Biografien & Erinnerungen
Stadtkind - Kindheitserinnerungen Teil 11

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"Stadtkind - Kindheitserinnerungen Teil 11"
Veröffentlicht am 28. April 2010, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Stadtkind - Kindheitserinnerungen Teil 11

Stadtkind - Kindheitserinnerungen Teil 11

Beschreibung

Ich blicke zurück auf eine zauberhafte Kindheit, so behütet und so unbeschwert. Die vielen kleinen Ereignisse hatten damals für mich enorme Bedeutung und formten mich schließlich zu dem Menschen, der ich heute bin. Begleiten Sie mich auf eine Zeitreise in die 1960er Jahre und verfolgen Sie in den jeweiligen Fortsetzungen die Entwicklung des Stadtkindes.

 

In den Sommerferien 1966 sollte sich viel für unsere Familie verändern. Endlich bekamen wir eine größere Wohnung. Hier sollte ich sogar ein eigenes Zimmer haben. Das Bad mußten wir mit keinem Nachbarn teilen. Wunderbar!

Um alle Umzugsvorbereitungen in Ruhe treffen zu können, schickten mich meine Eltern zu den Verwandten aufs Land.

 Meinem Opa war als Rentner damals bereits gestattet, in die Bundesrepublik zu reisen. Dort hatte er kurz zuvor seine beiden Söhne mit ihren Familien in Bayern besucht. Sie haben mit ihm u. a. Angelausflüge unternommen, was meinen Opa so begeisterte, daß er nun auch in heimatlichen Gefilden auf Fischfang gehen wollte. Meine Tante kaufte ihm eine Angelausrüstung, die jetzt in meiner Gegenwart ausprobiert werden sollte. Ich fand die Idee prima und sah mich schon mit einem 5-kg-Hecht. Tante und Opa kannten jedoch auch meine Tierliebe. Hätte nun tatsächlich ein Fisch angebissen, würde ich es doch niemals übers Herz bringen, dieses arme Geschöpf, das ich ja jetzt gewissermaßen “persönlich” kannte, zu töten oder gar zu essen. Das hätte ein Riesenspektakel gegeben. 

 

 

Die Geschichte mit der Maus war ihnen noch in bester Erinnerung. So einen Fisch hätte man dann aber nicht so einfach “laufen” lassen können

 Obwohl sich in der Nähe ein fischreicher See befand, schickte uns die Tante zu einem kleinen Wassergraben, mitten auf einer Weide. Dort gab es garantiert keine Fische. Aber das wußte ich natürlich nicht. Bewaffnet mit Angel und Eimer zog ich mit Opa los. Am Wegesrand leuchtete plötzlich etwas orange-gelb durch das Gras. Pfifferlinge! Das größte Hobby meines Opas war Pilzesuchen. Er scheute sich nicht, dafür in Schonungen zu kriechen und kilometerlange Fußmärsche in Kauf zu nehmen. Besonders auf die kleinen, aromatischen Pfifferlinge hatte er sich spezialisiert. Damit versorgte er auch einige andere Dorfbewohner, die ihm dafür hausgeschlachtete Wurst und Speck gaben. 

 Diese Pfifferlinge durften dort keinesfalls stehenbleiben. Opa hatte es furchtbar eilig, mich zu dem Wassergraben, der etwa noch 150 m weit entfernt lag zu bringen. Ausgerechnet an die Stirnseite des ca. 1 m breiten Grabens plazierte er mich. Vielleicht wäre ja ein Plätzchen an der Breitseite günstiger gewesen? Ich machte mir keine Gedanken. Opa mußte es 

 

 

schließlich wissen.
“Wenn du was gefangen hast, rufst du mich!”
Sprach´s, drehte sich um und eilte zu seinen Pilzen.

Da saß ich nun, schaute in das schmutzige Wasser und wartete auf einen Fisch. Ein tiefes “Muuuh” riß mich aus meinen Träumen von einem Riesenfisch. Als ich mich umdrehte, standen da zwei Kühe, eine schwarz-weiß- und eine braun-weiß-gefleckte. Wo kamen die denn plötzlich her? Als ich mich hinsetzte, war weit und breit kein Tier in Sicht gewesen. Und jetzt guckten mich vier große schwarze Augen an.

“Geht weg! Laßt mich in Ruhe!”

Irgendwie mußten die meine Sprache nicht verstanden haben, denn statt das Weite zu suchen, traten sie noch einige Schritte näher. Da standen sie nun, beäugten mich neugierig, schüttelten ab und zu die Köpfe, um die lästigen Fliegen zu vertreiben, wedelten mit den Schwänzen und waren einfach riesengroß. Wollen die mich ins Wasser schubsen? Können Kühe beißen?

“Opa! Oooopaaa! Ooooopaaaaa, hilf mir doch!”

 

 

 

 

Mein Geschrei machte die beiden Tiere noch neugieriger. Sie kamen immer näher. Kein Zaun trennte mich von dem gigantischen Milchvieh. Aus sicherer Entfernung betrachtet erschienen mir Kühe immer so sanft und gemütlich. Jetzt jedoch geriet ich in Panik.

“Oooooooopaaaaaaaa!”

Ich sah ihn in der Ferne, wie er sich eifrig seinen Pilzen widmete. Opa war ein bißchen schwerhörig. Meine Tante hatte mir einmal verraten, daß Opa nur das hört, was er hören will. Wollte oder konnte er mich jetzt nicht hören? Er schaute nicht einmal in meine Richtung.

Da saß ich nun, verzweifelt, vor Angst zitternd. Vor mir das Wasser, hinter mir die beiden Monster, die sich mittlerweile auf etwa 1 m an mich herangeschlichen hatten. Wie und wohin sollte ich flüchten? Die Kühe standen bereits so nahe, daß mir ihr Geruch in die Nase stieg. Ilona, renne! Renne, wenn dir dein Leben lieb ist! Ich kratzte all meinen letzten Mut zusammen, stand blitzschnell auf, wandte mich nach rechts und lief in einem großen Bogen um die Kühe in Richtung Opa. Die beiden Tiere blickten mir verwundert 

 

 

 

und verständnislos nach. Weinend ließ ich mich in die Arme meines Opas schließen. Er hatte mich wirklich nicht gehört. Ich bin mir sicher, daß der beste und liebste Opa, den sich ein kleines Mädchen nur wünschen kann, es bei Gefahr niemals vorsätzlich im Stich gelassen hätte. Die Lust am Angeln war uns vergangen. Mit einem leeren Eimer, aber einer Tasche voller Pfifferlinge traten wir den Heimweg an. 

 ***

Fortsetzung folgt. 

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