\"Der Aufbruch\"
Es war eine „verrückte Zeit“, meine Tochter Caroline war gerade ein Jahr alt geworden, und alles ging drunter und drüber, als in der DDR, der Große Aufbruch begann. Ich arbeitete damals noch in meinem „Blech“ verarbeitenden Betrieb, in der Kreisstadt Stollberg. Bis dahin hatten wir alle noch unsere Jobs gehabt, doch eines Tages, kam die „Schlechte“ Nachricht von ganz oben, und wir wussten von diesem Tag an, dass wir alle, die im Werk arbeiteten die Jobs verlieren werden.
Was tun, fragten wir uns, herum jammern?: Dass hätte damals alles nichts gebracht, also beschloss ich kurzerhand mit meinem kleinen Bruder Sven auf die „Große Reise“ zu gehen, denn die „Tore der Weiten Welt“, hatten sich ja schließlich für uns Bürger des „Ostblockes“ geöffnet. Eines Tages war es dann soweit, wir verabschiedeten uns von unseren Eltern, und umarmten Sie nochmal, denn keiner von uns beiden, hatte eine „Ahnung“, wo uns wohl diese Reise hinführen sollte.
Meine Mutter heulte wieder einmal und wischte sich die „Mütterlichen Tränen aus den Augen“, und dann sagte Sie noch, macht mir ja keine „Sorgen“ Kinder, und das Ihr ja gut aufeinander aufpasst!
Nach diesen Worten, die meine Mutter sagte, drückten wir Sie nochmals ganz fest und sagten: Mach dir keine Sorgen um uns, wir sind doch schon erwachsen, dass werden wir schon irgendwie alles hin bekommen, denn das Leben muss doch weitergehen, wenn wir hier keine Arbeit mehr haben, dann müssen wir uns eben auf die Reise machen!
Wie meine Mutter eben war, Sie konnte das alles nicht wirklich verstehen, dass dieser „Gesellschaftliche Umbruch, vom Sozialismus zum Kapitalismus, seinen Tribut forderte“. Das letzte was Sie noch sagte , als wir uns verabschiedeten, um auf die Reise zu gehen: Hoffentlich, findet Ihr im „Westen“ einen Job!
Nun war es soweit, ich und Sven, winkten noch einmal zurück, und schauten uns noch einmal um, denn schließlich war das die Straße, wo wir aufgewachsen waren, wo wir gemeinsam die vielen Jahre, mit all den anderen Kindern, unsere Streiche spielten, und so manchen ehrenwerten Mitbewohner zur Weißglut brachten!
Das vergisst man ja auch nicht, denn die Kinderjahre waren ja auch schön, „wenn es auch manchmal eine Ohrfeige gab, oder wenn Mutter mit dem Teppich-Klopfer uns den Hintern versohlen wollte, wenn wir wiedermal „Blödsinn“ angestellt hatten. Also machten wir uns nun endlich auf den Weg, um den nächsten Bus nach Karl-Marx-Stadt zu erreichen, so schnell wie der Bus kam, stiegen wir ein, und der erste Schritt war getan. Als wir in Karl-Marx-Stadt ankamen, kauften wir uns ein Ticket für den Zug, die Reise führte uns zunächst in das Hessische Gießen, da wo eine „Kaserne die Heimat für die Bundeswehrsoldaten war“.
Das erste mal in unserem Leben, sahen wir eine Bundeswehrkaserne von innen, dass war schon ein Erlebnis, ein „Unterschied zwischen Himmel und Hölle“, wenn man dagegen die Kasernen der Volksarmee betrachtete. Ich kannte ja den Unterschied, „da wir damals mit unseren Eltern, unseren Großen Bruder Ronny zur Vereidigung zum Wehrdienst besuchten“! Da gab es kein Casino, wo sich die Soldaten vergnügen konnten, denn der Soldat „Ronny Löbner“, war ja schließlich dazu da, sein so genanntes sozialistisches Vaterland DDR, mit der Waffe in der Hand im Ernstfall zu verteidigen, also wozu brauchten Sie dann ein Casino, wie es die Soldaten vom Klassenfeind hatten. Damals, konnte man sich gut mit dem „Bösen Klassenfeind“, wie die Genossen der Parteiführung Ihn nannten, unterhalten.Â
Ich persönlich, hatte diese Soldaten, oder Menschen im allgemeinen nie als meinen Klassenfeind angesehen, warum auch! Wie kann ein Mensch sich eine Meinung bilden, „wenn er nicht einmal die Möglichkeit bekam, in das Land, desÂ
sogenannten Klassenfeindes zu reisen! Zumindest ich konnte nicht reisen, zu der damaligen Zeit, bis zur Wiedervereinigung.
