Kurzgeschichte
Worte hängen noch im Raum

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"Worte hängen noch im Raum"
Veröffentlicht am 05. Mai 2010, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Feline Wesen faszinieren mich zutiefst - und auch andere Dinge berühren mein Inneres, wie man auf meiner über viele Jahre umfangreich gewachsenen Seite kleinertod.de leicht nachvollziehen kann... Wer mich noch aus schreibart-Zeiten kennt, ist übrigens herzlich eingeladen, mich auf seine bzw. ihre Anwesenheit hier hinzuweisen. =^.^=
Worte hängen noch im Raum

Worte hängen noch im Raum

Beschreibung

Eine fiktive Geschichte, deren Fundament ein Sammelsurium selbst erlebter Dinge bildet. Schon etwas älter, aber angesichts der längeren Zeit des Schweigens von mir, möchte ich mit dieser hier wieder ein Lebenszeichen abgeben...

Worte hängen noch im Raum, auch wenn sie schon lange verklungen sind. Unsere Augen blicken ziellos umher, als wäre ihnen eine Berührung peinlich. Ich erwische mich bei dem Gedanken, was die andere Seite in diesem Augenblick wohl spüren mag, während in meinem Inneren selbst alles so seltsam still ist. Das mir so vertraute Gesicht ist bar jeder Regung, am ehesten noch als gelangweilt einzuordnen. Der Körper verharrt in jenem unruhigen Zustand des ersehnten, aber noch nicht gestatteten Aufbruchs.

 

Ein tiefer Atemzug meinerseits erweckt die anderen Augen wieder zum Leben, sie richten sich auf mich, geduldig und doch auch leer. Ich muß ein wenig trotz der ganzen Situation lächeln, denn mein derart eingeleitetes Brechen der Stille geschah ohne jedes Bewußtsein meinerseits. Sollte ich nun etwas sagen? In meinem Kopf scheine ich nicht so recht zu existieren. Es sind die Worte, die ich soeben noch gehört habe, die sich immer noch darin befinden, doch weiß ich darauf nichts mehr zu erwidern, als das, was ich mit schier gleichgültig erscheinender Stimme darauf zu sagen wußte: Worte der Kenntnisnahme, in vollem Bewußtsein der Unmöglichkeit irgendeiner Änderung angesichts der eindeutigen Sätze zuvor.

 

Die Frage, die ich so oft gestellt habe und deren Beantwortung mir enerviert verweigert wurde, wird nun mir gestellt und mein Lächeln verstärkt sich, die mir offensichtlich einzig mögliche Reaktion. Vielleicht auch die allein angebrachte im Anbetracht von allem. Wie sollte ich meine Gedanken jetzt auch aussprechen, sie fließen ja nur so dahin, können keinerlei Formen annehmen. Könnten es vielleicht Gefühle sein, gar keine Gedanken, die gerade den Umweg durch meinen Kopf nehmen und deshalb so verworren und doch auch logisch erscheinen? Ich blicke zu Boden und verliere im gleichen Moment auch diesen Faden.

 

Allein mein Verständnis von Höflichkeit bringt mich dazu, die offensichtlich ohne jedes tiefergehende Interesse gestellte Frage wahrheitsgemäß aber ausweichend kurz zu beantworten. Mir geht wirklich vielerlei durch den Kopf, aber ich bin weit davon entfernt, es einordnen zu können. Dabei fällt mir wieder auf, wie wenig angemessen dies alles sein muß. Doch das spielt jetzt keine Rolle, eigentlich spielt nichts mehr eine Rolle. Vielleicht stimmt auch dies nicht, doch mir kommt grad keine entgegenstehende Möglichkeit in den Sinn. Es ist irgendwie vollkommen egal, schließlich würde auch dies nichts mehr ändern können. Unsere Augen verlieren sich wieder in der Gegend.

 

Habe ich nun das Bedürfnis, all die Dinge vorzutragen, die mir die letzten Tage in Vorahnung dieses Gespräches durch den Kopf gingen? Eigentlich paßt die Bezeichnung Gespräch überhaupt nicht auf diesen Vortrag, der wie eine emotionslose Rezitierung einer längst zu Ende gedachten und abschließend bearbeiteten Fassung klang, auf deren Unumstößlichkeit eigentlich nichts weiter mehr meinerseits einbringbar war. So deutlich schon sah ich all das kommen und doch bin ich, wenn auch nicht überrascht, so doch definitiv unvorbereitet. Jedenfalls sind meine Sätze frisch und wirken vielleicht deshalb so befremdlich gegenüber dem zuvor Gesagten. Was aber auch an dieser mich zum Frieren bringenden Gleichgültigkeit liegen mag, die nach der wohl am passendsten als Monolog zu bezeichnenden Rede folgte und die mir als einzige Rückmeldung auf meine Erwiderung entgegenschlug.

 

Hab ich wieder laut geatmet oder mich vielleicht bewegt? Wieder ist das Augenpaar auf mich gerichtet, als würde noch etwas von mir erwartet werden. Ich könnte jetzt die Bestellkarte vom Pizzaservice vorlesen, die heute morgen mit der Post gekommen ist und ich würde dabei sicher nicht unterbrochen werden. Es ist alles gesagt und gleichzeitig kommt von mir nur Schweigen. Wohl, weil ich dazu auch nichts mehr zu sagen habe.

