Journalismus & Glosse
Ersatzteilplage - Ein Brief eines Inhaftierten an die Obrigkeit

Sehr geehrte Damen und Herren,

verzeih’n Sie mir, wenn ich  Ihnen schreibe und das noch zu so später Stunde. Ich wollte Sie nur mal fragen, was ist denn das für eine Politik  in unsrem Staat. Da gibt  es Konferenzen wegen der Erderwärmung und der Umweltverschmutzung und so, an der ja nun – man hat’s ja nun endlich rausgekriegt – die Kühe schuld sind mit ihrer vielen Pupserei, aber an die Flugzeuge, die auch mit die Luft verschmutzen, weil die Menschen meistens immer schneller sein wollen (als ihre Schutzengel fliegen), da stößt sich keiner dran, die dürfen weiter die Luft vernebeln. Vorne saugen sie die armen Vögel,  oder was auch immer so da oben rumfliegt, rein und hinten kommen die als Rußbatzen wieder raus und werden in de Umwelt geblasen. Auch das ist nämlich Umweltverschmutzung. Aber ich komme ja vom eigentlichen Thema ab.

Na ja, Ich wollte doch auch einen kleinen Beitrag zur Rettung der Umwelt leisten und auf´s Fahrrad umsteigen. Und nun sitz ich hier in einer Zelle und das wegen einen kleinen Ritzel von einer Luftpumpe, was ich geklaut hab. Wundern Sie Sich eigentlich nicht, wofür die Gerichte alles so Zeit haben? Aber damit sind die von den größeren Problemen abgelenkt (wer beschäftigt sich auch schon gerne mit großen Problemen und Kleinvieh mach ja bekanntlich auch Mist). Aber ich komme ja schon wieder vom Thema ab.

Also ich will ihnen das mal näher erläutern, wie das mit dem Gefängnis gekommen ist:

Es ist nämlich so in unserer großartigen Republik, dass es keine Ersatzteile mehr gibt, weil de Industrie sich nicht mehr mit dem sogenannten "Kleinkram" beschäftigen kann und warum? Weil sich alle immer vergrößern müssen, was ja gut für den Gewinn sein soll.

Also, ganz egal was es ist, ist irgendwas kaputt, muss man gleich ein ganzes Komplett kaufen und das kostet meistens ganz schön was mehr. Passen Sie mal auf, irgendwann müssen Sie sich gleich ein paar neue Schuhe kaufen, wenn Ihre Schnürsenkel kaputt sind.

Also ich brauchte für meine olle Luftpumpe ein Ritzel, damit ich meinen Fahrradschlauch wieder aufpumpen konnte. Im Supermarkt um de Ecke liegen zwar Luftpumpen herum, aber eben keine Ersatzteile dafür. Da ich mit meinen paar Kröten, die ich als Fensterputzer verdiene, mir aber nicht jedes Mal eine neue Luftpumpe fürs Fahrrad kaufen kann (die Dinger haben ja meist nur eine kurze Lebensdauer), kam ich auf die , meiner Meinung nach, glänzende Idee, mir so ein Ritzel von einer neuen Pumpe abzuschrauben.

Ich schlendere also mit Unschuldsmiene und vor mich hin pfeifend in den Supermarkt, packe dies und jenes ein, komme ganz unverhofft am Regal mit Luftpumpen vorbei, nehme eine in de

Hand, tue so, als würde ich sie begutachten und schraube dabei heimlich (so dachte ich wenigstens) das Ritzel ab. Dann wandere ich zur Kasse, bezahle meinen Einkauf und denke mir, dass ich jetzt nach Hause radeln kann.

Aber kaum hatte ich das zu Ende gedacht, als ein Mann, groß und breit wie ein Pottwal (entschuldige Pottwal, wollte Dich nicht beleidigen), auf mich zu kam.

Er meinte, er hätte mich beobachtet, dass ich was abgeschraubt hätte und bat mich, ihm zu folgen. Er führte mich in sein Separée, wo lauter Fernseher herumstanden. Ei der Daus, der hatte mich also heimlich beobachtet. Er ließ mich meine Hosentaschen ausräumen und fand das Ritzel. Ich kam mir ziemlich bedeppert vor, als er das Ding in die Hand nahm und meinte: „Das ist Diebstahl und wird eigentlich bestraft. Aber wenn Sie die Strafe gleich bezahlen, werden wir (wer ist übrigens „wir“- ich hab nämlich bloß den einen Kerl gesehen) von einer Anzeige absehen“. 50 Eierchen hat

mich das gekostet. Als ich fragte, ob ich dann wenigstens die ganze Pumpe dafür mitnehmen kann, bekam ich als Antwort: "Nee natürlich nich."

Nun hatte ich weder Pumpe noch Ritzel, sondern nen dicken Hals und war außerdem noch 50 Euronen los.

Ich war aber froh, so glimpflich davongekommen zu sein, nach der Posaunenrede, die der Pottwal mir gehalten hatte und machte mich auf den Heimweg. Nach zwei Wochen, ich dachte, ich sehe nicht richtig, kommt ein Schreiben von der Polizei mit einer Anhörung wegen Diebstahls und einer Zahlungsaufforderung über 100 € als Geldstrafe.

Na gut dachte ich mir, zahlste das auch noch und dann haste Ruhe. Aber denkste, weit gefehlt.

Nach weiteren zwei Wochen kam ein Schreiben vom Gericht (manchmal können die

ja richtig schnelle sein) und die forderten nun nochmals 250 € Strafe oder drohten mir mit einem Monat Gefängnis, wenn ich das nicht bezahle. Nun hatte ich aber die Schnauze voll.

400 Eier für so ein kleines (Scheiß)-Ding. Nun greifen sie mal einem nackigen Mann in de Hosentasche. Ich hatte ja schon 150 Eier für das Ding bezahlt und dafür eine Woche nichts zum Essen gehabt. Das war mir nun doch zu teuer, also nahm ich Zahnbürste und Schlafanzug und rückte in der Strafanstalt ein, wo ich wenigstens  einen warmen Hintern habe und was zu Essen kriege. Dort bin ich zur Zeit in „Umschulung“ und lerne fleißig - und eines sage ich Ihnen, wenn ich das nächste Mal klaue, dann aber sind es Millionen. Denn eines hab ich gelernt, bei Kleinkram sind de Behörden übereifrig, aber klaut man Millionen, dann ist man wer, dann kann einem keiner mehr so leicht ans Leder.

Und eins verspreche ich Ihnen: Wenn ich rauskomme aus dem Knast, dem Pottwal verschaff ich echt Arbeit, hab ja jetzt genug dazu gelernt.