Meine Mutter dagegen schon, denn Sie besuchte immer wieder mal, meine Tante Else, was eine Halb-Schwester von meiner Mutter war.Â
Natürlich hatte man ja mehr erfahren, wie es im Westen aussah, als wie die Menschen, die eben keine Verwandtschaft in der BRD hatten. Ich hatte einmal versucht, eine Reise in das Kapitalistische Ausland zu bekommen, da hatte ich gerade aus gelernt und arbeitete im VEB Robotron Buchung s Maschinenwerk in Neuoelsnitz.Â
Ich ging während der Pause zum Jugendtourist Reisebüro in unserem Betrieb, und fragte damals höflich nach, wie es denn wäre, dass Sie mich mal nach Österreich fahren lassen, denn ich wäre sehr gerne einmal in die Steiermark gefahren, da ich mich damals mit zwei Brieffreundinnen, die dort lebten schrieb.
Der Reisebüro-Mensch, schaute mich an, als ob ich von einem anderen Stern gekommen wäre, und sagte doch zu mir: Herr Löbner, was wollen Sie denn in Österreich, dass geht doch nicht, fahren Sie doch in unser Bruderland, nach Moskau!
Ich schaute Ihn an, und sagte, dass sind nicht meine Brüder!
Was soll ich da, ich möchte in die Steiermark, meine Brieffreundinnen besuchen. Was für ein Theater wurde da veranstaltet, dass hat mich so genervt, dieses ewige, du darfst nicht, dass darfst du nicht, da darfst du nicht hin, weil dort angeblich der Klassenfeind war.
Als ich diese Abfuhr bekam von diesem Menschen, sagte ich nur noch, dann lasst mich doch nach Polen fahren, wenn ich schon nicht nach Österreich fahren darf!
Also ich muss schon sagen, dass der Kerl, aber mit Sicherheit nicht nur ein Parteiabzeichen hatte!
Der brüllte mich an, als wäre ich taub gewesen!
„Was wollen Sie denn in Polen“? Da herrscht geradeÂ
Konter-Revolotion, der Feind des Sozialismus ist im Anmarsch!Â
Ich schaute Ihn nur noch an und antwortete: Nach Österreich lasst Ihr mich nicht, nach Polen darf ich auch nicht, verdammt, in diesem Staat darf man ja gar nichts!
Da hatte ich aber was von mir gegeben, dass hatte dem gar nicht geschmeckt, deshalb erwiderte er mit einem ungehobeltem Ton: Also, Herr Löbner, so können Sie doch nicht über ihr „sozialistische Vaterland“ sprächen, dass ist ja eine Unverschämtheit!Â
Ich wollte diesen ganzen Kram von Klassenfeind und Konter-Revolotion nicht mehr hören, dass ging mir alles tierisch auf den Geist, also ging ich und krachte die Tür hinter mir zu und fluchte.
Aber gut, nun waren wir ja in Gießen, in dieser Kaserne und verbrachten den Tag, wie jeder andere auch.Â
Ich lief mit meinem Bruder Sven etwas durch die fremde Stadt und wir unterhielten uns dabei. Ständig schauten wir uns um, denn wir waren ja auf Jobsuche, aber leider hatten wir dort kein Glück gehabt. Aber wenn wir da was gefunden hätten, dann wären wir ganz wahrscheinlich in Gießen geblieben, und dann wäre diese Stadt unsere neue Heimat geworden.
Also, was blieb, wir setzten uns in eine Bahnhofskneipe und tranken ein Bier, dabei beobachteten wir, wie ein älterer Mann ständig Geld, in solch einen Automat steckte, mein Gott, wenn ich daran zurück denke, dass waren bestimmt Fünfhundert Mark, die er dort hineinsteckte, aber nichts heraus bekam.
