mann näher trat und seine Kapuze abnahm.
Dieser Mann war sichtlich älter als Bob und Dean.
 Er besaß Falten um Mundwickel und Augen  in seinem ernsten, kantigen Gesicht.
Seine Augen waren klein und sein Mund schmal, sein überwiegend dunkles Haar durchzogen graue Strähnen.
Er fixierte mich einen Moment, doch blieb sein Gesicht fern von jeglicher Emotion.
Ich versuchte seinem Blick standzuhalten. Er schien mich zu durchleuchten, als würde er meine Gedanken lesen können. Ich wandte den Blick ab.
„Tyran, es ist mir eine große Ehre dich kennenzulernen. Mein Name ist Nicholas Keen.“
Ich antworte nicht. Ich starrte zu Boden, bewusst, dass ich die Blicke der anderen abermals im Nacken hatte.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Bob näher zu mir rückte, um sich bereit zu halten mich, wenn nötig, an einer Flucht zu hindern. Überflüssig, denn ich hatte sofort verstanden, dass Weglaufen, bei diesen Verfolgern nichts brachte. Vielleicht war es mir von Zeit zu Zeit gelungen den kahlköpfigen Olaf in dem wirren Straßenchaos abzuhängen, doch der Gedanke, ich könnte Bob oder Sarina in diesem kargen, ebenen Land entkommen, war genauso lächerlich wie aussichtslos.
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Zwar spürte ich eine unglaubliche Wut, insbesondere auf Dean, der mich anscheinend an diese Leute verraten hatte, aber da war auch noch was anderes. Verwunderung, Schock, Fragen, die ich beantwortet haben wollte.
In meinem Kopf schwirrten die Gedanken und Gefühle wild umher und ließen mir keine Chance sie zu verstehen.
Also stellte ich die Frage, die mich in diesem Moment am meisten beschäftigte: „ Was ist der Hüter der Welt?“
Augenblicklich schossen alle Augenpaare zu Nicholas Keen, der kurz die Augen schloss und tief durchatmete,
als würde er sich für die bevorstehende Antwort wappnen.
„ Wir können dir hier keine Frage zum Hüter der Welt beantworten, ohne zu lügen.“
Das war die Antwort. Ich runzelte verwundert die Stirn und blickte von einem ernsten Gesicht zum anderen- sogar Dean lächelte diesmal nicht. Er starrte, auf seinen weißen Stock gestützt, teilnahmslos in den Nachthimmel, ganz als wolle er den Anschein erwecken, mit dieser Angelegenheit so wenig wie möglich zutun haben zu wollen.
Und einfach warten bis die „Ãœbergabe“ vorbei ist, dachte ich zornig.
„Wir gehen“, sagte Keen. „ Die Ãœbergabe wurde erfolgreich ausgeführt.“
Zu Dean gewandt sagte er: „ Ich werde dich weiterhin über alle Entwicklungen informieren…-aber…“
Er hielt einen Moment inne.
Dean lächelte. „ Ich werde meinen Auftrag schon nicht vernachlässigen, Keen. Verlass dich auf mich!
Schließlich bin ich kein blutiger Anfänger mehr.“
Keen nickte.
Dean drehte sich zu den andern um. „ Macht’s gut Leute. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann mal wieder.“
Zu mir sagte er: „ Nun beginnt ein neues Leben für dich. Ich wünsche es ist wird besser als das davor.“
Dann verbeugte er sich kurz. Wandte sich ab, ging auf die Tore von Sarok zu und ließ mich zurück.
„ Was zum Teufel soll das alles?!“, rief ich ihm hinterher.
Dean antworte nicht sondern ging strikt auf das große Eingangsportal zu.
„ Dean!“, rief ich. „ Was passiert hier!?“
Ich setzte ihm nach, wollte ihn daran hindern einfach ohne ein Wort der Erklärung zu verschwinden, doch Bob reagierte blitzschnell und packte mich fest am Arm.
„Lass mich los!“, rief ich, doch es hatte keinen Sinn.
Nun hatte Dean das Portal erreicht und ich sah wie er sich hinkniete, und als er wieder aufstand, hatte sich vor ihm abermals der Boden geöffnet, um ihn den Eintritt in die Stadt zu gewähren.
„ Komm zurück! Sag mir, wie lang hast du schon gewusst, dass du mich diesen Leuten „übergeben“ wirst?
War das von Anfang an geplant?!“
Dean war schon halb in der Erde verschwunden.
„ Du Verräter! Du hat es von Anfang an gewusst oder?! ODER?! Du elender Bastard!“
Der Abgrund schloss sich und verschwand und Dean mit ihm. Er war fort.
Und ich war fassungslos. Konnte es wirklich sein, dass Dean die ganzen drei Jahre über auf diesem Tag gewartet hatte? War das wirklich sein Plan gewesen mich genau an diesem Tag diesen Menschen zu übergeben.
Ich spürte eine undeutsame, jedoch gewaltige Mischung aus Hass und Verzweiflung.
Und ich war ihnen direkt in die Arme gelaufen…
Weder Bob noch Sarina oder Keen hatten ein Wort gesagt und taten es auch jetzt nicht.
Wortlos liefen sie los, Bob mich immer noch am Arm gepackt hinter sich her ziehend.
Zornig riss ich mich los.
Auf einmal kam mir der Gedanke warum ich überhaupt mit diesen Menschen mitgehen sollte?
Ich war nicht ihr Besitz, also was zwang mich dazu?
„ Mir ist egal ob ich gerade, wie nanntet ihr das noch mal so passend? „übergeben“ wurde.
Ich werde nicht mit euch gehen.“
„ Es spielt keine Rolle was du willst, du wirst so oder so mitkommen“, antwortete Keen.
„ Nein.“
„Wenn du dich nicht fügst zwingen wir dich. Wir haben keine Zeit für so was.“
„Wofür denn?“, rief ich. Ich konnte nichts dagegen tun, dass meine Stimme immer lauter wurde.
„ Wir werden dir bald alles erklären. Nur haben wir weder die Zeit, noch bin ich der jenige, der dir das sagen sollte.“
„ Warum nicht?!“, Allmählich begann ich zu schreien. „ Ihr kreuzt hier mitten in der Nacht auf, sagt nicht woher ihr kommt oder wer ihr seit und dann erwarten ihr, dass ich freiwillig mit euch komme?“
„ So ist es.“
„Vergesst ist“.
„Du hast keine Wahl“, sagte Sarina und ohne, dass ich es verhindern konnte, rammte Bob mir mit aller Wucht seine Faust gegen meinem Schädel. Augenblicklich wurde alles um mich herum schwarz und ich versank ins Nichts.
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Das erste was ich spürte als ich wieder aufwachte, waren Schmerzen überall an meinem Körper und ein wachsendes Gefühl mich gleich übergeben zu müssen. Was war passiert?
Schlagartig kamen mir die Erinnerungen zurück, daran, wie diese Fremden aufgetaucht waren, mich schließlich bewusstlos machten und Dean, der all das gewusst, wenn nicht sogar geplant hatte.
Sogleich stieg abermals der Hass in mir auf, bei dem Gedanken an diesen Verrat, doch sogleich das Unverständnis und die Ratlosigkeit.
Ich versuchte mich auf zu richten, doch irgendjemand drückte mich bestimmt wieder hinunter.
Ich schreckte zusammen uns schlug die Augen auf. Ich befand mich in einem alten Karren, der sich langsam vorwärts bewegte und dabei leicht schaukelte, was das ständige Pochen in meinem Schädel nicht gerade besserte. Mit mir im Karren befand sich nur Bob und zahlreiche Holzkisten alle mit dem selben schwarzen S bemalt; wo Keen und Sarina waren, wusste ich nicht.
