Lucy erfindet den Spiele-Tag
Habt ihr Euch eigentlich auch schon einmal gefragt, warum es wegen jedem Hinz und Kunz einen Feiertag gibt? Bei den Allermeisten versteht man sowieso nicht, was man da feiern soll.
Aber so einen richtigen Spiele-Tag den haben sie noch nicht erfunden! Obwohl es doch so viele Kinder gibt, die es dringend nötig hätten, dass ihre Eltern mal ein bisschen Zeit haben mit ihnen zu spielen.
Und vielleicht haben auch die Erwachsenen mal Lust etwas zu spielen, sonst kommen sie ja auch nicht dazu.
Lucy jedenfalls hat sich darüber Gedanken gemacht und sogleich in Lucys Parlament, welches vor allem aus Lucy selber besteht, beschlossen, dass ab heute einstimmig der Spiele-Tag eingeführt wird, ein Feiertag zu Ehren und Nutzen der Kinder aller Länder, Tiere, Hexen und sonstigen Wesen.
An diesem Tag sind nutzbringende Arbeiten strengstens untersagt, es sei denn sie haben spielfreudigen und spaß-bringenden Charakter. Als Mahlzeiten sind beispielsweise Picknicks im Grünen, Geburtstagstorten-Essen, Kirschen-naschen vom Baum, Eiswaffeln vom Eismann oder Pizza vom Pizza-lieferanten erlaubt. Und natürlich jede Menge Allwetter-Schleim in allen Farben und Geschmacksrichtungen.
Abspülen und Aufräumen sind natürlich sehr verboten, ebenso wie Betten Machen oder sogar Tisch abwischen. Daher wird der Tisch an Spiele-Tagen nur für beispielsweise Spiele wie Monopoly usw. verwendet, damit er gar nicht erst schmutzig wird.
Wer an einem solchen Tag gar beim Fenster-Putzen erwischt wird, muss als Strafe viele Stunden Nachspielen. (das ist so etwas wie Nachsitzen in der Schule. Man muss an einem normalen Tag viele Stunden spielen, während man neidisch den Anderen zusehen muss, die die Fenster putzen dürfen)
Lucy überlegt, auf welchen Tag im Jahr sie den Spiele-Tag legen soll, und entscheidet sich für Freitag. Dafür spricht Vieles: Erstens ist heute Freitag, so dass man gleich damit beginnen kann, zweitens kehrt der Freitag öfters wieder als beispielsweise der vierundzwanzigste Dezember, so dass man nicht so lange auf seinen Spiele-Tag warten muss.
Außerdem ist Mittwoch Hexendrogerie-Tag, und am Donnerstag muss man alles ausprobieren und spazieren tragen, was man sich am Mittwoch gekauft hat. Und dann beginnt man sich Freitag schon wieder ein wenig zu langweilen, weil das Wochenende ja erst morgen kommt, wo man spannende Ausflüge machen darf.
Und zu guter Letzt (das wird euch überzeugen) warum heißt der Freitag denn eigentlich FREI-tag?
Na???
Natürlich weil man frei bekommt um endlich rückhaltlos zu Spielen.
Nun muss sie nur noch alle Leute davon überzeugen, dass Freitag der Spiele-Tag ist.
Freudestrahlend reißt sie aus alter Gewohnheit das Fenster auf, kippt sich zur Hälfte hinaus und brüllt: „BIIIIIIRKAAAAA!!!!!!“
Ihre magischen Topfpflanzen sind inzwischen längst auf ein anderes, weniger frequentiertes Fensterbrett umgezogen.
Dann fällt ihr plötzlich ein, dass sie ja gar nicht mehr zu Brüllen braucht. Sie und Birka besitzen ja jetzt drahtloses Hexenkristall-Telefon. Schnell langt Lucy in ihre grüne Kugel-Socke und pult ihre kleine Kristallkugel heraus. Sie haucht eifrig darauf, wobei ein wenig Spucke mitgeht und wischt sie an ihrem fleckigen Maiglöckchen-Kleid trocken. Dabei denkt sie die ganze Zeit intensiv an Birka. Da, es klappt! Schon erscheint das Bild einer verschlafenen, leicht zerknautschten Birka. Aber warum sieht es in ihrer Birke denn so aus, wie in ihrem Hexenhäuschen? „WAS IST?“, nuschelt Birka, die von Lucy offensichtlich aus dem Schlaf geweckt wurde. Komischerweise kommt die Stimme nicht aus der Kristallkugel sondern von der Türe. Lucy sieht auf, und da steht doch tatsächlich ihre Freundin im Nachthemdchen vor ihr, mit dem Spiegelchen in der Hand.
„Wieso brüllst Du nur immer so, morgens in aller herrgottsfrüh?“, meint Birka tadelnd.
