Kurzgeschichte
Erwachsen mit 16 - auf dem Weg in die Freiheit

Erwachsen? natürlich bin ich das!
Mit 16 noch viel mehr als später.

 O Gott, wie ich diese Frau hasse. Niemals, will ich auch nur ein ganz klein bisschen werden wie sie. Niemals. Sie ist unmodern, sie ist nur am Nörgeln, die hat ja nicht mal gescheite Pumps, so wie die Mutter von Gitti. Sie ist einfach keine Vorzeigemutter. Weiss Gott, das ist sie nicht. Sie fragt jeden von uns, was er essen will, das ist doch nun mehr als albern, die Kleinen sollen essen, was auf den Tisch kommt und der Vater? Ja der, der  bekommt doch sowieso immer eine Extrawurst gebraten. Weil er so viel und schwer arbeitet, sagt sie. Von mir aus, kann er ruhig die dicken Rouladen essen oder fette Koteletten, mein Ding ist das nicht. Ich könnte mich von Grießbrei  mit Zucker und Zimt oder mit Himbeersoße ernähren. Das darf ich natürlich nicht. Also, wenn meine Kinder mal so alt sind wie ich, dann werde ich ihnen sicher erlauben zu essen, was ihnen schmeckt. Na und überhaupt werde ich akzeptieren, dass man mit 16 nun mal einen Freund hat und erwachsen ist. Altmodische Eltern, sind der absolute Horror, ehrlich.

Gitti darf abends sogar bis 10 Uhr draußen bleiben, ja und natürlich sagen ihre Eltern auch nichts, dass sie sich schon mal mit Norbert geküsst hat. Im Gegenteil, Gitti´s Daddy nimmt sie dann stolz in den Arm und sagt ´meine Große´. Na und ich? Ach es ist mühsam. Ja es könnte doch wirklich einer auf der Straße über mich herfallen und was weiß ich, was der alles könnte, so klar drücken sie sich ja auch nicht aus. Jungs und Männer sind einfach schlecht, aber sowas von schlecht.
He, hab ich da irgendwann nicht aufgepasst, was ist denn mit meinem kleinen süßen Bruder, der wird ja auch mal, ok erst will er mal ein richtiger Junge werden, aber dann wenn er Glück hat, wird doch wohl mal ein Mann aus ihm. Ha und nun hab ich sie endlich, meine lieben Eltern, was ist denn mit meinem Herrn Papa? Ja was ist der denn nun in Wirklichkeit. Ein Mann kann er doch nicht sein, denn dann wäre er ja grottenschlecht und verdammt gefährlich. Was ist er denn nun, der, den ich achten und ehren soll, dem ich kein Widerwort zu geben habe, dem ich Gehorsam leisten muss, es gibt bestimmt noch eine 3. Gattung, ja genau dieses Wort sagt es ja schon: Gatte - Gattung - Ehegatten. Diese sind also von der bösen und verruchten Meute der BÖSEN MÄNNER ausgeschlossen. Ja und für Gattinnen trifft das wohl auch zu. Es gelten ja die gleichen  Regeln wie für Männer.

Nun gut, da mich Eddy liebt, bin ich ja bald auch so was wie eine Gattin und habe damit Narrenfreiheit. Wenn wir jetzt heiraten, dann, ja das hab ich Eddy schon gesagt, dann wollen wir gleich ein Baby, denn dann sind wir noch jung, da wächst der Wicht ja quasi mit uns auf. Und junge Eltern sind nun mal wichtig für ein Kind, das merke ich ja jeden Tag. Wir werden ganz viel Verständnis haben und immer ganz lieb zu dem Kleinen sein.

Eddy hat bald seine Lehre im Friseursalon fertig, noch ein halbes Jahr und dann sparen wir und machen einen ganz exklusiven Salon auf. So etwas hat man hier noch nicht gesehen. Wenn das Kind dann in den Kindergarten geht, ja dann mach ich auch eine Friseurlehre und wir sind immer und jeden Tag zusammen.
O wir sind so glücklich, Eddy sagt das auch immer. Meine Güte er ist aber auch so niedlich, alle Mädchen sind hinter ihm her. Er hat die blauesten Augen und die allerlängsten Wimpern der ganzen Welt. Wenn er ein Mädchen anschaut, dann kann die nicht mehr wegschauen. Ich habe ihm gesagt und dabei seine blonden langen Locken durchwuselt, wenn du die Mädchen so süß anschaust, dann ist unser Laden immer voll.