„ Du solltest liegen bleiben “, meinte Bob. „ Du scheinst ziemlich übel zugerichtet geworden zu sein.
„ Mir geht’s gut“, nuschelte ich und versuchte mich aufzusetzen. Sofort überkam mich eine erneute Ãœbelkeit und noch bevor ich ganz aufrecht saß, erbrach ich mich vor mir auf den hölzernen Boden des Karrens.
Müde lehnte ich mich gegen die Wand und schloss die Augen. Als ich sie wieder öffnete, bemerkte ich Bobs neugierigen Blick auf mir ruhen.
Ich wandte meinen Blick ab und schaute zu Boden, wobei ich bemerkte, dass jemand das Blut von meinen Händen gewischt hatte, und, ich betrachtete mein linken Handgelenk welches geschient wurde und auch der Schmerz war deutlich abgeklungen. Das schwarze Tuch war immer noch darum gewickelt und Unbehagen überkam mich bei dem Gedanken, jemand hätte es abgenommen…
Meine Augen schnellten zu dem Ausgang. Bobs folgten den meinen und gab mir ohne Worte zu verstehen, dass er mich mit allen Mitteln daran hindern würde zu fliehen. Ich musste auf eine passende Gelegenheit warten…
Nach einigen Minuten der Stille in denen einzig und allein das Rumpels des Karrens zu hören war, fragte ich ihn: „ Wohin fahren wir?“ Doch Bob schüttelte nur den Kopf. „ Nicht hier“, flüsterte er.
Ich schnaubte verärgert. War ja klar.
Diese ganze Ratlosigkeit ließ mich nahezu verzweifeln und am liebsten hätte ich Bob vor mir stark geschüttelt um irgendwelche Antworten aus ihm zu bekommen, doch war ich körperlich momentan gerade dazu in der Lage mich aufrecht zu halten- Diese Unfähigkeit machte mich wahnsinnig!
„ Warum nicht?“, rief ich.
„Pscht! Nicht so laut“, zischte Bob.
 „ Was soll das hier alles? Ich weiß weder wer ihr seit, noch woher ihr kommt, was ihr von mir wollt, oder wo ihr mich hinbringt.“
„ Seit still. Wir werden dir alles erklären sobald wir-„
 „ Ich will meine Antworten jetzt! Hier sucht den Hüter der Welt? Was zur Hölle soll das sein?! Und was habe Ich damit zu tun?!“
Der Wagen stoppte und ich hörte wie jemand am Karren entlang lief. Wenig später trat der Mann namens Keen ein. Er blickte von meiner aufgebrachten Mine zu Bobs irritierten Blick und er runzelte leicht die Stirn.
„ Ich sehe, du bist endlich wach“, sagte er und an Bob gewandt: „ Wir sind angekommen. Geh zu Sarina und sprich mit Trader. Wir sollten keine Zeit verlieren.“
Wortlos gehorchte Bob und ließ mich allein mit Keen zurück. Dieser musterte einen Augenblick meine Erscheinung, doch noch bevor er etwas sagen konnte, platze ich los: „ Egal was sie jetzt sagen werden. Ich werde nicht mit ihnen mitkommen.“
Nun schlich sich tatsächlich ein Schmunzeln auf Keens Gesicht.
„ Es würde mich auch sehr wundern, wenn du freiwillig mitkommen würdest.“
„ Dann lassen sie mich gehen!“
„ Das kann ich nicht.“
„ Warum nicht?“
„ Ich habe einen Befehl. Es liegt nicht an mir, ob man dich gehen lässt.“
„ Wer hat gab ihnen den Befehl?“
„ Auch das darf ich dir nicht sagen.“
Frustriert schlug ich mit der Faust auf den Boden.
„ Aber ich kann dir was anderes sagen.“
Ich blickte ihn verwundert an.
„ Fakt ist, dass Bob, Sarina und ich den Auftrag bekamen, dich aus Sarok zuholen und dich an einen bestimmten Ort bringen. Und lass dir einst gesagt sein: Unsere Aufträge scheitern nur äußerst selten, und dieser wird keiner von davon. Wie du dich während der ganzen Zeit verhältst, bleibt natürlich allein dir überlassen, aber bedenke, dass auch wir dementsprechend reagieren werden.“Â
Er wartete kurz, ob ich etwas sagen wollte. Als ich das nicht tat fuhr er fort.
„ Allerdings würdest du uns und nicht zuletzt dir selbst einen großen Gefallen tun, wenn du aufhörst gegen uns zu arbeiten und einfach abwartest was passiert, bis wir unser Ziel erreicht haben und du all deine Antworten bekommst, die du haben willst. Denn das hier ist weder der richtige Ort für solche Gespräche, noch sind wir die geeigneten Personen dafür.“
Damit endete dieser kleine Vortrag und Schweigen trat ein.
Schließlich erhob sich Keen und sagte beim Hinausgehen: „ Komm nach, wenn du eine Entscheidung getroffen hast.“
„ Können sie mir wenigstens eine Frage beantworten?“, fragte ich.
„ Das hängt ganz von der Frage ab.“
„ Dean Tabbert, wie lange ist er einer von euch?“
„ Seit mittlerweile achtzehn Jahren“, antwortete Keen und ging.
Sobald Keen mich allein gelassen hatte begann ich meine Situation gründlich zu durchdenken.
All diese Ereignisse hatten tausend Fragen und Gedanken aufgeworfen, die nun wild und unkontrolliert in meinem Kopf herumschwirrten. Fakt war, dass ich fort wollte- so weit wie möglich.
Nun hatte ich endlich nach all den Jahren der Unentschlossenheit, ein Ziel vor Augen und ENDLICH war es mir gelungen den ersten Schritt in die richtige Richtung zu tun und aus dieser gottverdammten Stadt zu entkommen. Die Welt stand mir offen…
Doch musste ich bei all der Euphorie realistisch bleiben und mir eingestehen, dass ich keine Ahnung von der Welt hatte und es womöglich viel einfacher und effektiver wäre, wenn ich mich jemanden anschließen könnte.
Also warum sollte ich die Gelegenheit nicht nutzen, die mir das Schicksal doch so bereitwillig zu Füßen gelegt hatte? Außerdem konnte ich nicht umhin mir einzugestehen, dass diese ganze Sache um den Hüter der Welt doch die Neugier in mir geweckt hatte. Ich wollte wissen was es damit auf sich hatte, was Dean damit zu tun hatte, wer die diese Leute waren, und wer ihnen den Auftrag gegeben hatte mich zu einem bestimmten Ort zu bringen.
Das alles schien ein Teil von etwas größeren sein, und ich wollte es nicht darauf ankommen lassen und dieses Größere vielleicht niemals  erfahren.
Ich fand keine Einwände, die dagegen sprachen fürs erste diesen Menschen zu folgen, was sollte schon schlimmes passieren? Schlimmeres was mir nicht bereits widerfahren war?
Ich zuckte zusammen, wie so oft, wenn meine Gedanken zu diesem Thema schweiften, doch dieses mal nicht aus Furcht, sondern aus grausamer Erregung- Ich war meinem Ziel so nah wie nie zuvor…
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Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass ich einigermaßen normal laufen konnte, ohne mich gleich wieder zu übergeben, stieg ich einige Minuten später aus dem kleinen Karren nach draußen.
Doch der Anblick der sich dort vor mir bot, ließ mich beinahe abermals das Bewusstsein verlieren.
Zur einen Seite blickte ich zurück auf die ewige Steinwüste aus der ich gekommen war, die mir jedoch nun bei Sonnenaufgang weit weniger trostlos erschien.