 

Irgendetwas in mir ist sicherlich gesprungen, ganz tief in mir. Spüren kann ich nichts, doch ich kenne das alles nur zu gut um nicht die Gewißheit zu haben, daß das Gefühl schon noch kommen wird. Wenn man nichts fühlt, dann wird es für gewöhnlich um so heftiger, sobald der Schockzustand überwunden ist. Aber so lange werde ich kaum hier mit diesen auf mich gerichteten Blick sitzen.

 

Eigentlich könnte ich wie in einem Rollenspiel die Seiten tauschen. Mir ist das Fühlen beider Seiten bekannt aus eigener Erfahrung, auch wenn ich momentan nichts neues dazu beitragen kann. Irgendwie funktioniere ich mehr, als daß ich ein lebendes Wesen bin. Ohne Gefühle ist alles so gleichgültig. Was sicher grad gut so ist, irgendetwas werden sich meine Gefühle mit ihrem Verstecken schon gedacht haben.

 

Mein Schulterzucken führt dazu, daß die Augen auf der anderen Seite des Raumes ihre Fixierung meiner Person verlieren und nun durch mich hindurchblicken. Immer noch kein Anzeichen von Ungeduld. Ich könnte diesen Situation nun vermutlich ewig herauszögern. Über diesen Zeitpunkt wird mir also die Gewalt eingeräumt. Wenigstens in dieser Hinsicht soll ich wohl etwas zu sagen haben. Was soll es sein? Ich entlasse Dich? Bitter lach ich leise auf, doch das bringt mir dieses Mal nur ein gleichgültiges Streifen dieser leeren Augen ein.

 

Wie wohl mein Blick nun ausschaut? Wieder so ein seltsamer Gedanke und gleichzeitig interessiert er mich überhaupt nicht. Ich stehe auf und lenke meine Schritte zum Fenster. Nur sehr unsicher kann ich meine Füße bewegen, was meine Aufmerksamkeit aufgrund meiner diesbezüglichen Verwunderung mehr auf sich zieht als der mir reichlich bekannte Blick auf die Umgebung. Sicher dürfte mein verzagter Gang aufgefallen sein. Drücken meine Beine nun mehr aus, als der Rest von mir? Wenn dem so ist, dann jedenfalls mehr, als mir in diesem Moment selber bewußt ist.

 

Eigentlich ist es unhöflich von mir, diesen Moment so lange herauszuzögern. Andererseits sollte ich vielleicht doch noch etwas sagen. Nur finde ich nach wie vor keinen Zugang zu meinem Inneren. Es ist so ruhig. Noch viel stiller als hier ist es aber tief in mir.

 

Egal. Einerseits, weil ich es nicht ändern kann, andererseits, weil ich nichts fühle, mir alles deshalb gleichgültig erscheint. Das ist es mir sicher nicht, soweit kann ich mir über meine emotionale Situation schon Gedanken machen, auch wenn ich sie nicht fühle, was ja eigentlich ein Widerspruch in sich ist. Doch auch dies ist egal, jedenfalls im Moment.

 

Irgendwie verabschieden wir uns. Ich bekomme es kaum mit, auch wenn es zuerst von mir ausging. Es hat nichts endgültiges an sich, auch wenn ich nicht weiß, ob wir uns noch einmal wiedersehen werden. Über die Dauer dieses Augenblicks kann ich nichts sagen, ich bin irgendwie weiter fort als die Person, die eben meine Wohnung verlassen hat. Ich nehme allein wahr, daß ich nach draußen blicke, ohne daß ich etwas sehe.

 

Vielleicht hätte ich noch ein paar Schritte mitgehen sollen, wie ich es auch sonst gemacht habe. Auch egal, es ist eh zu spät und wäre wohl auch kaum angemessen. Es ist nichts wie sonst.

 

Wie lang bin ich nun eigentlich schon allein? Mit Sicherheit einen längeren Zeitraum als der vom Schließen der Eingangstür bis jetzt, schießt es mir mit sachter Ironie durch den Kopf.

 

Geistesabwesend greife ich nach meinem Handy und schreibe ein paar Kurznachrichten, meine Freunde über diesen neuen Abschnitt meines Lebens zu unterrichten – um irgendetwas Sinnvolleres zu unternehmen, als weiterhin aus dem Fenster zu starren. Das prompte Angebot eines Telefonates weise ich dankend zurück. Auch jetzt habe ich nichts zu sagen, brauche auch keinen Beistand oder ähnliches. Vielleicht meine Gefühle, aber die sind ja eh nicht da. Das hinter mich gebracht, ziehe ich die Vorhänge zu und lege mich mit hin, mit offenen Augen an die abgedunkelte Decke starrend.

 

Diese Worte hängen immer noch im Raum. Im Geiste wiederhole ich sie immer und immer wieder, ohne daß mir dadurch irgendeine Empfindung bewußt wird. Aber ich weiß, daß die Gefühle schon noch kommen werden...

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kleinertod
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Novalis63 Starker Tobak - Deine Text sind von ihrer Intensität und ihrer literarischen Qualität her definitiv in der absolute Spitzengruppe dieses Forums einzuordnen.
Kompliment !
Vor langer Zeit - Antworten
Rajymbek großartig - erinnert mich vom Stil ein wenig an E.A. Poe, diese Fragen im "Lebendig begraben", dieses Zweifeln, Angst haben, Hoffen... Schön einmal wieder etwas von dir zu lesen, mein Freund

GLG Roland
Vor langer Zeit - Antworten
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