Durch einen Shuttleabsturz auf einem abgelegenen Planeten gestrandet und ohne Erinnerung an ihre Vergangenheit, konzentriert sich die einzige Überlebende auf den Aufbau eines neuen Lebens, das durch die Ankunft zweier Sternenflottenoffiziere völlig umgekrämpelt wird. Einem Notruf folgend befindet sich die Enterprise im Conelly-System und findet anstatt der Völkerkundler Hinweise auf extraterristische Aktivitäten.
Ich bin jetzt seit genau drei Tagen (und 2,34 Stunden) an Bord der Enterpreis und halte mich an Dr. McCoys ärztliche Anweisung, indem ich die Erlebnisse des letzten Jahres, soweit sie mir noch gegenwärtig bzw. bekannt sind, zu Protokoll bringe. Dr. McCoy ist der Ansicht, dass die Aufzeichnung nicht nur meinem Gedächtnis, sondern auch meiner mentalen Verfassung zuträglich sein würde. Das erste woran ich mich nach meinem Absturz auf Syphiari, dem dritten Planeten im Conally-Sythem und besser als Conally III bekannt, erinnere, ist Mirah. Sie fand mich dem Tode näher als dem Leben und rettete mein Leben - zweifach. Mirah war eine große Schamanin ihres Volkes und ihre enormen Fähigkeiten verhalfen meinen Wunden zur schnellen Heilung. Wunden, die mich hätten umbringen müssen. Die Wahrscheinlichkeit meines Überlebens auf einer unzivilisierten Welt, ohne einen Arzt, der mit meinen physiologischen Besonderheiten bekannt ist, tendierte gegen null. (Genau genommen: 0.0032%) Aber sie schaffte es irgendwie. Ich fühlte mich besser nach ungewöhnlich kurzer Zeit der Rekonvaleszenz. Ich kann nicht sagen, ob ich überhaupt in Heiltrance war, aber ich wurde stetig stärker. Bivah, Oberhaupt einer der leitenden Stämme, berief eine Versammlung ein und verkündete, das ein Fremdling getötet werden müsse, zum Wohle der Gemeinschaft. Es wurde beschlossen, wenn auch nicht einstimmig vom Rat der Clanführer, dass ich ihren Göttern geopfert werden sollte, als Geste der Unterwerfung. Mirah, aufgebracht, dass ihre vernünftigen Argumente von irrationalen Befürchtungen und dummen Vorurteilen überstimmt worden waren, bestimmte mich zu ihrem grouqusche, damit war ich ein Mitglied ihres Stammes. Sie war der chuthah, der Führer ihres Stammes und bestimmte mich, den Fremdling, zu ihrem Partner. Damit waren Bivahs Opferungsfantasien erst einmal vom Tisch, zumindest, was mich betraf, denn Mirahs Clan war größer und bedeutungsvoller als die Meute von Bivah und es war nahezu undenkbar den grouqusche eines chuthah ohne handfesten Grund umzubringen. Mit der Vereinigung mit Mirah war ich kein Fremdling mehr und nur ernsthafte Vergehen, wie die Brüskierung ihrer Götter, oder die Ermordung eines anderen chuthah waren Grund genug ein Mitglied eines angesehenen Stammes hinzurichten. Bivah nahm es nicht sportlich, denn es war ihm nicht nur die Freude genommen worden ein rituelles Opfer darbringen zu dürfen, was ihn und seine Leute in der Rangfolge der Stämme erhöht hätten, sondern, viel bedeutender, er wollte meinen Platz einnehmen. Die Opferung wäre mit einer Verschmelzung seines Clans mit Mirahs einhergegangen, zumindest wenn es nach seinem Plan gegangen wäre. Ich fühlte seinen Hass, wann immer wir uns begegneten wie eine Sturmflut über mich hinwegrasen, spürte, wie sie meine Eingeweide verschlang und kleine Nadeln in mein Herz rammten, um es zum anhalten zu zwingen. Er beließ es nicht mit tödlichen Blicken, oder einer deutlichen Missachtung, er versuchte mich zu einem Fehler zu ködern. Wollte mich zu einer Aussage über ihre Götter bewegen, die sie diskreditierte. Forderte mich heraus mich mit anderen Clanoberhäuptern zu messen und ließ jeden wissen, dass Mirah mich in die Kunst des Heilens einwies und ich damit Kenntnisse über tödliche Pflanzen gewann. Es machte ihn halb wahnsinnig, dass ich gelassen blieb, was auch immer er mir vorwarf, was auch immer er tat, wie arg er mich beleidigte. Bei Zeiten wunderte ich mich selbst über meine Gelassenheit, aber sie war da, wie ein wärmender Mantel hüllt sie mich ein, wie unverrüttbares Wissen, ähnlich dem Einmaleins, ließ es sich abrufen, ohne lang darüber nachdenken, oder