Zur anderen Seite blickte ich das erste Mal seit langer Zeit auf das Meer hinaus. Mir stockte der Atem und ich riss die Augen weit auf. Mir kam es vor als hätte ich noch nie in meinem Leben Vergleichbareres gesehen. Vor mir erstreckten sich riesige Massen an Wasser. Es wirkte auf mich gleichsam erschreckend wie faszinierend, doch weder beengend noch bedrohlich, ganz im Gegensatz zu den Mauern in Sarok, sondern gaben  mir viel eher das Bewusstsein an Freiheit.
Der Karren hatte unmittelbar vor der Küste haltgemacht, und so stand ich nur einige Meter entfernt von einem gigantischen Schiff, von beeindruckender Erscheinung, drei hohen Mästen und schneeweißen Segeln.
Um mich herum herrschte riesiger Tumult, denn wie ich erkannte war der Karren mit dem wir gekommen waren nur einer unter vielen, und überall liefen laut rufende oder leise fluchende Männer umher um die Karren zu entladen und die schweren Kisten auf das Schiff zu verfrachten.
Etwas verloren in diesem Getümmel blickte ich mich nach Bob, Sarina und Keen um, doch konnte ich keinen von ihnen erkennen.
 Als ich mich gerade auf die Suche nach meinen Gefährten machen wollte, liefen drei grimmig dreinblickende Seemänner an mir vorbei und begannen die Kisten aus dem Karren zu laden.
Dabei konnte ich einigen Worten ihrer Unterhaltung lauschen. :„ Jedenfalls kann ich’s kaum erwarten endlich wieder zu Hause zu sein. Ich hab’s satt ständig hierhin zu kommen! Verdammte Drecksinsel ist das!“
„Pass auf was du sagst“, ermahnte eine zweite Stimme. „Sonst macht dich Kapitän Trader einen Kopf kürzer!“
„ Aber Rick hat Recht, Stan!“, erwiderte der dritte. „Diese Insel ist niemandem geheuer.“
„Scheißegal was sie ist!“, blaffe Stan. „ Wenn der Kapitän euch so reden hört müsst ihr nie wieder einen Fuß auf irgendeine Insel setzten!“
„Ich mein ja nur, dass-“, doch Stan, der als erster wieder aus dem Karren hervor kam, unterbrach ihn als er mich entdeckte.
„Hey du!“, sagte er zu mir. Er war ein Mann von mittlerem Alter und stämmigen Wuchs. Seinen langen ungepflegten Haare hangen ihm wild in Gesicht und nun glotzte er mich verwundert über seine lange Nase an.
„ Belauscht du uns etwa?“
„Nein ich wollte nur-“
„Hey Rick, Lence, guckt mal wer da ist!“
Die anderen beiden Männer kamen heraus und stellten sich neben ihren Begleiter. Beide waren von recht kräftiger Statur. Der eine hatte dunkle lange Zottelhaare und einen buschigen Vollbart und der andere ein plumpes, rundes Gesicht mit kurzen dunklem Borstenschopf.
„Wer issn das?“, fragte der Mann mit dem Vollbart.
„Hab den hier noch nie gesehen“, entgegnete der Borstenschopf, der der Stimme nach zuurteilen Lence hieß.
„ Also Junge, was machst du hier?“, fragte der Dritte, dessen Name demnach wohl Rick war.
„Das geht euch nichts an!“, erwiderte ich barsch. „ Kennt ihr vielleicht einen Mann namens Keen?“
„ Keen?“, erwiderte Lence. „ Hätte nicht gedacht, dass der Neulinge aufnimmt.“
„Habt ihr ihn gesehen?“
„Junge, wo bleiben denn deine Manieren?“, rief der Mann namens Rick und ließ ein lautes, tiefes Lachen hören.
„Willst du dich uns nicht erst einmal vorstellen, bevor du was von uns verlangst?“
„Nein.“
„Oh sie mal einer an. Ein ganz geheimnisvoller!“, lachte Stan.
Genervt rollte ich die Augen und drehte mich um. „ Von diesen drei Schwachköpfen konnte ich wohl keine Hilfe erwarten.“
„ Hey, hau nicht gleich an!“, rief Rick und nahm eine der Kisten. „ Wenn du schon mal hier bist, kannst du dir auch gleich eine schnappen.“
Ich blickte ihn missbilligend an.
„Was habe ich mit euren Kisten zu tun?“
„Hast du das gehört Stan?“, gluckste Lence. „ Was hab ich mit euren Kisten zu tun, fragt er.“
„Ha, was für ein Witzbold. Fehlt nur noch, dass du fragst  was Talith ist“, sagte Stan.
Alle drei lachten laut.
„Talith?“, fragte ich verwundert.
Das Lachen verstummte. Rick setze seine schwere Last ab, und beäugte mich teils argwöhnisch, teils besorgt.
„Junge, ist dir irgendwie nicht gut?“
„Der nimmt uns doch nur auf den Arm Rick“, blaffte Stan. „ Hätte nicht gedacht, dass so ein Idiot zu Keens Leuten gehört.“
„Ich bin keiner von-“, begann ich, doch ein dröhnender Ruf unterbrach mich.
„Da bist du ja endlich!“ Bob kam aus der dem Getümmel geeilt, das Gesicht freudestrahlend.
„Wo hast du dich nur rumgetrieben?“, keuchte er und stellte sich vor mich.
Irritiert starrte ich Bob an, doch noch bevor ich antworten konnte rief Stan:,, Bob! Mein Gott, hast dich lang nicht mehr hier blicken lassen!“
Bob zwinkerte mir kurz zu, bevor er sich umwandte
„Stan, alter Freund, wie geht’s dir?“, rief er, und begrüßte ihn herzlich.
„ Man tut was man kann“, antwortete er. „ Wo warst du so lange?“
„Ach“, Bob seufzte theatralisch. „Du kennst das ja. Saßen ’ne Ewigkeit in Aparas fest. Die alte Geschichte.
Solange die diesen Deppen von einem König behalten, werden die nie ohne Weiteres mit uns handeln wollen.
„Pah, selber Schuld, oder Stan?“, meinte Lence.
„Die werden sich noch kräftig in den Hintern beißen, wenn denen das Geld ausgeht, während wir damit das Meer füllen können!“
Alle drei brachen in schallendes Gelächter aus.
Bob drehte sich zu mir.
„ Die drei sind übrigens die Brüder Rick und Lence Clebold und ihr Cousin Stan Migger“, informierte er mich.
„ Ach, der Bursche gehört also tatsächlich zu euch?“, fragte Rick Clebold.
„Jo, aber erst seit ‚nen paar Wochen“, entgegnete Bob und legte kameradschaftlich seine Hand auf meine Schulter. „ Ein bisschen unbeholfen, der Junge, aber er lernt schnell dazu.
Ich konnte bei Bobs Worten ein empörtes Schnauben nicht unterdrücken, doch es schien keiner bemerkt zu haben.
„ Naja, unbeholfen, so kann man’s auch nennen“, schnaubte Stan. „ Hat doch allen Ernstes gefragt was Talith ist.
Bob reagierte sofort: „ Ach Tyran, fängst du schon wieder damit an?!“, lachte er und versetze mir einen leichten Schubs. „ Ich hab’s dir doch gesagt, dass dir keiner glauben wird, wenn du so tust als wüsstest du nicht was Talith ist.“
„Also hast du uns wirklich nur auf den Arm genommen?“, fragte Stan mit grimmiger Mine.
Ich jedoch hatte im Moment größere Schwierigkeiten damit meine Verwirrung zu verbergen.
