"Kopfkino"-diese Bilder, die sich meist im eigenen Kopf überschlagen, diese Mischung aus Traum, Wunsch, Angst und Hoffnung, ist es, die seltsame, surreale Episoden entstehen lässt. Die Kapitel dieses neuen Buches sollen den kleinen Seelenfilmchen ihre Leinwand geben. An dieser Stelle ein Dank an MrsPUNKT Arte für die Inspiration ;-)
Sie knieen voreinander auf diesem riesigen, weiten Bett. Nur durch Zufall waren sie in diese Position geraten, eigentlich wollte sie nur nach einem Buch greifen, das auf der anderen Seite des Bettes lag, und stolperte. Nun saßen sie da. Die Luft brannte, von der Überraschung der plötzlichen Konfrontation, vom Impuls der bevorstehenden und so dringend gewollten Berührung, der sie nun beide gefangen nahm und vor Angst. Angst und lähmende Unsicherheit lagen in der Luft, im Raum, in ihren Blicken, bis sich das Zimmer plötzlich drehte und in ihnen eine leise Melodie erklang. Plötzlich spürte ein Paar Hände große Kraft und wanderte in die Höhe, bis zwei Daumen nebeneinander auf einem ebenmäßigen Kinn ruhten und Finger zu beiden Seiten Kieferknochen umfassten, als hielten sie einen wertvollen Kelch. Den wertvollsten Kelch, den es in diesem Augenblick geben konnte.
Doch nicht nur ihre Hände, noch mehr Sinne flehten so dringend danach, gespürt zu werden und so wanderte eine Nase vorsichtig an einer zarten, ebenmäßigen Wange vorbei, um den so ungekannten Duft zu erhaschen und zugleich den Ohren die Chance zu geben, diesen Atem zu spüren. Dieser Geruch, so ersehnt und so bekannt, so zu Hause. Dieser Atem. Die unruhigste und zugleich beruhigendste Melodie, die sie erdenken konnte.
Während eine der mutigen Hände den wertvollen Kelch weiter umfasst, wandert die andere ganz vorsichtig Fingerschritt für Fingerschritt an der Elfenbeinwange hinauf, bis die Fingerspitzen Augenbrauen berühren und diese ganze langsam nachzeichnen dürfen. Glück strömt durch die Finger, dass sie über jede dieser unbeschreiblichen Konturen fahren dürfen, um sie künftig wieder und wieder im Traum zu spüren und zu zeichnen.
Die andere Hand gleitet unterdes weiter um den Kelch, der Daumen wandert vom kleinen Tief des Kinns und folgt dem Rest der Hand entlang auf dem Kieferknochen, während die Finger sich schon auf den Weg zur Rückseite des Kelches gemacht haben. Sie wissen, dass dies der sicherste Griff ist, in dem sie den Kelch halten können und welche sie dem Kelch bieten können. Auch die andere Hand, deren Hunger nach Schönheit gestillt wurde, gleitet in diese Position. So kann der Kelch nie mehr fallen, oder fallen gelassen werden. Sicher ruhen die Finger zwischen duftendem Haar und die Daumen berühren Kiefergelenke, die jede leise Regung preisgeben.
Langsam heben nun die Hände den Kelch näher an das zweite Gesicht, dessen Augen sich geblendet verschließen. Sie haben genug gesehen, um sich daran zu erinnern. Während die anderen Sinne glücklich den Moment genießen, sehnt und zerfließt der Mund vor Gier und Lust, bis schließlich ein Paar Lippen die Reise beginnt. Schützend legt sich eine Oberlippe auf eine andere, während eine Unterlippe diese ebenfalls umfasst. Ein Kuss ist es nicht, mehr ein Halten und Atmen. Nach einigen Momenten lösen sie sich aus dieser Umarmung, um einander erneut zu begegnen. Münder treffen und öffnen sich, um sich gegenseitig zu erfahren. Augen sind verschlossen, der Atem stockt, nur um diesem Moment, dieser Berührung, nicht ihre Kraft zu rauben, nie wieder.
Langsam öffnet sie jetzt die Augen. Das Nie-Wieder ist vorbei, die Melodie verklungen. Erschrocken und ertappt ziehen sich die Hände wieder zu ihrer Herrin zurück, die Ohren wollen nichts mehr hören. Riechen kann sie nur ihre eigene Angst. Die Augen weiten sich vor Schreck, als klar wird, was getan wurde: Sie hatte sie geküsst. Erschrocken springt sie auf, der Kelch fällt dabei zu Boden und zerspringt in tausend Teile.
Nie wieder kehrt sie in dieses Haus zurück. Manchmal aber, wenn sie nachts träumt, zeichnen ihre Finger das Bild des Kelches, der sich tief in ihre Seele gebrannt hatte.
Sprachlos
Es gab eine Stimme, die so vieles zu sagen hatte
Auch nachdem anderes gesagt war
Es gab so viele Worte, die gesprochen werden wollten
Es gab Ohren, die hören sollten
Auch nachdem anderes gehört wurde
Es gab so Vieles, das verstanden werden sollte
Dann trafen Worte auf Ohren, die der Stimme die Sprache verschlagen haben.
Irgendwo muss es hin. Es muss raus!
Du hast mich angesteckt mit deiner grenzenlosen Wut, deiner Verzweiflung und deiner Angst.
Deiner Angst vor allem.
Ich höre mich so vieles sagen, um dich zu beruhigen und sehe dich immer höhere Kreise schwingen in deiner Spirale aus deinen Idealen und deinem Hass auf diese Welt.
Ich gehöre aber dazu. Zu genau dieser Welt. Ich gehöre zu denen, die deine Ideale nie erreichen werden. Komm bitte runter, sonst hab ich dich an deinen Himmel verloren.
Und wieder derangiere ich mein geordnetes Chaos in der Hoffnung, damit eben auch jenes in meinem Kopf umzuordnen oder überhaupt erst zu schaffen.
Kopf gegen Schranktür, Augen zu, Hand gegen Kopf, Umherwandern. Denken. Der Versuch, genau dies nicht zu tun scheitert kläglich.
Kleine Maschinen haben erneut gewonnen und sind Herrscher meiner Stunden. Was sie berechnen oder auch nicht, daran hängt meine Hoffnung. Berechtigte Hoffnung? Die Antwort kommt beim Piepton.
Inneres Chaos bringt mich zur äußerlichen Vernunft. Das Gefühl, den Ablauf zu beherrschen lässt auch geistige Beherrschung strömen. Oder? Nicht.
Kopf gegen Spiegel, Beschimpfung meiner selbst. Kleiner Selbstbetrug. Umherwandern. Denken.
So muss sich der Panther gefühlt haben…