es suchen zu müssen. Es hüllte meine Emotionen ein wie ein Kokon. Meine Wut, meinen Ärger, meine Verachtung und manchmal auch meinen Hass. Meine Verwirrung allerdings ließ sich nicht so leicht verstecken. Meine Fragen ließen sich nicht fortschieben, schon gar nicht bei Nacht. Wer war ich? Wo kam ich her? War ich auf Syphiaris geboren? Gab es noch andere wie mich? Auch die Zeit ließ meine Erinnerung nicht zurückkehren und so lernte ich mit der Ungewissheit zu leben. Mein altes Leben, mein altes Wissen und meine Stellung wurden fortgewischt und von einem neuen besetzt. Einem neuen Leben, neuem Wissen und einer neuen Stellung. Einer neuen Zukunft. Mit einem neunen Namen. Mirah nannte mich “Kiara” sehr zum Missfallen Bivahs und seiner Anhänger den in der einheimischen Sprache bedeutete kiara so etwas wie “Veränderer” und es war nicht in Jedermanns Sinne etwas zu verändern. Laut Mirah gab es eine Vorhersage in der kiara das Leben ihres Volkes verändert, sie zu einem friedfertigeren, vereinten Bewusstsein bringen würde, Stammesfehden, Revierkämpfe und Opferungen verbannt werden würden. Es hieß ein Fremder würde kommen, er würde unter gefährlichen Vorraussetzungen Teil eines Stammes werden, er würde besondere Fertigkeiten haben und er würde eine Quelle der Freude und Nächstenliebe sein. Es war mir gleich bei der ersten Wiedergabe der Sage schleierhaft, wie man mich in eine solche Position setzen konnte. Ich gehörte augenscheinlich nicht zu der umgänglichen Sorte. Ich lachte nicht, war ungesellig und zog es vor nicht in einem Pulk mit den Clans zu feiern. Ich widmete mich lieber dem Studium der Heilkunst, ließ mich lieber über das Leben, dem Glauben und der Geschichte der jough, wie sich die Einheimischen nannten, belehren und verbrachte meine Zeit damit ihre primitiven Lebensbedingungen zu optimieren. Ich ließ Holz zum trocknen einlagern, damit einem der beißende Gestank von Nassverbranntem erspart blieb. Ordnete an, dass Wasser nur abgekocht verwendet wurde und verlangte, dass die persönliche Notdurft nicht in unmittelbarer Nähe von Vorräten, Schlafplätzen, Wasserstellen oder Treffpunkten verrichtet wurden. Außerdem experimentierte ich mit Waffen. Pfeil und Bogen, Speer und Dolch, jeweils aus Stein, Knochen oder bloßem Holz, um Festigkeit, Flugeigenschaften und Handhabung zu verbessern. Mirah ignorierte meinen Protest ob der Namensgebung mit einem nachsichtigen Lächeln und dem Hinweis, kiara einen Sturm in jedem erwecken würde, dem er begegnet und genau dies täte ich. Wenn dem so war, dann sicherlich unwissend und ohne Intention. Zumindest bei Bivah ließ sich besagter Sturm nicht leugnen und so gab ich meinen Widerstand auf. Mein Clan fasste langsam Vertrauen zu mir und akzeptierte mich als grouqusche der chuthah. Ich wurde mehr und mehr in das Familienleben integriert, wurde häufiger um Rat gefragt und meine Autorität wurde mit jedem Tag weiter gefestigt. Nach einer Unzahl von Tagen, ich hatte bereits aufgehört sie zu markieren und mich bewusst an sie zu erinnern, trafen fünf der größeren Clans an einem rituellen Treffpunkt zusammen, um den shivah zu begehen. Es war ein Fest zur Vertiefung der gegenseitigen Verbundenheit, bei dem regelmäßig Verbindungen eingegangen, Kinder vorgestellt und Geschichten ausgetauscht wurden. Leider umfasste das shivah neben den harmlosen Späßen von Tanz, Gesang und Geselligkeit auch rituelle Herausforderungen und einer Huldigung der Götter mittels einer Opferung. Mirah beruhigte mich umgehend, denn sie kannte meine Abneigung gegen unnötige Vernichtung von Leben, es würde lediglich ein kleines Nutzvieh geopfert werden und nur Herz und Hirn würde den Gottheiten dargereicht werden, während der Rest des Tieres als Gabe weitergereicht werden würde. Eine Honorierung der Ältesten, die von den Göttern geehrt wurden durch die Telhabe ihrer Opfergabe. Mit großem Tamtam verließen die sorgfältig ausgesuchten Jäger am Morgen den Festplatz, ließen sich hochleben, verehren und versprachen das größte Tier aller Zeiten zu erlegen. Leider kamen sie nicht mit Wild zurück.