„Sieht so aus“; entgegnete ich schließlich.
„Ha, das war nicht schlecht. Ich hab’s dir für einen Moment echt abgekauft!“, johlte Rick auf.
„Nicht schlecht euer Neuer“, stimme Lence zu. „ Oder Stan? Der ist nicht schlecht oder?“
Doch Stans Gesicht blieb ernst - fast schon feindselig. „ Wenn der Kapitän mitbekommt, wie wir uns über Talith lustig machen, sind wir alle einen Kopf kürzer! Bob, sag’ deinem jungen Freund mal lieber, er sollte solche Späße in Zukunft lieber für sich behalten. Das wäre besser für uns alle.“
Er wandte sich zu seinen Begleitern. „ Los, schaffen wir endlich dieses Zeug an Bord!“ Ohne ein weiteres Wort packte er eine der Holzkisten und stapfte in Richtung Schiff. Während ihm Lence mit verwirrter Mine folgte, flüsterte Rick Bob zu: „ Nehmt’s Stan nicht übel. Hat vor ’nen paar Tagen ziemlich Stress mit Trader gehabt und du kennst ja seine Methoden, wenn ihm jemand in die Quere kommt“
„Hat er etwa-“ „ Wir reden später darüber.“ Auch Rick nahm sich eine Kiste. „ Machs gut Bob. Man sieht sich Tyran,“ rief er und tauchte in das große Treiben der Menschenmenge ein.
Sobald er außer Hörweite war, wandte ich mich zu Bob, doch der war schneller. „ Komm mit, wir laden die anderen Kisten aus,“ sagte er zu mir und kletterte in den Karren. Stark verwirrt folgte ich ihm, doch Bob klärte die Situation auf, kaum, dass ich den Karren betreten hatte. Seine Mine war ungewöhnlich ernst und angespannt.
„ Hör zu“, begann er flüsternd. „ Bevor wir hier wieder rausgehen musst du mir eins sagen. Wie hast du dich entschieden?“
„Entschieden?“
„ Akzeptierst du unsere Bedingungen und begleitest und widerstandslos?“
„Ja.“
„ Sehr gut, das macht vieles einfacher. Aber dann pass jetzt genau auf was ich dir sage, denn wenn du’s vermasselst stecken wir alle in enormen Schwierigkeiten.“
Ich runzelte verwundert die Stirn über diesen offensichtlichen Ernst der Lage, aber nickte zum Zeichen, dass ich verstanden hatte.
„Gut, dann pass auf. Wir müssen dich zu einem bestimmten Ort bringen- ein Ort mit Namen Zanakand.
Die Reise wird ungefähr eine Woche dauern und beginnt damit, dass wir mit diesem Schiff rüber zum Festland fahren. Solange diese Reise andauert nehmen wir alle verschiedene Identitäten an- auch du.
Ich weiß, dass du seit Jahren nicht aus Sarok rausgekommen bist, deshalb ist es wichtig, dass du immer in der Nähe von einen von uns dreien bleibst, verstanden?“
„ Ja“
„Okay, wie du eben mitgekriegt hast, kennen uns die Menschen hier als einer von ihnen- als Händler und so soll das auch bleiben. Man kommt gut mit diesen Menschen aus, solange man einer von ihnen ist, doch Fremden stehen sie äußerst misstrauisch gegenüber.
„ Das hab ich gemerkt…“ murmelte ich.
„ Der Kaptain ist ein Mann namens Trader, doch wenn du Glück hast, kriegst du ihn nicht zu Gesicht, trotzdem ist es besser ihm nicht in die Quere zu kommen, verstanden?“
„Ja.“
„ Deshalb ist es um so wichtiger, dass du möglichst nicht auffällst!“, fuhr Bob fort. „ Am besten du machst einfach, was die anderen hier auch tun, arbeiten und den Mund halten, wenn doch jemand auf dich aufmerksam werden sollte, dann sagst du, du bist ein Lehrling von Keen und stellst dich unter den Namen Tyran Smith vor, das sollte reichen. Ach ja, und erwähne niemals Talith!“
„ Was ist denn Talith überhaupt?“
„, Nun“, Bob brach eine der Kisten, die, wie ich jetzt sah, randvoll mit kleinen brauen Schoten gefüllt war. Er nahm eine und zeigte sie mir.
„ Das ist Talith,“ erklärte Bob
Ich wusste nicht ganz was ich sagen sollte, diese kleine rundliche Schote erzielte bei mir nicht gerade überschwängliche Begeisterung.
„ Oder besser gesagt“, korrigierte sich Bob, „ ist das Talith darin. Schau sie dir mal genauer an.“
Ich nahm die Talithschote in meine Hände und bemerkte nun, dass die Schale tatsächlich an einigen Stellen bereits Risse hatte, und etwas weiß-bläuliches hindurchschimmerte.
„ Talith ist ein sehr nützlicher Rohstoff“, erklärte Bob. „ Es wird in zahlreichen Bereichen eingesetzt, aber am stärksten sind seine Heilkräfte bei nahezu allen Krankheiten. Leider ist kein anderer Ort als der hier bekannt dafür Talith zu besitzen, und daher ist Talith äußerst wertvoll.“
„ Und ihr holt es und handelt dann damit?“
„ Genau. Also jedenfalls tun das diese Menschen hier.“
„ Aber warum darf man nicht darüber sprechen?“
„ Talithia und Sarok haben eine ziemlich düstere Vergangenheit.“
„ Wer?“
„ Nun, Sarok ist nicht nur durch seine Mauern von der Außenwelt abgeschnitten. Es ist die einzige Stadt mitten in dieser Sandwüste, und diese Sandwüste, auf der wir uns jetzt befinden ist nur eine Insel.
Es ist verboten diese Insel zu betreten, außer natürlich um sich an dem endlosen Talithvorrat zu bedienen, den es hier gibt. Und die nächst gelegene Stadt ist die Handelssatt Talithia auf dem Festland.
Daher kommen diese Menschen hier, und dorthin fahren nun auch wir, sobald das Schiff ganz beladen ist.“
„Warum handeln die Menschen von Talithia damit und nicht die Bewohner von Sarok?“
„ Weil die dämlich sind. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist, dass du von diesem Moment Tyran Smith bist, unser neuer Lehrling, verstanden?“
„Ja.“
„Du erwähnst weder Talith, noch Sarok, oder diese Insel oder irgendwas, was mit dieser Arbeit hier zu tun hat. Du erledigst deine Arbeit und verlierst kein Wort darüber. Sollte unsere Tarnung auffliegen sind wir alle so gut wie tot, verstanden?“
„Ja“.
„ Ach und Tyran?“, ergänzte Bob, legte die Talithschote wieder zu den anderen und drückte mir eine Kiste in die Hände. „ Du bist ein Lehrling. Das heißt, du tust was dir gesagt wird, ohne dich zu beschweren oder Fragen zu stellen. Respektlosigkeit und Ungehorsam wird dir bei diesen Menschen teuer zu stehen kommen.“
Ich nickte.
„ Wunderbar“, sagte Bob und setze wieder sein fröhliches, sorgenfreies Gesicht auf. „ Dann bringen wir diese kleinen Schätzchen mal rüber!“ Er lachte. „ Let the show begin!“ und verließ, nachdem er sich gleich zwei Kisten auf einmal geschnappt hatte, den Karren.
Ich zögerte nur kurz, dann nahm ich auch eine der Kisten und folgte Bob durch die Menschenmenge.
