Gedichte
Der Schein-Zwerg

 Der Schein - Zwerg

Ein ScheinZwerg spielt auf einer Wiese.

Ein Mensch, nichtsahnend, betritt diese.

Er würd das Zwerglein gern besitzen:

"Es ist zu klein, sich zu beschützen!"

"Ich will es mit nach Hause tragen,

dann brauch ich mich nicht mehr zu plagen:

Der Zwerg soll meine Arbeit tun,

ich selber kann im Sessel ruhn!"

Sprachs und hat sich schon angeschlichen,

vor Gier verzerrt sich sein Gesicht.

Das Zwerglein ist vor Schreck erblichen,

als es den Fänger jäh erblickt.

"Halt ein, ich bin nicht gute Beute,

ich bin ein ScheinZwerg - sag ich Dir.

Für klein halten mich alle Leute,

doch bin ich Riese, glaubt man mir!"

"Dann werd ich nimmer Dir nicht glauben!"

grinst er und eins, zwei, drei verschwand

das Zwerglein - schwupps - vor aller Augen

im großen Sack in seiner Hand.

Voll Eile hat ers heim getragen,

durch Sonnen- und auch Mondenschein

Das Zwerglein schien nicht zu verzagen:

Es pfiff im Sack ein Liedelein.

Im Haus des Herren angekommen,

hat er den Schnappsack ausgeleert.

Der Augenblick ist nun gekommen,

wo sich der schöne Fang bewährt.

Indess das Zwerglein gar nicht faul

- ein Lächeln stand ihm im Gesicht -

"Gefallen bin ich nicht aufs Maul,

Hör zu, ich sag Dir ein Gedicht!"

Schon fing es flugs zu reimen an,

wie staunte da der böse Mann:

die Worte purzelten in Paaren,

gereimte Verse sie ja waren!

Gebannt hört er des Zwerges Dichten,

ihm wird ganz anders - unter Schichten,

von Panzern seiner Liebesschmerzen

fühlt er das Pochen seines Herzen!

Er weint und spricht, "ich bitte Dich!"

"Vergib mir, ich erkenne mich,

nun selber in dem schönen Worte,

es führt mich schonungslos an Orte

 ...die vordem ich so ängstlich mied.

Ich werde Mensch, nur durch Dein Lied.

Als Unmensch - das erkenn ich jetzt -

hab ich Dich armen Zwerg verletzt!"

"Nun denn, da Du es hast erkannt,

wandle als ScheinZwerg durch das Land!"

Ein Knall, ein Licht, der Mensch schrumpft ein:

Fortan muss er ein ScheinZwerg sein.

Seither ist er vom Glück ergriffen,

hat fröhlich nur, ein Lied gepfiffen,

und reimend diese Welt geliebt.

Wie gut, dass es den ScheinZwerg gibt!