Hier sitze ich, allein vor dem Bildschirm, der für mich das Fenster zur Welt darstellt, da ich bei einem Blick aus dem zur wirklichen Welt nichts als Regen und die graue kalte Fresse der Stadt erblicken kann. Nun, an solchen Tagen fragt man sich doch nur: wann geht er endlich vorbei? Was kommt danach? Besser oder schlechter, obwohl fraglich ist, ob es noch eine negative Steigerung dieses mir als Zenits des Unmutes anmaßenden Zustands gibt, in welchem ich mich befinde.
Doch worüber beschwere ich mich eigentlich? Bin ich doch jung (und weiß jetzt schon nichts mit meinem Leben anzufangen), habe eine Beziehung (mit einem Menschen, der meinen Charakter nicht mag), einen Job ( der mich zugrunde richtet) und die Welt steht mir offen (Welt? Ich meine die Pforten der Hölle....)...
So beschließe ich, dem Tag einen Sinn zu geben, und schleppe mich mühselig auf das Schlachtfeld offene Straße hinaus, die Pfützen weitest möglich umgehend und den vorbeirasenden Autos eher reflexartig als beabsichtigt ausweichend. Die Menschenmassen bilden einen mich rücksichtslos mitreissenden Strom aus mir unangenehm nahe kommenden Körpern; jede Berührung lässt mich unweigerlich zusammenzucken und jagt mir ein Gefühl des Ekels durch jede Faser meines Körpers. Ich versuche so gut wie möglich auszuweichen, doch der Feind ist in der Überzahl. Wieder kommt der Gedanke in mir hoch, wie es wohl wäre, der einzige Mensch auf Erden zu sein, ganz allein, ohne einen Gedanken daran, was andere von mir denken, oder was ich von ihnen halten soll.
Sollte es mir nicht egal sein? Kann ich nicht einfach mit mir selbst zufrieden sein? Nein, das kann ich nicht.
So stapfe ich vor mich hin, die Kopfhörer in den Ohren, die Musik so laut, dass auch die Peripherie daran ihren Anteil hat und ergötze mich an den schockierten Blicken der Menschen, die wohl weniger angetan von meinem akustischen Beitrag zum Straßenlärm sind.
Die Tropfen nässen meine Kapuze, die keinen echten Schutz bietet. Ich merke, wie mir das Wasser den Nacken herunter rinnt. Es ist kalt, aber die äußere Kälte fühlt sich beinahe wie tropische Hitze an im Vergleich zu der Eisschicht, die meine Gefühle vor mir selbst abschottet. Vielleicht besser so, denn ist so ein kleines Mädchen-Herz durchaus nicht gewappnet für den Kampf gegen Gefrierbrand...
Ich bin seltsam, komisch, er versteht mich nicht. Dieser Gedanke quält mich. Der Mensch, der mir am wichtigsten ist versteht mich nicht! Der Mensch, für den ich alles täte, findet meinen Charakter abstoßend... Als er mir das gesagt hat, wollte ich nur weinen. Aber ich habe es mir selbst verboten, denn nicht mal meine Tränen berühren ihn. Verschwendung also, bedenkt man, dass in so manchem Lande Wasserknappheit herrscht. Lasse ich eben den Himmel für mich weinen, dem scheint die Wasserknappheit egal. Misanthrop. Oder vielleicht doch ein Menschenfreund? Weint er etwa für mich? Danke, das ist echt nett. Lieber wäre mir jedoch ein Blitzschlag, direkt durch ihn durch, vielleicht fungiert das ja wie eine Art emotionaler Schrittmacher und im Angesicht des Todes wird ihm klar, dass er mich doch braucht... Haha. Und dann werde ich über ihn lachen. Sage ich mir jetzt zumindest, obwohl mir bitter klar ist, dass ich dies niemals übers Herz brächte. Aber man kann ja träumen - träumen, dass man stark und böse ist, und die süße Rache glorifizieren. Ich sehe mich als Racheengel vor meinem geistigen Auge Herzen brechen und Unglück über all jene bringen, die mir jemals wehgetan haben... ich sehe sie um Gnade betteln, und mich – weniger aus Herzensgüte als aus Abscheu vor diesen erbärmlichen Geschöpfen – Gnade walten lassen, indem ich ihr jämmerliches Dasein beende... doch dies sei nur Fantasie. Vorerst.
