DER MANN IM MOND
Es ist Nacht. Ein samtig blauer Mantel ist über den Himmel gebreitet. Das Tagesgestirn ist längst zur Ruhe gegangen und die Schöpfung ahnt noch nichts von den Wundern des Lichtes, die ihr gleich etwas Außergewöhnliches bescheren werden.
Ein zierliches Geschöpf betritt plötzlich die Bühne des Weltalls. Ein bläulich schimmerndes Gewand umhüllt seinen Leib, den man nur ahnen kann. Die Bilder von Sonne, Mond und Sternen sind mit golden glitzernden Fäden in den Stoff eingewirkt.
Sein Haupt ist von einer dunklen Mütze bedeckt, deren Form man kaum wahrnehmen kann. Große Augen strahlen aus seinem Gesicht. Sie leuchten voll Unschuld wie Kinderaugen. Mit vorsichtigen Schritten, katzenhaft gleitend, beginnt das Geschöpf sich langsam zu bewegen: von links nach rechts, von rechts nach links, sich drehend und wendend, den Blick abwechselnd auf den dunklen Samt des Himmels und dann auf die Stickerei seines eigenen Kleides geheftet. Kunstvoller werden die Tanzfiguren, während zarte Töne wie Sphärenmusik die Luft zu erfüllen beginnen.
Da plötzlich ein Lufthauch! Und kleine und größere Glitzerbälle in allen Farben
schillernd, durchsichtig und zerbrechlich, lösen sich aus den Händen der Gestalt und schweben in den Raum. Nach einer Weile zerspringen sie mit einem feinen Knistern. Immer mehr und mehr Kugeln – wie von Zauberhand erschaffen – schweben und vergehen, während der Tanz rascher und reicher an Figuren wird.
Jede zerspringende Kugel streut Myriaden von glitzernden Stäubchen in den Raum, die sich zart auf dem dunklen Samt des Himmels niederlassen und dabei kunstvolle Gebilde formen.
Größer und größer werden die Glitzerbälle, ehe sie zerspringen. Plötzlich hält die Gestalt
im Tanzen inne, schaut sehnsuchtsvoll noch einmal auf sein Gewand und dann in den Himmel. Die Musik ist eindringlicher geworden, so als wolle sie auf einen Höhepunkt zusteuern. Da! Ein riesiger Glitzerball entsteht, löst sich von seiner Schöpferhand, die nun in Ruhe versinkt, beginnt schwebend aufzusteigen, bis er den Himmel erreicht hat, unzerstört, sammelt mehr und mehr Licht, bis er endlich den Goldglanz des verborgenen Tagesgestirns gefunden und ganz aufgenommen hat.
Einer riesengroßen goldenen Scheibe gleich hängt die Kugel nun dort oben.
Die kindlichen Augen des Tänzers folgten ihrem Weg voll Sehnsucht. Und da – siehst du
es nicht! - wie die Gestalt immer kleiner wird auf ihrem Weg aus Licht, bis sie schließlich in großer Entfernung mit dem Bilde des Mondes verschmilzt?
Bei Vollmond kannst du ihn dort oben sehen, den Mann im Mond.