„Ich muss mich erst noch daran gewöhnen, dass wir ein Telefon haben!“, entschuldigt sich Lucy zerknirscht. Aber gleich ist sie wieder fröhlich. „WEISST DU, dass wir heute Spiele-Tag haben?“,fragt sie ihre Freundin. „Da ist es sträflicher Leichtsinn, so lange zu schlafen, wo man doch den ganzen lieben langen Tag nichts anderes tun darf als die herrlichsten Spiele zu machen!“
Birka weiss es nicht. Aber da es jetzt sowieso nichts mehr nützte, wieder ins Bett gehen zu wollen, trinkt sie gleich eine große Tasse Hexenkaffee um richtig wach zu werden.
Das Simsipursbum braucht nicht lange überzeugt zu werden. Es spielt für sein Leben gern. Am liebsten Anderen kleine Streiche. Oder den Unschuldigen, wenn es etwas ausgefressen hat. Und mit 'ausgefressen' meine ich das im wahrsten Sinne des Wortes.
Es hat sich nun schon an sein Hexenfrauchen gewöhnt und springt ihm wie ein echtes Hexen-Haustier auf die Schulter, wenn sie das Haus verlässt.
Gemeinsam zockeln sie los, hinaus in den strahlenden Morgen um aller Welt die frohe Botschaft vom Spiele-Tag zu verkünden.
Als erstes treffen sie die gruselige Spinnen-Postbotin Gusta, die mit enormer Geschwindigkeit übers Moos gestakt kommt.
„HAAAAALT!“ brüllt Lucy sie an. Hier im Freien und zusammen mit ihren Freunden hat sie nicht mehr so viel Angst. Doch die Spinne gehört zu den wenigen Wesen, die sich durch Lucys Gebrüll nicht im Geringsten beeindrucken lassen. Sie kommt herbei gezischt und holt mit dem Fangarm aus um Lucy ihre Post hin zu knallen. Doch mitten in der Luft bleibt ihr der Fangarm einfach stehen, sowie auch die Anderen Beine, die sie im Laufen hoch gehoben hatte.
Lucy hat nämlich flink den Festhex-Zauber ausgesprochen, den sie von Oma Zerfi bei einem Drogeriebesuch gehört und heimlich auswendig gelernt hat. Hexen-Kinder dürfen nämlich eigentlich so was nicht hören oder sagen. Festhex-Flüche das sind so was wie Schimpfwörter für richtige Kinder. Dafür dürfen Hexenkinder bedenkenlos fluchen und Schimpfworte gebrauchen, wenn sie wollen.
„Meine liebe Gusta!“ meint sie nun zu der erstarrten Spinne, und versucht sich dabei NICHT vorzustellen, was Gusta mit ihr anstellen würde, nachdem sie wieder aufgetaut ist. Lucy hebt belehrend ihren Zeigefinger: „Heute ist doch Spiele-Tag, da wird nur gespielt, und Post Austragen ist nicht erlaubt! Das geht erst Morgen wieder!“
Nach dieser mutigen Aussage macht sie, dass sie mit ihren Freunden außer Reichweite kommt, denn sie ist sich nicht sicher, wie lange der Zauber bei Gusta halten wird. Schließlich ist sie nicht ihre Großmutter. Sie kann es sich aber nicht verkneifen der Spinne einen Kübel Allwetter-Schleim (sumpfbraun – extra klebrig) in die Post-Tasche zu kippen, als Ausgleich für die erduldeten Schrecken.
„Bist Du sicher, dass man so die Leute davon überzeugt, dass heute ein lustiger Spiele-Tag ist?“, fragt Birka zweifelnd ihre fröhlich vor sich hin pfeifende Freundin.
„Nicht alle!“, beteuert Lucy, „aber Gusta schon!“
Ihre Freunde von der Wiese lassen sich leichter für den Spiele-Tag gewinnen, und so sieht man bald eine fröhliche Runde über die Wiese tollen.
Jeder darf einmal ein Spiel vorschlagen, und so bekommt jeder einen Wunsch erfüllt und es wird nie langweilig. Na ja, fast nie. Beim Schnecken-Schach wird es dann doch ein wenig fad, wenn man eine Schachfigur darstellen muss, die alle halbe Stunde mal ein Feld weiter bewegt wird.
Dafür ist der Ameisen-staffel-Lauf um so bewegter, man muss immer rennen, und dabei dem Nächsten eine abgebrochene Tannennadel überbringen, was die Kleineren ganz schön schlaucht. Nur das Simsipursbum zischt mit unverminderter Geschwindigkeit hin und her. Leider frisst es dabei die Tannennadel, weswegen es disqualifiziert wird und Birkas Gruppe gewinnt.
Danach spendieren die Bienen süße Honiglimonade und man erzählt sich, im Gras ausgestreckt, die neuesten lustigen Witze.
„Kennt ihr den?“ beginnt Lucy, die immer die besten Kalauer auf Lager hat: „Eine gruselige Spinne will an einem Spiele-Tag die Post austragen...“
„Ja?“, fragen die anderen Tiere gespannt, als darauf keine Antwort kommt. „Und was ist dann?“
Doch zur Antwort ertönt nur zartes Hexen-schnarchen. Auch der beste Spiele-Tag geht für eine klitzekleine Hexe mal zu Ende...
