Einleitung
Ein wenig Unzufriedenheit kann Wunder bewirken.
WIE DIE SCHMETTERLINGE
ENTSTANDEN SIND
Als Gott die Welt erschaffen hatte, da gab es schon sehr viele Tiere, aber noch keine bunten Falter. Doch an sehr vielen Pflanzen konnte man Raupen entdecken. Es gab welche, die waren braun und nackt, andere wieder trugen einen dichten Haarpelz. Sie verleiteten zum Streicheln. Wieder andere hatten ein feines Haarkleid, das durchsetzt war mit ganz langen harten Haaren, die zerbrechlich wirkten. Dann gab es welche mit vielen und andere mit wenigen Beinpaaren und solche mit zierlichen Hörnern. Allen aber war gemeinsam, dass sie darüber unzufrieden
waren, sich immer kriechend fort bewegen zu müssen in Gras und Laub oder auf der nackten Erde. Sie sehnten sich nach der Sonne und dem Licht und bewunderten oft das Funkeln und Sprühen der Tautropfen in der Morgensonne.
Eines Tages beschlossen sie, eine Änderung in ihrem Leben herbei zu führen und so trugen sie ihren Wunsch der Elfenkönigin vor. Die sann auf Abhilfe und rief deshalb ihre Untertanen zu einer großen Konferenz. In einer geheimen Sitzung entschieden sie, den armen Raupen zu helfen. Nur kurze Zeit später erschienen sie mit Farbtöpfen und zierlichen Pinseln ausgerüstet, um in einer warmen Frühlingsnacht ihr Werk zu beginnen.
Zunächst halfen sie allen Raupen, sich geschwind ihre alte Haut abzustreifen und eine saubere neue anzulegen, damit die Farbe besser hielt. Dann begann ein lustiger Malwettbewerb. Die kleinen Elfenkinder hatten einen Riesenspaß daran. Einige Raupen trugen nun Kleider mit hellgrünen
Punkten auf dunkelgrünem Grund oder umgekehrt. Andere kleideten sich in edles Hellbraun und ihre Köpfe waren mit dem Abbild eines Gesichtes geziert. Wieder andere hatten sich leuchtend gelb anmalen lassen mit roten und schwarzen Punkten oder gar Streifen. Kurz gesagt: die Fantasie der Elfen war beinahe grenzenlos gewesen und so trug nun jeder ein Gewand nach seinem Geschmack. Selbst die Haare der Pelzträger waren frisch eingefärbt worden und ihre Farben reichten über alle Brauntöne bis hin zu sattem Schwarz mit verschiedenen bunten Sprenkeln. Alle bestaunten die neue Farbenpracht, bewunderten sich gegenseitig und wiegten sich im Takt zum Händeklatschen der eifrigen Maler.
So waren alle rundherum glücklich und zufrieden, selbst die Raupen mit ihren Pelzchen machten bei den Feiern mit.
Nicht allzu lange danach fingen die ersten leuchtenden Farben an, blasser zu werden. Sonne, Luft und Regen hatten ihre Arbeit getan und auch die Pelzchen verloren an Schönheit. Dazu hatten die Raupen dem guten Essen und Trinken wacker zugesprochen und waren ordentlich gewachsen. Die Elfen hatten das im Voraus schon geahnt und für neue, größere Kleider gesorgt. So ging das ein paar Mal, aber die Raupen wurden wieder unzufrieden und trauriger und trauriger. Die meisten begannen vor lauter Kummer zu essen und
sie aßen und aßen, bis sie sich kaum mehr bewegen konnten. Sie wurden auch müde und so baten sie die Elfenkönigin wieder um Hilfe.
Diese kam sofort und hörte sich das Wehklagen und Gejammer der enttäuschten Raupen geduldig an. Rasch wies sie dann ihre Elfenkinder an, für die müden Raupen bequeme Bettchen zu richten: weich gesponnene für die Zarteren unter ihnen und kärgliche, härtere für die Robusteren. Es war für jeden Geschmack etwas dabei. Selbst Hängematten konnte man finden und sogar Mumienbettchen.
Auf Anweisung der Elfenkönigin suchten sich
die nörgelnden Raupen nun ganz nach Geschmack ihre Bettchen und legten sich wie übermüdete Kinder nach einem langen Spieltag zur Ruhe. Mit einem wissenden Lächeln wünschte ihnen die Elfenkönigin eine gute Nacht und deckte sie alle fest zu.
Rasch waren alle eingeschlafen und begannen lebhaft zu träumen.
Nur allzu bald war die Nacht vorüber und die Elfen kamen, um die Schlafenden zu wecken. Leise öffneten sie die Bettdecken und ihr glaubt es kaum. Heraus kamen die buntesten Schmetterlinge, die ihr euch vorstellen könnt: Zitronenfalter, Kohlweißlinge, Bläulinge, Kaisermantel, Trauermantel, Admirale, Schwalbenschwänze, Blutströpfchen, Nonnen, Ligusterschwärmer, Totenköpfe und
wie sie alle heißen. Einer war schöner und bunter als der andere.
Zum Dank für die Elfenkönigin tanzten sie nun Tag und Nacht durch den Sommer. Sie liebten sich und legten ihre Eier. Und daraus wurden wieder Raupen und das Spiel begann
von Neuem.
Seither vollzieht es sich jedes Jahr wieder so wie ein Wunder.