Das war schwieriger als es sich anhörte, denn bei den ganzen Betrieb um mich herum und der Kiste, die mein Blickfeld stark einschränkte, fiel es mir schwer Bobs Rücken unter denen der zahlreichen anderen Seemännern, die alle von ähnlicher Statur waren wie er, im Auge zu behalten, doch wenigstens gelangte ich zu meinem Ziel ohne weiter aufzufallen und einen weiteren Zwischenfall, wie den mit Stan, Lence und Rick zu vermeiden.
„ Da bist du ja endlich“, begrüßte mich Bob amüsiert, als ich ihn schließlich leicht außer Atem am Rand der Planke zum Schiff einholte und meine Fracht sogleich abstellte.
Noch bevor ich etwas erwidern konnte, wurde ich auch schon ungeduldig aus dem Weg geschoben, wobei ich gleich den Mann der gerade an mir vorbeilief anrempelte.
„ Hey, was soll das?!“, herrschte mich dieser, ein großer, muskulöser Mann mit langen, ungepflegten Haaren verärgert an.
„ Ich -“, begann ich.
„ Und wo ist überhaupt deine Kiste?“, fragte der Mann weiter, der anscheinend aufgrund seiner eigen Last die Kiste zu meinen Füßen nicht sehen konnte.
„Ich-“
„ Dachtest wohl du könntest dich einfach vor der Arbeit drücken und dir hier nett deine Zeit vertreiben, was?!“
Ich verdrehte die Augen. Nicht gerade einfach bei diesen Menschen nicht negativ aufzufallen.
„Ich wollte-“
„ Nichts wolltest du!“, unterbrach mich der Mann erneut und wurde immer zorniger.
„ Nein, ich-“
„ Schon gut, Rufus. Er gehört zu mir“, sprang Bob rasch ein.
„ Bob?! Meine Güte, bist du’s wirklich?! Das muss eine Ewigkeit her sein, dass du dich hier mal hat’s blicken lassen!“
„ So’nen paar Monate bestimmt“, stimmte Bob zu.
„Bring das an Bord, sofort!“, befahl er mir barsch, drückte mir seine Fracht in die Hände und flüsterte:,, Geh schon mal vor. Such nach Keen und Sarina. Ich halt’ dir währenddessen diesen Riesen vom Leib.“
Leicht schwankend unter der nun doppelten Last, stakste ich die Planke zu Schiff empor, während ich Bob hinter mich hören konnte, wie er sich lautstark über neues und faules Arbeitspersonal beschwerte.
Es war nicht einfach die Planke zu erklimmen, und dabei niemanden auf die Füße zu treten und daher war ich froh, als ich endlich oben angekommen war und meine Fracht in die Mitte des Schiffes zu den anderen stellen konnte.
Fragend wollte ich nun nach Keen und Sarina Ausschau halten, doch Gelegenheit mich umzuschauen blieb mir aufgrund des hohen Betriebes nicht und bei all den Fremden Gesichtern, schien es mir unmöglich das zweier Menschen zu erkennen, die ebenfalls alles andere als alte Freunde waren.
Suchend ließ ich meine Blick schweifen, doch nachdem ich zahlreiche feindselige Blicke und mürrischen Gemurmel geernteten hatte, dafür dass ich nutzlos in der Gegend rum stand, entschied ich mich einen Platz zu suchen, wo ich niemandem im Weg stand und entdeckte schließlich am hinteren Teil des Schiffes eine erhöhte Plattform, auf der ein großes Steuerkreuz zu sehen war.
Rasch eilte ich darauf zu und gelangte zu der Plattform, die mit Hilfe einer Holztreppe zu erreichen war.
Mit dem Gedanken, so vielleicht einen besseren Ausblick zu haben und so meine Begleiter besser finden zu können, stieg ich Treppen hinauf.
Oben angekommen stellte ich jedoch fest, dass ich nicht der einzige war, der einen ruhigen Ort brauchte, denn am hinteren Ende der Plattform stand die Gestalt eines Mädchens mit langen, schwarzen Locken und blickte über die Reling.
Sie schreckte zusammen, als sie mich die Stufen raufkommen hörte, hatte aber anscheinend  jemand anderes erwartet, denn als sie mich sah, verschränkte sie die Arme und blickte mich zuerst überrascht, dann misstrauisch an. „ Was hast du hier oben verloren?“, fragte sie und versuchte dabei den Schreck aus ihrer Stimme zu verbannen.
Ich antwortete nicht sofort, denn auch ich wollte mir zuerst ein genaueres Bild von meinem Gegenüber machen.
Es war ein junges Mädchen, noch nicht erwachsen, aber nicht viel jünger als ich. Ihr langes Haar reichte ihr fast bis zu den Knien. Ihre Kleidung war alt, abgetragen und ihr viel zu groß. Ihr rundes Gesicht wirkte freundlich, doch in dem Moment hatte sie es zu einer forschen Mine verzogen.
„ Ich suche jemanden“, antwortete ich.
„ Ihr oben hat nur der Kaptain Zutritt“, sagte sie.
„ Ach, und das bist du?“, entgegnete ich und sah wie sich ihre Wangen leicht rosa färbten.
„ Ich habe die Erlaubnis hier zu sein!“, erwiderte sie rasch.
„ Und was, wenn ich die auch hab?“
„ Hast du nicht!“
„ Woher willst du das wissen!“
„ Ich weiß es eben!“
Ich schnaubte und ging auf das Steuerkreuz in der Mitte der Plattform zu.
„ Wer bist du überhaupt?“, fragte das Mädchen und beäugte mich mit gerunzelter Stirn.
„ Tyran Smith“, antwortete ich. „ Ich bin ein neuer Lehrling von Keen.
„Ich wusste nicht, dass Keen neue Leute einstellt.“
Ich zuckte nur die Schultern und wandte mich dem Geländer zu, um auf das Gemenge an Deck hinunter zu blicken.
„ Das würde ich nicht tun“, sagte das Mädchen hinter mir.
„ Warum nicht?“
„ Wenn dich hier jemand sieht, wird der es Trader sagen, und der macht dich glatt einen Kopf kürzer.“
„ Scheint ein richtig sympathischer Kerl zu sein, dieser Trader“
„ Hast du ihn noch nicht gesehen?“
„ Nein.“
„ Na dann hoffe mal besser, dass das auch so bleibt.“
„ Wer bist DU eigentlich?“, fragte ich und drehte mich zu dem Mädchen um.
„ Sally Lambring, ein Lehrling von Stan Migger“; antwortete sie.
„Stan?“
„Du kennst ihn?“
„ Ja, ich hatte vorhin das Vergnügen. Also kommst du aus Talithia?“
„ Natürlich! Du nicht, oder? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“
„ Nein…ich komme…woanders her…“, antwortete ich und wandte mich ab.
Ich spürte ihren neugierigen Blick auf mir und wechselte daher rasch das Thema „ Und was machst du hier, wenn es doch verboten ist? Suchst du nach Stan?“
Bei dieser Frage lachte Sally laut auf. „ Bestimmt nicht! Ich versteck mich vor ihm.“
Sie lächelte entschuldigend auf meinen fragenden Blick hin. „ Stan hat mich dazu verdonnert unter Deck mit den anderen Frauen den Talith aus den Schoten zu holen. Die langweiligste Aufgabe, die du dir vorstellen kannst.
Deshalb hab ich mich nach hier oben geschlichen. Das ist der letzte Ort, wo man nach mir suchen würde.“
„ Und wenn der Kaptain hier hoch kommt?“
„ Wird er nicht. Der komm selten aus seiner Kajüte raus.“
Gerade in diesem Moment hörte ich Schritte die Treppe hoch kommen und noch ehe ich auch nur an eine Fluchtmöglichkeit denken konnte, hatten schon zwei Männer die Plattform erreicht.