Meine Eltern wissen natürlich nicht, dass wir uns schon geküsst haben. Ich glaube für die ist küssen schon eine Sünde, oder schlecht oder ist das schon eine Vergewaltigung, nein ich glaube küssen zählt da nicht zu, oder? Naja an den Busen hat er mich auch schon gefasst und nackt in seinem Bett haben wir auch schon gelegen und beinahe...., aber da hab ich Nein gesagt, weil ich erst verlobt sein möchte. Eddy möchte mich unbedingt mit allem drum und dran lieben, das hat er mir ganz ernst gesagt und dann hat er den Vorschlag gemacht, dass wir am Montag, wenn ich Schule aus habe, in die Stadt gehen und Verlobungsringe kaufen. Hoffentlich fällt mir eine gute Ausrede ein, damit ich weg darf, das ist nämlich nicht ganz einfach. Ich darf nicht mal am Nachmittag zu meiner Gitti. Das einzige was mir gerade einfällt ist, ich könnte sagen, die Konfirmandenstunde wäre verschoben worden, aber dann muss ich erst mit Gitti reden, damit die mitspielt. Meine Güte, alle anderen dürfen weg, nur ich nicht.
Wie soll ich denn das ganze Wochenende aushalten, wenn ich doch so aufgeregt bin. Edmund hat mit seinem Opa gesprochen, der hat gesagt, ich sei eine ganz Liebe und Süße, er freut sich, dass er so eine hübsche Schwiegerenkelin bekommt. Eddy wohnt bei seinen Großeltern, weil die Mutti von Eddy mit einem neuen Mann nach Amerika ausgewandert ist und sein Vater? Das weiß keiner so ganz genau, wo der steckt..
Die Omi ist eigentlich auch eine ganz Nette, nur schaut sie mich immer sehr komisch an. Kritisch, würde ich sagen. Ich glaube aber, dass sie mich doch ein wenig mag, denn sonst ließe sie uns nicht allein in seinem Zimmer. Meine Mutter würde das niemals dulden. Meine kleine Schwester oder meinen Bruder kämen alle paar  Minute ins Zimmer , um ihr dann zu erzählen, was wir machen. Aber so weit ist es noch gar nicht, bis jetzt  kennen sie meinen Fastverlobten nicht..
Ich habe beschlossen die Verlobung erst einmal geheim zu halten. Die flippen aus, naja und von dem was dann kommen könnte, will ich nicht mal träumen. Hintern voll, Stubenarrest und was weiß ich, was ihnen noch alles so einfällt, um mich von meinem süßen Schatz fern zu halten.

Wir haben schon überlegt, ob es nicht das Beste wäre, wenn wir miteinander schlafen und dann gehen wir zu Papa und Mama und sagen: *Wir sind schwanger*. Obwohl miteinander schlafen, ich weiß ja nicht, denn eigentlich find ich das ja auch ein bisschen eklig. Eddy wollte doch echt, dass ich da dran fasse, nie im Leben mach ich so etwas. Echt niemals bringt mich einer dazu, das zu machen. Aber irgendwie muss ich dieses Ding wohl doch akzeptieren, wenn ich schwanger werden will. O Gott, ich finds aber doch so schrecklich. Da muss ich durch. Ich weiß! Und dann suchen wir uns eine Wohnung, danach kommt das Baby, dann der Salon und dann können wir machen was wir wollen. Keiner erzählt mir dann mehr, wann ich zu Hause sein muss, ich kann endlich leben.

„Ja Mutti, ich helfe dir beim Abwasch. Ja ich deck den Tisch. Ja Mutti ich schau was meine kleine (blöde) Schwester macht. Ja Mutti“. Aber alles nur noch ganz kurze Zeit, liebe Mutti, dann bin ich weg hier und mache was ich will und du wirst schaun, wie toll ich bin, endlich werde ich es euch zeigen.

Ja und dann kommt mein Eddy und hat ganz andere Pläne. Seine Mutter möchte, dass er nach Amerika kommt. „Süße“ hat Eddy gesagt, "da fliegen wir hin, was meinst du, was wir für ein schönes Leben im goldenen Amerika haben? Schatz wir leben dann im Paradies!“. Ja so hatte mein Eddy das geplant.

Ja und ich? Ich durfte natürlich nicht mit. „Wenn ihr euch so sehr liebt, dann könnt ihr auch warten bis du 21 bist“. He ich bin 15 1/2 und 5 Jahre ist ein ganzes Leben. So wurde nichts aus dem Baby und auch nichts aus Amerika. Als ich Eddy dann irgendwann wieder gesehen habe, hatte er eine blonde blöde Zicke, mit einer echten Friseurfrisur und dickem Bauch, im Arm.

Wir haben uns noch ein paarmal heimlich getroffen, wenn seine Frau bei ihrer Mutter war und er Ruhe haben wollte, weil ihn das kleine Gör so nervte. Seine Frau war noch 1/2 Jahr jünger als ich. Kennengelernt hat er sie, als er zurück nach Deutschland kam und im Salon ihrer Eltern eine Anstellung fand.
 Eddy hat also einen Friseursalon und eine Frau und ein Baby, alles was ich auch mit ihm wollte. Anfangs war ich sehr traurig und enttäuscht, weil ich nicht diese Frau war. Salon, Kind und Eddy, mein Traum. Aber als ich dann mal bei ihm zu Hause war und den Berg Windeln gesehen habe, da wusste ich, Mädel, du hast verdammt noch mal Glück gehabt. Mit 16 ein Kind und dann alles wuppen, so einfach mit links, so einfach wie du gedacht hast, ist das wohl alles doch nicht. Zufrieden war mein Eddy nicht und glücklich, ja das wollte er doch mit mir sein.

Manchmal müssen wir vor uns selbst geschützt werden, wenn wir das auch nicht wahr haben wollen.
Deshalb gibt es ja auch Schutzengel, nur leider sind die manchmal auch unaufmerksam und passen nicht auf alle jungen Leute auf.

©UteAnneMarieSchuster 18.5.2010