Ich schnitzte gerade hoch oben auf einem Felsvorsprung von dem aus ich ohne Mühe den Festplatz überblicken konnte an einem neuen Testbogen aus einem besonders biegsamen Holz und ließ mich von den funkelnden Sternen von meiner Aufgabe ablenken, die eine eigentümliche Faszination in mir auslösten, als die Jäger zurück kamen. Ich bemerkte die Aufruhe nicht, sondern suchte nach Bezeichnungen für die Unterschiedlichen Sternbilder, während meine Hände ihre Arbeit von allein verrichteten. Während unserer Reise zeichnete ich hin und wieder einige der Konstellationen an die Felswände der Höhlen in denen mein Clan ihr Lager aufschlug. Ich war mittlerweile recht bekannt mit den unterschiedlichen Wegen der Clans und den verzweigten Höhlensystemen einiger Bergformationen durch die mein Stamm gewöhnlich zog und bräuchte die Zeichnungen meiner Sternenbilder nicht, um sie wiederzuerkennen, dennoch war es jedes Mal ein besonderes Gefühl in eine Höhle zu kommen, in der meine Zeichnung verewigt war. Der Tumult unter mir nahm zu und drang damit auch in meine fernen Gedanken ein. Zunächst ging ich davon aus, dass lediglich die Heimkehr der Jäger traditionell laut begangen wurde, dann bemerkte ich, wie sich mir Silah mit besorgter Haltung näherte. Silah war eines der jüngeren Mitglieder des Stammes, eine Tochter Silahs und einem Sohn Bivahs versprochen und begegnete mir stets mit unverhohlener Neugierde. Ich hatte immer das Gefühl, als erwartete sie jeden Moment, dass kiara meinen Platz einnahm. Ein Wunder also. Fremde waren aufgegriffen worden. Ich vertat die Neuigkeit mit einem Schulterzucken.
Erst drei Tage später kehrten die Jäger zurück, ganz nach Zeitplan des shivah und zogen und schubsten zwei Gefangene vor sich her, beziehungsweise mit sich mit. Ich saß unweit des Hauptversammlungsortes in einem Höhleneingang und befestigte den Spann an meinem Bogen, den ich noch am gleichen Tage auszuprobieren gedachte, als sie förmlich an mir vorbei gezerrt wurden. Einer der Gefangenen stützte dabei den Anderen, balancierte sein Gewicht bei jedem neuen Schubser, bei jedem neuen Zug an der Leine ihrer Fesselungen neu aus, um einen Sturz zu vermeiden. Mirahs Volk war humanoid, im Mittelmaß 1,80m groß, mit langen Armen, kurzen kräftigen Beinen und einem lichten Fell, der bis auf Hand und Fußflächen jeden Zentimeter ihrer Körper bedeckten. Zumindest den der Erwachsenen. Neugeborene kamen nackt zur Welt und ihre Behaarung spross in der Zeit der Erwachung, was in einem menschlichen Leben wohl die Pubertät wäre. Trotz der natürlichen Wärmequelle, sah man sie nie ohne ihre langen Umhänge aus nghia-Fell deren Schnitt weit war, um die besonderen Körpermerkmale, die sie als Mann oder Frau auszeichneten zu verbergen. Der Umhang wärmte in der kalten Jahreszeit und kühlte in der Warmen. Ihre Gesichter wurden durch weite Kapuzen verdeckt und nur Stammesmitgliedern war es erlaubt sie unbedeckt zu sehen. Es galt als harte Strafe, wenn man sein Gesicht in aller Öffentlichkeit zeigen musste und kam einem “Gesichts”-verlust gleich. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern war minimal, waren sie in Wuchs und Stärke einander ebenbürtig und zeigten sich die weiblichen Merkmale lediglich während der Paarungszeit.
Die Gefangenen wurden zur großen Feuerstelle in der mitte des Festplatzens gebracht, wo Bivah sie mit vor Genugtuung funkelnden Augen betrachtete. Seine unheilvolle Vorfreude waberte in dunklen Wellen bis zu mir und als ich den Kopf hob, um zu ihm hinüberzusehen, begegnete ich seinen hasserfüllten Augen. Ich erschauerte ahnungsvoll…
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