Der eine war Stan- überrascht blickte er zwischen Sally mir und seinem Begleiter hin und her.
Sein Begleiter war ein Mann von imponierender Erscheinung. Er war von rechtgroßer, schlanker Statur.
Sein Haar bestand aus einer kunstvoll frisierten, schwarzen Lockenpracht, auf der ein großer, schwarzer Hut mit breiter Krempe und einer langen, blauen Feder platziert war.
Sein Gesicht war lang und ernst, sein Mund, den ein schwarzer Oberlippenbart zierte, sah nicht so aus, als ob er besonderes zum Lächeln geeignet wäre.
Seine gesamte Kleidung war auffallend elegant- Seine schwarzen Stiefel auf Hochglanz poliert und sein blauer, langer Mantel mit weiß-blau glitzernden Knöpfen bestückt.
Im Gegensatz zu Stans zeigt sein Gesicht kein Anzeichen von Verwunderung, sondern starrte kalt auf Sally und mich herab, aus deren Gesicht jegliche Farbe wich.
Nun stahl sich ein zartes Lächeln um die Mundwinkel des Mannes, doch es hatte nicht von Wärme, sondern war so gekünstelt wie seine Frisur.
„ Soso“, frohlockte einer Stimme, so eisig wie sein Blick. „ Da sie mal einer an was für Ungeziefer sich hierauf geschlichen hat.“
Sein Blick wanderte von der verängstigten Sally zu mir.
„ Ich glaube wir hatten noch nicht das Vergnügen uns kennen zulernen. Ich bin Kapitän Trader. Und du musst wohl Tyran sein, der neue Lehrling von Keen.“
Ich nickte.
So…..meine lieben Freunde, bis hier geht bis jetzt Tyrans Reise, aber natürlich hat sie gerade erst angefangen und ist noch lange nicht zu Ende. Fortsetzung folgt!!!!! xD
Als ich Deans Haus betrat umfing mich sogleich eine angenehme Wärme, die sich wohltuend um mein Gesicht legte.
Wir befanden uns im Foyer, ein kleiner, jedoch nicht minder beeindruckender Raum.
Ich war seit Jahren nicht mehr hier gewesen, dennoch erinnerte ich mich sehnsüchtig an den verführerischen Luxus zurück, den Deans Anwesen bot.
Allein schon die Eingangshalle war ein Moment des Staunens wert.
Und so ertappte ich mich selbst dabei wie ich beinahe neidisch den Raum musterte.
Der Boden war mit strahlend weißen Fliesen versehen. An den Wänden hingen riesige Gemälde, jedes umrahmt von einem reichverzierten Goldrahmen, im immer gleich akkuraten Abstand zu einander. Unter einem jeden Bild stand ein prunkvoller Lehnstuhl, mit feinen Samtbezug und neben jedem  Sessel stand dieselbe hochgewachsene Topfpflanze, die herrlich weiße Blüten zur Pracht stellte.
In der Mitte des Raumes thronte eine bis zur Decke reichende Statur, aus purem Marmor, eines schlanken Mannes, mit Zylinder und einem verschmitzten Lächeln auf dem Gesicht.
Das Nachbild des Hausherren- Dean Tabbert.
Der Raum besaß keine Türen, genau gegenüber der Eingangstür befand sich jedoch eine riesige Steintreppe, die einen ausladenden Gang in die oberen Stockwerke ermöglichte.
Dean bemerkte meine Ehrfurcht und legte mir wohlwollend eine Hand auf die Schulter.
,, Jaja Tyran. Schon schade, dass du auf das alles verzichten musst.”
Sofort entledigte ich mich seiner Berührung und trat ein paar Schritte von ihm weg, wobei ich so tat, als würde ich ein Porträt eines alten, grimmig drein blickenden Mannes, genau betrachten.
„ Bereust du’s?”, hörte ich Deans Stimme hinter mir.
Mit finsterer Mine drehte ich mich zu ihm um. „ Es war besser so”, antwortete ich kühl.
„ Du musst es ja wissen”, lachte Dean.
„ Nein warte”, rief er als ich mich mit schnellen Schritten der breiten Treppe näherte.
„ Worauf?”, fragte ich genervt. Ich hatte kein Bedürfnis danach mehr Zeit als nötig hier zu verbringen.
Dean hob wissend den Zeigefinger und rief zur Treppe hinauf: „Thomas? Wo bleibst du? Komm runter!”
Verwundert starrte ich Dean an. Ich wusste, dass dieser zwar sehr kommunikative Mann, es vor zog allein zu leben. Was bei seinem Geschäft womöglich auch angebrachter war.
„ Wer ist Thomas?”, fragte ich und blieb am Fuß der Treppe stehen.
„ Wart’s ab - Ah Thomas endlich da bist du.”
Ich schaute fragend die Treppe hinauf und sah nun einen kleinen Jungen, kaum dem Kindesalter entwachsen, an der Brüstung der Steintreppe erscheinen.
Er trug eine Art Uniform. Eine schlichte dunkle Hose, die in schwarzen Stiefel steckte und ein weißes Hemd. Auf seinem kurzen aschblonden Haar lag eine ebenfalls schwarze Mütze.
Sein Gesicht war nervös und angespannt und ein Anflug der Bestürzung huschte über sein Gesicht als sein Blick auf mich fiel.
„ Herr, ihr habt nach mir gerufen”, sagte Thomas mit einer leisen, piepsigen Stimme und verbeugte sich.
„ Und worauf wartest du noch? Komm herunter und nehme meinem Gast und mir die Mäntel ab!”
Deans Stimme zeigte keine Spur von Ärger oder Ungeduld. Dafür triefte sie vor Spott und Belustigung, was den Jungen scheinbar noch nervöser machte.
Hastig eilte er die Treppe hinunter.
Als er die unteren Stufen erreicht hatte sah er unverhohlen zu mir herauf, erschreckte sich allerdings so sehr als er meinen Blick erkannte, dass er stolperte und die letzten Stufen herunter fiel.
,, Ja dieser Mann kann einen schon Angst machen oder Thomas?”, lachte Dean und trat zu dem Jungen.
Dieser richtete sich mit hoch rotem Kopf auf und schaute verlegen zu Boden. Dean legte ihn väterlich eine Hand auf die Schulter. , Gib’s zu. Dieser Mann schaut doch finster aus oder?” Thomas lief noch röter an und mied entschieden meinen Blick.
,, Ich...also...ich weiß nicht...”, nuschelte er.
,, Ach ist ja auch egal”, rief Dean munter und gab dem Jungen einen Klaps auf den Hinterkopf.
,, Jetzt führ unseren Gast schon nach oben in die Bibliothek “.
,, Ja Herr”, sagte Thomas und verbeugte sich erneut.
,, Herr, wenn ihr mir bitte folgen wollt”, wandte er sich mir zu und wollte meinen Arm fassen um mich nach oben zu geleiten.
,, Fass mich nicht!”, fuhr ich ihn an und schlug ihn erzürnt beiseite.
,, Ich kenne den Weg. Verschwinde!”
Erschrocken starrte der Junge mich an und schaute dann schüchtern zu seinem Herren.
,, Tu was er sagt”, befahl Dean. ,, Geh in die Küche und komm erst wieder bis ich nach dir rufe!”
Abermals verbeugte sich Thomas und eilte hastig die Treppen wieder hinauf.
,, Jetzt hat er mir nicht den Mantel abgenommen,” stellte Dean fest und runzelte die Stirn.