Hm, Ablenkungsmanöver Großeinkauf greift. Ich stehe im Merkur vor dem Alkoholregal und betrachte die heutigen Angebote. Wird es ein Sekt? Oder vielleicht ein paar Bier? Nein, von Wodka lasse ich die Finger, auf kotzen habe ich heute keine Lust. Auch wenn es meine Stimmung treffender beschreibt als alles andere. Zum Kotzen. Also greife ich zu Sekt und ein paar Alkopops, schaden kann's ja nicht, und wenn sie schon im Angebot sind... wäre doch eine Schande, das nicht zu nutzen, um meine Gefühlswelt auf eine Schiffsfahrt in der hohen (hochprozentigen) See zu schicken, von der ich mich den nächsten Tag so sehr erholen muss, dass mir alles andere egal sein wird. Hoffe ich zumindest. Rasch noch ein wenig Essen mit eingepackt, über dass ich mich nachher wieder gierig stürzen werde um es sofort zu bereuen, eile ich zur Kassa. Die seltsamen Blicke der Leute sind mir aber diesmal eher unangenehm, habe ich doch aus Respekt vor den Kassierinnen meinen musikalischen Schutzmantel abgelegt und ernte die Aufmerksamkeit offensichtlich für die Flaschen in meinen Armen. Ja, es ist erst Montag, na und? Wer sagt, dass man Montag nichts trinken darf. Immerhin leiste ich damit meinen Beitrag zur Wirtschaft, und kaufe dies alles nur, um einem Konjunktur-Tief entgegenzuwirken. Oder zumindest bei einem solchen mit gutem Gewissen behaupten zu können es war auf keinen Fall meine Schuld. Auch wenn mir das so ziemlich egal ist. Die Wirtschaft schert sich auch nicht um mich. Wenn's nicht mal mein Freund tut.... und wieder bei dem leidigen Thema angelangt.
Da geht die Ratterkiste namens Gehirn wieder los. Ich fragte ihn ob er mich noch mag. Seine Antwort: da geb ich dir keine Antwort, das musst du für dich selbst wissen. Wie soll ich denn sowas für mich selbst wissen? Und verärgert über die Frage war er, tja, sollte ich nicht verärgert über so eine Antwort sein... Klar, schön, dass er mich nicht anlügen will. Aber wenn er das tun müsste, um mir zu sagen er mag mich...
Gedankenversunken stopfe ich meine EC-Karte in den Slot und zahle meine Seelentröster, nicht daran denkend, dass ich schon wieder kaum Geld habe. Es regnet immer noch, als ich das Geschäft verlasse, und so trotte ich mit einem vollen Rucksack und meiner Musik wieder nach Haus. Die Menschen sind nicht weniger geworden, trotz Regen, und ich verfluche sie, all jene, die doch genau wie ich lieber dem Konsum fröhnen als dem Regen zu entgehen. Kurz vor der Haustür krame ich nach dem Schlüssel. Gefunden, eingeführt in das Schlüsselloch, Türe offen, was für ein Erfolg. Ich betrete die Wohnung, in der, wie erwartet, der Mann meines Lebens sein Leben lieber der virtuellen Welt widmet als mir. Ich schenke mir ein Glas ein, trinke es auf einen Ruck aus, noch eins, und noch eins. Das vierte stelle ich mir auf den Tisch und setze mich ebenfalls vor den PC. Und bin hoch erfreut. Mein Ex- Freund schreibt mir.