Dieser Mann, musste wohl ziemlich verzweifelt gewesen sein, denn er verließ den Ort, doch nach Fünf Minuten war er schon wieder da, und beehrte diesen Geldspielautomaten, und das Drama fing sogleich, von vorn wieder an.Â
Er steckte sicherlich, wenn ich mich recht erinnere, Fünfhundert Deutsche Mark, in diesen Automaten!
Ich und mein Bruder Sven, beobachteten diese Spielsucht von diesem Herrn und schüttelten nur noch mit dem Kopf!
Das war wohl die erste Erfahrung gewesen, dass es eben auch Menschen gab, die versuchten, ihre Probleme in der Spielsucht zu ertränken.
Also tranken wir noch ein Bier und schauten immer wieder hinüber zu diesem Mann, der sein ganzes hart verdientes Geld, in diesen verdammten Automat steckte.
Wir tranken unser Bier aus, danach machten wir uns auf den Weg in die Kaserne, denn wir hatten keine Ahnung, wie alles weiter ging.
Als wir wieder in der Kaserne ankamen, gingen wir in das Casino, wo die vielen Soldaten, aber auch die vielen Ãœbersiedler ihre Freizeit verbrachten.
Es dauerte nicht sehr lange, da sprach mich ein Offizier an, und fragte mich, wo wir wohl her kämen.
Er war ein sehr netter Mensch, deshalb erwiderte ich ganz schnell: Wir kommen aus Lugau, dass liegt im Erzgebirge, in der Nähe vom Sachsen-Ring!Â
Kaum hatte er das Wort gehört, kam es wie aus der Pistole geschossen: „Der legendäre Sachsen-Ring“, da war ich mal, aber lass mich überlegen, dass muss wohl 1974 gewesen sein, als Dieter Braun, dass Rennen gewann! Danach waren alle Deutschen aufgestanden, und haben gemeinsam die Deutsche Nationalhymne gesungen, dass hatte ja den Genossen in der DDR gar nicht gefallen, dass so viele DDR Bürger die „Deutsche Nationalhymne“ sangen!
Ich erwiderte nur, dass ist wohl war!
Ich erzählte Ihm aber auch, dass wir 1974, als Kinder auf dem Sachen-Ring waren, denn mein Vater bekam immer Karten für das Fahrerlager, weil er eben im Zweigbetrieb arbeitete.Â
Ich sagte nur noch, dass wir uns als Kinder immer wieder darauf freuten, wenn es wieder los ging, dass „Große Rennen“.
Denn das war ja Abenteuer pur gewesen, dieses Fahrerlager, wo man gewisse Dinge zu kaufen bekam, was man sonst nicht in den Läden der H O, oder im Konsum, bekam.Â
Doch dass schönste für uns war damals, dass wir wie die Weltmeister leere Bierflaschen sammeln konnten, und somit, besserten wir uns unser Taschengeld auf, denn wir bekamen von unseren Eltern, gerade einmal „Fünf“ Mark, im Monat.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als wir den Trabant von unserem Vater, bis an die Decke voll stopften, natürlich, mit leeren Bierflaschen, dass war ein Schauspiel!
Doch die „Liebe“ Verkäuferin in der Scharfen Ecke, machte schon die Augen zu, als Sie uns sah, mit diesen vielen Flaschen, die wir abgeben wollten, um den Pfand zu kassieren.
Doch irgendwann, vertiefte sich dieses Gespräch, mit diesem Offizier, als es um das Thema ging „Klassenfeind“, denn er fragte mich und meinen Bruder Sven: seit Ihr Kommunisten?
H 'm, dachten wir, was sollte nur diese dumme Frage, hatten wir uns gefragt, wir waren doch keine Kommunisten!
Also antwortete ich: Nein, wir sind doch keine Kommunisten, sonst wären wir doch nicht hier! Ich fragte Ihn: Hättest du auf „Deutsche“ Soldaten geschossen, wenn es zu einem Militärischen Konflikt zwischen der DDR und der BRD gekommen wäre? Er sagte ja, dass hätte ich getan!
Ich schaute Ihn an und erwiderte: Das hätten unsere Soldaten wahrscheinlich genauso gemacht, wie du und deine Kameraden, aber das liegt wohl daran, dass jeder Deutsche, egal wo er auch lebt, dass verfluchte Bild vom Klassenfeind eingetrichtert bekam!
Einfach nur Traurig!