,, Na ja egal. Komm mit”. Er schritt die Treppe nach hoben doch blieb auf halber Strecke stehen als er merkte, dass ich ihm nicht gefolgt war. ,, Was?”, fragte er.
Ich starrte ihn finster an, folgte ihm aber dann langsam die Treppe hinauf.
,, Wo hast du den denn her”, fragte ich Dean als wir auf gleicher Höhe waren und nun zusammen den Rest der Stufen hinauf stiegen.
,, Lustig der Kleine oder?”, entgegnete er.
,, Ich finde ihn eher peinlich”.
Dean seufzte schwer. ,, Ja ich weiß”.
,, Was tut der hier?”
,, Na was wohl? Denkst du ich mach die Drecksarbeit selbst? Er ist mein Gehilfe”
,, Wohl eher dein Untergebener”, schnaubte ich verächtlich.
,, Ja das auch”.
,, Was hast du mit dem angestellt? Der verhält sich ja wie ein dressiertes Hündchen.”
,, Weißt du Ty, es gibt so was das nennt sich Respekt. Den lernt man nicht, sondern hält es für selbstverständlich wenn man das große Glück hat bei mir arbeiten zu dürfen.”
,, Das ist armselig “.
,, Kann halt nicht jeder so verdammt stolz sein wie du”.
,, Für ihn wär’s aber besser”
,, Mein Gott Tyran, jetzt hör mal auf den Kleinen schlecht zu machen. Der hat dir doch nichts getan”, rief Dean und fuchtelte bei diesen Worten wild mit den Armen.
Ich starrte missmutig zu Boden.
,, Oder, warte!” Dean blieb stehen und drehte sich langsam zu mir um. Ich sah abermals ein Lächeln auf seinem Gesicht, welches vor Häme nur so übersprudelte.
,, Kann es sein...”, Dean feigste und musterte mich eine Spur erstaunt.
,, Was?”, fragte ich gereizt.
,, Kann es sein, dass du eifersüchtig auf Thomas bist?”
,,Was?!” Diese Frage traf mich wie ein Schlag aufs Auge. ,, Nein bin ich nicht!”, widersprach ich immer noch leicht verwirrt und beobachtete beunruhigt wie Deans schadenfrohes Lächeln immer breiter wurde.
,, Du bist es. Gib’s zu!”, sagte er.
,, Leck mich!” Zornig schritt ich an ihm vorbei und erklomm die letzte Stufe der Treppe.
Ich hielt inne. Nun hatte ich die zweite Etage erreicht und blickte auf einer mit dunklem Holz verkleidete Wand aus sieben Türen. Alle hatten sie dieselbe große, schmale Form und denselben schlichten Messinggriff. Ratlos starrte ich die Türen an.
,, Na erinnerst du dich nicht mehr an den Weg?”
Dean war neben mir aufgetaucht. Sein Blick war herausfordernd, doch ich hatte keine Lust auf sein Spiel einzugehen .
,, Ich hab‘ keine Ahnung. Bring es mir einfach und ich warte hier.“
,, Was denkst du dir? Als ob ich dir das Zeug hinterher tragen würde.“
Versucht die Haltung zu bewahren, ballte ich die Hände angespannt zu Fäusten.
,, Mach schon“, forderte ich.
,, Ganz bestimmt nicht. Aber ich kann ja das armselige dressierte Hündchen fragen.“
Doch das war nicht mehr nötig, denn meine Beherrschung war nun endgültig am Ende.
Wutentbrannt wirbelte ich herum, warf Dean gegen eine der zahlreichen Türen und drückte in mit aller Kraft dagegen, während meine Hand blitzschnell in meinen Mantel glitt und das Messer, welches ich stets an meinem Gürtel befestigt hatte, drohend gegen seine Kehle hielt.
,, Ich habe weder die Geduld noch den geringsten Wunsch danach meine Zeit mit deinen sinnlosen Spielchen zu vergeuden”, flüsterte ich nun mit vor Zorn bebender Stimme und kämpfte gegen den Drang einfach zu zustechen. ,, Gib mir einfach das weswegen ich hier bin und verschon mich mit deinem nutzlosen Gerede oder ich werde der letzt sein der dir jemals zugehört hat.”
Deans Mine war für einen Augenblick wie versteinert, doch nach ein paar Sekunden fand der Spott den Weg in sein Gesicht zurück. Er schnaubte verächtlich.
,, So leicht lässt du dich aus der Fassung bringen Ty; Hast du denn gar nicht bei mir gelernt?
Töte mich wenn du willst. Nur sei dir bewusst, dass du damit die einzige Person umbringst, die dich
Nicht tot sehen will“
,, Halt die Klappe!”, zischte ich und kratzte einmal leicht mit der Klinge des Messers über Deans Hals. Ein dünnes Rinnsal Blut quoll aus der Wunde.
,, Was ich mache geht dich nichts an. Ich bin dein Kunde und nichts anderes.”
Ich ließ ihn los und steckte mein Messer zurück in meinen Gürtel.
Dean stand vor mir, das Gesicht gezeichnet von tiefster Verachtung.
,, Wie sie wünschen. Folgen sie mir bitte”, sagte er und öffnete die Tür links von ihm.
Ich folgte ihm ohne ein weiteres Wort, mit immer noch hoch brodelnden Zorn doch eine Spur Beunruhigung über Deans plötzlichen Stimmungswechsel...
Doch was kümmerte mich das? Er war nie mein Freund. Er ist es nicht! Er sollte mir egal sein.…….
Er ist mir egal!
Die Tür hatte uns ohne Umschweife in einen weiteren Raum geführt, der einer ausgiebigen Musterung durchaus würdig war.
Zwar war er noch kleiner als die Eingangshalle, doch bot er trotz allem einen imponierenden Anblick.
Wir waren in der Bibliothek und die gigantischen Bücherregale ragten hoch über unsere Köpfe und nahmen so die gesamtem Seitenwände ein. Der Eingang wurde von zwei grimmig dreinblickenden Steinlöwen flankiert. Die hintere Wand bestand einzig und allein aus einem Fenster und ermöglichte einen den Blick auf die schwarze Dunkelheit der Nacht.
In der Mitte des Raumes, mit dem Rücken zum Fenster befand sich ein gigantischer Schreibtisch mit Meter hohen Stapeln aus Bücher, Schriftrollen, alten Tintenfässern und gebrauchten Federkielen. Langsam begann ich mich zu diesem Tisch hinzubewegen, um zu erkennen mit welchen Themen sich Dean wohl diesmal beschäftigen würde, doch er stellte sich mir bestimmt, beinahe feindselig in den Weg und verschränkte die Arme vor der Brust.
,, Du wartest hier. Ich hol dir was du brauchst. Und fass nichts an!” Und noch bevor ich etwas sagen konnte war er bereits durch weitere, kleine Tür verschwunden.
Ich schaute ihm Stirn runzelnd nach; hielt einen Moment inne und lauschte.
Als ich nichts hörte, näherte ich mich weiter dem Chaos auf der Tischplatte zu. Mit neugierigen Interesse streifte mein Blick über die zahlreichen Pergamentstapel, abstruse Skizzen irgendwelcher Gerätschaften, oder Rezepturen irgendwelcher Mixturen.
Das meiste war mir bereits bekannt, doch als ich einen Stapel Bücher beiseite schob fand ich etwas darunter, was meine Aufmerksamkeit erregte.
Es war ein Briefumschlag, bereits geöffnet, jedoch ohne Adressanten oder Absender.
Verwundert nahm ich den Umschlag in die Hand. Er war gleißend weiß und ohne jegliche Beschriftung. Allerdings war er mit einem eigenartigen Siegel verschlossen gewesen.
