Das große Fressen
Kann sich jemand an diesen großen alten Film des französischen Kinos erinnern? Ich selbst habe ihn nie gesehen. Was nicht verwunderlich ist, denn der Film ist über 30 Jahre alt, während ich im kommenden Herbst erst mein 7. Lebensjahr vollenden werde.
Der Kenner der pfalzgräflichen Anekdoten wird nun sofort wissen, wer hier und heute wieder literarisch zugange ist. Für alle anderen darf ich mich kurz vorstellen: Gestatten – Frida. Eure allseits geliebte Retrieverhündin. Edel vom Geschlecht, gutmütig vom Charakter und hübsch anzuschauen. Die Claudia Schiffer unter den Retrievern. Was mich jedoch von der genannten Person unterscheidet ist äußerst gravierend: Meine Fresssucht.
Doch das beste Abendmahl ist eben nur ein Essen. Ein kulinarischer Genuss wird es erst in Gesellschaft von Freunden.
So lud ich mir gestern zur Abendstunde zwei nette Freunde ein: Zum Ersten Lucy: Eine Ludwigshafener Zicke wie aus dem Bilderbuch. Wie Dr. Jeckyl und Mr. Hyde. Ich hoffte inständig, dass Dr. Jeckyl den Weg zu mir finden möge und Mr. Hyde in Ludwigshafen bliebe. Doch sie kamen beide. Zum Zweiten: El Caballero Tobi. Er fühlt sich wie spanischer Großadel, obwohl in Wirklichkeit den Slums Barcelonas entrissen. Doch unter seiner harten Schale schlägt ein weiches Herz.
Ich freute mich auf die Beiden und tat mein Bestes sie standesgemäß zu bewirten. Den Wassernapf gesäubert und mit kühlem Nass versehen, die Frolic gesondert zubereitet: Al dente für Lucy und meine Wenigkeit, leicht eingeweicht für Senor Tobi, da dieser leider nicht mehr über alle angeborenen Kauwerkzeuge verfügt. Wohl ein Relikt seiner spanischen Vergangenheit.
Es läutete an der Haustür. Die Beiden kamen zeitgleich. Doch was mussten meine treuen Hundeaugen zudem erblicken: Sie kamen nicht allein. Sie hatten ihr Herrchen und Frauchen mitgebracht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und es sollte noch schlimmer kommen: Weitere Zweifüßler trafen ein und fanden den Weg in meine Wohnung. Dies konnte kein Zufall sein. Hatte mein Frauchen es etwa gewagt meine angesetzte Dinerparty zu missbrauchen um menschliche Gäste einzuladen. Dies war nicht in meinem Sinne. Ich musste mich bei Lucy und Tobi für diesen Fauxpas entschuldigen.
Es hätte ein so schöner Hundeabend werden können.
Ich schaute mir die eingetroffen Zweifüßler an: Ich erkannte Helmut und Bella. Ich kannte beide und mein ursprünglich von Zorn abstehendes Fell legte sich langsam wieder, als ich von Bella am Hals gekrault wurde. Ich bin schließlich nicht nachtragend. Mein Blick schweifte weiter. Bärbel und Dieter. Das Rudel meiner Gäste hatte sich einfach angemaßt ihre Tiere zu begleiten. Nun denn – wenn sie schon mal hier waren wollte ich nicht unfreundlich sein und begrüßte auch sie mit Schwanzwedeln.
Doch dann kam mir das letzte Treffen dieser Herrschaften in den Sinn und ich wusste, dass ich mich heute noch schämen musste: Hier und heute hatte sich wieder die Avantgarde trinkfester Zweifüßler versammelt. Könnten die Kurpfälzerin und ihr Pfalzgraf nicht einmal Gäste einladen, welche weniger saufen als sie selbst? Wohl nicht. Nur in Gesellschaft solcher Chaoten konnten sie ihr wahres „ich“ ausleben, ohne sich schämen zu müssen.
Es kam wie kommen musste. Während meine Gäste und ich voller Anstand im Hausflur und unter Beachtung der geltenden Tischsitten unser Frolic vertilgten, nette Gespräche führten und uns mit klarem Wasser zuprosteten, tischte Frauchen im Wohnzimmer für die ungeladenen Gäste Spargel auf. Der Pfalzgraf versuchte zwischenzeitlich sehr erfolgreich seine Gäste mit alkoholischen Getränken der übelsten Sorte gefügig zu machen.
Wer war hier Mensch und wer war hier Tier? Nach wenigen Stunden vermerkten Lucy, Tobi und ich insgeheim dass wir weit mehr Anstand besaßen als die menschliche Rasse. Keiner von uns Dreien verdrehte die Augen wie Bella bei jedem Schluck Prosecco. Keiner von uns schwankte beim Gang zum Pinkeln wie Dieter, was nicht darauf zurückzuführen war, das jeder von uns 4 Füße hatte, was den torkelnden Gang zumindest erschwerte.
Vor allem nervte keiner von uns seine Freunde mit literarischen Ergüssen wie es der Pfalzgraf seinen Gästen antat und keiner von uns fiel vor Trunkenheit fast mit dem Gesicht in seinen Futternapf. Eine allseits bekannte Unsitte der Kurpfälzerin nach dem Konsum von 2-3 Flaschen des roten Weines.
Nein – wir wussten uns zu benehmen.
Und die Eßgewohnheiten dieser angeblichen Herrenrasse: Während wir unser Diner zelebrierten und uns am Essen gütlich taten bis wie gesättigt waren, stopften diese seltsamen Wesen derartige Mengen an Spargel und Schinken in sich hinein, dass ich glaubte sie bald platzen zu sehen. Dies hätte mich nicht weiter gestört, so verärgert war ich zwischenzeitlich. Doch dieser Umstand hätte meine Freunde und mich zu Waisen gemacht. Im Tierheim wollten wir nun doch nicht enden.
So taten wir das einzige was uns möglich war: Wir mussten unseren Menschen beim Vertilgen ihrer Nahrung behilflich sein. So setzten wir uns zwischen unsere Menschen und bettelten um Nahrung. Dies setzte uns in schlechtes Licht. Die gefräßigen Zweifüßler glaubten wir seien an ihrem Essen interessiert. Sie konnten nicht ahnen, dass wir lediglich auf derer Gesundheit achten wollten.
Nun – der Abend endete wie ich es befürchtete: Die Menschen waren betrunken und die Tiere wurden als verfressen und bettelnd dargestellt.
Meine nächste Dinerparty werde ich außerhalb der menschlichen Wohnräume in einem netten kleinen Hundezwinger veranstalten.