Ich hatte dieses Siegel noch nie zuvor gesehen.
Ich warf einen raschen Blick zu Tür, doch Dean war noch nicht zurückgekommen. Hastig holte ich den Brief aus dem Umschlag und entfaltete ihn. Der Brief war kurz. Die Schrift war pechschwarz jedoch auffällig ordentlich und präzise. Ich begann zu lesen:
Â
Â
Dean Tabbert,
Hiermit bitten wir sie uns den Hüter der Welt am Morgen seines achtzehnten Geburtstages, an den Stadttoren Saroks zu übergeben. Die Organisation wird ihn dort empfangen und sie von ihren Diensten entlassen.
Selbstverständlich vertrauen wir darauf, dass sie Stillschweigen über die Existenz der Organisation bewahren und auch die Erinnerungen an den Hüter der Welt vollends aus der Stadt verbannen. Wir vertrauen auf ihre Fähigkeiten.
Wir erbitten innständig um Verständnis darüber, dass der Kontakt zu ihnen und dem Hüter der Welt von dort an gebrochen wird, wenn sie ihn uns übergeben. Ihre Aufgabe ist mit diesem Tag beendet.
Wir sprechen ihnen tiefsten Dank aus und versichern, dass sie auf ewig als Freund in unserem Gedächtnis bleiben werden.
R.H.
Â
Was war das? Meine Gedanken überschlugen sich. Der Hüter der Welt? Was ist das? Was für eine Organisation? Was hatte Dean damit zu tun?
,, Erwischt du Schnüffler!”, rief eine Stimme hinter mir und eh ich mich versah lag ich auch schon auf den Boden und spürte wie mir jemand die Arme auf den Rücken drehte und etwas spitzes in meinen Rücken bohrte.
,, Du bist nicht der einzige mit einer Waffe, Tyran”, hörte ich Deans spöttische Stimme über mir. Ich versuchte mich aus seinen Griff zu befreien doch er verstärkte nur den Druck auf das Messer an meinen Rücken. Zwar ließ er meine Arme los, doch drückte nun statt dessen meinen Kopf gegen den Boden. Langsam beugte er sich zu meinem Gesicht und flüsterte: ,, Weißt du was dein Problem ist? Du denkst immer noch, dass jeder Mensch unbedingt alles über deine Vergangenheit erfahren möchte. Aber das stimmt nicht. Du interessiert die Menschen in der Stadt rein gar nichts.
Was du jeden Tag treibst ist mir egal. Schlag dich von mir aus mit irgendwelchen Obstverkäufern rum. Aber komm niemals auf die Idee du könntest mich bedrohen. Denn, merk dir, das kannst du nicht.
Ich könnte dich jeder Zeit töten und es gibt nichts was du dagegen tun kannst. Ich bin stärker als du. Greif mich nie wieder an, oder das war’s für dich. Verstanden?“
,, Elender Bastard”, keuchte ich.
,, Wie bitte?” Das Messer bohrte sich langsam durch meine Haut. Ich keuchte auf vor Scherz.
,, Was willst du machen? Mich umbringen wenn ich nicht gehorche?”, fragte ich verbissen.
,, Das würde keinen Sinn ergeben.”, entgegnete Dean. ,, Bei dir ist jede Hoffnung verloren.
Ich werde dir wohl so vergebe müssen.”
Er stand auf und zog mich auf die Beine.
,, Und jetzt?”, fragte ich und blickte Dean feindselig an.
Dieser hatte wieder seine sorglos ironische Mine aufgesetzt.
,, Jetzt wo wir alle wieder Freunde sind”, er reichte mir ein kleines Päckchen mit ovalen blauen Pillen.
Ich nahm sie entgegen, holte eine Pille aus der Tüte und begutachtete sie verwundert.
,, Das sind neue”, erklärte Dean auf meinem fragenden Blick hin. ,, Die hier halten länger an.
,, Warum hast du mir die nicht schon vorher gegeben”, erwiderte ich.
,, Hätte nicht gedacht, dass du es so nötig hast”, antwortete Dean. ,, Aber nimm nur höchstens eine vorm Schlafen gehen. Die haben’s in sich.”
Gelassen schlenderte er zum Fenster und zündete sich eine Zigarette an. Nachdenklich starrte er aus dem Fenster.
Eine Weile beobachtete ich ihn, doch dann beschloss ich mich schleunigst aus dem Staub zu machen, bevor Deans wieder etwas einfiel um mich hinzuhalten. Ich hatte mich gerade zum Gehen gewand, da fiel mir der Brief wieder ein, der auf Deans Tisch lag.
Ich drehte mich wieder zu Dean um, der immer noch stumm in die Dunkelheit starrte, und fragte: ,, Was ist das für ein Brief?”
,, Du meinst den, der dich nichts angeht, du aber trotzdem gelesen hast, weil du natürlich wieder rumschnüffeln musstest ?”, antwortete Dean ohne sich umzudrehen.
,, Ja.”
,, Ist geschäftlich. Kann ich dir nicht sagen.”
,, Warum?”
,, Weil wir dann beide drauf gehen würden.”
,, Soll das ein Scherz sein?“
Nun drehte sich Dean zu mir um.
,, Nein, soll es nicht.“
Ich wandte mich zum gehen.
,, Hey, Ty, warte!”
,, Was?”, fragte ich genervt.
,, Hast du nicht was vergessen?”
,, Ich verzichte lieber dir eins in die Fresse zu schlagen, danke”, erwiderte ich und ging in Richtung Tür.
,, Willst du mich nicht darum bitten wieder hier wohnen zu dürfen?”
,, Nein ich denke nicht,” entgegnete ich und griff nach dem Türgriff.
,, Du weißt sie werden dich töten, Tyran.”
Ich hielt inne.
,, Werden sie nicht.”
,, Jetzt tu nicht so dumm. Alle in der Stadt hassen dich. Wer sich mit dem Glatzkopf anlegt ist erledigt. Der wird nicht aufgeben bis der dich am Galgen baumeln sieht. Und so wie ich unser tolles Stadtoberhaupt kenne, wird der das auch noch unterstützen und dir irgendeinen Mist anhängen, um dich hinrichten zu lassen.”
Ich schwieg.
,, Die wollen dich loswerden. Du bist ihnen unheimlich. Da werden die vielen versteckten Gassen dir auch nicht mehr weiterhelfen. Irgendwann finden sie dich.“
Ich antwortete immer noch nicht.
Er hatte Recht. Deans Haus war der einzige Ort wo ich sicher war. Und er wusste das von Anfang an! Ich spürte den Zorn in mir hochsteigen. Ich hatte keine andere Wahl als wieder bei ihm zu wohnen. Er hatte das von Anfang an geplant. Dieser Bastard hatte gewonnen.
,, Also?”, fragte Dean, als ob es meine Entscheidung wäre.
Mit auflodernden Zorn schlug ich mit der flachen Hand gegen die Tür und antwortete mehr zu mir als zu ihm : ,, Mir bleibt wohl nichts anderes übrig.”
,, Willkommen zu Haus,“ rief Dean. Auch ohne sein Gesicht zu sehen, wusste ich, dass seine Mine vor Selbstzufriedenheit übersprudelte.
Wortlos verließ ich den Raum.
Jetzt war ich wieder genau da wo ich mich seit knapp drei Jahren loszulösen versuchte.
Gast Inaaaa :) der Anfang des Buches ist wunderbar. zwischendurch ist es zwar ein bisschen verworren, aber gerade das ist gut, weil man dadurch weiterlesen möchte und sich ja jetzt schon meine Fragen geklärt haben :) richtig richtig gut, für dein erstes Buch! hab dich lieb |